Im Kino

Liebe Zielgruppe

Die Filmkolumne. Von Ekkehard Knörer
13.08.2008. Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir: Manchmal sind Lehrer Aliens, erklärt uns der dänische Film "Alien Teacher" von Ole Bornedal. Krieg und Kampf dagegen im High-School-Film "The Fighters", mit dem Jeff Wadlow auf beinahe elegante Weise die Welt mit der denkbar uneleganten hybriden Vollkontaktwettkampfsport "Mixed Martial Arts" bekannt macht.

Beginnen wir mit den Hintergründen:

An den Wänden der Wohnung der Lehrerin hängt mehr oder minder abstrakte Kunst, scharf von einander abgegrenzte rechteckige Farbflächen etwa oder - siehe Bild - eine Serie von verschlungenen bräunlichen Formen vor weißem Grund schwarz umrahmt. An den Wänden der gutbürgerlichen Wohnzimmer dagegen der Kinder, die die neue Lehrerin unterrichtet, ist die Kunst figurativ. Die Eltern sitzen einmal auf der Couch und stehen um sie herum und lassen sich, die Unvernunft selbst, von ihren Kindern im Vordergrund nicht überzeugen, dass die Lehrerin ein Alien ist. Neben der Couch hängt ein Frauenakt, vielleicht Modigliani. Die figurative Kunst scheint so mit dem Alltagsverstand, der zur Enttarnung des Bösen nicht hinreicht, solidarisch. Die abstrakte Kunst aber mit der Gefahr aus dem Weltraum.

Die Kinder selbst, der Held jedenfalls, der Außenseiter Carl (Jonas Wandschneider) und sein Freund, der Computer-Nerd Phillip (Nikolaj Falkenberg-Klok), sind vor allem auf ein Foto fixiert, das Carl aus der Tasche der Lehrerin gestohlen hat und auf dem, von Zeichen in einer ganz unbekannten Schrift übermalt, die Kinder zu sehen sind: erst zwei oder drei, dann immer mehr. Auf dem Foto, das zeigt seine Entwicklung ohne irgend jemandes Zutun, ist nicht Vergangenes, sondern ist und wird Zukünftiges sichtbar. Die Fotografie ist das Medium der Unheimlichkeit in einem Film, in dem alles offen zutage liegt.


Damit zu den Vordergründen:

Vor vielen Jahren brachte Codo der Dritte aus der Sternenmitte im Sauseschritt die Liebe mit. (DÖF.) Das waren noch Zeiten. Heute dagegen schickt Bornedal - so in den Credits: ein Film von "Bornedal"; wie: ein Film von "Buck"; ein Name als Marke, die die Welt seit dem Horror-Erfolg "Nachtwache" kennt - die Aliens aus der Sternenmitte zur Erde; dort wollen sie, der Macht wegen, die das, geht das Weltallgerücht, verleiht, zu lieben lernen. Liebenswürdig ist nun die Abgesandte, die Lehrerin Ulla Harms (Paprika Steen) justament nicht. Da ist die abstrakte Kunst noch das geringste Problem. Sie kann Gedanken lesen. Sie hält gelegentlich wie erstarrt den Kopf sehr schief und dann lächelt sie maliziös. Sie macht wie eine Olympionikin Flic-flacs in der Sporthalle. Sie weiß überhaupt alles. Sie verputzt ein lebendes und ungerupftes Huhn. Sie beschimpft die Kinder, macht sich über den Überbiss des einen lustig und reitet auf dem Trauma das Helden herum, der seine Mutter bei einem Unfall verlor. Einmal formt sie einen falschen Minister aus einem Metallic-Ei. Ein andermal guckt sie sich die ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler an und stellt fest: Es gab Einstein, es gab Michelangelo - und ihr Idioten wollt Mitglieder derselben Rasse sein? (Nun ja. Es gab Eisenstein, es gab Antonioni. Und es gibt Bornedal.)

"Alien Teacher" ist ein opportunistischer Film. Er schmeißt sich ran ans adoleszente Publikum. Darum ist der Nerd ein Held und auch der hübsche Traumatisierte. Die Eltern sind nicht böse, aber doof. Und die Lehrer sind Aliens. Schlimmer ist nur der Schulpsychologe, in dessen auf keine Wahrheit zielender Karikatur der Film seine eigene Herzlosigkeit vollends offenbart. Er wird erst verarscht, dann miniaturisiert und zuletzt verspeist. Das sollen wir lustig finden. Die Deckerzählung von der Liebe, nach der die Aliens suchen, ist in mehr als einer Hinsicht ein Schmarrn. Vor allem auch deshalb, weil der Film so tut, als glaubte er augenzwinkernd an das, was er behauptet. Dabei bringt ihn seine blödsinnige Märchengeschichte, was sie halbwegs entschuldbar machte, an keiner Stelle zum Träumen. Der Film fabuliert nicht, er tut nur so. Er reiht Klischee an Klischee. Es gibt Special Effects mittlerer Güte. Deren unscheinbarster sind die Figuren, die aussehen wie Menschen. Sie sind in Wahrheit nur die Charaktermasken, hinter denen sich die blanke Spekulation aufs Eintrittsgeld einer in Zahlen ausdrückbaren Zuschauerzielgruppe verbirgt. Gründlicher lässt sich ein Publikum kaum verachten.

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Anderes Land, andere Schule, anderes Genre: "The Fighters" verbindet nicht die Themen Schule und Aliens, er kreuzt ohne jeden allegorischen Subtext den High-School- mit dem Kampfsport-Film. Viel Schul-Unterricht sieht man nicht, aber wenn, dann geht es gleich um die Ilias, also: Krieg. In der Ilias aber um den Einschluss darstellender Kunst in den Kampf, den Schild des Achill. Das Wissen zu diesem Thema hat kein anderer als der Held des Films parat, Jake Tyler (gespielt von Newcomer Sean Faris, der eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem jungen Tom Cruise hat). Er meldet sich, gerät in den Geruch des Strebers, fällt aber auch der Klassenschönheit Baja (Amber Heard) in den Blick, die wiederum die Freundin des fiesen Kampfsport-Asses Ryan (Cam Gigandet) ist. Von dieser Ausgangssituation her schreibt sich das Drehbuch ganz wie von selbst und Chris Hauty, der offiziell als sein Autor fungiert, ist derjenige, der früh den Auto-P(i)lot-Knopf gedrückt hat.

So steuert "The Fighters" auf seinen finalen Kampf als Höhepunkt zu, säumt gelegentlich am Wegesrand, um noch einen Mutter-Sohn-Konflikt, ein Vaterverlust-Trauma, eine Freundschaft zwischen Brüdern Huckepack zu nehmen. Trojanische Pferde werden nicht gesichtet. Aber es gibt ein Telos: die Ersetzung des einen Sports durch einen anderen. Am Anfang steht "American Football", am Ende "Mixed Martial Arts". Am Anfang bricht die Gewalt aus Jake heraus, am Ende ist sie bei aller Brutalität zum Duell nach Regeln domestiziert. (Das ist relativ. Außer "Augenausdrücken" scheint erstmal wenig verboten.)


"The Fighters" hat eine klare Zielgruppe: Heranwachsende männlichen Geschlechts. Ihnen will er die in den letzten Jahren erfolgreiche Sportart der "Mixed Martial Arts" (MMA) schmackhaft machen bzw. will er den bereits existierenden Fans dieses Sports ein bisschen Hollywood-Glamour schenken: Es handelt sich bei MMA um einen "hybriden Vollkontaktwettkampfsport", wie die Wikipedia erklärt. Fürs Auge des Laien, d.h. für den Filmkritiker Ihres Vertrauens, der definitiv nicht zur Zielgruppe gehört: ein wüstes Schlagen, Treten, in die Mangel nehmen, Würgen und Knochenbrechen. Das Prinzip scheint die möglichst genaue Anähnelung an einen wirklichen Kampf auf Leben und Tod - und daraus folgend: ein minimales Regelwerk, das immerhin den Abbruch der Prügelei durch zweimaliges Abklopfen des ins Hintertreffen Geratenen vorsieht.

Es mangelt den MMA entschieden an Eleganz. Sie wird auch nicht gesucht. Auf der Matte: kein Schild des Achill. Jake aber, der Held, ist dennoch ein edler Kämpfer und wird geläutert. Und zwar durch einen Ersatzvater, seinen sehr pantherartigen MMA-Trainer Jean Roqua (gespielt von Oscar-Preisträger Djimon Hounsou), der der Prügelei feste Grenzen setzt: Keine Kämpfe im richtigen Leben, so seine strenge Vorschrift. Die zuletzt erlaubte Ausnahme bestätigt beinahe noch diese Regel.

"The Fighters" ist als Werbefilm für einen üblen Kampfsport ein merkwürdiges Produkt. Einerseits ein Spekulationsobjekt mit vergleichsweise klaren Absichten, das sich an eine Modeerscheinung unter Jugendlichen dranhängt. Andererseits zieht Regisseur Jeff Wadlow die ganze Sache trotz des Malen-nach-Zahlen-Drehbuchs mit beträchtlicher Eleganz durch. Die Kamera ist in steter Bewegung, aber sie gleicht dabei einem springenden Panther eher als einem um sich tretenden Straßenkämpfer. Alle Darsteller sind verblüffend weit über dem für einen solchen Film erforderlichen Niveau. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Beteiligten einfach zeigen wollten, was sie können. Irgendwie steckt nicht nur Kampf-, sondern sogar Herzblut in diesem Film.

Alien Teacher. Dänemark 2007 - Originaltitel: Vikaren - Regie: Ole Bornedal - Darsteller: Paprika Steen, Ulrich Thomsen, Jonas Wandschneider

The Fighters. USA 2008 - Originaltitel: Never Back Down - Regie: Jeff Wadlow - Darsteller: Sean Faris, Djimon Hounsou, Amber Heard, Cam Gigandet, Evan Peters