Im Kino

Hanno & Glubschi

Die Filmkolumne. Von Ekkehard Knörer
24.12.2008. Der Kostümfilm "Buddenbrooks" sieht aus, wie ein Kostümfilm nach den Vorstellungen Heinrich Breloers auszusehen hat. Und in der Disney-Komödie "Bedtime Stories" bekommt es Adam Sandler mit den Fantasien der Kinder und einem riesenäugigen Meerschwein zu tun.

Die "Buddenbrooks" haben weniger mit Thomas Manns Roman zu tun als mit des Spielfilm-Debütanten Heinrich Breloers Vorstellung davon, wie die Verfilmung eines historisch gewordenen Romans auszusehen hat. Oder davon, wie er glaubt, dass die Phalanx seiner vom Fernsehen kommenden Produzenten und Koproduzenten glauben, dass eine Literaturverfilmung aussehen muss. Und in der Tat: So sehen die "Buddenbrooks" nun aus, eingesperrt noch nicht einmal, wie es meist die Crux beim Verfilmen von großer Literatur ist, in die Erwartungen, die das Meisterwerk schuf, sondern eingesperrt in die Erwartungen, die die Klischees des Literaturverfilmens schaffen.

Breloer tut, was er kann. Und was er konnte, war nie gut. Sein Fernseh-Doku-Fiktions-Format beruhte schon immer auf der Entproblematisierung des Dokument-Spiel-Zeugenbefragung-Fiktions-Übergangs. Er hat das Ineinander von Originalmaterial und Interviews und Nachstellung in Spielfilmszenen mit den "Manns", mit "Speer und er" zu einer Perfektion entwickelt, die nur belegt, dass man auch einen von vorneherein dummen und unproduktiven Gedanken zur Vollendung bringen kann. Das Format ist einer rasenden Darstellungs- und Bebilderungswut verdankt, die nicht weniger rasend dadurch wird, dass Breloer sie ohne jede Anstrengung ins Biedere seiner Fernseh-Ästhetik zu bändigen versteht.

Die "Buddenbrooks" sind nun das, was von Breloer übrigbleibt, wenn man ihm die Zeugen und das Originalmaterial nimmt. Er will nur nachspielen, wie er es im Fernsehen gelernt hat, das Gelernte aber mit den reichlichen Mitteln, die ihm das Fernsehen zur Verfügung stellt, so lange aufbrezeln, bis dabei eben seine Vorstellung davon, was eine Literaturverfilmung zu sein hat, herauskommt. Also gilt es nicht einmal so sehr, Figuren und Sätze wiederzufinden, die man aus dem Roman schon kennt. Es gilt viel eher, das juste milieu eines Tons, einer Welt aus Kostümen zu finden. Was heißt: den sauber künstlichen Fernsehton, dazu eine sauber steifleinenen Darstellerstil, in dem Armin Müller-Stahl (als Patriarch Jean Buddenbrook) und Iris Berben (als seine Frau) zum Beispiel geben, was sie an Müller-Stahl- und Berbenhaftigkeit haben.

Nun ist das Müller-Stahl-hafte und das Berben-hafte mit dem Kostümfilm reibungslos kompatibel. Schwieriger wird es bei Jessica Schwarz, deren Verwurzelung in der Gegenwart, deren Zeitgenossenschaft auch durch Korsett und Kostüm nicht zu unterdrücken ist. Sie ist als Tony Buddenbrook das Zentrum mindestens der ersten Hälfte des Films; all ihre unglücklichen Liebesgeschichten werden aneinandergereiht - freilich ohne Mann-typische Motivverkettungen und ohne, nur zum Beispiel, einen Blick, der von heute fiele, auf das, was damals Schicksal der Frauen war.


Breloer wagt, mit einem Wort, nichts. Er illustriert, lässt aber, in Bild und Ton, immer die Hintergründe weg, vor denen das Niedergangsgeschehen Tiefe gewänne. Die Illustration wagt kein Wort gegen das Buch, und wo Breloer einen leisen Schritt Richtung Regietheater und Gegenwartsbezug unternimmt - in der Zuspitzung auf die Weisen des Wirtschaftens nämlich, da macht das dann, so unentschieden, wie es daherkommt, keinen Sinn. Im ästhetischen Zugriff gibt es schon gar keinen Gedanken, der als analytisch, als eigenständig zu erkennen wäre. Was es gibt, ist der Versuch, dem in der Langeweile erstickten Roman kompensatorisch etwas Leben auf den Leichnam zu schminken. Darum fuhrwerkt im akribisch nachgebauten Buddenbrookshaus Gernot Rolls Kamera sinnlos herum. Wer das Spezifische des Bewegtbilds mit unsinniger Kamerabewegung verwechselt, mag das dann für genuin filmisch halten. 

Nun ist die Verfilmung großer literarischer Werke immer ein Unding, solange ihr nicht gelingen kann, was gelingen muss: vergessen zu machen, dass da ein anderes Medium, eine Vorlage war. Oder, ganz im Gegenteil: In jedem eigenen Bild und Zug und in jeder Einstellung das Original als Vor- und Gegenbild mitzudenken. Bei Heinrich Breloer ist weder das eine noch das andere der Fall. Ihm gelingt es dagegen, vor Thomas Manns Roman zugleich zuviel und zuwenig Respekt zu haben. Er sperrt sich selbst ins Gefängnis des Romans, tapeziert die Zelle mit biederen Illustrationen seiner Motive für sechzehn Millionen und ist es zufrieden. Herausgekommen sind dabei immerhin die 150 ödesten Kinominuten des Jahres. Im Fernsehen kommen dann - ecce Amphibienfilm - noch einmal dreißig dazu.

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Die beste Hollywoodkomödie des nun beinahe vergangenen Jahres war eine Adam-Sandler-Komödie (allerdings mit Zutun des Komödien-Master-Mind Judd Apatow): Der anarcho-infantile Nahost-Frisuren-Versöhnungs-Slapstick "You Don't Mess With the Zohan". Ein Kreis schließt sich nun, denn auch die mutmaßlich schlechteste Hollywoodkomödie des Jahres, "Bedtime Stories" ist wieder ein Sandler-Film. Wo Zohan sic weit ins Politische und ins Politisch-Progessive vorwagte, ist "Bedtime Stories" nun ein umso schlimmerer Rückfall in wirklich üble reaktionäre Gefilde.

Der Trailer sah nett aus. Der Trailer war überhaupt der einzige Grund, warum ich mir den Film in der letzten Pressevorführung dann ansah. Der Trailer ging so: Unbeholfener Ersatzpapa erzählt den Kindern Geschichten zum Einschlafen und die erzählen sie weiter und die Geschichten werden dann wahr. In der Geschichte regnet es Kaugummis vom Himmel und also geschieht es im richtigen Leben. Nun ist dies im Film selbst halb und halb tatsächlich so, aber umgesetzt wird es so schlecht wir nur möglich: ohne den Mut zum wirklich Fantastischen nämlich. Die Fantasie muss sich im wesentlichen in den höchst aufwendig am Rechner und in Studiobauten zusammengeschraubten Einschlafgeschichten austoben. Nur gibt es da nichts zu toben, weil die Scherze schlicht dumm sind und weil Timing und Rhythmus in den Händen des dilettantischen Regisseurs Adam Shankman überhaupt nicht stimmen.

Daneben aber, oder eher darüber, hat der Film überflüssigerweise noch einen richtigen Plot. Sandler nämlich spielt einen kleinen Mann namens Skeeter Bronson, der als Sohn eines Mannes, der ein kleines Hotel besaß, nun im großen Hotel des bösen und schwer neurotischen Mannes, der das kleine Hotel gekauft und ein riesiges, seelenloses Hotel draus gemacht hat, niedrige Dienste verrichtet. Dem zugrunde liegt Kapitalismuskritik in ihrer rechten Variante, die vor allem von der Sehnsucht nach dem Kleinen, Kuschligen und Vergangenen grundiert ist. Und der Kapitalist ist im Prinzip vernünftig, nur an Seele und Herz durch das Geld und die bösen Menschen in seiner Nähe phobisch geworden und schwer korrumpiert. Er hat auch eine Tochter, in der jedermann Paris Hilton erkennt. Die Moral, ganz klar: Menschen mit zu viel Geld werden blond und dumm und von denen, die das Herz am rechten Fleck haben wie Skeeter, halt trotzdem begehrt. (Dass sie dann was Reelleres - Keri Russell - abbekommen, versteht sich wiederum fast von selbst.)


Ausgeteilt wird auf der anderen Seite dann natürlich nach links. Gegen die Schwester (Courteney Cox), die ihre Kinder ökofaschistisch erzieht. Agent der Befreiung ist, versteht sich, Skeeter, der, als Kind im Mann, die Kinder, was nur ihn überrascht, bald bestens versteht. Es dauert nicht lang, da sehen sie trotz Verbot fern. Es dauert kaum länger, da essen sie doch tatsächlich Burger. Dazwischen geht es nach Rom und in die Zukunft und ins Mittelalter und wer da an Terry Gilliams "Time Bandits" denkt, liegt falsch. Dessen liberaler Bild- und Zeitpolitik der offenen Türen stellt "Bedtime Stories" durchweg und geradezu Punkt für Punkt reaktionär-konservative Ideologeme entgegen. 

Wäre alles halb so schlimm, wäre das ganze nicht auch als Komödie restlos missglückt. Nichts, was der Trailer verspricht (Witz, Fantasie, zu Herzen Gehendes), hält der Film. Viele Kinder waren in der Pressevorführung. Einzig, wenn Glubschi, das Meerschwein mit den riesigen Augen auftauchte, haben sie gelacht. Sonst waren alle, die Erwachsenen und ihre Kinder, erschreckend still. Dringender Rat an alle Familien: Versauen Sie sich nicht das Fest! Meiden Sie diese Gurke! Und wählen Sie die Alternative: Der schwedische Vampirfilm mit Kindern "So finster die Nacht", den ich leider verpasst habe, soll nach übereinstimmenden Berichten der Kollegen ganz fabelhaft sein.

Buddenbrooks. Deutschland 2008 - Regie: Heinrich Breloer - Darsteller: Armin Mueller-Stahl, Jessica Schwarz, August Diehl, Mark Waschke, Iris Berben, Lea Bosco, Raban Bieling, Justus von Dohnanyi

Bedtime Stories. USA 2008 - Regie: Adam Shankman - Darsteller: Adam Sandler, Courteney Cox, Keri Russell, Guy Pearce, Russell Brand, Jonathan Morgan Heit, Annalise Basso, Teresa Palmer, Lucy Lawless