Im Kino

Um die Ecke falten

Die Filmkolumne. Von Lukas Foerster, Ekkehard Knörer
16.03.2011. Drei Männer ohne Namen schlagen sich in George Tillman Jr.s "Faster" durch einen Berg von B-Movie-Klischees: mit sehr eindrücklichem Resultat. In der Michael-Bay-Produktion "I Am Number Four" verrührt DJ Caruso Highschoolfilm- und Fantasyelement in der Hoffnung auf Fortsetzbarkeit miteinander.


Drei Männer ohne Namen: Der Killer, der Cop, der Driver. Der Killer spricht ausgeprägt Britisch und lässt als Meister des Yoga dessen Übungen in atemberaubenden Kopfstandverrenkungen hinter sich. Der Cop ist ein runtergekommener Mann, der kurz vor dem Ruhestand diesen letzten Job mit großem Eifer angeht. Der Driver war ein Bankraub-Fluchtfahrer, wurde verraten, kommt jetzt aus dem Knast, ist ein Muskelberg mit wenig Drang zum sprachlichen Ausdruck, dafür eine umso effizientere, wenngleich nicht ganz hemmungsfreie Tötungsmaschine.

Die drei bekommen es miteinander zu tun. Sie schultern dabei ganze Jahrgänge an B-Movie-Klischee-Produktion. Lässig und steinern und stolz trägt sie als menschlicher Fels Dwayne "The Rock" Johnson. Ins zerfurchte Bartstoppelgesicht von Billy Bob Thornton steht das Wissen ums hundertmal Dagewesene seiner Figur deutlich geschrieben und ziert den Mann doch. Und Oliver Jackson-Cohen zieht seinen liebeswütigen Luxusmordjüngling mit großer Lust genau dahin, wohin er gehört: ins Lächerliche, und mit Gusto.

"Faster" ist als Film nicht sonderlich schnell, wer darin rast, sind die Autos. Deren Fahrten mit Tempo fängt die Kamera variantenreich ein. Überhaupt ist Regisseur George Tillman Jr. (einer der wenigen Afroamerikaner im gehobenen Hollywood-Business) mit seinem Kameramann Michael Grady selten um einen Einfall verlegen, was Kamerapositionen betrifft. Zwischen der Froschperspektive und dem Vonobendrauf-Gottesblick liegt nicht mehr als ein Schnitt. Gehäckselt wie in Michael-Bay-inspirierten Blockbustern neueren Datums, siehe mehr dazu unten, wird dafür gar nicht. Eile mit Weile ist das unausgesprochene Motto. Mit anderen Worten: Das Ding hier ist retro, mit Absicht.



Der Vorwurf, was in "Faster" erzählt werde, sei nur zu vertraut, geht darum eher ins Leere. Natürlich ist Walter Hills "Driver" ein Vorbild und wird in slicker Manier zitiert. Vermutlich hat das Autorenbrüderpaar Tony und Joe Gayton sogar James Sallis' nicht ganz unähnlichen Noir-Hammer "Drive" gelesen, dessen offizielle Verfilmung soeben von Nicolas Winding Refn abgedreht worden ist. Been there, done that, also da capo. Genrefilme produzieren heißt: nochmal machen, Bekanntes variieren, hier eine Schraube ins Irrwitzige drehen, da die Klischees in origineller Manier um die Ecke falten, dort einen Mann, der ein Fels ist, in Richtung Mythos am See vor der Sonne platzieren.

All das gelingt George Tillman mehr als nur kompetent. Es kommt glücklich dazu: Komponist Clint Mansell, zuletzt auch bei Aronofskys "Black Swan" zugange, fällt zu den quietschenden Reifen und den röhrenden Motoren Pulstreibendes ein. Tom Berenger, den alten Haudegen, sieht man als Gefängnisboss in einem Kurzauftritt gern. Von "Dexter" grüßt dessen Schwesterdarstellerin Jennifer Carpenter freundlich herüber. In "Faster" passt alles, wackelt nicht und hat Luft. Wie angegossen sitzt dann noch der obligatorische Schlusstwist. Wer sich ins vielfach abgeerntete Genrefeld wagt, braucht eine abgeklärte Haltung zum Abgedroschenen seines Tuns. Die besitzt dieser Film. Mehr noch: "Faster" hat Stil. Und kommt damit weit.

Ekkehard Knörer


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"I don't want to be original, I want to be invisible" sagt Timothy Oliphant an einer Stelle in "I am Number Four". Den ersten Teil des Satzes darf man getrost als Selbstbeschreibung des gesamten Films nehmen, den zweiten zumindest insoweit, wie Regisseur D.J. Caruso und seine Crew alles daranzusetzen scheinen, ihren widerhakenfreien Genremix aus High-School-Jugendfilm und Science-Fiction-Special-Effects-Spektakel möglichst rückstandslos im kollektiven Bildergedächtnis zu versenken.

Produziert hat Michael Bay, dementsprechend hochglanzpoliert-orangeleuchtend sehen die Bilder aus. Den Vertrieb übernimmt Disney, dementsprechend brav und keusch ordnen sich die zwischenmenschlichen Beziehungen zu Quasifamilien inklusive am Ende sogar einem Hund. Vorlage ist ein slicker Fantasy-Jugendroman, dessen Filmrechte bereits vor der Veröffentlichung verkauft worden waren. In der Hauptrolle, wie frisch der Jeansreklame entsprungen: Alex Pettyfer (demnächst auch in der vermutlich interessanteren "Beauty & the Beast"-Variante "Beastly" mit dabei), ein blonder Jüngling ohne eine Spur gelebten Lebens im Gesicht. Mehr Mainstream geht kaum.

Selbst in der mittigsten Mitte des Mainstreams freilich gibt man sich beim Entwurf eines Science-Fiction-Szenarios gewöhnlich etwas mehr Mühe. In "I am Number Four" findet keinerlei ernsthaftes "world building" statt, alles bleibt unbegründete Behauptung. Oliphant und Pettyfer sind Henri und John, zwei Aliens mit menschlichen Gesichtszügen von einem Planeten namens Mogador die sich als Vater und Sohn ausgeben. Gejagt werden sie von anderen Aliens mit etwas weniger menschlichen Gesichtszügen. Die Mogadorianer sind durchnumeriert und haben übersinnliche Fähigkeiten, außerdem führen sie, das ist das interessanteste, leider nur sehr ungenau ausgeführte Element ihrer Existenz, einen Kampf gegen die eigene Sichtbarkeit. Der von deutschen Innenministern herbeigewünschte "digitale Radiergummi" ist in "I am Number Four" realisiert, Henri durchforstet regelmäßig Youtube und Facebook nach visuellen Spuren seiner und Johns Taten. Johns love interest, das führt den angedeuteten und schnell ins Leere laufenden Mediendiskurs noch ein wenig weiter, schießt am laufenden Band analoge Fotos, deren Materialität in der komplett durchdigitalisierten Welt von Bay / Caruso einen Moment der Irritation darstellt.



Wie schon Carusos "Rear Window"-Variante "Disturbia" funktioniert auch "I am Number Four" solange noch ganz ordentlich, wie der Film sich mit John in der High-School-Welt bewegt. Das Kino hat sich die amerikanische Schule zu eigen gemacht wie kaum ein anderes Sujet, mitsamt feststehender Ikonografie, einem breit angelegten Figurenkosmos und prinzipiell endlos variierbaren Standardsituationen. "I Am Number Four" dekliniert die wichtigsten Elemente souverän durch: Nerds und Jocks, Reibereien neben den Schließfächern im Gang, schüchterne Annäherungsversuche auf dem Schulhof, schließlich eine Party, auf der es freilich genauso PG-13-gesittet zugeht, wie auch sonst überall im Film.

Bald taucht auch Sarah auf, das erwähnte love interest; gespielt wird Sarah von Dianna Agron, die in der schönen Teenie-High-School-Serie "Glee" auf interessante Weise eine Cheerleaderin spielt, hier aber nur ein klein wenig verwegen unter ihrem Kapuzenpulli hervorschauen darf. Aber immerhin so verwegen, dass sie eine kleine Differenz zu den Jocks markieren kann, die hinter ihr her sind und aus dieser Differenz entwickelt sich eine Kleinstadtromanze, die Pettyfer und Agron unter anderem in einen "Haunted Hayride" führt, wo ihnen von Zombies mit Mistgabeln und traktorfahrenden Geistern heimgeleuchtet wird.

An solchen Stellen wird gelegentlich ein im Grunde nicht unsympathisches Provinz-Coming-of-Age-Drama sichtbar, dem freilich stets schnell der selbst im naheliegenden Vergleich mit den "Twilight"-Filmen erschreckend lieblos zusammengehauene Fantasyquatsch dazwischenfunkt. Und spätestens, wenn der gut zwanzigminütige, effektüberladene, hoffnungslos inkohärente Showdown beginnt, verliert auch der wohlwollendste Rezensent die Geduld. Am Ende winkt ein Sequel mit dem Zaunpfahl, angesichts der bescheidenen Einspielergebnisse in den USA wahrscheinlich - und hoffentlich - vergeblich.

Lukas Foerster

Faster. USA 2010 - Regie: George Tillman Jr. - Darsteller: Dwayne Johnson, Billy Bob Thornton, Oliver Jackson-Cohen, Maggie Grace, Moon Bloodgood, Carla Gugino, Jennifer Carpenter, Tom Berenger, Michael Irby

I Am Number Four. USA 2011 - Originaltitel: I Am Number Four - Regie: D.J. Caruso - Darsteller: Alex Pettyfer, Dianna Agron, Teresa Palmer, Timothy Olyphant, Callan McAuliffe, Kevin Durand, Jake Abel, Jeff Hochendoner, Beau Mirchoff, Brian Howe