Im Kino

Matsch Point

Die Filmkolumne. Von Thomas Groh, Ekkehard Knörer
25.08.2011. Hollywood bittet zu Tisch: "Cowboys & Aliens" hält immerhin, was der Titel verspricht und hat mit Daniel Craig und Harrison Ford Stars zu bieten. Aus gutem und fatalem Grund anonym dagegen das Kanonenfuttermaterial im nun schon fünften Teil der mit Konsequenz beeindruckenden Horrorserie "Final Destination", in der man dem Tod nicht auf Dauer entkommt.


"Cowboys and Aliens", ein Titel von entwaffnender, programmatischer Ehrlichkeit immerhin: Da weiß man, was man kriegt. Neu sind solche Bündnisse im Western über Genregrenzen hinweg zwar nicht, aber doch selten: In den 60ern traf Jesse James Frankensteins Tochter, in den 70ern gab's Kung Fu aus Hongkong im Western italienischer Provenienz.

Nun also Aliens. Bis die auftauchen - dem Titel entsprechend vornehmlich in der zweiten Filmhälfte - folgt "Cowboys and Aliens" weitgehend dem Westernklischee vom Fremden (Daniel Craig), der neu in eine Stadt kommt (mit dem Detail allerdings, dass er am linken Handgelenk eine Alienmanschette trägt und überdies an profunder Amnesie leidet - beides ihm natürlich selbst ein Rätsel). Und dort gibt's Ärger: Der Sohn (Paul Dano) des drakonischen Großfarmers Dolarhyde (Harrison Ford) spielt, sich seiner Unantastbarkeit sicher, gerne mit dem Revolver vor anderen Leuten. Der Fremde interveniert, als der Sohn sich besonders aufspielt - und zieht damit den Groll des Farmers auf sich, der, wie es kommen muss, mit dem Fremden ohnedies noch ein Hühnchen zu rupfen hat.

Das entspricht weitgehend Westernstandard, ist immerhin schön eingerichtet, aber auch ein bisschen behäbig erzählt. Das erwünschte Maß hysterischer B-Movie-Wahnsinn, das der Titel in Aussicht stellt, will sich indes auch mit der Ankunft der Aliens, die reichlich Pearl-Harbor-esque über das Westernkaff herfallen und dabei noch diverse Leute, darunter Dolarhydes Sohn, entführen, nicht recht einstellen.

Es folgt eine Geschichte hoch zu Ross und querfeldein, wie der namenlose Fremde und Dolarhyde, ja überhaupt der abgebildete soziale Mikrokosmos und dieser wiederum mit den Indianern, also schlussendlich alle miteinander so irgendwie ins Reine kommen. Es wird also geritten, geredet, dann wieder geritten und noch mehr geredet, gelegentlich schießt mal ein Alien in die Diskussionsrunde. Gerade erst vergangenes Wochenende hat Dominik Graf mit seinem neuen "Polizeiruf" vorgemacht, wie heute dynamisches, rasantes, aufregend davongaloppierendes Erzählen geht - dass nun ausgerechnet ein Blockbuster einfallslosestem Rakontieren verfällt, ist vielleicht das kurioseste, was es von "Cowboys and Aliens" zu berichten gibt.



Wenn schon nicht sehenswert, so doch als Symptom interessant ist immerhin der Showdown, in dem einem die ikonografischen Zeichenpartikel der Medienberichterstattung vom 11. September als monströs rekonfiguriertes Echo um die Ohren fliegen: Wolkenkratzerartig ragt die Hauptzentrale der Aliens aus dem Wüstensand, durch eine Öffnung im oberen Viertel fliegen ihre Kampfraumschiffe ein und aus. Mit Lowtech und Guerillatechnik soll nun gerade diese Öffnung zur Explosion gebracht werden. Die Wagenburgschlacht unter verdrehtem Vorzeichen gelingt: Der Turm der Aliens, nicht der eigene knapp 120 Jahre später, geht in Flammen auf.

Eine zu zersplittern drohende Gesellschaft findet sich wieder auf erstarktem Fundament, die letzten Bilder: National versöhnte Seligkeit vor Kulisse eines Westerns, der amerikanischen Mythenmaschine schlechthin. Eine verdrehende Form der Traumabewältigung, die nicht gänzlich unbekannt ist: Bereits in den 80ern wurden Stallone, Chuck Norris und Schwarzenegger zum Gutteil zu Vietkongs, um den Vietnamkrieg im Nachhinein auf der Leinwand zu gewinnen.

Thomas Groh

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Hallo, ich bin's wieder, euer Tod. Ihr kennt das Spiel, das ist Teil fünf und deshalb schon wieder so jenseits von Meta & Post, dass sich ganz am Ende noch eine Schleife in Richtung "Final Destination", Teil eins, drehen lässt. Ansonsten wie üblich: Am Anfang, als Vorspiel und böser Traum, Kladderadatsch mit übel zermatschten, durchbohrten, auf Pontons und anderswohin knallenden Körpern. Beziehungsweise vorher schon, der Vorspann, in den fließt in der Serie immer besonders viel Liebe, der fetzt als 3D-Glassplittergewitter ziemlich ungemütlich ins Betrachtergesicht. Das Auftaktgemetzel ist eine mit viel CGI und Liebe zum knackenden, krachenden, brutal bröselnden Detail zu Bruch gehende Riesenbrücke über Wasser und Abgrund. Vor sicherem Tod rettet ein junger Mann - Namen tun wenig zur Sache, Persönlichkeiten gehen übers Kanonenfutterminimum kaum hinaus - seine Arbeitskollegen, wie gehabt durch Vorabvision. Das Prinzip der Serie: die dergestalt von der Schippe Gesprungenen müssen auf die Schippe zurück. Der Rest des Films ist dann Todesarten-Pornografie.

Wie in anderen Pornos auch muss man durch die erzählenden Passagen, oder wie in der Oper durchs Rezitativ, mit Geduld und Vorfreude irgendwie durch. Blöd sind die Dialoge, stupid ist der Plot. Irgendwelche Liebesgeschichten, flach, stumpf, generisch. Vielleicht muss das so sein, der Abwechslung halber. Zwischendurch nämlich wird es scharf, schrill und spitz, nicht wie Lumpi, sondern wie zum Beispiel Akupunkturfolter mit anschließendem Matschkopf. Auch sonst wird dieses und jenes durchbohrt. Die Höhepunkt-Szenen, auf die es hier ankommt, kriegt Regisseur Steven Quale (James Camerons langjähriger Special-Effects-Mann), muss man zugeben, recht gut hin. Wieder und wieder werden dem Zuschauer die Instrumente gezeigt. Vielmehr: mögliche ziel-, nämlich zum Tod führende Soll- und Kannbruchstellen in zu Schauplätzen des Zerbrechens liebevoll arrangierten Örtlichkeiten. Eine Turnhalle etwa oder der Massagesalon. Schrauben, die locker sind, werden als visuelle Appetithäppchen gereicht, der Thrill liegt im Aufschub und darin, dass man nicht im vorhinein weiß, wie und wo dann was bricht und wie es zum Exitus der und des Betroffenen führt.



Pornografie-analog ist "Final Destination" also nicht nur im Wechsel zwischen den Passagen des schlecht geschriebenen Faden und denen virtuos inszenierter hoher Erregung, sondern auch in der Steigerungsstruktur der Höhepunktszenen. Dramaturgisch ist die Erzählung im wesentlichen von Überraschungen frei. Der Abzählreim gibt die Struktur, Final Girls und Final Boys im ganz engen Sinn - nämlich als Überlebende - findet man nicht, der Tod ist insofern ganz realistisch und im bewussten Strich gegen die üblichen Hollywood-Happyend-Anmutungen gezeichnet. Man weiß immer schon, was jetzt kommt. Schiere Lust der Minimalvariation in der Wiederholung.

Zur Direktheit des Ansinnens gesellt sich das Explizite der Körperzerstörung. Anders als im Torture-Porn spielen Empathie, Leid und Schmerz keine Rolle. Körper sind wie ja auch die durchweg unbekannten und sehr mittelbegabten DarstellerInnen nur Material. Schon bei ihrem ersten Auftritt im Bild steht den Figuren auf die Stirn geschrieben, was ihnen bald blüht: von diesem Stempel mit bald ablaufendem Haltbarkeitsdatum können sie sich zu Individuen, zu Charakteren einer Erzählung niemals befreien, und sie sollen es nicht. In gewisser Weise sind sie (um den wirklich genialen Vorspann von Folge vier zu zitieren) nie als Menschen aus Fleisch und Blut, sondern als Röntgenbild ihrer selbst unterwegs, in dem man den Vorschein der Zerstörung schon ahnt. Die finale Destination von Film, von Figuren, von Erzählung ist dann in aller Einfachheit nur der Matsch. Von Matsch Point zu Matsch Point geht es voran. Und warte nur, balde. Matschest auch du.

Ekkehard Knörer

Cowboys & Aliens. USA 2011 - Originaltitel: Cowboys and Aliens - Regie: Jon Favreau - Darsteller: Daniel Craig, Olivia Wilde, Harrison Ford, Clancy Brown, Noah Ringer, Sam Rockwell, Paul Dano, Walton Goggins, Ana de la Reguera

Final Destination 5. USA 2011 - Regie: Steven Quale - Darsteller: Nicholas D'Agosto, Emma Bell, Miles Fisher, Arlen Escarpeta, Jacqueline MacInnes-Wood, P.J. Byrne