Im Kino

Kleiner Streber Max

Die Filmkolumne. Von Lukas Foerster, Thomas Groh
02.11.2011. Brett Ratner gelingt in "Aushilfsgangster" mit den Mitteln des populären Genrefilms eine Verdichtung der aktuellen Finanzkrise. Shawn Levy bremst dagegen in "Real Steel" seine Kampfroboter mit einem der nervigsten Filmkinder der letzten Jahre aus.


Benjamin Franklin füllt die Leinwand. Die Kamera fährt zurück, bis der Hundertdollarschein mit dem Konterfei des amerikanischen Gründungsvaters im gesamten Leinwand füllt. Doch damit nicht genug, je weiter sich die Kamera vom Gegenstand entfernt, umso klarer wird: Das Geld ist kein Geld, sondern der Grund eines Swimming Pools, der sich seinerseits - die Kamera fährt immer weiter - auf dem Dach eines Hochhauses befindet, mitten in der City von New York, umringt, wie die Kamera am Ende ihrer langen Fahrt in der Totalen einer urbanen Postkarte zeigt, von zahllosen weiteren solcher Hochhäuser, auf denen Reichtum womöglich ähnlich dekadent zur Schau gestellt wird.

Nicht nur der Fetisch Geld wird hier verhandelt, sondern auch der obsolete Charakter der einzelnen Banknote, zumal im Wert von läppischen 100 Dollar, im Zeitalter des computergestützten Super-Kapitalismus, in dem Millionen- und Milliardenbeträge als elektronisches Signal in Sekundenbruchteilen um den Globus jagen: Bargeld, eine nostalgische Referenz an frühere Zeiten. Und obwohl es in "Aushilfsgangster" unentwegt um Geld geht, wird es wohl kein Zufall sein, dass es in seiner konkretesten Manifestation, dem Bargeld, gar nicht mehr auftaucht.

Das Hochhaus, um das es geht, ist ein prunkvolles Wohlstandsgetto, ein Wohnhaus für Superreiche, deren Komfort eine wahre Armada sozial Prekarisierter besorgt: Eine atemberaubend rasante Exposition, die die jeweiligen Enden des Wohlstandsgefälles durch exakte Montage und "Walk and Talk"-Kamerafahrten auf einem sich zusehends zusammenschnürenden Raum verdichtet, macht schlussendlich deutlich, dass sich zwischen Goldpalast und den Hinterzimmern des Neoliberalismus oft nur eine Tür befindet, die zu durchschreiten aber ein Privileg bleibt. Etwa für Josh Kovacs (Ben Stiller), der als zwar gestrenger Teamchef der Arbeitskohorte nicht nur ein Herz aus Gold hat, sondern auch ein beeindruckendes Gedächtnis für dei Wünsche, Sorgen und Vorlieben seiner Kunden parat. Von seinem vollgeräumt schmucklosen Zuhause aus (in dem die Träume der Mittelklasse auf etwas häusliches Glück schon längst von Bügelbrett und aufgehängter Wäsche verdeckt werden) spielt er über das Internet mit seinem reichsten Kunden, dem Penthouse- und Hundert-Dollar-Swimming-Pool-Besitzer Arthur Shaw (Alan Alda, einmal mehr als beeindruckend schmieriges Aas), Schach. Es ist eine Art freundschaftlicher Nähe, die auf der strikten räumlichen Trennung der Sphären zwischen absteigender Mittelschicht und Kapital akkumulierender Oberschicht beruht.



Doch Shaw hat es, allen demonstrativen Fraternisierungsritualen mit dem Personal und jovial-entspannten Gesten zum Trotz, in sich: Wie sich bald weist, verschleppt der Finanzjongleur seit Monaten eine katastrophale Insolvenz, in die zu allem Unglück auch die Altersvorsorge des Personals eingeht, die Kovacs - ohne deren Wissen, aber nur mit besten Absichten - Shaw anvertraut hat. Als sich abzeichnet, dass Shaw mit rechtlichen Mitteln kaum mehr beizukommen ist und überdies ein dickes Millionenpaket in der Bilanz schlicht und ergreifend fehlt, verbrüdert sich Kovacs mit einem für einen Einbruch recht unwahrscheinlichem Team von Kollegen und anderen Finanzkrisenverlierern, darunter Kovacs' schwerkriminellem Nachbar Slide (Eddie Murphy), um sich in Shaws Penthouse-Festung auf eigene Faust nach dem Verbleib der Millionenpakete umzusehen.

"Aushilfsgangster" ist in der ersten Hälfte am stärksten und zeigt, wie präzise das amerikanische Kino immer noch Zeitgeschehen ins Bild setzen kann. Der Film beginnt als räumliche und figurative Verdichtung der Finanzkrise so konzentriert und ökonomisch wie einige der Qualitätsfernsehserien der letzten Jahre, nur um sein Potenzial dann doch nicht auszuschöpfen, wenn der Film zur von Plot- und Logiklöchern durchsetzten Komödie im Heist-Movie-Gewand ausfranst (die, das soll nicht unerwähnt bleiben, überdies zu einem eigentümlichen Rassismus neigt). Die Promokampagne zum Film scheint es indessen genau anders herum zu sehen: Hier werden vor allem Jux und Dollerei beim unwahrscheinlichen Bruch in den Wohlstandskäfig betont, Hinweise auf die brisante Bildpolitik der ersten Spielfilmhälfte fehlen fast schon auffällig.



Dennoch hoch anrechnen muss man diesem sonderbar zweigeteilten Film, dass er den massenhaften Verlierern der Finanzkrise ein Gesicht verleiht: Ganz buchstäblich geschieht dies im Fall des gutmütigen Türöffners Lester (Stephen Henderson), der ein bisschen wie das Echo seines Kollegen aus Murnaus "Der letzte Mann" wirkt: Kurz vor seiner Pensionierung steht Lester, der seine gesamten Ersparnisse Shaw anvertraut hat, vor dem Elend umfassender Altersarmut. In einer zentralen, melodramatischen Szene des Films sehen wir Lester auf dem Nachhauseweg im U-Bahnhof: Die Kamera ruht für einen Hollywoodfilm ein oder zwei Herzschläge zu lang auf seinem Gesicht, in dem Freundlichkeit einer hoffnungslosen Ausdruckslosigkeit gewichen ist. Die U-Bahn fährt ein, Lester tritt direkt ans Gleisbett - den letzten Schritt erspart einem der Schnitt. Ein sicher leicht ins Kitschige spielender Moment, der einem aber schlagartig ins Gedächtnis ruft, dass hinter den Zahlenkolonnen, die man in den letzten Jahren zur Finanzkrise lesen konnte, Einzelschicksale verschwinden.

Thomas Groh

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In der - eine solche behauptet der Film zumindest, eine echte Differenz zur Gegenwart markiert er jenseits seiner zentralen Prämisse nicht: - Zukunft wird der Boxsport mechanisiert sein, statt Menschen schlagen sich spezialisierte Roboter gegenseitig die metallenen Köpfe ein. Die Roboter heißen Ambush, Black Thunder oder Noisy Boy, sind locker drei Meter groß und sehen teilweise tatsächlich ziemlich toll aus. Leider geht es im Film vornehmlich um Menschen.

Charlie Kenton (Hugh Jackman) war selbst einmal Boxer, jetzt tingelt er mit einigen wenigen Prügelrobotern durch die Provinz und nimmt weitgehend erfolglos an niederklassigen Kampfspektakeln teil - die zugehörige White-Trash-Provinz-Atmosphäre ist, das muss man dem Film lassen, verhältnismäßig gut getroffen. Sein Schicksal wendet sich erst, als das Drehbuch ihm eines der nervigsten Filmkinder der letzten Jahre zur Seite stellt, nämlich Max (Dakota Goyo), seinen Sohn, den Kenton zunächst nur widerwillig (und sogar: nur gegen Geld) bei sich aufnimmt, den er aber natürlich schnell liebgewinnt. Max gräbt auf einem Schrottplatz Atom aus, den langweiligsten Roboter des Films und quengelt so lange, bis sein Vater diesen in den Boxstall aufnimmt. Kentons vorerst nur professionelle Partnerin Bailey (fürchterlich unterfordert: Evangeline Lilly, bekannt aus "Lost") komplettiert die Ersatzfamilie.



Atom ist, wie gesagt, der langweiligste Roboter im Film. Dass von Atom nichts Gutes zu erwarten ist, sieht man ihm am Gesicht an; genauer gesagt am ins Gesicht geschweißten freundlich-debilen Grinsen. Anstatt sich als nach rationalen Kriterien konstruierte Maschine dem unperfekten Menschen und damit dem evolutionären Prinzip entgegen zu stellen, schmiegt er sich an ihn an; Atom ist ein Sparringsroboter, der selbst kaum Power hat und statt dessen die Bewegungen seines Gegenübers "spiegelt". Und so kommt die eigentlich schon überwundene Physis wieder zu ihrem Recht: Kenton darf seinen mechanischen Kameraden trainieren und zur doch wieder anthropomorphen Kampfmaschine formen (die es dann in diesem plump chauvinistischen Film mit allerlei asiatischen Superbots aufnimmt; wenn der Film diagnostischen Wert hat, dann höchstens als Gradmesser für die amerikanische Angst vor dem eigenen Bedeutungsverlust angesichts der chinesischen Wirtschaftsmacht).

Im ausrangierten Roboter Atom mit "humanen" Schaltkreisen sieht sich dann wiederum der ausrangierte Boxer mit Herz Kenton gespiegelt, kann seinen Zynismus überwinden und zum funktionierenden Subjekt einer Erfolgsstory werden (von der er glauben muss, es sei seine ureigene; der Film lässt ihm keine Wahl und keinen Zweifel). Eine doppelte, symmetrische Erlösung, die sich freilich nicht halb so erstickend anfühlen würde, würde ihr nicht ausgerechnet der kleine Streber Max, dieses Kind gewordene kleinbürgerliche Ideologem, als Katalysator dienen.



Produziert hat Steven Spielberg, der auch nach dreimal "Transformers" anscheinend noch nicht genug hat von Kampfroboterfilmen und nun die "E.T."-Variante ausprobiert. Diesmal ist sein Erfüllungsgehilfe nicht der ja immerhin, mag man sonst von ihm halten, was man möchte, eigensinnige Michael Bay, sondern Shawn Levy, der sich bislang eher als Spezialist für uninspirierte Mainstreamkomödien einen Namen machte; zuletzt gelang ihm in "Date Night" das Kunststück, sowohl Steve Carell als auch Tina Fey jeglichen Esprit auszutreiben. Ganz so schlimm wie dieser Vorgänger ist "Real Steel" nun zwar nicht geworden, der Film läuft halbwegs rund, in absolut vorhersehbaren Bahnen. Dem Schematismus des Drehbuchs hat Levys völlig unpersönliche Regie freilich nicht das geringste entgegen zu setzen, nicht einmal ein Farbschema, das nach mehr aussehen würde als nach "Disney Club".

Lukas Foerster

Aushilfsgangster - USA 2011 - Originaltitel: Tower Heist -Regie: Brett Ratner - Darsteller: Ben Stiller, Eddie Murphy, Matthew Broderick, Casey Affleck, Tea Leoni, Michael Peña, Alan Alda, Gabourey Sidibe, Judd Hirsch, Juan Carlos Hernandez, Marcia Jean Kurtz, Danielle McKee

Real Steel - USA 2011 - Regie: Shawn Levy - Darsteller:Hugh Jackman, Dakota Goyo, Evangeline Lilly, Anthony Mackie, Kevin Durand, Hope Davis, Phil LaMarr, James Rebhorn, Karl Yune, Olga Fonda, David Alan Basche, Jahnel Curfman - Länge: 126 min.