Im Kino

Auf unsere großen Leiden!

Die Filmkolumne. Von Lukas Foerster, Sebastian Markt
03.05.2018. Rechts in die Marxstraße, zum abgebrannten Haus: Sergei Loznitsa setzt mit "Die Sanfte" sein Projekt der Kartografierung europäischer Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts auf beeindruckende, aber auch ambivalente Weise fort. Shinsuke Satos "Death Note: Light Up the New World" konstruiert eine raffinierte Menschenvernichtungsmaschine.



Sie blickt, meist stoisch, auf die Vorgänge, deren Gegenstand sie öfter ist, als deren Handlungsträgerin, sie spricht, meist in einem Ton resignierter Müdigkeit, mit den Menschen, deren Weg sie kreuzt, sie geht, meist unbeirrbar, auf eben jenen Wegen, die ihr eröffnet werden, auf die sie hingeführt wird. Sie ist die Sanfte, auch wenn Sanftheit nicht unbedingt die vorstechenste Qualität ist, die man ihr zuschreiben würde, sie ist die Titelheldin von Sergei Loznitsas drittem Spielfilm, der wiederum in einem sehr losen Bezug zu einer Novelle Dostojewskis steht, von der er den Titel geliehen hat. Loznitsas Sanfte bleibt ohne Namen und ihre Geschichte geht in etwa so:

Eine Frau Anfang Vierzig lebt am Rand eines russischen Dorfes und erhält eines Tages von der Post ein Paket, das sie ihrem Mann ins Gefängnis geschickt hat, als unzustellbar zurück. Auf dem Postamt versucht sie in Erfahrung zu bringen, was der Grund für die Nichtübergabe sein könnte, aber eine Auskunft erhält sie nicht. Also beginnt sie eine Reise zur weit entfernten Gefängnisstadt, um zu versuchen, das Paket selbst zu überbringen, an einen Mann, von dem sie einmal sagen wird, dass er wegen Mordes verurteilt wurde. Und auf die Frage, was er getan habe, wird sie antworten: Nichts. Sie wird kontrolliert und drangsaliert, begegnet anderen Reisenden, mit ähnlichen Zielen und anderen Geschichten, oder umgekehrt, wendet sich, immer wieder, an Diener*innen des Staates, Interaktionen, die wenig über den Verbleib ihres Mannes erzählen, aber viel darüber, was es heißt, einer Herrschaft ausgesetzt zu sein. Sie scheitert am Gefängnis, scheitert an der Polizei, scheitert, wenn ihr Rat erbeten wird, irrt durch Kneipen und Bordelle und sucht Hilfe bei einer Menschenrechtsaktivistin, die selber kaum noch an die Möglichkeit von Hilfe glaubt.

Die russische Theaterschauspielerin Vasilina Makovtseva spielt diese Figur in ihrer ersten Kinorolle mit einer opaken, distanzierten Intensität, die kein Licht nach innen wirft, keine Person aus Fleisch und Blut evozieren möchte, nicht ihr Menschliches, sondern gerade ihr Figurenhaftes zu betonen scheint. Der Widerstand, den sie dem unmenschlichen System entgegensetzt, das der Film Szene um Szene umreißt, findet kaum zu einer politischen Artikulation. Abgesehen von einer einzigen, tatsächlich sanften Geste des Widersetzens, strahlt sie Widerstand in einem fast physikalischen Sinn aus, eine Trägheit, ein Hindernis im unerbittlichen Fluss der Dinge, in den sie geworfen ist, sie verzögert und retardiert, zieht der Maschinerie für einen Moment Energie ab und bringt dadurch etwas zum Aufleuchten. Loznitsa führt sie durch ihre eigene Geschichte wie ein Webschiff, das links und rechts, oben und unten, andere Fäden aufnimmt und verbindet, zu einem Stoff, daran läßt der Film nie zweifeln, der die verzweifelte Gegenwart der russischen Gesellschaft darstellt.

Thematisch fügt sich das konsequent in einen einzigartigen Werkkomplex, der sich als eine Archäologie politischer Gewalt lesen läßt. Der in Weißrussland geborene, in der Ukraine aufgewachsene, in Moskau zum Filmregisseur ausgebildete und seit 2001 in Deutschland lebende Sergei Loznitsa begann in den 90er Jahren als Dokumentarfilmemacher zu reüssieren, zunächst vor allem mit Arbeiten einer ethnografischen Poetik des Alltäglichen, in den Nullerjahren erweitert um zwei Archivmontagefilme, die sowjetische Geschichte refokussieren. Spätestens mit seinen ersten beiden Spielfilme, "Mein Glück" (2010; ein Lastwagenfahrer gerät auf einer Reise in einen Strudel der Gewalt, eine Parabel auf die osteuropäische Geschichte) und "Im Nebel" (2012; auf einen der Kollaboration verdächtigten sowjetischen Eisenbahner werden zwei Partisanen angesetzt) lassen schließlich die Umrisse eines größeren Projekts erkennen, in das sich rückblickend auch die früheren Arbeiten einfügen: ein vielgestaltiger Versuch, aus der Perspektive osteuropäischer Erfahrungen, die europäische Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts und ihrer Ausstrahlung auf die Gegenwart zu durchdringen. Ein Projekt, zu dem auch die jüngeren dokumentarischen Arbeiten über den ukrainischen Aufstand gegen das Janukowitsch-Regime und dessen blutige Niederschlagungsversuche ("Maidan", 2014), den gescheiterten Putschversuch gegen Gorbatschow 1991 ("The Event", 2015) und die Konzentrationslager-Gedenkstättenstudie "Austerlitz" von 2016 zu zählen sind.



Der Bilderbogen, den "Die Sanfte" beschreibt, schafft ein großes Panorama dichter Beschreibungen und Allegorien, ein Panoptikum von Figuren, Verwaltungspersonal, Polizisten und Soldaten, Gauner und Huren, Männer, die im Krieg waren, oder noch in einen ziehen werden, Leute, die im Knast waren oder noch dort landen werden. Lieder werden angestimmt und Trinkspiele gespielt.

Mit dokumentarisch anmutender Geduld und Genauigkeit werden Vorgänge registriert, das endlose Ausfüllen immer weiterer Formulare und amtlicher Eingaben, das Durchsuchen des Gepäcks und die erniedrigenden Schikanen bei einer polizeilichen Kontrolle, oder die Untersuchung und Überprüfung von Lebensmitteln und Zigaretten, die Angehörige den Gefängnisinsassen zukommen lassen möchten. Immer wieder fallen Sätze wie beiläufige Aphorismen in den erzählerischen Miniaturen, "Auf unsere große Mission! Auf unsere großen Leiden!" gibt ein Veteran des großen Vaterländischen Krieges im Zug als Trinkspruch aus, "Über die Fragen des Schicksals entscheiden die Chefs", erklärt einer, der selber gerne einer wäre, und noch in der Wegbeschreibung eines Schuhputzers: "Die Hegelstraße geradeaus, dann rechts in die Marxstraße, dann bis zur Kreuzung mit dem abgebrannten Haus", liegt eine Ahnung geschichtlicher Metaphysik.

Die Tableaus, aus denen die Geschichte sich zusammensetzt, sind komplex in sich geschichtete, oft als Plansequenzen gefilmte Bilder, von denen Loznitsa in Interviews erzählt, dass er sie schon, in enger Zusammenarbeit mit Kameramann Oleg Mutu, im Drehbuch und Storyboard bis hin zur Einstellungsdauer und Auflösung exakt festlegt. Ein Beispiel: An einem Punkt der Geschichte wird die Frau von zwei Polizisten festgenommen und findet sich im zellenartigen Rückraum eines Polzeiwagens wieder. Der Transporter muss an einem Bahnübergang das Passieren eines Güterzuges abwarten. Die Kamera filmt die Szene von der Rückbank aus, die Polizisten auf den Vordersitzen im Bild, teils, wenn sie mit der Frau sprechen, den Blick Richtung Kamera zugewandt. Im Rückspiegel ist die Augenpartie der Frau zu erkennen. Einer der Polizisten eröffnet der Frau, unterbrochen von einem kurzen, zärtlichen Telefonat mit seinem "Schatz", dass sie drei Möglichkeiten habe, zwischen denen sie sich entscheiden könne - was nur heißt, dass es drei verschieden Vorwände gibt, sie zu verhaften. Zwischen Auto und Bahnübergang stehen indes drei Männer, die handgreiflich streiten, und als einer den anderen nach einigem Geschubse mit einem Schlag niederstreckt, kommentiert der Polizist hinterm Steuer: na, endlich. Der Beifahrer antwortet der Frau auf ihre Frage, was sie denn tun müsse, damit er sie laufen lässt: Sie müsse einsehen, dass sie, solange er im Gefängnis sitzt, gar keinen Mann hat, und nach Hause fahren. Dann steigt er aus, geht nach vorne und begrüßt den siegreichen Schläger mit Handschlag. Währenddessen reißt der schier endlose Strom der Güter über die Schienen endlich ab.



Ein paradoxer Effekt geht von diesen Bild- und Geschichtsräumen aus: Sie gehen in die Tiefe, und schaffen Platz für immer weitere Geschichten und Bezugsebenen. Gleichzeitig sind sie von einer ästhetischen Geschlossenheit und wenig weist über sie selbst hinaus. Keine Figur, die nicht in ihrer Rolle ruht, keine Geschichte, die anderswo noch weitererzählt werden könnte, kein Bild, das nach einem anderen verlangt. Ein Kino, wenn man so will, von totalen Fragmenten. Die politischen Dimensionen dieses Kinos, das zwischen Geschichte und Gegenwart, zwischen Geschichte, Staat und Individuum nach Vermittlungen sucht, liegen zum einen auf der Hand. Wenn politisches Kino in einem emphatischen Sinn allerdings eines wäre, das zwischen die Welt und ihr Bild einen Keil treibt, in dem die Möglichkeit einer anderen Welt aufscheint, dann müsste man das, was Loznitsa tut, eher als moralisches Kino begreifen. Sein Film fördert als Spiegel letzten Endes weniger eine Erkenntnis über die Welt, als dass er eine Reaktion auf das fordert, was man zu sehen bekommt, eine Erkenntnis über sich selbst. Als Pandämonium menschlicher Abgründe ist er humanistisch zumindest in dem Sinn, wie er den Menschen, mit allem Pathos, der in diesem Gedanken liegt, für die zentrale Figur der Zurechenbarkeit hält.

Nach ungefähr drei Viertel der Laufzeit erfolgt ein ästhetischer Bruch. In einer als Traum eingeführten und in ihrem Schillern visuell vom restlichen Film abgegrenzten Sequenz wird die Frau zu einem grotesken Bankett geführt, in dem das Personal, das ihren bisherigen Weg gesäumt hat, in Gestalt von zur Kenntlichkeit entstellten Wiedergängern auftritt: Ein jüngstes Gericht, in dem die Figuren sowohl sich selbst erklären, als auch die Frau richten, ein Gericht, das in einem falschen Versprechen endet und in einer orgiastischen Entladung der bisher latenten Gewalt. Das ist als somnambule Subjektivierung und negative Wunscherfüllung inszeniert, läßt sich jedoch auch als die Formwerdung des Unbewussten der Geschichte lesen, die dem bisher blinden und rechenschaftslosen Walten einer Willkür wenn auch nicht Sinn, so doch Bedeutung verleiht. War die Grundform der Gewalt bis dahin das Schuldigbleiben einer Antwort, wandelt sie sich hier zur Lüge und Tortur.

Mit dem Traum endet der Film allerdings noch nicht, es wird noch ein Aufwachen geben, das wiederum keine Auflösung verspricht, sondern, im Gegenteil, den letzten Rest einer Idee von Teleologie kassiert. Und auch, so kann man das lesen, den letzten Rest der russischen Geschichte. Aus diesem Alptraum wird kein Erwachen erlösen. Man kann an einem solchen Ausstreichen kollektiver wie individueller Handlungsräume, das untrennbar mit Loznitsas Kraft verbunden ist, eine zehrende Ohnmacht in einem vielsagenden Schreckensbild zu bannen, eine zentrale Ambivalenz seines Kinos ausmachen. Mindestens so schwer wiegt, dass die Erzählung, die um ein Undarstellbares der abstrakten Gewalt von Herrschaft kreist, sich im Bild einer grausamen und sehr konkreten Tortur kristallisiert, einer entgrenzten Gewalt, die sich am Körper einer Frauenfigur entlädt, und diese damit zugleich endgültig ihrer Individualität beraubt und zur Metapher macht. Womit eine komplexe und in vielem beeindruckenden Ästhetik ihren Kulminationspunkt, ihre Grenze und ihr Scheitern findet.

Sebastian Markt

Die Sanfte - Frankreich, Deutschland, Ukraine 2017 - OT: Krotkaya - Regie Sergei Loznitsa - Darsteller: Vasilina Makovtseva, Liya Akhedzhakova, Valeriu Andriutã, Boris Kamorzin, Roza Khayrullina, Sergey Kolesov - Laufzeit: 143 Minuten.

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Horrorfilme als Menschenvernichtungsmaschinen: Das war ein paar Jahre lang ziemlich in, im Gefolge der "Saw"- und "Final Destination"-Serien. Nicht länger wird, wie im klassischen Grusel-, oder auch noch im (Post-)New-Hollywood-Splatterfilm das einzelne, beziehungsweise emphatisch vereinzelte Subjekt mit einer Alterität konfrontiert, die in letzter Instanz oft eher eine Abspaltung seiner selbst ist. Stattdessen geht es darum, eine möglichst raffinierte Todesmechanik in Gang zu setzen, die von Individuen weitgehend absieht, auf Seiten der Täter genauso wie auf Seiten der Opfer. Auch der Horror-Blockbuster "World War Z", in dem Zombies nicht mehr unsere entkernten Ebenbilder sind, sondern undifferenzierte Biomasse, die durch die Gassen von Jerusalem schwappt, passt in dieses Schema - als faschistoide Variation, die kaum verhüllt die geostrategische Kanalisierung von Migrations-"Strömen" und Flüchtlings-"Wellen" verhandelt. All diese Filme lösen sich vom fürs Genre einst charakteristischen sadomasochistischen Wechselspiel von Identifikation und Gegenidentifikation und üben eher in den Blick eines Ingenieurs ein, der das reibungslose Funktionieren komplexer Systeme überwacht.

Auch die japanischen "Death Note"-Filme variieren ähnliche Motive, haben allerdings eine nerdige Schlagseite, die den in den amerikanischen Filmen dominanten Zynismus im Zaum hält. Im Vordergrund steht ein Spieltrieb, der letztlich eher intellektuell als blutrünstig motiviert ist und mit Vorliebe mit Paradoxien arbeitet. Das betrifft nicht zuletzt die Todesmechanik selbst, die auf den ersten Blick einen anachronistischen Eindruck macht: als Mordwaffe dient die Handschrift. "Death Note" ist zunächst nur der Titel eines simplen Schreibheftes. Wird in dieses ein Namen eingetragen, so stirbt dessen Träger, meist genau 40 Sekunden später an einem Herzinfarkt. Allerdings funktioniert das nur, wenn eine weitere Voraussetzung erfüllt ist: Der Schreibende muss im Moment der Niederschrift ein Bild des Opfers vor seinem mentalen Auge haben. Es bedarf in diesem Sinne einer doppelten Identifizierung: schriftlich und visuell. Beziehungsweise einer Zuordnung: Name zu Gesicht. Daraus folgt auch, dass es zwei Möglichkeiten gibt, sich vor einer Death-Note zu schützen - man kann sich anonymisieren oder verhüllen. Spätestens hier zeigt sich, dass die Filme im Kern alles andere als altmodisch sind.

Auffällig ist vor allem, dass nichts zwischen Schrift und Tod vermittelt; keine physische Mordwaffe, aber auch keine filmischen Spezialeffekte. Das Death-Note-Heft ist, selbst wenn es in seiner schwarzen Bindung zunächst den Eindruck erweckt, kein Zauberbuch, und die Niederschrift eines Namens ist kein ritueller Akt, sondern ähnelt eher dem Versenden einer mit einem Virus verseuchten Email. Die Schrift aktiviert keine höhere Macht, sondern einen zugrundeliegenden Mechanismus, beziehungsweise einen Code. Einige Zusatzregeln, die unter anderem weitere, kreativere Todesursachen ins Spiel bringen, machen diese Analogie noch deutlicher und verwandeln die Death-Note in ein komplexes Regelsystem, das einer Programmiersprache ähnelt.

In gewisser Weise geht es also um die Rematerialisierung einer digitalen Logik und auch um jenes Ineinandergreifen von Kontingenz und Regelhaftigkeit, das im Digitalzeitalter unser aller Alltag prägt. Die zugrundeliegende Ingenieurskunst ist raffiniert und beziehungsreich, gerade im Vergleich mit den strikt mechanistischen Modellen in "Saw" oder "World War Z". Leider sind die Filme trotzdem eher interessant als wirklich gut. Das liegt vor allem daran, dass sie selbst kaum mehr sind als kleine Rädchen in einem großen Franchise-Getriebe. Am Anfang stand eine - phänomenal erfolgreiche - Manga-Serie, die sich seither multimedial fortpflanzt: Es gibt "Death Note"-Animes, "Death Note"-Romane, "Death Note"-Videospiele, sogar ein "Death Note"-Musical, und eben auch eine Reihe von "Death Note"-Realfilmen.



Deren neuester (sieht man von einem schlecht beleumundeten amerikanischen Remake ab) trägt den Titel "Death Note: Light Up the New World", ist - vor allem dank seiner abwechslungsreichen, in Kontrast zu den hell, im banalen Fernsehstil ausgeleucheten Vorgängern atmosphärisch-düsteren visuellen Gestaltung - durchaus anschaubar, interessiert sich allerdings kaum noch für den Death-Note-Mechanismus selbst. Stattdessen ist die Mythologie, die das Franchise um seine Grundidee herum aufgebaut hat, ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Das drückt sich beispielsweise darin aus, dass die beiden Hauptfiguren Mishima (Masahiro Higashide) und Ryūzaki (Sosuke Ikematsu) als Wiedergänger / Erben von Kira und L, den Hauptfiguren der Original-Mangas angelegt sind. Gemeinsam leiten die beiden eine technisch hochgerüstete Task-Force (das wäre auch einmal eine Untersuchung wert: Die Faszination neuerer japanischer Mainstreamfilme für die Texturen polizeistaatlicher Herrschaft), die den Auftrag hat, eine neu ausgebrochene Death-Note-Epidemie einzudämmen. Kira und L selbst sind zwar nicht mehr am Leben, suchen die Erzählgegenwart gleichwohl trotzdem noch heim, unter anderem vermittelt durch Videobotschaften.

Gleichzeitig haben sich die Death-Notes vervielfältigt: statt einem kursieren inzwischen sechs Killer-Hefte. Und für einen Großteil der deutlich überlangen Filmlaufzeit geht es nicht mehr darum, wie man per Notation töten - oder sich gegen einen solchen Tod immunisieren - kann; sondern nur noch darum, welche Figur gerade welche Death-Note besitzt. Bis auf eingefleischte "Death Note"-Fans (die freilich offensichtlich auch die Hauptzielgruppe des Films sind) dürfte diese Frage kaum jemandem schlaflose Nächte bereiten.

Wie so viele andere in erster Linie vom übergreifenden Franchise her gedachten Filme jagt "Death Note: Light Up the New World" atemlos von Plot-Point zu Plot-Point und bewegt sich doch nicht vom Fleck. Immerhin ist die Mythologie flexibel genug, um zwischendurch für atmosphärische Abwechslung und Tempowechsel zu sorgen. Schön sind zum Beispiel die Szenen mit den Shinigami. Das sind Todesdämonen, die nur gelegentlich und nur für manche menschliche Figuren sichtbar sind, stets in Gestalt recht grotesker CGI-Animationen. Die Dämonen sind zwar, technisch betrachtet, die Quelle der Death-Notes, aber im Film agieren sie nicht etwa als Masterminds, die die Menschen wie Schachfiguren steuern. Eher sind sie amüsierte Beobachter, die die Handlung aus einer ironischen Distanz kommentieren. Besonders toll ist Arma, ein weibliches Shinigami mit einem weißen, gleichzeitig vogel- und insektenartigen Körper. Eine kapriziöse Dämonin, die eine Schwäche für Weintrauben hat und die Früchte mit ihren langen, knochigen Fingern auf elegante und vage obszöne Art zum Mund führt.

Lukas Foerster

Death Note: Light Up the New World - Japan 2016 - Regie: Shinsuke Sato - Darsteller: Masahiro Higashide, Sosuke Ikematsu, Mina Fuji, Rina Kawaei, Erika Toda, Masaki Suda, Tatsuya Fujiwara - Laufzeit: 135 Minuten.

"Death Note: Light Up the New World" ist nur am 4.5. in den deutschen Kinos zu sehen, im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Asia Nights". Eine Liste der beteiligten Kinos findet sich hier.