Im Kino

Der wahre Affront

Die Filmkolumne. Von Patrick Holzapfel
15.02.2023. Michel Hazanavicius' Horrorkomödie "Final Cut of the Dead", ein Remake des japanischen Kultfilms "One Cut of the Dead" von Shin'ichirô Ued, nimmt das schlampige Sehverhalten seiner Zuschauer aufs Korn, indem er die gemeinsame Arbeit an einer möglichen Illusion offenlegt.


In den filmischen Persiflagen und Genrehommagen von Michel Hazanavicius beschleicht einen oft das Gefühl, dass der französische Filmemacher das Medium seiner Wahl nicht wirklich mag. Egal ob Stummfilm ("The Artist"), Spionagefilm ("OSS 117") oder französischer Kunstfilm ("Godard Mon Armour"), der Regisseur wirft sich mit großer Lust in sämtliche Stereotypen der jeweiligen Vorbilder und legt deren Ungereimtheiten zynisch offen. Gleichzeitig setzen sich diese Kommentare auf andere Genres so konsequent aus eigenen Klischees wie Kitsch, melodramatischem Gedudel und psychologisch motivierten Heldenreisen zusammen, dass nie ein wirkliches Ausbruchsgefühl entsteht. Weder sind seine Filme radikal genug, um die jeweiligen Genres nachhaltig anzugreifen, noch sind sie als Genrefilme gelungen genug, um sich als wirkliche Hommage zu verstehen. Sie verenden meist irgendwo zwischen halbgarer Kritik und Fanfilm.

Das gilt größtenteils auch und sogar besonders für seinen neuen Film "Final Cut of the Dead", ein Remake des japanischen Kultfilms "One Cut of the Dead" von Shin'ichirô Ueda aus dem Jahr 2017. Wie diese Titel unschwer erkennen lassen, hat es Hazanavicius nun auf den Zombiefilm abgesehen und gleich zu Beginn wird klar, dass er es durchaus ernst meint mit seiner Komödie. Herumfliegende Arme, Gekotze, Geblute, das ganze Programm. Doch irgendwas stimmt nicht am Set dieses Zombiefilms, an dem - einer Manie des Regisseurs folgend - plötzlich wahrhaftige Untote mit japanischen Namen der Filmcrew das Leben zur Hölle machen. Alles wirkt seltsam amateurhaft und die ohnehin bereits mehr als ausgelutschte Idee rasanter Action ohne Schnitt geht nie wirklich auf. Die Hetzjagd zwischen sich in Zombies verwandelnden Schauspielern und solchen, die nur als solche geschminkt sind, findet in einem leerstehenden Gebäude statt und besteht aus zwei, sich dauernd wiederholenden Bewegungen: Weglaufen und Hinterherlaufen. "Romero dreht sich wieder im Grab um", hieß es im Trailer des Originals und man muss befürchten, dass er sich beim Anblick dieses Meta-Remakes eines Meta-Films langsam doch ganz abwendet und davon absieht, jemals wieder als lebender Toter zurückzukehren.



Es dauert tatsächlich eine ganze Weile, bis "Final Cut of the Dead" sein wahres Wesen offenlegt, denn erst nachdem man diesen eher stumpfsinnigen Zombiefilm - der eben nur die erste Hälfte des von Hazanavicius gezeichneten "Mantelfilms" ausmacht - bis zum Ende betrachtet hat, erfährt man, warum. Dass jene, die an einem Film mitgewirkt haben, einen ganz anderen, womöglich deutlich komischeren Film sehen, als die, die ihn ohne jegliches Wissen über die Drehbedingungen betrachten, ist Mitwirkenden an Filmproduktionen bekannt. Ein gutes Beispiel sind die angeblichen Lachanfälle Robert Duvalls am Set von "Der Pate", wo er Marlon Brandos von in den Mundwinkeln hängenden Wattebäuschen verformte Aussprache nicht ernst nehmen konnte. Wer das weiß, sieht ganz andere Emotionen auf dem Gesicht des von ihm gespielten Consigliere Tom Hagen. "Final Cut of the Dead" ermöglicht tatsächlich beides: den Film unvoreingenommen zu sehen und das Gefühl zu erleben, beim Dreh dabei gewesen zu sein. Das gelingt ihm aufgrund einer simplen strukturellen Herangehensweise. Denn zunächst zeigt Hazanavicius unkommentiert den ziemlich amateurhaften Film (unpassend wackelnde Kameras, komisches Schauspiel, merkwürdige Schnitte, ein unfassbar billiges Grading), um im zweiten Teil schrittweise aufzulösen, wie es dazu während der Produktion des Films kommen konnte. Er zeigt ein Making-Of, nachdem er den Film gezeigt hat. Selbst wenn er in diesem zweiten Teil in gewohnter Manier die irre, rotzige Billigkeit des ersten Teils mit einer anstrengend rührenden Vater-Tochter-Beziehung über Bord wirft, geht seine strukturelle Komödie stellenweise vollends auf.

Es ist einfach herrlich komisch zu erkennen, warum der Tonmann in einer Szene plötzlich im Bild saß oder weshalb die Kamera sich auf einmal nicht mehr bewegte. Sogar Bilder sich übergebender Menschen, fragwürdiges Aushängeschild überraschend vieler Filme dieser Tage, versprühen hier einen gewissen Charme. Indem er Szenen zweimal zeigt, reflektiert "Final Cut of the Dead" das schlampige Sehverhalten seiner Zuschauer, die womöglich gar nicht bemerkten oder geflissentlich übersahen, dass im ersten Teil des Films manch Unpassendes durchs Bild huschte. Erst im zweiten Teil erkennt man, was da eigentlich vor sich ging. Tatsächlich denkt man zu selten nach über die notwendige Verschwisterung von Film und Zuschauerin, die gemeinsame Arbeit an einer möglichen Illusion. So theoretisch legt der stets um sein Publikum besorgte (auch wenn er es hier ganz schön lange vorführt) Hazanavicius seine Arbeit aber nicht an, wichtiger ist ihm die Errettung des Kinos aus einem Verständnis für die gemeinsame Arbeit am Film, egal ob dieser nun gut oder schlecht wird. Eine aus den Mitgliedern der Filmcrew errichtete Körperpyramide, die den zerstörten Kamerakran ersetzen soll, ist wenig subtiles Sinnbild dieser Gemeinschaftsbeschwörung, die sicher auch als Reaktion auf pandemiebedingte Verbote zu interpretieren wäre, wenn man so weit gehen wollte.

Am Ende basiert dieses wackelige, wiewohl inspirierende Konstrukt auf einer viel allgemeineren, angeblich herzerwärmenden Erkenntnis, nämlich der, dass egal was und wie, es geht schon irgendwie, wenn man nur weiter macht. Das ist nicht nur sehr viel heiße Luft, sondern auch der wahre Affront gegen ein Genre, das in seinen besten Ausprägungen entweder keinerlei Raum für solch bürgerliche Sentiments zulässt oder politisch relevantere Metaphern an den Tag legt.

Patrick Holzapfel

Final Cut of the Dead - Frankreich 2022 - OT: Coupez! - Regie: Michel Hazanavicius - Darsteller: Roain Duris, Bérénice Bejo, Grégory Gadebois, Finnegan Oldfield, Matilda Lutz - Laufzeit: 110 Minuten.