Im Kino

Es nistet Gewissensbiss

Die Filmkolumne. Von Ekkehard Knörer
04.06.2008. In "Cassandras Traum" spielt Woody Allen mal wieder Tragödie. Ewan McGregor und Colin Farrell agieren als ungleiches Brüderpaar, das für sein Lebensglück mordet. Und George Clooney versucht sich in seiner dritten Regiearbeit "Ein verlockendes Spiel" am Screwball-Pastiche um Heldenlegenden und Football-Stars.
Zwei Brüder, die dafür eigentlich nicht das Geld haben, kaufen ein Segelboot mit dem Namen "Cassandras Traum". Das ist der Beginn des nun schon wieder vorletzten Films von Woody Allen und eins ist klar: das wird kein gutes Ende nehmen, und zwar auf dem Segelboot.


Die Brüder werden gespielt von Colin Farrell, der Ire ist, und von Ewan McGregor, der aus Schottland stammt. Bei Woody Allen haben sie, als Angehörige der unteren Mittelschicht, im Original einen Londoner Cockney-Akzent. Colin Farrell verzieht oft sein Babyface und legt auch viel Ausdruck in seine Augenbrauen. Ewan McGregor setzt, sehr viel charismatischer, auf eine eher ausdruckslose Form vorgetäuschter Eleganz.

Den Brüdern steht, weil der eine spielt und der andere einer Frau etwas vormacht, das Wasser bis zum Hals. Als scheinbar gute Gelegenheit und deus ex machina taucht ein Onkel auf, der Geld hat und für dieses Geld einen Mann, der seinen Reichtum gefährdet, aus dem Weg geräumt wissen will. Ein faustischer Pakt, eine griechische Tragödie, darunter macht es Woody Allen ja nicht, wenn er mal wieder einen seiner todernsten Filme dreht.

Diesmal, wie beim sehr viel gelungeneren "Match Point", wieder in London. Zum Inhalt ist so viel zu sagen: Soziologisch wie psychologisch stimmt einmal mehr gar nichts. Und zur Form: Die Kamera arbeitet strikt funktional. Schuss-Gegenschuss, Schwenk auf Schwenk zur jeweils sprechenden Figur. Zur Musik: Philipp Glass, der alte minimal music-Dudelsack, hat im Schlaf einen Soundteppich komponiert, der gegen Ende hin immer dräuender wird.


Woody Allen ist ein abstrakter Autor, der seine Figuren stets vom Grundkonflikt aus denkt, den er entwirft. Sie haben, anders als in den komischen Filmen die Scherze, an die Allen seine Charaktere da gerne verrät und verkauft, nicht das mindeste Eigenleben. Und weil es in den ernsten Filmen keine Scherze gibt, gibt es in ihnen eben kein Eigenleben. Ist noch dazu der Grundkonflikt so vertraut und wird so mechanisch abgespult wie in "Cassandra's Dream", dann sind diese ernsten Filme sogar von Anfang an tot.

Drum geschieht in "Cassandras Traum", was geschehen muss. Die Tat wird getan. Ewan McGregor, dessen Statur noch nicht einmal die totale Leere der Star Wars-Prequels viel anhaben konnte, wahrt seine eher ausdruckslose Form der Eleganz. In der Farrellschen Braue aber nistet Gewissensbiss. Hinter den Ecken, um die McGregor mit teuren geliehenen Autos fährt, lauert finstere Wendung. Überraschungen bleiben, nicht dass man überrascht wäre, aus. So geht das zu, wenn Woody Allen schlechte Tragödie spielt. Beinahe zwei Stunden lang schenkt einem "Cassandra's Dream" nichts. Außer einen Ewan McGregor, der auch angesichts der monumentalen Fadheit des Films nicht mit der Wimper zuckt.

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Die Kunst der Komödie ist eine alchimistische Kunst und darum ist, wenn die Mischung nicht stimmt, die Komödie auch bei den schönsten Zutaten ganz schnell futsch. Wer würde zum Beispiel etwas gegen George Clooney als schöne Zutat sagen, vor der Kamera und auch dahinter. Oder gegen Renee Zellweger, schon gar, wenn sie eine freche junge Reporterin spielt, wie man sie aus den Hollywood-Screwball-Komödien der dreißiger und vierziger Jahre kennt. Randy Newman, der das kann, macht die beschwingte Musik dazu. Es hilft aber alles nichts: Clooneys dritte Regiearbeit "Ein verlockendes Spiel" ist wie ein altes Propellerflugzeug, das mit viel Lärm stundenlang über die Startbahn tuckert, aber irgendwie nicht vom Boden kommt.

Der Film ist Hommage und Pastiche zugleich. Er erzählt von den - schwierigen, schmutzigen, schlammigen - Anfängen des amerikanischen Profi-Fußballs in den zwanziger Jahren. Und er träumt sich zurück in die goldene Hollywoodzeit, in der schöne Männer schönen Frauen schöne Augen machten und dabei nach Salven von schnippischen Antworten und genau gezielten Riposten zuletzt Kuss, Frau und Ehe bekamen. Erstaunlicherweise baut "Leatherheads" eine solche Konstellation ziemlich aufwendig nach. Nur dass die Dialoge weit weniger scharf und präzis sind als etwa in Howard Hawks' viel, viel bösartigerem Film "His Girl Friday", der hier in mancherlei Hinsicht Vorbild ist. Und davon ganz abgesehen, dass über das dabei entworfene Nahkampf-Verhältnis der Geschlechter die Zeit, mit Grund und zum Glück, doch hinwegging.

Die Figur, die etwas unbeholfen in der Dreiecksgeschichte den Dritten gibt, hilft nicht weiter. Es ist das Football-Ass Carter Rutherfurd (John Krasinski), um dessen herumtrompeteten Weltkriegsruhm es weniger gut bestellt ist als die Legende will. Die Reporterin Lexie Littleton (gespielt eben von Renee Zellweger) kommt dahinter, indem sie sich zu verlieben vorgibt und dann auch verliebt. Der alternde Football-Spieler Doge Connelly (George Clooney) wird eifersüchtig und dann so weiter.

Vieles, das hier geschieht, sah auf dem Papier womöglich sehr komisch aus. Daran, dass alle Beteiligten die besten Absichten hatten, gibt's eh keinen Zweifel. Aber etwas stimmt mit dem Timing nicht. Der ganze Film ist in keiner Sekunde mehr als Pastiche und ginge doch, das ist unübersehbar, auf so eine ganz elegante George-Clooney-Art gerne sehr zu Herzen. Der ganze Eifer aber, die liebevolle Mühe, die hier in jedes Detail gesteckt wurde: sie sind vergebens. Es fehlen die Kälte sowohl als der Eigensinn, die etwa das im Ansatz nicht unähnliche Coen-Brüder-Pastiche "Hudsucker - Der große Sprung" so überreichlich besaß. Einzig einen Oscar, gäbe es ihn, für guten Willen, hätte sich Clooneys "Ein verlockendes Spiel" verdient.

Cassandras Traum. USA / Großbritannien 2007 - Originaltitel: Cassandra's Dream - Regie: Woody Allen - Darsteller: Colin Farrell, Ewan McGregor, Hayley Atwell, Tom Wilkinson, Tamzin Outhwaite, Sally Hawkins, Andrew Howard

Ein verlockendes Spiel. USA 2007 - Originaltitel: Leatherheads - Regie: George Clooney - Darsteller: George Clooney, Renee Zellweger, John Krasinski, Wayne Duvall, Stephen Root, Peter Gerety, Keith Loneker