Im Kino

Schluss mit den Exzessen

Die Filmkolumne. Von Karsten Munt
20.10.2022. Wenn die Superhelden in "Black Adam" durchzudrehen drohen, hegt Regisseur Jaume Collet-Serra sie zuverlässig ein. Ob das in eine diskursrelevante Zukunft führt, darf bezweifelt werden. Im besten Fall reicht es für einen Meta-Witz.
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Teth-Adam ist außer Kontrolle. Gerade ist der Heros des antiken Kahndaq (das DC-Comics-Stand-In für Ägypten) aus seinem fast 5000-jährigen Schlaf erwacht, da steht auch schon eine Armee bereit, um ihn wieder ruhig zu stellen. Der bedauernswerte Soldat, der den ersten Versuch startet, ihn in Gewahrsam zu nehmen, wird am Hals gepackt und zu einem Haufen Asche elektrisiert. Der restliche Söldnertrupp erleidet das gleiche Schicksal: gepanzerte Fahrzeuge, Kampfhubschrauber und Bodentruppen werden zu Dutzenden pulverisiert. Das moderne Kahndaq erkennt in Teth-Adam sofort den Mann, der es schon einmal aus der Diktatur in die Freiheit führte. Die Helden der Justice Society hingegen sehen in ihm nur eine Gefährdung für das, was sie "stabile Weltordnung" nennen. Der Halbgott selbst interessiert sich weder für die Rettung seiner alten Heimat noch für die Ordnung der restlichen Welt. Töten darf er natürlich trotzdem nicht, also muss er unter Kontrolle gebracht werden. Die einzigen, die es können, sind allerdings weder willkommen in Kahndaq noch besonders gut darin, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Kahndaq beharrt auf seinen Helden, der beharrt auf sein archaisches Rechtsverständnis und die Justice League beharrt auf ihre Weltordnung.

Bevor Teth-Adam gebändigt, erzogen und sozial eingegliedert werden kann, muss die Justice Society nicht nur ihn besiegen, sondern auch noch ihr Image als imperialistische Organisation loswerden. Natürlich dient die Heldenvereinigung letztlich ebensowenig einer Kolonialmacht wie der unbesiegbare Halbgott ein Weltenzerstörer ist. Die Diskurspose bleibt entsprechend schnell auf der Strecke. Die um Kahndaqs Selbstbestimmung kreisende Empowerment-Rhetorik schafft es immerhin, noch den Notausgang in Form einer Massenschlägerei mit Skeletten zu finden. Konsequent zu Ende führt der Film allein das Resozialisierungsprogramm für den so wortkargen wie griesgrämigen Halbgott. Schluss mit Mord und Todschlag, Schluss mit dem großflächigen Planieren von Großstädten, Schluss mit den Exzessen.

Auf der Meta-Ebene geschieht das gleiche. Das DC-Universe braucht einen neuen Helden. Warner drängt auf ein Ende der Zeiten, in denen Marvel - immer einen Schritt voraus - minutiös sein spießiges, aber quasi unantastbares Universum zusammenzimmert, während man selbst auf der Suche nach der Gunst der Fans wild in alle Richtung losstürmt. Als Teil des DC-Franchise ist "Black Adam" ein Scharnier zwischen der von trendy 80er-Pastiche-Albereien, dem Größenwahn der "Snyderverse" geprägten Vergangenheit und einer soliden, schematischen und hoffentlich sogar diskursrelevanten Zukunft.

Das Ergebnis ist, nun ja, Marvel'esk. Erzählerisch spult sich eben das Programm ab, zu dem ein kommerzielles Superhelden-Franchise, auch wenn es vorgibt, schiefe oder gar subversive Töne anzuschlagen, immer zurückfinden muss. Regisseur Jaume Collet-Serra ist derjenige, der den neuen Kurs halten muss. Eine logische Wahl ist er allemal. Nach den mittelbudgetierten Pop-Gemeinheiten "House of Wax" und "Orphan" und den besseren Vertretern des "Liam Neeson Action-Thriller"-Genres, ist Collet-Serra mit "Jungle Cruise" zum verlässlichen Handwerker im Dienste großbudgetierter Dwayne-Johnson-Attraktionen aufgestiegen. "Black Adam" ist als eine dieser Attraktionen erstmal kein schlechter Film, aber zumindest mir fällt es schwer, den Film selbst und nicht sein gestutztes Federkleid zu sehen.

... sagen eher Clueless als Black Adam, aber gut


Die Stop-and-Go-Zeitlupen sind als letztes, reichlich hilflos wirkendes Snyder-Trademark geblieben und Quintessa Swindell drückt als Superheldin Cyclone das ein oder andere aufrichtige Lächeln durch den CGI-Sturm, ansonsten bleibt das Spektakel geschmackvoll und passgenau auf Schablone zugeschnitten - kein großer Topf mit 80er-Schmiere, keine (selbst)herrliche, digitale Superhelden-Bildhauerei. Was abzuheben droht, wird mit einer Punchline, einem lustigen Fehltritt oder einem Meta-Kommentar, sprich den bewährten Methoden des Comic-Universums, wieder eingefangen. Ein Ungleichgewicht, wie etwa die wunderbar antiquierte Superkraft des Atom Smasher (er wächst auf Hochhaus-Größe) wird vom Film mit manischem Pflichtbewusstsein desavouiert. Kaum betritt der Riese die Szene, um dem rhythmischen Wechsel zwischen Prügel im Flug und computergemalter Zauberei eine neue Perspektive zu geben, lässt der Film ihn lieber mit Autos spielen oder in ein Denkmal stolpern. Auf Normalgröße zurückgeschrumpft, bekommt der von Noah Centineo verkörperte Jock mit Herz dann eine Chipstüte in die Hand gedrückt, um den großen Jungs dabei zuzusehen, wie sie Black Adam in das Heldenkonglomerat eingliedern. Im besten Fall ist auch das ein Meta-Witz.

Karsten Munt

Black Adam - USA 2022 - Regie: Jaume Collet-Serra - Darsteller: Dwayne Johnson, Sarah Shahi, Viola Davis, Pierce Brosnan, Noah Centineo, Aldois Hodge, Quintessa Swindell - Laufzeit: 124 Minuten.