Im Kino

Zeremonieller Vergnügungstrotz

Die Filmkolumne. Von Rajko Burchardt
28.10.2022. Eine Hurricane-Party, ein Murder-Mystery und schließlich echte Leichen überall: Halina Reijns Horrorkomödie "Bodies Bodies Bodies" ist ein spiritueller Slasherfilm auf Koks, der moralische Diskurswaffen auf ein schneidendes Khukuri treffen lässt. Keine Frage, wer gewinnt.


Was schenkt man Menschen, die nahezu alles haben? Bee (Maria Bakalova), Haupt- und unzuverlässige Identifikationsfigur der Horrorkomödie "Bodies Bodies Bodies", entscheidet sich für Zucchinibrot in Frischhaltedosen. Ihre neue Freundin Sophie (Amandla Stenberg) hat Bee zum Luxusvilla-Happening schwerreicher Mittzwanziger überredet, einer sogenannten Hurricane-Party. Laut Wikipedia sind das soziale Events, die tatsächlich im von tropischen Wirbelstürmen betroffenen südöstlichen Teil der USA abgehalten werden - eingeigelte Feierrituale, deren zeremonieller Vergnügungstrotz je nach Wetterlage mehrere Tage anhalten muss. Dass die aus Osteuropa kommende Bee anderen Verhältnissen als der Rest der vulgärhedonistischen Zusammenkunft entstammt, verrät neben der Wahl ihres Mitbringsels auch ein Background-Check durch die Partygesellschaft: In den Unterlagen der renommierten Uni, die Bee besucht zu haben vorgibt, finden sich keine Hinweise auf ihren Studienabschluss. Das Urteil über den Neuzugang der Clique scheint bereits vor dessen Eintreffen gefällt: verdächtig qua Herkunft.

Dennoch wird Bee zunächst in die eingeübten Gute-Laune-Exzesse aus Alkohol und Amphetaminen integriert. Während draußen Regenstürme toben und das Stromnetz zusammenbricht, soll innen ein Murder-Mystery-Rätselraten für Aufregung sorgen. Als Rollenspielvariante von Agatha Christies "And Then There Were None" unterteilt das hier "Bodies Bodies Bodies" genannte Game die zugedröhnte Gruppe in potenzielle Opfer und einen unbekannten Mörder. Der Spaß, man ahnt es, gerät schnell aus den Fugen: Im mächtigen Anwesen türmen sich alsbald wirkliche Leichen, Leichen, Leichen. Gastgeber David (gespielt vom ehemaligen "Saturday Night Live"-Komiker Pete Davidson) muss zuerst dran glauben, ihm durchtrennt ein Khukuri die Kehle. In der Folge wird viel gekreischt und gerannt, wobei das selbst in Gefahrensituationen nie aus der Hand gegebene Smartphone zwar keinen rettenden Empfang hat, jedoch als wegweisendes Leuchtmittel im Dunkel der Palaiskorridore trotzdem unabdingbar ist.

Der Rest des munteren Treibens könnte sich aus dem zuverlässigen Einmaleins der Teenagerhorrorkinozutaten speisen, würde Regisseurin Halina Reijn die Prämisse nicht mit einem (recht früh absehbaren) reflexiven Dreh versehen. Seit Wes Craven dem einst festgefahrenen Typus des Slasherfilms mit "Freddy's New Nightmare" und "Scream" dekonstruktivistisch zu Leibe rückte, sind Brüche mit Genrekonventionen ihrerseits zur Gewohnheit geworden. Bisweilen scheinen Gruselerzählungen im Horrorkino sogar derart breitflächig auf Metaebenen verlagert, dass eher eine Rückkehr zu den ursprünglichen Affekten und weniger die Betonung ihrer angeblichen Überkommenheit erfrischend wirken würde. Als sanfte Genrekinospielerei versprüht "Bodies Bodies Bodies" daher kaum nennenswerte Reize: ein spiritueller Slasherfilm auf Koks, der erratisch zwischen Schalk und Schocker hin und her springt.



Ungleich überraschender und teils ausgesprochen amüsant fällt hingegen die Anordnung - oder besser: Manövrierung - der Hauptfiguren aus. Bees argwöhnisch beäugte Aufnahme in den erlauchten Kreis der Rich Kids fügt sich, als eine gönnerhaft anmutende Geste, gut ein in eine allgemeine Falschheit der Gefühle, die in Neid und Missgunst unter vorgeblichen Freunden schön biestig zum Ausdruck kommt. Der von narzisstischen Befindlichkeiten geprägte Kreis kann sich, anders gesagt, auf den Tod nicht ab - und das zum Leidwesen aller Beteiligten ganz buchstäblich. Im Englischen gibt es für diese Art vergiftete Beziehung den adäquaten Begriff "frenemy", ein Kofferwort aus "friend" und "enemy". Über den eigenen sozialen Status geht das Verbindende der "frenemies" nicht hinaus, sie bilden eine Klassengemeinschaft, die allenfalls im gesellschaftlich anschlussfähigen politischen Mindset kommunikative Nenner findet.

Zum Humor des Films trägt vor allem das hilflose Jonglieren der Figuren mit allzu bewährten Buzzwords bei. Fortlaufend teilen die ums Überleben kämpfenden jungen Leute ihr Verhalten in scheinbar reflexive Kategorien ein ("toxisch", "triggernd") oder nutzen Worte wie "Gaslighting" und "Ghosting" als moralische Diskurswaffen, als könne ihnen das vor allem online erprobte Sprachwerkzeug in der gemeinsamen misslichen Lage einen individuellen Vorteil verschaffen (Spoiler: kann es nicht). Dem Rückgriff auf die immer schon abrufbereiten Begrifflichkeiten wohnt, erst recht im abgezirkelten Genre-Setting mit unklarer Bedrohungslage, Hilflosigkeit inne: Der hochmoralische Internetsprech entpuppt sich als Verzweiflungsakt vorgeblich gewissenhafter Figuren, die noch im Angesicht des Todes um Aufmerksamkeit ringen.

Dankenswerterweise versteift der Film sich nicht auf besonders ambitionierte Zeitgeistdiagnostik, sondern bleibt entspannt und durchlässig. Zumal Halina Reijn neben mildem Spott eine Figurenkomik entwickelt, die Absonderliches eher umarmt denn ausstellt. Im durchgeknallten Spiel von Rachel Sennott, dem zahlreiche Szenen an sich reißenden heimlichen Star des Films, blitzt zwischen Hysterie und Zynismus eine liebenswerte Tollpatschigkeit auf. Ihre Figur Alice sorgt für ein folgenschweres Missverständnis: Sie stellt ihren groß gebauten neuen Freund als "vet" vor, kurz für sowohl "veteran" als auch "veterinarian", was den vermeintlichen Kriegsheimkehrer in der geschlechterpolitisch sensiblen Gruppe zu Unrecht an die Spitze der Tatverdächtigen rückt. Dass die um keine schulmeisterliche Wortakrobatik verlegenenen Teens in komödiantisch verunglückter Weise an sprachlichen Ungenauigkeiten scheitern, geht beinahe als versöhnliche Geste durch.

Rajko Burchardt

Bodies Bodies Bodies - USA 2022 - Regie: Halina Reijn - Darsteller: Maria Bakalova, Amandla Stenberg, Rachel Sennott, Chase Sui Wonders, Pete Davidson, Myha'la Herrold, Lee Pace - Laufzeit: 94 Minuten.