27.01.2008. Der Rechtsstreit FAZ und SZ./.Perlentaucher geht weiter. Nach zwei verlorenen Instanzen legen die Kläger Revision ein. Das OLG Frankfurt hat Revision zugelassen, sieht das Recht selbst aber auf Seiten des Perlentauchers.
Der
Süddeutsche Verlag und die
Frankfurter Allgemeine Zeitung geben ihren Kampf gegen den
Perlentaucher nicht auf. Nach zwei verlorenen Prozessen vor dem Landgericht Frankfurt und dem Oberlandesgericht Frankfurt wenden sie sich nun an den Bundesgerichtshof. Dort wird nun also die Grundsatzfrage zu klären sein, ob Resümees von Zeitungsartikeln, wie sie der
Perlentaucher veröffentlicht und auch an Internetbuchhändler lizensiert, rechtens sind.
Die Zeitungshäuser wenden sich bekanntlich gegen die tägliche Berichterstattung des
Perlentauchers über ihre Buchkritiken. Der
Perlentaucher resümiert diese Buchkritiken in seinen Rezensionsnotizen und stellt sie in seine Buchdatenbank. Neben den Rezensionen der oben genannten Zeitungen liest der
Perlentaucher hier auch die Kritiken der
Zeit, der
NZZ, der
Tageszeitung und der
Frankfurter Rundschau. Hat ein Buch mehrere Kritiken erhalten, so ergibt sich im
Perlentaucher also auch ein gewisser Querschnitt aus Kritikermeinungen, die die Redaktion resümiert und nicht selten auch bewertet hat.
Die Zeitungen wenden sich nicht gegen die Publikation dieser Resümees im Perlentaucher, sondern gegen die Lizensierung dieser Resümees an Internetbuchhändler wie
buecher.de.
Hiergegen machten sie urheberrechtliche, wettbewerbsrechtliche und markenrechtliche Argumente geltend. Wie das Landgericht hat auch das Oberlandesgericht Frankfurt den Klägern in keinem einzigen Punkt ihrer Argumente recht gegeben und hat sämtliche Haupt- und Nebenanträge zurückgewiesen. Revision hat es allerdings zugelassen, "weil der Frage, inwieweit Abstracts als unfreie Bearbeitung im Sinne von § 23 UrhG oder als freie Nutzung nach § 24 UrhG anzusehen sind, grundsätzliche Bedeutung zukommt und diese Frage bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist".
Das Oberlandesgericht selbst entwickelt in diesen Fragen allerdings eine klare Argumentation zugunsten des
Perlentauchers. Seine Begründungen der Urteile gegen den
Süddeutschen Verlag und die
Frankfurter Allgemeine Zeitung weisen die Argumentation der Kläger ausführlich und im Detail zurück.
Beim
Süddeutschen Verlag stellt sich überdies die Frage, ob er überhaupt berechtigt ist, in dieser Sache Klage zu führen. Das Oberlandesgericht verneint diese Frage. Der Kläger führt in seiner Klage Schrift
Perlentaucher-Resümees zu Artikeln verschiedener fest angestellter und freier Autoren des Feuilletons der
SZ an. Diese Autoren haben ihre Nutzungsrechte allerdings an die
Süddeutsche Zeitung GmbH übertragen, nicht an den Verlag. "Sowohl die angestellte Rezensentin Augstein ... als auch die übrigen Rezensenten ... haben urheberrechtliche Nutzungsrechte nur der mit der Klägerin zu 1 nicht identischen 'Süddeutschen Zeitung GmbH' eingeräumt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Nutzungsrechte von der 'Süddeutschen Zeitung GmbH auf die Klägerin zu 1 weiter übertragen worden sind, sind weder ersichtlich noch von den Klägerinnen vorgetragen", schreiben die Richter.
Inwieweit die Zeitungen im Besitz der Rechte von Texten sind, die sie über ihre elektronischen Datenbanken weiter verwerten, ist ohnehin häufig unklar. Der
Perlentaucher wies durch "Kauf" der Nobelpreisrede von Günter Grass im elektronischen
FAZ-Archiv nach, dass die
FAZ zumindest bis vor kurzem auch Texte weitervertrieb, auf die sie keinerlei Anspruch erheben konnte. Die Rechte an Nobelpreisreden liegen ausschließlich bei der Nobel-Stiftung.
Da die Klage des
Süddeutschen Verlags wie die der
FAZ abgewiesen wurde, spielte die Frage der "Aktivlegitimation" des
Süddeutschen Verlags allerdings nur eine sekundäre Rolle.
Das Gericht stellt nämlich grundsätzlich fest, dass nach Veröffentlichung eines Werkes, "jedermann grundsätzlich berechtigt ist, den Inhalt dieses Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, dies muss jedenfalls insofern gelten, als die Inhaltsbeschreibung nicht als unzulässige unfreie Bearbeitung anzusehen ist".
Der "eigenschöpferische" Charakter der
Perlentaucher-Rezensionsnotizen ist laut Gericht wesentlich. "Der eigenständige schöpferische Gehalt des Abstract ist umso größer, je stärker es dem Abstract-Verfasser gelingt, das besprochene Originalwerk zu komprimieren und dabei gleichwohl dessen wesentliche Gedanken mitzuteilen, denn gerade in dieser Komprimierung besteht seine schöpferische Leistung", schreiben die Richter. Je stärker dabei die Abstraktionsleitung der Resümees, desto größer ihre Individualität.
Das Gericht zeigt in seinen Urteilsbegründungen durch eine Betrachtung der von den Klägern angeführten Beispielnotizen, dass der
Perlentaucher die von ihm genannten Kriterien erfüllt. Auch die von Klägern angeführte angebliche Ersetzungsfunktion der Notizen, die eine Lektüre der Originalkritik überflüssig machten, will das Gericht nicht anerkennen.
Markenrechtliche Ansprüche erkennt das Gericht ebenfalls nicht an. Die Quellenangabe sei bei solchen Abstracts gefordert und sie geschehe durch den Perlentaucher in lauterer Weise. "Es wäre mehr als ungereimt, wenn man eine grundsätzlich geforderte Quellenangabe als Markenrechtsverstoß bewerten würde."
Und schließlich werden in einem kurzen Absatz auch die wettbewerbsrechtlichen Argumente der Kläger abgewiesen: "Der Beklagten fällt keine vermeidbare Herkunftstäuschung ... zur Last." Eine "Rufausbeutung" stellen die Rezensionsnotizen des Perlentauchers laut Gericht ebenfalls nicht dar: "Wenn die Beklagte nach § 24 UrhG befugt ist, ihre Abstracts als selbständige Werke ohne Zustimmung der Klägerin zu verwerten, dann kann nicht eben diese wirtschaftliche, vom Urheberrecht als zulässig ausgewiesene Verwertung eine unlautere Rufausbeutung darstellen."