28.03.2008. Monatelang wurde in ganz Europa über Geert Wilders' Islam-Film "Fitna" diskutiert. Und war er die Aufregung wert? Das Video ist jetzt online, und wir haben erste Reaktionen gesammelt.
Seit Monaten wird in
ganz Europa über
Geert Wilders' lange angekündigten Islam-Film und die
Grenzen der Meinungsfreiheit diskutiert. Nun ist das 15-Minuten-Video des niederländischen
Populisten von der rechtsliberalen Partei
PPV Geert Wilders online: Fitna heißt es, was soviel wie "Spaltung" bedeutet, und ist
hier oder
hier zu sehen.
Neben einschlägig martialischen Koranversen zeigt der Film die größtenteils bekannten Videos des
islamistischen Terrors: vom 11. September und den Anschlägen in Madrid, von säbelschwingenden Hasspredigern, von Enthauptungen und Hinrichtungen afghanischer Frauen. Man sieht Mädchen bei der Beschneidung und Jungen, die schon im Alter von drei Jahren erklären, dass Juden "Affen und Schweine" seien. Nach einem Schwenk zu Amsterdams Einwandererviertel endet dieser Zusammenschnitt mit dem Aufruf, die Islamisierung zu stoppen. Das letzte Bild zeigt den aufgeschlagenen Koran. Wenn das Bild weg ist, hört man das
Zerreißen einer Seite. Aber wie sich der Filmemacher zu versichern beeilt, ist es nicht der Koran, den er zerreißt, sondern ein Telefonbuch. Er wolle ja nicht unnötig provozieren, sagt Wilders.
Die niederländischen Fernsehanstalten haben sich geweigert, das Video zu zeigen. Bis zuletzt hat die Regierung in Den Haag versucht, es zu verbieten. Zwei Personen haben schon
Klagen gegen den Film angekündigt: Der niederländisch-marokkanischen Rapper Salah Edin, dessen Foto wohl versehentlich als das Bild von
Theo van Goghs Mörder
Mohammed Bouyeri ausgegeben wird, und der dänische Zeichner Kurt Westergaard, dessen Karikatur von
Mohammed mit Bomben-Turban Wilders verwendet: Im Interview mit
Spiegel Online erklärt er: "Ich wehre mich dagegen, dass meine Zeichnung aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen wird."
Im niederländischen Magazin
Elsevier kommentiert Chefredakteur Rene van Rijckevorsel: "Wenn es morgen in der muslimischen Welt oder in den Niederlanden Vorfälle gibt, dann ist die Regierung Schuld daran. Denn sie hat voreilig reagiert und versucht,
Panik zu verbreiten... Der zweite Teil des Films zählt Fakten auf und erklärt, welche Folgen eine Zunahme der Zahl der Muslime in den Niederlanden und Europa hätte. Wilders hält sich, wie er selbst sagt, an die Fakten."
Der aus dem Iran stammende Leidener Rechtsphilosoph
Afshin Ellian fragt sich, ob Wilders kompetente Beratung durch Mullahs hatte: Denn abgesehen von der im Film animierten dänischen Mohammed-Karikatur werde kein Bild von Allah und seinem Gesandten gezeigt: "Vom Standtpunkt der Scharia aus, gibt es in Wilders Film
keine Allah-lästerlichen Passagen." Deswegen habe wiederum die Regierung vielmehr Schaden angerichtet, die immer wieder den Film als "blasphemisch" bezeichnet habe.
In seinem Blog im
Guardian fragt sich Ali Etaraz, "ob Wilders gegen den Islam protestieren will oder eher gegen das
Monopol der Extremisten auf körnige, Low-Buget-Videos auf YouTube: "Jeder, der ein Terror-Propaganda-Video gesehen hat, dürfte mit den meisten Szenen vertraut sein, und auch der
widerwärtigen Verbindung des Korans mit Gewalt, Mord, Entführung und Antisemitismus."
In der
Herald Sun fragt der australische Kolumnist
Andrew Bolt, ob der der Film so falsch sein könne, wenn er solche Panik provoziert. "Der Film ist ganz sicher provokativ und zeigt nicht das ganze Bild des Islams. Wenn Muslime tatsächlich so bedrohlich wären, warum gibt es dann
so wenig Terror-Attentate in Wilders Heimatland, wo immerhin eine million Muslime leben? Die meisten, schließe ich daraus, wollen einfach nur in Frieden mit ihren niederländischen Mitbürgern leben. Und trotzdem kann man nicht leugnen, dass es im heutigen Islam einen Strang gibt, der gewalttätig, kompromisslos und
Bedrohung der liberalen Gesellschaft des Westens ist."
Auf Telepolis
sieht Thomas Pany einen gravierenden Unterschied zu dem Film
"Submission" von
Ayaan Hirsi Ali und
Theo van Gogh, der für diese Provokation
ermordet wurde: "Ein Kunstfilm ist 'Fitna' nicht."
Gökalp Babayigit zeigt sich in der
SZ einfach nur angewidert von diesen "15 Minuten Hass": "Geert Wilders besorgt das Geschäft des Osama bin Laden. Dem blutigen Terrorismus des Arabers setzt er die Hetze eines europäischen Scharfmachers entgegen, die neuen Terror provozieren wird."
Nils Minkmar
kommentiert auf
faz.net nach erster Ansicht: "Es ist ein direkter Sprung ins Gesicht all jener, die die Probleme leugnen oder auf die lange Bank schieben wollen. Es ist aber kein rassistischer oder
blasphemischer Film. Viele moderate Muslime, die selbst die Opfer der Fanatiker sind, werden ihn mit ebensolchem Entsetzen sehen wie säkulare oder christliche Zuschauer. Nur
Verdränger haben ein Problem damit, so einen Film zu zeigen."
"
'Fitna' war am stärksten, solange niemand den Film gesehen hatte", kommentiert dagegen enttäuscht Tobias Kaufmann im
Kölner Stadtanzeiger: "Er hätte, statt den Film ins Netz zu stellen, eine Pressekonferenz einberufen und sagen können: 'Ich habe nur ein paar Clips aus dem Internet zusammengeschnippelt, die ich niemandem gezeigt habe - und jetzt guckt, wie Ihr Euch
ins Hemd macht.'"
Es gibt aber auch schon prophylaktische Entschuldigungen: Die Gruppe
Mediamatic flutet - ähnlich wie amerikanische Gruppen nach George Bushs Wiederwahl - das Internet mit kleinen Filmchen, in denen sich entschuldigt wird. Jeder darf mitmachen, Bedingung ist aber eine
weißgelbe Wilders-Frisur: "Was wir fühlen ist eine Art von Fremdschämen", erklärt im
Interview mit dem
Standard der Initiator Willem Velthoven.