15.03.2002. Hans-Georg Gadamer ist tot. Das Internet und die Philosophie sind sich zwar noch recht fremd, aber ein paar Links zu dem Philosophen haben wir doch gefunden.
Der Philosoph
Hans-Georg Gadamer ist am Mittwoch im Alter von
einhundertundzwei Jahren in Heidelberg gestorben. Auf die
Nachrufe in den Zeitungen haben wir heute in unserer Feuilletonrundschau hingewiesen.
Was findet sich zu Gadamer im Internet?
Im Grußwort zum 100. Geburtstag Gadamers bemerkte der Heidelberger Philosoph
Rüdiger Bubner kokett, das, was er jetzt sagen werde, sei
nicht im Internet nachzulesen (die Äußerung jedoch ist, natürlich, genau dort zu
finden). Wenn man genauer nachsieht, merkt man aber rasch, dass das neueste Medium und die Philosophie einander
nach wie vor sehr fremd sind, gerade wenn es um ihr abendländisch Ältestes geht, Platon und Aristoteles, auf die sich Gadamer wieder und wieder bezog. Ein paar interessante Links zum Philosophen, der geboren wurde in dem Jahr, in dem Nietzsche starb, gibt es dennoch:
Eine eigens
Gadamer gewidmete Homepage zum Beispiel existiert, zusammengestellt wurde sie von dem Japaner Dr. Etsuro Makita, neben der
japanischen findet sich auch eine
deutsche Version. Für den
ersten Überblick taugt die Seite, besonders beeindruckend ist die lange Liste der von Gadamer gehaltenen Vorlesungen und Vorträge, ein Staunen machender Rückblick auf
siebzig Jahre Lehrtätigkeit, von der Antrittsvorlesung in Marburg im Wintersemester 1928/29 (über "Die Rolle der Freundschaft in der griechischen Ethik (Aristoteles)) bis zu letzten Vorträgen in Neapel im Jahr 1999 zu den Lebensthemen: 'Wort und Begriff' 'Hermeneutik und praktische Philosophie' 'Dialog und Dialektik' 'Plato und Hegel'.
Weniger ergiebig ist eine Gadamer-Homepage aus den USA, neben dürren Daten, einer kurzen Biografie und einem verfremdend überarbeiteten Bild (ein
Foto aus jungen Jahren gibt es
hier, ein weiteres aus den späten
da) enthält sie immerhin
zwei Aufsätze zum Werk des Philosophen.
Von Gadamer selbst gibt es
kaum etwas im Original zu lesen, einzig ein kurzer
Ausschnitt aus seinem Hauptwerk "Wahrheit und Methode" ließ sich mit Googles Hilfe ausfindig machen. Hier einer der dort zitierten zentralen Sätze zur Hermeneutik: "Die Stellung zwischen Fremdheit und Vertrautheit, die die Überlieferung für uns hat, ist das Zwischen zwischen der historisch gemeinten, abständigen Gegenständlichkeit und der Zugehörigkeit zu einer Traditon. In diesem Zwischen ist der wahre Ort der Hermeneutik."
Etwas allgemeinverständlicher liest sich das in einem etwas längeren und
lesenswerten Interview,
das die Heidelberger Student(inn)enzeitung Ruprecht mit dem damals 95-jährigen Philosophen geführt hat: "Es ist natürlich immer eine Augenblickssache, ob das Verstehen gelingt. Aber ich könnte schon von einem Grundsatz ausgehen: Daß man nämlich das, was die Hermeneutik ist, niemals mit wenigen Worten sagen kann. Es gibt unendlich viele Formen des Mißverstehens, des Aneinander-Vorbeiredens oder des ewigen Wiederholens-des- Immergleichen, ohne daß wir den anderen jemals verstehen. Deshalb habe ich Hermeneutik auf eine andere Formel gebracht: Bereit sein, daß man auch mal Unrecht hat." ( Ein einziges weiteres, kurzes Interview in italienischer Sprache findet sich noch im WWW, und zwar hinter
diesem Link).
Eine
eher traurige Angelegenheit ist der Umgang der Heidelberger Universität, an der Gadamer bis zuletzt
sein Arbeitszimmer besaß, mit ihrem wohl berühmtesten Professor. Gadamers
"Homepage" beschränkt sich auf die dürrste Auflistung von Daten. Im letzten Jahr wurde dem Philosophen zu Ehren eine
Gadamer-Professur eingerichtet, der Gast-Professor des ersten Semesters war Karl- Heinz Bohrer. Informationen dazu gibt's auf einer
eigenen Seite.