Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
03.06.2002. Im Spiegel erklärt Frank Schirrmacher, warum er einen offenen Brief an Martin Walser schreiben musste. Im Merkur fordert Peter von Matt eine Ästhetik der Hinterlist. Laut L'Espresso hassen in Italien die Schriftsteller ihre Kritiker nicht. Die NYT Book Review bespricht einen Band über den Ursprung des Strippens. Die Engländer lieben plötzlich Bollywood-Stars - Outlook India wundert das nicht. Der Nouvel Obs widmet sich Gärten. Und Folio hilft Eltern zu erklären, woher die Babies kommen.

Merkur (Deutschland), 01.06.2002

Die Juni-Ausgabe ist der Ästhetik gewidmet. Zwei lesenswerte Texte dazu hat der Merkur ins Netz gestellt.

In einer fulminanten Ehrenerklärung rehabilitiert der Zürcher Literaturwissenschaftler Peter von Matt den literarischen Intriganten und fordert eine Ästhetik der Hinterlist. Schließlich habe kaum eine Gattung eine solch "hinreißende Kultur der gescheiten Frauen, der listigen Dienerinnen, der Colombinen und Smeralden" entwickelt wie die komödiantische Intrige der Comedia dell'arte. Und auch den zivilisationsgeschichtlichen Wert eines Jago ("We work by wit, and not by witchcraft") dürfe man nicht unterschätzen, meint von Matt: "In der Intrige entzieht sich der Held dem über ihm waltenden Schicksal. Er tut so, als gäbe es das nicht und fabriziert es selbst. Frei von aller Furcht, von allem Glauben an das über ihn Verhängte, frei von Furcht und Glauben an die Moira, das Fatum, die Vorsehung, an Fluch oder Segen der Götter, an die regierende Gewalt der Gestirne, vertauscht er die Frömmigkeit mit der Intelligenz. Er setzt nicht länger auf Gebete und Orakel, sondern auf den eigenen hellen Kopf, auf Schlauheit und Logik." Die Intrige sei "Usurpation des Schicksals, Usurpation der Weltlenkung als eines göttlichen Privilegs".

Der Kunstgeschichtler Wolfgang Kemp fragt in einer ziemlich geistreichen Kolumne zur Ästhetik nach der street credibility von Kunst angesichts solch merkwürdiger Erscheinungen wie der Klassikbeschallung am Hamburger Hauptbahnhof, dem rappenden Harvard-Professor Cornel West, dem Kunst-Konzern "Kostabi World" und der transgenen Kunst des Eduardo Kac.

Weitere Artikel, die nur in der Printausgabe zu lesen sind, widmen sich einer Ästhetik der Architektur, dem Verschwinden von Generationenkonflikten in der Mediengesellschaft, der Poesie von Notizkalendern und natürlich der Krise von Wissenschaft und Bildung. Außerdem beschäftigt sich Martin Seel in seiner Philosophie-Kolumne mit Adornos kontemplativer Ethik, und Stefanie Holzer porträtiert die anglo-irische Schriftstellerin Elizabeth Bowen, von der das wunderbare Zitat kolportiert wird "Brich mir das Herz, aber verschwende nicht meine Zeit".

Archiv: Merkur

Folio (Schweiz), 03.06.2002

"Woher kommen eigentlich die Babies?". Früher eine unangenehme, aber leicht zu beantwortende Frage. In Zukunft können man das seinen Kindern ohne Abschluss in Endokrinologie gar nicht mehr erklären, glaubt Folio und widmet sein Juni-Heft der Fortpflanzungstechnologie (und macht sich nur gelegentlich über den zum Thema geführten "operettenhaften Feuilletonkrieg" in Deutschland lustig).

Die Technik-Historikerin Barbara Orland erzählt zunächst die Geschichte der Fortpflanzungstechnologie, die mit der künstlichen Befruchtung eines Angorakaninchens im Jahr 1890 ihren großen Anfang genommen hat, und kommt zu dem Schluss. "Schwangerschaftsverhütung, Sterilisierung, Refertilisierung und Befruchtung ausserhalb des Körpers, Schwangerschaftsbetreuung und Embryonencheck sind technische Variationen der immergleichen Körperhandlung. Damit greifen alle vertrauten biologischen Begründungen für unsere Verwandtschaftsbeziehungen nicht mehr, weil das Zeugungsgeschäft durch Zerlegung in viele kleine Einzelschritte nach Belieben zusammengefügt und hinsichtlich des gewünschten Ergebnisses manipuliert werden kann. Statt leibhaftiger Männer, Frauen und Kinder treten im Zeitalter der Fortpflanzungsmedizin eben Spermien, Eizellen und Embryonen in Beziehung zueinander. Welche Konstellationen diese bilden, ist offensichtlich immer weniger eine Frage der Biologie als eine der Kultur."

Der Evolutionsbiologe Robin Baker schickt einen besorgten Bericht aus dem Jahr 2050: Die Weltbevölkerung ist auf 15 Millionen Menschen angewachsen, da der Preiszerfall bei künstlichen Gebärmüttern dazu geführt habe, dass immer Männer ein Baby bestellen.

Weitere Artikel: Cornelia Kazis schildert die entsetzlichen Torturen, die ein ungewollt kinderloses Paar aus Basel auf sich genommen hat, um endlich eine Familie zu werden. Irene Dietschi hat zu sieben heiklen Fällen der Fortpflanzungsmedizin drei Ethiker befragt. Sie sind sich selten einig: Persönliche Freiheit steht gegen die Menschenwürde, die absolut amoralische Natur gegen den vielleicht ein bisschen unmoralischen Menschen. Reto Schneider porträtiert den Soziologen und Bioethiker Tom Shakespeare (mehr hier), der zum Lieblingsgegner aller Behindertenaktivisten wurde. Shakespeare selbst ist kleinwüchsig und findet es völlig in Ordnung, ein behindertes Kind abzutreiben. Markus Hoffmann stellt dar, wie Leihmütter, schwule Samenspender, verwaiste Embryonen das Familienrecht und die Jusitz strapazieren. Ulrich Bahnsen erklärt, warum es auf die Religion des Embryo ankommt (Der katholische darf überhaupt nicht zur Forschung benutzt werden, der jüdische und der islamische dagegen bis zum 40. Tag.). Und Suzann-Viola Renninger beschreibt, warum eine Frau, die selbst keine Kinder will, ihre Eizellen spendet.
Archiv: Folio

New York Times (USA), 02.06.2002

In ihrem "Close Reader" verbrüdert Judith Shulevitz Michel Houellebecq mit Jean-Marie Le Pen ("Both disparage Islam, or at least suspect that Muslims mean harm to Westerners. Both oppose European union and globalization"), um beide dann um so schärfer gegeneinander abzusetzen: "Must we demand from novelists the same standards we demand (or should demand) from politicians? ... Obviously, when he makes a racist remark on television, we're entitled to condemn it. We'd be foolish, though, to do the same to his novels. The last thing we want from a good novelist -- and Houellebecq is one -- is an ethic of sober responsibility." - Ist Martin Walser eigentlich "a good novelist"?

Ist Striptease Ausdruck weiblicher Unabhängigkeit oder das genaue Gegenteil? Stacy Schiff stellt "Sisters of Salome" vor, "a highbrow survey of what generally passes as a lowbrow art", das dieser Frage nachgeht und die Ursprünge des Strippens im Salome-Kult des Fin-de-siecle-Paris lokalisiert. Das Buch der ehemaligen Balanchine- und Striptease-Tänzerin Toni Bentley beschreibt die Entwicklung der Salome-Figur "from Maud Allan's vaudeville belly dancer to Mata Hari's voluptuous temptress to Ida Rubinstein's Russian Jewish flapper" und der lesbischen Femme fatale einer Colette. Die Details dieser Erkundung, schreibt die Rezensentin, sind so delikat und enthüllend wie ein Schleiertanz!.

Außerdem präsentiert die Times ihre alljährliche Sommer-Lektüreliste, Sam Swope fragt sich, ob es wirklich nötig ist, Kinderbuch-Klassiker wie Grimms "Tapferes Schneiderlein" der Gleichberechtigung halber als "Brave Little Seamstress" zu adaptieren, Bruce McCall erörtert die Beziehungen von Bestseller-Autoren zu ihren Schreibgeräten (angeblich schreiben noch immer 80% von ihnen auf klapprigen Schreibmaschinen!), und James Traub bespricht eine Hommage auf die Feuerwehr, die New Yorker insbesondre (Auszug "Firehouse").
Archiv: New York Times

Spiegel (Deutschland), 03.06.2002

Der Spiegel zählt zusammen: Möllemann, Walser und der Antisemitismus. Und er hat Frank Schirrmacher zum Interview geladen, so dass wir endlich erfahren, warum er Martin Walser sein Manuskript nicht einfach stillschweigend zurückschicken konnte: "Walser hat zu verstehen gegeben, dass er eine Ablehnung dem Einfluss von Marcel Reich-Ranicki zuschreiben würde und dass sein Text dann eben woanders erscheinen müsste. In dieser Situation wäre es nicht zu verantworten gewesen, wenn es später geheißen hätte, die FAZ kannte diesen Text und hat nichts unternommen. Ich musste also da etwas öffentlich unternehmen - um Reich-Ranicki zu schützen und einer Legende vorzubeugen." Aus ebendiesem Grund, meint Schirrmacher, müsse auch der Roman jetzt an die Öffentlichkeit.

Ferner im Titeldossier: Ein Bericht über die Geschäftskontakte Möllemanns in Nahost, ein Essay von Henryk M. Broder über "Die Sehnsucht der Deutschen nach 'Normalität'", Lektüreeindrücke zu Walsers "Tod eines Kritikers" von Elke Schmitter sowie eine Stellungnahme des Autors zu den Vorwürfen gegen sein Buch (die man doch ebenso gern gelesen hätte wie das Gespräch mit Schirrmacher).

Die Spiegel-Serie zur "Misere der Schüler" zeigt sich von dem aus den USA importierten pädagogischen Modell "Produktives Lernen" angetan, und Thomas Hüetlin erzählt vom Ruin eines Männermagazins: "'Penthouse', was eigentlich die Bezeichnung für ein Dachapartment an der Park Avenue ist und somit ein Synonym für Luxus und Glamour sein soll, gleicht eher einem unaufgeräumten Gemäuer, in dem die Lichter ausgehen. Das Haus Usher der Sex-Zeitschriften."
Archiv: Spiegel

Outlook India (Indien), 10.06.2002

Orientalism pays! Soviel ist sicher. Die Frage, für wen, beantwortet Sanjay Suri, der sich mit dem plötzlichen Interesse der Briten an der indischen Filmindustrie und der Vermarktung von Bollywood-Stars auf der Insel befasst: "It's beginning to seem like something of a British national plan to go for the money Bollywood can produce for them. The British Film Commission (BFC) has staff dedicated to selling Britain for Bollywood filming. Last year, 23 foreign films were made in Britain, and of these 12 were Indian ... So, this is the Indian summer where Britain is discovering Bollywood. Or, is it? It's actually the season of discovering a new business. It's not about those films at all, it's about those watching them."

Ein anderer Artikel des Magazins kritisiert den gedankenlosen Umgang mit alter tamilischer Tempelarchitektur im Süden Indiens. Ausbesserungen und "Verschönerungen" mit Zement, Sandstrahlung sowie riesige Granitplatten, auf denen sich die Geldgeber solcher Arbeiten verewigen lassen, zerstören zunehmend die historische Substanz, heißt es. Was als rituelle Tempel-Weihe gilt und wie ein Dienst an den Gläubigen aussieht, ist in vielen Fällen eher eine systematische Zerstörung nach dem Motto "Was die Zeit kann, können wir schon lange".

Außerdem stellt Sheela Reddy ein Romandebüt vor, das die authentische Geschichte der emanzipierten Haremsdame Nur Jehan erzählt, Gerson Da Cunha resümiert das Filmfest von Cannes, und das Titeldossier (hier der Leader) befasst sich mit der Bedrohung durch Pakistans taktische Atomwaffen, liebevoll "baby nukes" genannt. In einem kurzen Interview erklärt Verteidigungsminister Yogendra Narain, wie Indien auf einen Krieg vorbereitet ist. In Bezug auf Atomwaffen fällt der Satz "Surgical strikes are the realistic option."
Archiv: Outlook India

Economist (UK), 31.05.2002

Die Cover Story erklärt die westlichen Interessen an einer friedlichen Lösung entlang der indisch-pakistanischen Grenze. Besorgniserregend sei nicht allein die Perspektive eines Atomkriegs, auch ein konventioneller Schlag gegen die Regierung Musharraf könnte böse Folgen haben: "Now that most of the Taliban and al-Qaeda leadership is sheltering in Pakistan's unruly tribal areas, decapitating the terror threat depends on Pakistan being willing to root the fugitives out, or to let others do so. A post-Musharraf Pakistan, humiliated by India, might well swing the other way. Osama bin Laden would be only too happy to have exchanged a ramshackle haven in Afghanistan for a new one in a friendly, nuclear-armed Pakistan."

Eher skeptisch resümiert ein Special die Europa-Tour des amerikanischen Präsidenten: "Fair zu sagen, Bush habe einen Schritt in Richtung besserer transatlantischer Verbindungen und einer Stabilisierung der NATO getan." Ebenso fair sei es aber nicht zu verschweigen, "that both sides show a certain ambivalence about closer ties in the war against terror. That does not mean transatlantic improvements cannot happen. But they are likely to prove messier, less dramatic and more dependent on external events (like another terrorist attack) than either side would ideally hope for."

Außerdem erfahren wir, dass die Queen ihren Job bisher leidlich erfüllt hat (50 Jahre "wohl überlegte Untätigkeit", man bedenke!), ein Dossier erforscht die leidenschaftlichen, die politischen und die monetären Seiten von König Fußball (hier der einleitende Artikel), ein Wissenschaftsartikel bestätigt: Mittagsschlaf wirkt Wunder! "Books and Art" staunt über den selbst verlegten Bestseller "A New Kind of Science", der die physische Welt mittels einfachster Computerprogamme erklären will und bereits mit Newtons "Principia Mathematica" verglichen wird.
Archiv: Economist

Nouvel Observateur (Frankreich), 30.05.2002

Frankreich entdeckt den Garten als nationales Erbe und als Thema wieder, und der Nouvel Obs widmet dieser Renaissance einen kleinen Schwerpunkt. Landesweit sind in diesem Sommer eine ganze Reihe von Ausstellungen zur Idee des Gartens oder zu berühmten Vertretern der Gartenbaukunst zu sehen, wie etwa Vater und Sohn Duchene, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert weltweit rund 6000 Gärten (Bilder hier) angelegt und gestaltet haben. Ihre Philosophie: "Der Garten, Konstruktion des Menschen, muss auch so erscheinen. Die Landschaft, Werk der Natur, muss ihn weiterführen und verherrlichen." Ein Beispiel dafür ist der Garten von Schloss Chaumont-sur-Loire (mehr hier), den Landschaftsgärtner, Architekten, Stadtplaner und Künstler in den vergangenen Jahren regelmäßig "in ein Mekka der Gärtnerei" (mehr hier) verwandeln: "chic et choc".

Des weiteren ist ein Interview mit dem Erfinder des "Gartens in Bewegung", Gilles Clement (mehr hier und hier), zu lesen, der in seinem Buch "Eloge des vagabondes" ein Loblied auf das Unkraut singt. Diese "Pflanzen ohne festen Wohnsitz" sind für ihn eine "Metapher für Mischgesellschaften", weshalb er auch glaubt, dass sein Buch von den "extremen Rechten, wären sie an der Macht, verboten würde", weil "es nicht in ihre Vorstellungen passt". Die Konservativen und die radikalen Ökologen der Linken eine dabei "die Tendenz, exotische Pflanzen verbannen zu wollen, weil sie angeblich unsere angestammten Landschaften verändern". Es sei aber unsinnig, sich auf ein derartiges "ideales und abschließendes Modell zu versteifen: gegen jede Veränderung zu kämpfen heißt, die Evolution abzulehnen."

Vorgestellt wird außerdem eine Publikation über den größten Blumengarten Venedigs, den der Engländer Sir Frederic Eden 1884 "im schottischen Stil" auf der Giudecca anlegte, und eine Studie des Philosophen Robert Dumas, in der er analysiert, wie die Symbolik des Baums das westliche Denken strukturierte.

Espresso (Italien), 06.06.2002

Das Buch ist noch nicht im Handel, da passiert der Ruch des Skandals schon die Landesgrenzen: In einem Online-Kommentar des Magazins erklärt Roberto Cotroneo den Streit um Martin Walsers neuen Roman "Tod eines Kritikers" zu einer genuin "deutschen Affäre". In Italien hingegen sei ein Furor teutonico wie bei Walser gegen einen Literaturkritiker kaum denkbar. Die Indifferenz der Autoren (von Oriana Fallaci einmal abgesehen) gebe zu spektakulären Verrissen auch wenig Anlass. Was nicht meint, dass es keinen Hass gibt in Italien. Alle möglichen Beleidigungen habe man hier zu ertragen, so Cotroneo, nur eben nicht im Literaturbetrieb. Und wenn doch, dann äußerten sie sich nicht in der "lutherischen Härte" eines Walser, sondern eher in Form einer "jesuitischen Rachsucht". Heißt das jetzt, wir sollten froh sein?

Ferner empfiehlt Umberto Eco ein Buch mit Limericks von Paolo De Benedetti, und Wlodek Goldkorn erklärt die Angst amerikanischer Juden vor einem neuen Holocaust.
Archiv: Espresso

Times Literary Supplement (UK), 31.05.2002

Rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft in Korea stellt uns John Foot zwei grundverschiedene Bücher über Fußball in TLS vor. "A season with Verona" von dem Autor Tim Parks (mehr hier und hier) ist eine "unterhaltsame" Beschreibung der Fußballleidenschaft "einer der rassistischsten Fangemeinden Italiens". Parks hält eine Saison des vom Abstieg bedrohten Hellas Verona Football Club in Tagebuchaufzeichnungen fest, während er die Fans von Spiel zu Spiel begleitet. Bitter findet der Rezensent, dass Parks "den Rassismus der Fans als eine Art spielerischen Anti-Autoritarismus" verharmlost. Ganz anders dagegen "Futebol" von Alex Bellos (mehr hier) der neben einer Fülle an zusätzlichen, eher randständigen Informationen, aber auch Einsicht in die wirklich spannenden Fragen zur brasilianischen Geschichte, Politik und Kultur gibt, begeistert sich John Foot: "Bellos is superb on the multiethnic nature of Brazilian society, and the way that type of culture filters into football, and has been transformed by its relationship with sport."

Weitere Artikel: Margaret Stead erläutert Margaret Atwoods (mehr hier und hier) Ausführungen über das Schreiben. Sechs Essays, die im Rahmen der William-Empson-Vorträge (2001) an der Cambridge-Universität gehalten wurden, wurden jetzt unter dem Titel "Negotiating with the Dead" veröffentlicht. Außerdem verteidigt Hugh Wood die Leistung des Komponisten William Walton und bespricht dessen "Selected letters of William Walton" mit "bezaubernden" Kommentaren von Imma von Doernberg sowie den Bildband zur Hundertjahrfeier "William Walton" von Humphrey Burton und Maureen Murray.

Express (Frankreich), 30.05.2002

"En panne" ist in Frankreich immer irgend etwas, doch der französische Roman ist es nicht, meinen zumindest Olivier Le Naire und Francois Busnel: Vier Neuerscheinungen von jungen französischen Autoren beweisen immerhin, dass der französische Literaturbetrieb wirklich in Betrieb ist. Unter den jungen Talenten ist Anne Parlage, deren Stil laut Busnel scharf wie ein Rasiermesser ist. Ihr Roman "Le souffle du Minotaure" erzählt von einer unglücklichen Liebe, vom Labyrinth der Gefühle, in dem plötzlich ein Monster haust. Le Naire lobt den Roman "Le dernier voyage d?Emilie" des 27jährigen Schriftstellers Nicolas Michel wegen der gelungenen Konstruktion der Handlung. Die Hauptfigur des Romans ist die herzkranke Emilie, die lernt, jeden Moment des Lebens intensiv zu leben. Empfohlen wird außerdem der Kriminalroman von Colin Thibert "Royal Cambouis". Marc Vilrouge lässt in seinem Roman "Air conditionne" in einem Racheakt die Lüftungsschächte eines Verlagshauses verstopfen. Tod eines Kritikers, Tod eines Lektors oder Tod eines Verlagshauses, das sind eben die Themen dieser Tage.

Die Bücherschau widmet sich diese Woche der Psychoanalyse und parapsychologischen Phänomenen: Laurence Liban porträtiert J.-B. Pontalis, dessen Schriften sich zwischen Literatur und Psychoanalyse bewegen. Besprochen werden das Buch "Les illusionistes", in dem der Nobelpreisträger Georges Charpak und sein Koautor Henri Bloch unter anderem erklären, wie man glauben machen kann, dass man sich mit einem Spieß die Zunge durchbohrt (lesen Sie hier) und der Aufsatzband "Le savoir du prince" von Ran Halevi, der den Einfluss von Philosophen auf Könige vom Mittelalter bis zur Aufklärung nachzeichnet (lesen Sie hier).

Außerdem: Eric Libiot feiert die Gewinner des 55. Filmfestival in Cannes. Und: Nach einem aufmunternden "Allez-y" verrät der Sänger Renaud in einem Gespräch mit Gilles Medioni, warum er sich in einem seiner Songs über Bernard-Henry Levy lustig macht. Nach einer langen künstlerischen und privaten Krise erscheint jetzt sein neues Album "Boucan d'enfer". Renaud gesteht außerdem, dass eine seiner Inspirationsquellen Klosprüche sind.
Archiv: Express

New Yorker (USA), 03.06.2002

Jeffrey Toobin rollt noch einmal den Fall von Louima auf, jenem Haitianer, der im August 1997 auf einem New Yorker Polizeirevier brutal vergewaltigt worden war. Als einer der Hauptschuldigen wurde damals auch der Officer Charles Schwarz verurteilt, dessen Schuld inzwischen jedoch als fraglich gilt. Mit Beharrlichkeit habe seine Frau, ein Anwalt und ein Kolumnist der Post eine Änderung der öffentlichen Meinung und Schwarz' Entlassung aus dem Gefängnis erwirkt, eventuell steht ihm jedoch ein neuerliches Verfahren bevor. Minutiös trägt Toobin alle verfügbaren Aussagen und Fakten zusammen. "The story of Charles Schwarz", schreibt er, " belongs to a suddenly distant era, when the public image of New York police officers was shaped largely by their fraught relations with the city's racial minorities rather than by their heroics on September 11th." Und obwohl die Schuldfrage in der Tat nicht völlig geklärt sei, konstatiert Toobin abschließend: "The campaign for Schwarz stands as a model of media-age advocacy, one that has little to do with the facts of the case."

Die französische Sexliteratur hat indessen auch die USA erreicht. Judith Thurman findet Catherine Millets Schilderungen ihres Sexlebens "prätentiös" und nicht sonderlich erheblich: "Lust is a great and inexhaustible literary subject, but writing graphically about what excites one isn't literature. The same stupid things excite everybody." John Lahr lobt in seiner Theaterbesprechung Tom Donaghy's Stück "Boys and Girls" als ebenso "lebhaft" wie "alarmierend", sein Verriss von Craig Lucas' and David Schulners "This Thing of Darkness" fällt dagegen kurz und gründlich aus ("das Schauspieler-Schutzprogramm bewahrt mich davor, die Schauspieler zu nennen, die diese leblose Allegorie bevölkern"). Und James Surowiecki porträtiert den Sänger Jeff Tweedy und stellt das neue Album seiner Band Wilco vor: "spektakulär".

Nur in der Printausgabe: ein Bericht über die hochfliegenden Pläne des neuen Chefredakteurs der Times, Jon Lee Andersons "Letter from Kabul" zur Frage, wer Achmed Shah Massoud getötet hat, eine Erzählung von Jonathan Safran Foer, Wissenswertes aus der Welt des Angelsports und Lyrik von Vijay Seshadri und Giuseppe Ungaretti.
Archiv: New Yorker