Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
14.10.2002. In der Lettre schildert Eliot Weinberger das gebeutelte amerikanische "Wir". Die LRB findet Daniel Libeskinds Imperial War Museum in Manchester am besten leer. Im TLS bespricht George Steiner den Briefwechsel Mann - Adorno. In Espresso erzählt Roberto Begnini, wie seine Mutter ihm mit Dante drohte. Der Nouvel Obs liefert ein Dossier Saddam.

Lettre International (Deutschland), 01.10.2002

Es gibt einfach kein Vorbeikommen an den USA: dafür sorgen die amerikanische Irak-Politik und der erste Jahrestag des Attentats auf das World Trade Center.

In einem herrlich ironischen Artikel macht Eliot Weinberger eine Bestandsaufnahme der amerikanischen Situation, ein Jahr nach dem Attentat auf das World Trade Center, und stellt fest, das es erstens kein amerikanisches "wir" gibt, das sich seitdem hätte verändern können, und dass, gesetzt es gäbe ein solches "wir", man höchstens sagen könnte: "'Wir' sind die gleichen, aber wir sind Nervenwracks." Dafür macht Weinberger zwei in ihrer Panikmache konkurrierende Mächte verantwortlich: "das Team des Weißen Hauses" und "die lakaienhaften Medien". "Ist es möglich, die Vereinigten Staaten zu verstehen?", seufzt Weinberger und erklärt, warum diese Frage gerade der Bush-Administration gilt: Der 11. September "brachte einer der arrogantesten und aggressivsten Regierungen in der amerikanischen Geschichte hervor, eine Regierung, die bereits ihre Unduldsamkeit oder Abneigung gegen solche Grundlagen der Demokratie wie die freie Rede, offene Wahlen, ordentliche Gerichtsverfahren und die Trennung von Kirche und Staat unter Beweis gestellt hat."

Nicholas Fraser hat im Auftrag der BBC nicht-englische Dokumentarfilme aus Europa in Augenschein genommen, die ihm Aufschluss geben sollten über Europas derzeitige Einstellung zu den USA. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass "die Entfremdung zwischen Europa und den USA sehr tiefgreifend, wenn nicht sogar unwiderruflich" ist. "Überlegen Sie sich, welche Auswirkungen es auf alte, überaus selbstbewusste Landstriche hat, wenn sie mitansehen, wie Konzepte, die sie für ihre ureigenen Erfindungen hielten - Demokratie, Menschenrechte, die grundsätzliche Exportierbarkeit universeller, die Zivilisation definierender Ideen -, von anderen angeeignet und ihnen dann zurückgegeben werden. Stellen Sie sich vor, wie sich arrogante Nationen fühlen, wenn sie miterleben, wie ihre Erfindungen auf eine Weise verwirklicht werden, die alles übertrifft, was sie selbst zuwege gebracht haben. Wieder an der Stelle angelangt, wo einmal die Guillotine stand, versuchen Sie zu begreifen, was für ein Gefühl es ist, in dieser amerikanischen Welt Europäer zu sein. Es ist nicht immer ein gutes Gefühl."

Auszugsweise lesen dürfen wir schließlich noch: Tahar Ben Jelloun erzählt in seinem Text "Dschenin" von inneren und äußeren Trümmerhaufen. Rian Malan zeichnet das Eigenleben einer weltbekannten Melodie nach

Nur im Print: Samuel Weber bemerkt, dass neuerdings auch der Begriff 'Spektakel' mit den Begriffen 'Krieg' und 'Terrorismus' in Verbindung gebracht wird, und erforscht diesen neuen Zusammenhang am Beispiel des 11. September und Tariq Ali warnt vor einem 'Kampf gegen den Terrorismus', der, als leere Rhetorik, der Durchsetzung geopolitischer Interessen dienen würde.

Totgesagte leben länger, doch das müssen sie erst einmal beweisen. So auch der totgeglaubte Vagabund und Dichter Andre de Richaud (mehr hier), dessen Text "Ich bin nicht tot" aus dem Jahr 1964 zum ersten Mal auf Deutsch veröffentlicht wird. Wie schon Pirandellos Mattia Pascal, fand Richaud dieses Totsein bestenfalls seltsam: "Aber nein, ich bin nicht tot. Viel schlimmer! Ich habe nämlich die Nachteile des Todes, aber die Vorteile habe ich nicht. Ein Mönch ohne Glauben bin ich. Und auch ein unschuldiger Sträfling."

Des weiteren porträtiert Hans-Jürgen Heinrichs den französischen Dichter Blaise Cendrars als "Inbild des Reisenden" und "transsibirischen Homer", Hannes Böhringer schreibt über "verschenkte Weisheit" in Büchern und anderswo, Ziauddin Sardar porträtiert den 1997 verstorbenen Qawwali-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan (mehr hier und hier), und Volker Demuth widmet sich "Extremitäten" und der "Perfektionierung der Ortlosigkeit".

London Review of Books (UK), 17.10.2002

Besonders interessant ist der Artikel von Peter Campbell über das von Daniel Libeskind entworfene Imperial War Museum North in Manchester (das ?Mutterhaus' steht in London). Er findet das Gebäude aufregend und zitiert Libeskind, der schrieb, das Design sei "'fundamentally based on the contemporary world shattered into fragments and reassembled as an emblem of conflict'." Aber bei seinem Besuch in Manchester überzeugt das Gebäude Campbell dann nicht, und er meint, dass hier, ähnlich wie in Berlin, die skulpturale Qualität des Museums den in ihm präsentierten Inhalt übersteigt, und dass die "rhetoric of the architecture and of the sound and light show which justifies its darkness, scale and arrangement is out of step with the dispassionate analysis of war and of the sadness of death and destruction which the Museum's content examines without dramatic flourishes." Seine abschließende Betrachtung würdigt den Star-Architekten auf ambivalente Weise: "Libeskind has proved that expressive architecture is possible, that you can make wonderful buildings which do not feel empty even when there is nothing in them. But, sitting in the 'water' shard, my mind wandering around the concept of a fractured globe, I wondered - as I watched the ducks and took my tea - if it wasn't a bit like picnicking on the Cenotaph."

Weitere Artikel: Unter der Überschrift "Saddam's Nuclear Incapability" bespricht Norman Dombey die zwei Bücher "Iraq's Weapons of Mass Destruction: A Net Assessment" von Khidhir Hamza und "Saddam's Bombmaker: The Daring Escape of the Man who Built Iraq's Secret Weapon" von Jeff Stein. Rebecca Mead verreißt Alice Sebolds Roman "The Lovely Bones", der monatelang auf den US-Bestseller-Listen stand. Der Roman handelt von einem 14-jährigen Mädchen, das vergewaltigt und ermordet wird. Der Clou: Das tote Mädchen erzählt die Geschichte selbst - aus dem Himmel. "Cuteness, it turns out, is immortal. This is not only untrue; it's distasteful", meint Mead. Schließlich bespricht M. F. Burnyeat die Studie "Restraining Rage: The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity" von William Harris.

Leider nur im Print: Perry Anderson über "Hobsbawm's Histories" unter der bezeichnenden Überschrit "Confronting Defeat".

Times Literary Supplement (UK), 12.10.2002

Das TLS lockt diesmal mit großen Namen: Thomas Mann, Theodor Adorno und nicht zuletzt Umberto Eco.

Dass Umberto Ecos lustvoll ausuferndes Schreiben ansteckend ist, beweist Tom Shippey in seiner (leider nur auszugsweise vorhandenen) Besprechung von Ecos "Baudolino". Doch genauso lustvoll wie das Schreiben ist auch das Lesen, denn Shippey möchte so gerne Ecos "perfekter Leser" sein, dass er jeder von dem "unverbesserlichen Lügner" Baudolino - und von dem noch "größeren Lügner" Eco - gelegten Spur nachgeht. Er spekuliert sogar amüsiert, dass verzweifelte Antiquare bald die von Eco zitierten, aber nicht existierenden Texte nachschreiben werden. Die unvermeidliche Befremdung des Lesers gehe allerdings nicht nur aus dem geschickten Spiel mit mittelalterlicher Wahrheit und Lüge hervor, sondern auch aus Ecos "Pulp Fiction"-artiger Erzählweise. Shippeys vorläufiges Fazit: "Ein Riesenspaß, könnte man sagen, doch wozu ist das alles gut? Was auch immer es ist, es scheint zu funktionieren."

George Steiner ist (leider nun in Auszügen) begeistert von der Lektüre des nun auf Englisch erschienenen Briefwechsels zwischen Thomas Mann und Theodor Adorno, der die "aktive Zusammenarbeit" bezeuge, die sich zwischen den beiden Großen um den Doktor Faustus entsponnen hat. In der Tat berge dieser Roman etwas Seltenes, nämlich die Anwesenheit "abstruser Denker" in der literarischen Fiktion: "Der Teufel im Doktor Faustus wurde sofort als die Inkarnation von Theodor Adorno erkannt. Sowohl der Schriftsteller als auch die dramatis persona schöpften aus dieser Identifikation diebische Freude." Diese Freude teilt auch Steiner und bescheinigt dem Gespann eine unerreicht fruchtbare "Symbiose zwischen einem Schriftsteller und seinem 'Haus-Experten'".

Weitere Artikel: Robert MacFarlane hat "Moy Sand and Gravel" gelesen, den jüngsten Lyrikband von "Prankster-Poet" Paul Muldoon, und findet darin Tod, sprachliche Reha-Übungen und programmatisches Misstrauen gegenüber poetischen Dogmen. E. S. Turner passiert teils belustigt, teils kopfschüttelnd, eine Reihe von Büchern Revue, die sich mit Tieren und den damit verbundenen ethischen Fragen beschäftigen.

Nur in der Printausgabe zu lesen sind Lindsey Hilsums "Brief aus Bagdad", Glyn Maxwells Prosatext "The Leonids", Gedichte von Patrick Crotty und weitere nicht im einzelnen genannte Artikel und Texte.

Espresso (Italien), 17.10.2002

Italiens Journalistenlegende Enzo Biagi (mehr hier) plaudert mit Alleskönner Roberto Benigni (alles über ihn hier) und erfährt so, wie nahe sich Pinocchio und die Hölle sind: "Meine Mamma kannte nur die Geschichte von Pinocchio und ein paar verstreute Verse von Dante Alighieri aus der Göttlichen Komödie. Sie vermischte beides und warnte mich: Wenn du lügst, wird Deine Nase immer länger und dann wirft Dich Dante Alighieri in die Hölle." Und über ein ganz ähnliches, aber aktuelleres Thema: "Das Komischste an Italien ist die Tatsache, dass wir zwar das Volk des Hl. Franziskus sind, wir wählen aber den Reichsten des ganzen Landes."

Fast in jeder größeren deutschen und österreichischen Stadt gibt es zumindest eine rechtsnationale Burschenschaft, schreibt eine besorgte Flavia Foradini aus Wien. "Es handelt sich (...) um ideologische Verbindungen auf hohem Niveau, nach einer Studie arbeitet jeder vierte Student, der Mitglied in einer Burschenschaft ist, später in Führungspositionen: vor allem als Mediziner und Anwälte, aber auch Politiker, Notare, Universitätsprofessoren und Manager."

Weiteres: Der Schauspieler und Kabarettist Dario Fo erzählt, woher er seine Ideen hat: aus einer Kindheit voll mit surrealen Gestalten. Renata Pisu schickt eine Reportage aus Angeles auf den Philippinen, wo alle sechs Minuten eine Frau oder ein Kind vergewaltigt oder getötet werden. Marco Lupis meldet sich aus der Antarktis, wo eine Gruppe von Wissenschaftlern wegen der wachsenden Umweltverschmutzung Alarm schlägt. Stefano Vastano porträtiert die jüngste Abgeordnete der Grünen im Bundestag, die 19-jährige Anja Lührmann. Fabio Sindici beschreibt, wie Kopenhagen und Malmö allmählich zu einer Megacity zusammenwachsen. Und Maria Simonetti staunt, dass sich Italiens Spitzenregisseure alle um die deutsche Drehbuchautorin Heidrun Schleef reißen.

Besprochen wird nur Abraham B. Yehoshuas Roman "La sposa liberata".
Archiv: Espresso

Outlook India (Indien), 21.10.2002

Mit großer Genugtuung schildert Outlook India den Ausgang der Wahlen in Kaschmir. Die Dynasten-Familie Abdullah (ihnen ist ein wenig vorteilhaftes Porträt gewidmet), über die Partei National Conference (NC) seit Ewigkeiten an der Macht, hat abgewirtschaftet: Überschwänglich feiert der Artikel den Ausgang: "It is a defining stage in the history of Kashmir. It is also one of those thrilling moments in democracy when a revolution of sorts is ushered in through the ballot box." Die in Indien regierende Kongress-Partei und die erst vor wenigen Jahren gegründete People's Democratic Party (PDP) könnten gemeinsam regieren - allerdings rät der Kommentator zu einer Koalition der PDP mit den unabhängigen Abgeordneten.

Angeführt wird die PDP von einem Vater-Tochter-Gespann, das ebenfalls vorgestellt wird - die Hoffnung ruht vor allem auf der Tochter, Mehbooba Mufti: "People in the Valley see her as a fearless woman who has braved bullets and militant threats to build her party from scratch. Her speeches, unlike her father's, are very pro-people and sometimes border on separatist politics." Die PDP ist gewillt, einen durchaus von Neu Delhi unabhängigen Kurs zu steuern: "The PDP does not consider Kashmir a disputed territory but a 'dispute' that needs to be resolved through dialogue. This dialogue, they say, must include all the separatist groups, including gun-wielding militants." Verschwiegen wird allerdings auch nicht, dass der Westen skeptisch bleibt: in manchen der separatistischen Regionen ist kaum einer zur Wahl gegangen. Berichtet wird außerdem, in einer insgesamt sehr politikzentrierten Ausgabe, von der Tour des Ministerpräsidenten Vajpayee durch Europa. Die Stimmung, heißt es, ist bestens - solange die Rede nicht auf Kaschmir und die Probleme im indisch-pakistanischen Verhältnis kommt.
Archiv: Outlook India

Nouvel Observateur (Frankreich), 10.10.2002

Es ist bekannt, dass Saddam Hussein mehrere Doppelgänger hat, die ihn auf öffentlichen Anlässen vertreten. Was liegt also näher, als nach dem "wahren Saddam" zu fragen und ihm ein Dossier zu widmen? "Alles über den Mann, den zu töten Amerika sich geschworen hat", verspricht der Untertitel (die Boulevard-Presse lässt grüßen).

Im Aufmacher zeichnet der Journalist und Nahost-Experte Said Abukish ein Porträt des irakischen Dikators, als schüchternen, aber höchst brutalen, hygienefanatischen Paranoiker, der Stalin zu seinem Idol gemacht habe. Abukish erklärt, wie Saddam sein Land regiert und warum nicht nur die arabische, sondern auch die westliche Welt von ihm beeindruckt ist. Seine Popularität außerhalb des Iraks übersteige bei weitem die im eigenen Land, wo nur etwa ein Fünftel der Bevölkerung, nämlich die Bürokraten und ihre Angehörigen, mehr oder weniger von ihm abhängen, aber, wie Abukish behauptet, "nicht ihr Leben für ihn geben würden". Gerade deshalb müsse Saddam von innen, nicht von außen, gestürzt werden: "Man muss das Volk auffordern, sich selbst von seinem Tyrannen zu befreien. Die internationale Gemeinschaft muss sich an die Iraker wenden und ihnen sagen, dass sie mehr Nahrungsmittel und Medikamente haben werden, wenn Saddam gestürzt ist; denen, die von Saddams System profitieren, zu verstehen geben, dass sie nicht unter einem neuen Regime zu leiden hätten. Wenn das Volk sicher ist, dass die Dinge ohne Hussein besser laufen, dass das Land weder geteilt noch besetzt wird, dass es keine Verhaftungen geben wird, dann ist der Weg bereitet zu Saddams Sturz."

In diese Kerbe schlägt auch Jean Daniel in seiner "Chronik eines angekündigten... und hinausgezögerten Krieges". Es gelte den Irak zu entwaffnen, doch die höchste Priorität habe der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, der nur mit der Unterstützung der muslimischen Völker zu gewinnen sei. Des weiteren weigert sich "L. J.", in den vermehrten Übergriffen auf französische Politiker - zuletzt das lebensgefährliche Attentat auf den Pariser Bürgermeister Betrand Delanoe - das Werk kranker Individuen zu sehen, sondern vermutet darin eher die "Kristallisierung" einer öffentlichen Feindseligkeit gegenüber den Volksvertetern. Doch woher kommt diese Feindseligkeit ? "Der Hass auf die Politik, in einem demokratischen System, ist Selbsthass."

Economist (UK), 11.10.2002

Ein special report widmet sich der Frage, ob der Irak und Israel mit verschiedenem Maß gemessen werden: "Israel ignores the United Nations and has weapons of mass destruction. So why all the fuss about Iraq?". Der Artikel nimmt alle Argumente fein säuberlich auseinander und kommt zu dem Schluss, dass die Dinge nicht wirklich vergleichbar seien.

Ein Artikel berichtet über Saddams neueste Charmeoffensive: "Desperate to save his skin from the coalition that President Bush is seeking to build, he is busily trying to boost his own international support by doling out Iraqi oil to anybody he thinks will rally to his cause. Needless to say, the firms left out of this bonanza seem to be the American oil giants. If there were ever any truth in the talk outside America that Mr Bush's secret motive for an invasion was black gold, Mr Hussein is raising the stakes."

Weitere Artikel: Im Netz lesen dürfen wir außerdem eine Warnung vor der Gefahr einer Deflation und einen Schwerpunkt Griechenland, dessen Aufmacher die gute wirtschaftliche Entwicklung (4% Wirtschaftswachstum) hervorhebt. "This survey will argue that Greece has made impressive progress towards putting its economy on the right track and improving its international image. But these achievements are fragile..." Und in Books and Arts werden Biografien über Napoleon, Nelson and Wellington besprochen.

Nur im Druck: Die Titelgeschichte widmet sich dem Streit um den drohenden Irakkrieg. Es wird heftige Kritik an Umberto Ecos "Baudolino" geübt ("a gradually palling, tortously overlong and self-indulgent joke") und ein Blick auf den neuen deutschen Superminister Wolfgang Clement geworfen ("But will Wolfgang Clement be ready and able to carry it out?").
Archiv: Economist

Spiegel (Deutschland), 14.10.2002

"Versenktes Geld" lautet der Spiegel-Titel und es geht nicht um die Kosten für das Titelpaket, sondern um eine andere Dimension von Peanuts: die internationale Bankenkrise. Im Zentrum ein Interview mit dem Präsidenten des Bundesverbands deutscher Banken, Rolf Breuer, und ein Bericht über die Citigroup, der ihre Größe zum Problem wird.

Wie sehr sich die USA von den geltenden Regeln eines Rechtsstaats entfernt haben, wird am Beispiel eines deutschlandstämmigen Türken geschildert, der nach Afghanistan ging, die Taliban zu unterstützen, dort von den USA geschnappt wurde und seither in Guantanamo einsitzt: "Noch immer hat der Häftling aus Deutschland, der türkischer Staatsbürger ist, keinen Anwalt gesehen und nicht mit seiner Familie sprechen dürfen. Ihm ist noch nicht einmal gesagt worden, was gegen ihn vorliegt. So haben die Amerikaner ausgerechnet auf Kuba das geschaffen, was sie Fidel Castro immer vorwarfen: ein Niemandsland, in dem nicht Recht und Gesetz gelten, sondern die Interessen des Militärs."

Außerdem: Frankreich hat einen Literaturskandal, berichtet Romain Leick. Es geht um Pädophilie. Der Fall ist interessant vor allem als Symptom der Säuberungsanstrengungen der neuen Rechtsregierung: "Nächstes Ziel ist das vollständige Verbot von so genannter Pornografie im Fernsehen, sogar in verschlüsselten Pay-TV-Sendern." Und: Schlechter als schlecht geht's dem HSV.

Nur im Print: Ein Gespräch mit dem amerikanischen Soziologen Richard Sennett über den Verfall der US-Gesellschaft und das Vorbild Europa und eines mit dem Büchner-Preisträger Wolfgang Hilbig über literarische Vorbilder und das Leben in der DDR.

Archiv: Spiegel

New York Times (USA), 13.10.2002

Im Jahre 1792 setzten sich zwei französische Astronomen ein vermessenes Ziel. Sie wollten einen neue Maßeinheit für die ganze Welt schaffen, den Meter. Ken Alder beschreibt in seinem nach Meinung von Timothy Ferris "überaus originellen" Buch "The Measure of All Things" (hier das erste Kapitel) das Abenteuer der Vermessung in revolutionärer Zeit. Es ging darum, die genaue Länge des zehnmillionsten Teils der Strecke vom Nordpol zum Äquator herauszufinden. Dafür begaben sich die beiden Astronomen auf die Reise, um die Strecke zwischen Dünkirchen und Barcelona genauestens zu vermessen und daraus den Erdumfang abzuleiten. Die Sache sollte in ein paar Monaten erledigt sein, aber Europa lag im Krieg, und die Reise verlängerte sich auf sieben Jahre. Die Landvermessung mit den blinkenden Instrumenten der beiden Forscher "geriet ins Chaos. Sie wurden festgehalten, eingesperrt und gerieten an so viele Hindernisse, dass man eher glaubt, einen Roman von Cervantes oder Rabelais als ein populärwissenschaftliches Werk zu lesen."

In seinen gesammelten Essays, Reden und Aufsätzen (hier das erste Kapitel) übertritt Salman Rushdie furios die Grenzen der Sprache, Geografie und Kultur, schreibt ein beeindruckter Richard Eder. "There is the Rushdie, that is, who puns, capers and shows off in gaudy colors and with world-girdling panache. The Rushdie plummeting through space after the fatwa marked him for death and punished him with a rough internal exile that kept him hidden and guarded for a number of years. Rushdie registering each sting of narrowness, arrogance or criticism -- he takes the last to be equivalent to the first two -- and instantly lashing back."

Weiteres: Sehr gut, wenn auch etwas verstörend findet John Sutherland "Family Matters", den dritten Roman (erstes Kapitel) des diesjährigen Favoriten für den Booker Prize Rohinton Mistry. Robert J. Richards stellt "The Blank Slate" von Steven Pinker vor: der Autor bricht eine polemische Lanze für die Gene, denen er einen viel größeren Einfluss auf unser Wesen zutraut, als die meisten seiner Wissenschaftler-Kollegen (erstes Kapitel). Und in seinem neuen neuen "Biographical Dictionary of Film" David Thomson wieder einmal aufs Neue, dass er einfach unersetzlich ist (erstes Kapitel), meint Sarah Kerr.

In der Science-Fiction-Ecke geht es um Rachefeldzüge in einem fantastischen Japan oder den Kalten Krieg zwischen Aliens und Menschen. Kurz besprochen wird unter anderem der Debütroman von Joyce Hackett.




Archiv: New York Times