Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
12.12.2006. In der Lettre beschreibt Bora Cosic die Dekadenz der Belgrader Kultur. Der Economist rügt die Macho-Kultur der deutschen Presse. In Vanity Fair überlegt Christopher Hitchens, warum Frauen ihn nie zum Lachen bringen. Der New Yorker weiß, welches Buch Verleger jedes Jahr aufs Neue glücklich macht. Al-Sharq al-Awsat berichtet über Auseinandersetzungen im Arabischen Schriftstellerverband. Im Figaro fordert Pascal Bruckner eine Kultur des Mutes im Westen. Die London Review beobachtet ein Beispiel von Biosentimentalität. Tygodnik berichtet, wie der Papst in Istanbul beinahe zum Islam übergetreten wäre.

Lettre International (Deutschland), 11.12.2006

Ihre 75. Ausgabe feiert die Lettre mit wunderbarem neuen Papier für die Zeitschrift. Auf matt glänzenden Seiten erinnert sich Bora Cosic an den serbischen Schriftsteller Marko Ristic, dessen im Irrenhaus geschriebenen Roman "Der Vampir" und die Belgrader Surrealistenszene der dreißiger Jahre. "Einer von ihnen ohrfeigte an einem öffentlichen Ort einen konventionellen Literaturkritiker, ein anderer aß im vornehmen Stadtcafe in aller Seelenruhe eine zerschnittene Schabe. Manche von ihnen kamen aus bescheidenen Beamtenfamilien, andere waren sehr reich. So nahm einer von ihnen jeden Abend seine Fliege mit einer Rasierklinge ab." Belgrad war in Sachen Umstürzung aller Werte ganz vone mit dabei, meint Cosic. "Das müsste auch jeder europäische Journalist, ob er nun aus Portugal oder aus Island kommt, im Auge haben, wenn er hin und wieder über mein Land als eine völlig primitive Gegend schreibt, wo nur das Messer Verständigungsmittel sei. Und ich behaupte, dass das Belgrader Umfeld weit von der primitiven Mentalität, wie sie Levy-Bruhl postuliert hat, entfernt ist. Es ist ganz im Gegenteil schon längst in die Dekadenz abgeglitten."

Der Aufstand der Ungarn 1956 hat einiges bewirkt, gerade weil er gescheitert ist, konstatiert der Schriftsteller Peter Nadas. "Die ungarische Revolution hat eine qualitative Veränderung im Verhältnis der Großmächte zueinander erzwungen. Sie hat der heißen Phase des Kalten Krieges ein Ende gesetzt, die Gefahr eines Atomkrieges verringert und die Epoche der friedlichen Koexistenz als ein für beide gegnerischen Seiten akzeptables Minimum erzwungen. Erzwungen jedoch nicht durch den Sieg der 'res publica' oder der Demokratie, sondern durch deren Niederlage." Hier ein Auszug.

Auszugsweise zu lesen gibt es außerdem Mike Davis' Porträt der neoliberalistischen Modellstadt Dubai, Michel Braudeaus Apologie der Fälschung sowie ein Gespräch zwischen Boris Groys und Carl Hegemann über kommunistische Spuren in den Religionen.

Economist (UK), 08.12.2006

Der Economist rügt die Macho-Kultur der deutschen Presse, die sich unter anderem darin äußert, dass Frauen in den Führungspositionen der Zeitungen dramatisch unterrepräsentiert seien. Dass mehr Spitzenpositionen von Frauen besetzt werden, so der Economist (der angibt, dass ein Drittel seiner Spitzenkräfte Frauen sind), "könnte nicht nur die weibliche Leserschaft vergrößern, sondern sich ähnlich positiv auf den Journalismus auswirken, wie Angela Merkels Kanzlerschaft auf die politische Kultur. Kritik beiseite - Sie vertritt einen bodenständigen, sachlichen Stil, und genau das ist es, was Deutschlands aufgeblasenem politischen Journalismus gut tun würde."

Dazu gibt's eine kleine Grafik: am aufgeblasensten sind danach Spiegel, Wirtschaftswoche und Handelsblatt (0 Prozent weibliche Führungskräfte, am zweitschlechtesten steht die FAZ da mit 6,25 Prozent, und am fortschrittlichsten ist die Welt mit 31 Prozent).
Archiv: Economist

Tygodnik Powszechny (Polen), 10.12.2006

In der liberal-katholischen Wochenzeitung analysiert Marek Zajac den Papstbesuch in der Türkei. "'Wäre Benedikt XVI. zwei Tage länger in der Türkei, wäre er zum Islam übergetreten', schrieb ein türkischer Publizist. Tatsächlich verlief die Reise anders als erwartet. Der Papst wollte dem Dialog mit der orthodoxen Kirche einen neuen Impuls verleihen - und schrieb ein neues Kapitel in der Geschichte der Kontakte mit dem Islam." Zajac erinnert auch an die Ähnlichkeiten und Unterschiede zum Besuch Johannes Paul II. 1979 - damals hatte die türkische Öffentlichkeit sehr sensibel auf alle Gesten reagiert, die einer Manifestation der christlichen Religion ähnlich sahen. Heute erntete Benedikt XVI. Anerkennung für sein Gebet in der Blauen Moschee.

Outlook India (Indien), 18.12.2006

Er kommt spät und wäre das Todesurteil gegen Mohammed Afzal planmäßig am 10. Oktober vollstreckt worden, zu spät: Fünf Jahre nach dem Anschlag auf das indische Parlament und dem umstrittenen Eilprozess gegen den vermeintlichen Strippenzieher Afzal, bringt Penguin mit "13 December: A Reader" einen Essayband heraus, in dem u. a. die Schriftstellerin Arundhati Roy, eine Wiederaufnahme des Verfahrens fordert: "Eine ordentliche Untersuchung, keine politische Hexenjagd, hätte festzustellen, welche Rolle etwa die Geheimdienste spielen. Beweisfälschung und die krasse Missachtung verfahrensrechtlicher Normen sind bloß die Spitze des Eisbergs ... Es mag utopisch sein anzunehmen, die Regierung werde so mutig sein, die Wahrheit herauszufinden. Ein gewisses Maß an Feigheit ist anscheinend jeder Regierung eigen. Aber die Hoffnung bleibt." Mehr aus dem Vorabdruck.

Weiteres: Dileep Padgaonkar staunt über das politische Know-how in einem Band mit ausgewählten Reden von Premierminister Manmohan Singh. Girish Karnad lobt die Präzision in den "Collected Stories" von Shama Futehally. Und Ravina Rawal prüft die gastgeberischen Kompetenzen ausländischer Diplomaten: "Die Deutschen werden dafür gelobt, dass sie oft einladen und große Mengen an Bier, Würstchen und ernster Konversation anbieten. Experten beschweren sich nur, dass ihre Parties oft überfüllt sind."
Archiv: Outlook India

Vanity Fair (USA), 01.12.2006

Als die große Tragödie eines jeden Mannes erkennt Christopher Hitchens, dass die Dinge, die er am meisten mag, nicht zusammen zu haben sind: Frauen und Witze. "Es gibt etwas, was Sie niemals von einem männlichen Freund hören werden, auch wenn er noch so hymnisch von seiner neuen Flamme schwärmt: 'Sie ist großartig, lebt ihr eigenes Leben und, Mann, bringt die mich zum Lachen.'... Warum also sind Männer, durchschnittlich und insgesamt betrachtet, lustiger als Frauen? Nun, sie müssen es einfach sein. Die schwerste Aufgabe, die sich einem Mann im Leben stellt, ist, dem anderen Geschlecht zu imponieren, und Mutter Natur (wie wir sie lachend nennen), ist zu Männern einfach nicht so freundlich. Tatsächlich rüstet sie viele Geschlechtsgenossen ziemlich schlecht für diesen großen Kampf aus. Ein durchschnittlicher Mann hat nur eine Chance: Er muss die Lady zum Lachen bringen... Frauen müssen sich nicht in gleicher Weise für Männer attraktiv machen. Sie sind es schon."
Archiv: Vanity Fair
Stichwörter: Hitchens, Christopher, Mutter

al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 11.12.2006

Fragen der Kultur sind immer auch politische Fragen. Davon handelt Muhammad Abu Zaids Bericht über die jüngste Generalversammlung des Arabischen Schriftstellerverbandes in Kairo. Siebenundzwanzig Jahre nachdem die Zentrale aus Protest gegen den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von Kairo nach Bagdad verlegt worden war, kehrt sie nach Kairo zurück. Unter turbulenten Bedingungen. So wurde die Teilnahme der irakischen Delegation in Frage gestellt, da diese, so der Vorwurf, von einer der USA-hörigen Regierung abhängig sei. Abu Zaid gibt die irakische Erwiderung wie folgt wieder: Anders als viele nationale Verbände, die von diktatorischen Regimen eingesetzt worden seien, "ist unsere Einrichtung eine unabhängige kulturelle NGO, die keinerlei Verbindung zur irakischen Regierung oder zum irakischen Kultusministerium unterhält. Sie steht fern jeden Einflusses der Besatzungstruppen." Der Vorsitzende des ägyptischen Einzelverbandes, Mohamed Salmawi, der die Vorwürfe lanciert hatte, wurde dennoch zum neuen Generalsekretär des arabischen Dachverbandes ernannt.

Skeptisch sieht Osama Alaysa die Zukunft des palästinensischen Kinofilms. Während sie bei internationalen Festivals auf großes Interesse stoßen, blieben in Palästina die Säle selbst bei kostenlosen Aufführungen oft leer. Unter den aktuellen Bedingungen, so Alaysa, verfalle eine vormals lebendige Kinokultur: "Auf dem Höhepunkt der palästinensischen Revolution waren Dokumentarfilme ein Teil des Kampfes, der von arabischen Cineasten im Allgemeinen und von palästinensischen im Besonderen geführt wurde. Die (palästinensische) Sache wartet weiter auf eine Lösung, eine Intifada reiht sich an die nächste. Und Europa finanziert weiter palästinensische Filme. Dies alleine aber reicht nicht aus. Das Kino kann sich nicht erholen, wenn es von der Bevölkerung selbst nicht willkommen geheißen wird."

Foglio (Italien), 11.12.2006

Der Schauspieler Giampero Mughini erinnert sich an die glorreichen siebziger Jahre, als er sich mit dem Regisseur Nanni Moretti anfreundete und sie "Ecce bombo" drehten. "Eine der beiden Szenen spielte auf der Terasse der Wohnung einer jungen und reichen römischen Bürgerlichen. Einige Jahre später musste diese Frau einige Tage im Gefängnis verbringen, weil sie angeblich einen roten Terroristen beherbergte. An dem Abend als wir in die Wohnung kamen, um die Szene für Nannis Film zu drehen, saß tatsächlich einer auf der Couch. Ich hatte ihn 1977 bei den Demonstrationen gesehen, wo er sich fürchterlich aufführte."

Weiteres: Fabio Canessa entdeckt den anarchisch angehauchten, aber attraktiven Intellektuellen Luciano Bianciardi als einen der vielschichtigsten italienischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Und Ugo Bertone poträtiert den Mexikaner Carlos Slim Helu, der nun Brasiliens Telekommunikation aufkauft.
Archiv: Foglio
Stichwörter: Bertone, Moretti, Nanni

New Yorker (USA), 18.12.2006

Daniel Radosh erklärt, warum die Bibel Verleger so glücklich macht. "Die geläufige Beobachtung, dass die Bibel das meistverkaufte Buch aller Zeiten sei, überdeckt eine viel verblüffendere Tatsache: Die Bibel ist das meistverkaufte Buch des Jahres - und zwar in jedem Jahr. Zu ermitteln, wie viele Bibeln in den Vereinigten Staaten verkauft werden, ist so gut wie unmöglich, eine vorsichtige Schätzung geht allerdings davon aus, dass die Amerikaner 2005 rund 25 Millionen Bibeln erworben haben - also doppelt so viele Exemplare wie der neueste Harry Potter. Der Betrag, der jährlich für Bibeln ausgegeben wird, wird auf mehr als eine halbe Milliarde Dollar geschätzt."

Weitere Artikel: In einer ausführlichen Reportage geht Jerome Groopman der Frage nach, ob Todkranke noch in der Versuchsphase befindliche Medikamente bekommen sollten. Hendrik Hertzberg kommentiert den Irak-Report der amerikanischen Untersuchungsgruppe. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The First Sense" von Nadine Gordimer.

Wyatt Mason porträtiert den indischen Schriftsteller R. K. Narayan. Anthony Lane rezensiert den neuen Hannibal-Lecter-Roman "Hannibal Rising" von Thomas Harris. John Lahr stellt Inszenierungen der Theaterstücke "The Voysey Inheritance" und "Two Trains Running" vor. Und Anthony Lane sah im Kino "The Good German" von Steven Soderbergh mit George Clooney und Cate Blanchett und das "pathologische Kunstwerk" "Apocalypto" von Mel Gibson.

Nur im Print: ein Artikel über die Anthropologie des Aufruhrs und Lyrik.
Archiv: New Yorker

Figaro (Frankreich), 11.12.2006

Am kommenden Donnerstag treffen sich in Paris zahlreiche Intellektuelle und Politiker, um die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft gegenüber der gegenwärtigen Atompolitik des Iran zu demonstrieren. Einige der Teilnehmer erläutern im Figaro vorab ihre Beweggründe, daran teilzunehmen. Der Philosoph Andre Glucksmann etwa erklärt: "Wir sind gewarnt: Die Bombe der islamischen Revolution ist nicht 'wie die anderen', sie transportiert eine spezifische Gefahr, indem sie die Risiken einer apokalyptischen Fehlentwicklung vervielfacht. Stanley Kubrick hat alles vorausgesehen, außer Teheran." Und der Schriftsteller Pascal Bruckner schreibt: "Europa sollte den kleinen persischen Führer [im Original auf Deutsch, d. Red.] wenigstens als einen Feind betrachten, ihn auch als einen solchen bezeichnen und an der Seite der Vereinigten Staaten keinerlei Optionen ausschließen, auch nicht eine militärische. Aber um eine Diktatur zu beenden, müsste man zu einer Kultur des Muts zurückfinden, um die es auf unserem alten Kontinent nicht gerade zum Besten bestellt ist."

Im Figaro Litteraire erklärt der Mittelalterexperte Jacques Le Goff die Bedeutung des Nationalgefühls und der Kenntnis der Geschichte für die aktuelle Politik.
Archiv: Figaro

London Review of Books (UK), 14.12.2006

Eine äußerst anregende Lektüre, nämlich Lesley Sharps anthropologische Betrachtung der Organtransplantation und ihrer Folgen ("Strange Harvest: Organ Transplants, Denatured Bodies and the Transformed Self") empfiehlt Ian Hacking. "In der Welt der Organtransplantationen hat die Technologie eine neue Art der Verwandschaft geschaffen. Viele Empfänger fühlen sich mit der Familie ihres Spenders sehr verbunden, wobei die Bindung zur Mutter besonders stark ist. (...) Vor fünfzehn Jahren führte der Anthropologe Paul Rabinow den Begriff der 'Biosozialität' ein, um die auf modernen Biotechnologien beruhenden gemeinschaftlichen Bindungen zu bezeichnen. Sharp gibt zu bedenken, dass wir vielleicht eher die Zeugen einer Art Biosentimentalität sind."

Weitere Artikel: John Lanchester wird das ungute Gefühl nicht los, dass Tom Bowers Biografie des mittlerweile wegen Betrugs vor Gericht stehenden aufstiegsgeilen Zeitungsverleger-Ehepaars Black ("Conrad and Lady Black: Dancing on the Edge") vor Schadenfreude nur so trieft. Lorna Scott Fox lobt die politische Feminisierung Chiles. Und Michael Wood hat sich buchstäblich verzaubern lassen von Christopher Nolans komplex-verstricktem Magierfilm "The Prestige".

Gazeta Wyborcza (Polen), 09.12.2006

Für Waclaw Radziwinowicz besteht ein Zusammenhang zwischen den Morden an Anna Politkowskaja und Alexander Litwinenko und dem Ende der Putin-Ära 2008. "'Putins Gefolgsleute wollen ihn nicht gehen lassen', kolportiert Alexander Pumpianski, Redakteur der bekannten Wochenzeitung Nowoje Wremja, eine unter Mokauer Beobachtern kreisende Spekulationen. Sie seien sogar bereit zu töten, damit die Welt glaubt, Putin sei ein neuer Lukaschenko. Denn dann gäbe es für Putin nur eine Möglichkeit - sich krampfhaft an der Macht zu halten. Sie sind bereit, Chaos im Land heraufzubeschwören, um seinen Abgang unmöglich zu machen."

Weitere Artikel: Wilhelm Sasnal ist der momentan angesagteste polnische Maler und Zeichner. Im Interview verrät er, wie seine Werke entstehen: "Sampeln. Ich kann keine Fiktion, keine Abstraktion produzieren. Vielleicht male ich dokumentarische Bilder? Oder will keine neuen Vorstellungen hinzufügen zu dem, was schon da ist? Wozu auch?" Abdruckt ist schließlich eine Rede, die Jurij Andruchowytsch auf einer Konferenz zur Bedeutung Jerzy Giedroycs hielt. Es geht dabei um die ewige Frage nach den Grenzen Europas, den Platz der Ukraine und die Rolle der EU, die der Schriftsteller als "eine Art psychologischer Ersatz: eine Ansammlung postimperialer Loser, die es nicht im Alleingang geschafft haben, Supermacht zu werden" definiert.
Archiv: Gazeta Wyborcza

Point (Frankreich), 07.12.2006

Anlässlich des Erscheinens der französischen Übersetzung seines Buchs "Im Weltinnenraum des Kapitals" ("Le palais de cristal") erklärt der Philosoph Peter Sloterdijk in einem Interview mit Elisabeth Levy, wie die Globalisierung durch die großen Entdeckungen am Ende des 15. Jahrhunderts ausgelöst wurde. "Das entscheidende Merkmal der frühen Moderne war die weltweite Vernetzung, ausgelöst durch die Expansion der Europäer. Sie begannen die Welt ernst zu nehmen - zunächst als ein Objekt, auf dem man sich frei bewegen und das man erforschen kann, aber zugleich als ein Objekt, das sich erobern und ausbeuten lässt. Europa war also der Ausgangspunkt dieser 'Eroberung der Welt', was durch das Wechselspiel von Aktion und Reaktion zu einer Welt führte, wie wir sie heute kennen: ein Universum, in dem das Gesetz des 'Handelns aus der Distanz' regiert - Telekommunikation, Telekonflikt, Telegewalt, Teleobszönität, Telehilfe, Telebarmherzigkeit. Nur ein telerealistischer Gedanke kann eine solche Welt interpretieren, bilden und reformieren."
Archiv: Point

New York Times (USA), 10.12.2006

Die Schriftstellerin Cynthia Ozick schildert eindrucksvoll ihre ethische Bekehrung durch Leo Baecks Essay "Romantische Religion": "In meiner Jugend stand ich auf 'Weltschmerz, Schwärmerei, Welttrunkenheit', diese entfesselten Wagnerschen Emotionen ... Durch Baecks Revision des romantischen Zaubers - seines Jubels, seiner Trauer und seiner illusorischen Schönheit - erschien mir das alles nur noch abstoßend ... Wo führte das schon hin? Zu Eitelkeit, Größenwahn und ins Delirium. Das war Dionysos. Ich wählte Rabbi Baeck."

Weitere Artikel: Simon Winders Buch über 007 (Auszug "The Man Who Saved Britain") nennt Isaac Chotiner achtungsvoll "geopolitische Kunstkritik". Edward Lewine findet John Grishams Tatsachenbericht "The Innocent Man" über einen authentischen Mordfall und Justizirrtum lange nicht so packend wie Capotes "Kaltblütig". Rachel Donadio porträtiert die einflussreiche Literaturwissenschaftlerin und Lyrikkennerin Helen Vendler. Joel Brouwer empfiehlt neue Gedichte von Frederick Seidel, Erin Belieu u. a. Und Jim Holt blättert vergnügt in Alain de Bottons Buch über glückbringende Bauten (Auszug "The Architecture of Happiness").
Archiv: New York Times