Magazinrundschau
Mircea Cartarescu: Ich lebte in grauenhafter Einsamkeit
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
26.06.2007. In der Lettre erzählt Mircea Cartarescu von der ersten Frau, mit der er Sex hatte. Das TLS sieht Russlands Zukunft dunkelschwarz. Przekroj stellt den Informatiker Lukasz Foltyn vor, der in die Politik geht. Outlook India zeigt die Grenzen für Habermas' Konzept der Öffentlichkeit in Indien auf. Der New Yorker ahnt, warum Murdoch das Wall Street Journal kaufen möchte. Elet es Irodalom denkt über die - noch - westeuropäische Öffentlichkeit nach. In Trouw beschreibt der protestantische Prediger Sam Janse den wunden Punkt der Niederländer in Afghanistan. Der Economist vergleicht zwei Bücher zur Postkolonial-Geschichte Indiens. Die Weltwoche findet die documenta zu elitär.
Lettre International (Deutschland), 01.07.2007

Die schwedisch-iranische Autorin und Wissenschaftlerin Haideh Daragahi porträtiert Fatemeh Baraghani, "die erste Frau in der islamischen Welt, die, vor mehr als 150 Jahren, in der Öffentlichkeit ihren Schleier abnahm. Sie glaubte, dass aller Reichtum Diebstahl sei, schrieb Gedichte und wissenschaftliche Abhandlungen (...) Ihre Lebensumstände waren bereits von dem französischen Diplomaten Comte de Gobineau, dem britischen Orientalisten Edward Brown und einer Reihe weiterer damaliger Iranreisender aufgezeichnet worden. Dass sie dem westlichen Feminismus dennoch unbekannt ist, dürfte, wie man nur vermuten kann, an einem eurozentristischen Provinzialismus liegen, dem das Vorstellungsvermögen fehlt, eine Frau ihres Formats mit dem Kulturkreis ihrer Herkunft in Einklang zu bringen."
Online lesen dürfen wir unter anderem Auszüge aus Dunja Melcics (mehr) Reportage über den Mord am serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic. Jean Baudrillard fragt: Warum ist nicht alles schon verschwunden? Daryush Shayegan (mehr) beschreibt den Schauplatz Teheran. Terry Glavin (mehr) erzählt von Glanz und Elend der Papageien und Ahmed Rashid spricht mit Georg Brunold über Pakistans rührige Islamisten.
Times Literary Supplement (UK), 20.06.2007

Literaturen (Deutschland), 01.07.2007

Weitere Artikel: Der Schwerpunkt des Hefts ist Thomas Mann und seinem Roman "Doktor Faustus" gewidmet. Freigeschaltet ist daraus ein Artikel, in dem Ulrich Rüdenauer ein Radio-Projekt vorstellt, das den Roman als Hörspiel adaptiert. In seiner Kriminal-Kolumne feiert Franz Schuh die französische Bestseller-Autorin Fred Vargas. Sebastian Moll berichtet aus New York von den Büchern der US-PräsidentschaftskandidatInnen. Der Autor Ernst-Wilhelm Händler liest Richard Ford. Besprochen werden Edward St Aubyns Roman "Schöne Verhältnisse", der Suhrkamp-Band "Und jetzt?" über "Politik, Protest und Propaganda" heute und ein Film über den Denker Slavoj Zizek.
Przekroj (Polen), 25.06.2007

Lukasz Drewniak gerät ins Schwärmen, wenn er das Theaterfestival Malta in Poznan vorstellt, das gerade begonnen hat. Es hat zwar nicht die Bekanntheit und die Dimensionen von Avignon oder Edinburgh, aber "Malta ist demokratischer und weniger chaotisch. Es hat sich nicht in einen Supermarkt der Kunst verwandelt. Malta ist eine Insel der Kunst im Meer des Kommerzes".
Nueva Sociedad (Argentinien), 01.06.2007

Al Hayat (Libanon), 24.06.2007
Mit Blick auf die Ereignisse in Palästina, dem Irak und dem Libanon warnt der syrische Menschenrechtsaktivist Akram al-Bunni davor, die Forderung nach einem demokratischen Wandel aufzugeben: "War die demokratische Option nicht schon eines altes Bedürfnis, eine alte Medizin, lange bevor die Krankheit der Korruption, der Rückständigkeit und Gewalt, unter der wir leiden, auftrat?! Stand die Forderung nach Demokratie nicht schon im Raum, bevor der Westen sie mit seinen Projekten politischer Entwicklung und Reform aufbrachte? Sie war für viele ein nationales Ziel an sich, um die Gesellschaft für die Herausforderungen und Bedrohungen von außen zu kräftigen." Angesichts der Tatsache, dass sich der Westen nun wieder seiner alten Politik zuwende und statt auf eine Demokratisierung auf politische Stabilität setze, werde die aktuelle Situation zum Prüfstein der einheimischen demokratischen Kräfte.
Dalal al-Bizri beschreibt die Siegesstimmung, die sich angesichts des 40. Jahrestages der arabischen Niederlage im Sechstagekrieg unter Islamisten ausbreite. Das Jahr 1967 stehe vor allem auch für eine Niederlage des säkularen arabisch-nationalistischen Denkens. Besonders empört ist Bizri aber über die Freude, die eine islamistische Kommentatorin jüngst über die zunehmende Geschlechtertrennung und Verschleierung an ägyptischen Stränden zum Ausdruck brachte. Für Bizri hat damit der "heilige Kampf gegen die säkularen Feinde 'im Inneren'" nun die Strände Alexandrias erreicht.
Dalal al-Bizri beschreibt die Siegesstimmung, die sich angesichts des 40. Jahrestages der arabischen Niederlage im Sechstagekrieg unter Islamisten ausbreite. Das Jahr 1967 stehe vor allem auch für eine Niederlage des säkularen arabisch-nationalistischen Denkens. Besonders empört ist Bizri aber über die Freude, die eine islamistische Kommentatorin jüngst über die zunehmende Geschlechtertrennung und Verschleierung an ägyptischen Stränden zum Ausdruck brachte. Für Bizri hat damit der "heilige Kampf gegen die säkularen Feinde 'im Inneren'" nun die Strände Alexandrias erreicht.
Magyar Hirlap (Ungarn), 24.06.2007

Gazeta Wyborcza (Polen), 23.06.2007

Weiteres: In einem Auszug aus Bozidar Jezerniks "Wild Europe: The Balkans in the Gaze of Western Travellers" (hier eine Besprechung aus der Times) beschreibt der slowenische Anthropologe, wie noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts westeuropäische Reisende die Brücke von Mostar den Römern zuschrieben, weil ihre architektonische Schönheit nicht in ihr Türkenbild passte. Ignacy Rutkiewicz begrüßt die polnische Ausgabe von Gregor Thums "Die fremde Stadt. Breslau 1945", für die der Historiker prompt einen Preis der Zeitschrift Odra erhalten hat (hier die lesenswerte Begründung). Dorota Zuberek schwärmt vom Filmfestival im malerisch gelegenen Städtchen Lagow, das am Sonntag begonnen hat. Diesmal heißt das Thema "Geschichte. Wahrheit und Versöhnung", und es werden Filme aus Litauen, Tschechien, Deutschland, Weißrussland, Lettland, Ungarn, Ukraine und der Slowakei gezeigt, die wohl kaum in den normalen Vertrieb kommen werden.
Outlook India (Indien), 02.07.2007

New Yorker (USA), 02.07.2007

Weiteres: John Cassidy schreibt über Hedgefonds beziehungsweise den Versuch, auf billige Art reich zu werden. Zu lesen sind außerdem die Erzählung "The Mahogany Elephant" von Maxim Biller und Lyrik von C.D. Wright und James Longenbach.
Joan Acocella rezensiert ein Buch von Alexander Waugh, Enkel von Evelyn Waugh, über die Vater-Sohn-Beziehungen in fünf Generationen seiner Familie: "Fathers and Sons" (Nan A. Talese). Joyce Carol Oates bespricht den ehrgeizigen Roman "New England White" (Knopf) von Stephen L. Carter. John Updike las eine "revisionistische" Studie über die amerikanische Wirtschaftskrise in den Dreißigern: "The Forgotten Man: A New History of the Great Depression" von Amity Shlaes (Harper Collins). Und David Denby sah im Kino Michael Moores neuen Dokumentarfilm "Sicko" über das amerikanische Gesundheitssystem und das Drama "Evening" von Lajos Koltai mit Vanessa Redgrave.
Elet es Irodalom (Ungarn), 22.06.2007

Trouw (Niederlande), 23.06.2007

Economist (UK), 22.06.2007

Weitere Artikel: Flaggenverbrennungen im Nahen und Mittleren Osten angesichts des Ritterschlags für Salman Rushdie - die Muslime Großbritanniens scheinen aber recht abgeklärt zu reagieren: "Es ist schwer zu sagen, wer für die normalen britischen Muslime spricht. Im Internet jedenfalls scheint man eher entspannt mit der Sache umzugehen: 'Was zum Teufel hat es mit Pakistan oder irgend einem anderen Land zu tun, wen wir hier zum Ritter schlagen?', lautet ein Kommentar in den Foren von BBC Asia." Besprochen werden außerdem noch eine Biografie der Henry-James-Freundin, Autorin und britischen Zelebrität Fanny Kemble und eine Geschichte Europas zwischen 1648 und 1815. Der Titel widmet sich unter der Überschrift "Märtyrer oder Verräter" der Palästinenserfrage.
Foglio (Italien), 23.06.2007
Nachdem nun alle Zahlen und Berechnungen von der Renovierung des Turms von Pisa aus dem Jahr 2001 veröffentlicht wurden, kann Gabriella Mecucci den Fortbestand des Turms garantieren. Ganz unwissenschaftlich, dafür schöner sind die Geschichten dazu, warum er überhaupt so schief ist. "Man erzählt sich auch, es sei die Schuld des Guglielmo von Innsbruck, der Konstrukteur, der mit Bonanno Pisano zusammenarbeitete, einem der umstrittenen Architekten des Turms. Der Österreicher war bucklig, und um sich für seine verunstaltetes Äußeres zu rächen, sorgte er dafür, dass der Bau ebenfalls deformiert war. Und schließlich gibt es die eschatologische Erklärung, die die Neigung direkt auf den Willen Gottes zurückführt. Der wollte einen schiefen Turm haben, der immer gefährdet ist, aber nie umfällt; der sich wie durch ein Wunder aufrecht hält, zum ewigen Ruhm der göttlichen Macht."
Desweiteren porträtiert Fabiana Giacomotti die Musikerin Peggy Gilbert, die sich in den Dreißigern in den von Männern beherrschten Jazz vorwagte.
Desweiteren porträtiert Fabiana Giacomotti die Musikerin Peggy Gilbert, die sich in den Dreißigern in den von Männern beherrschten Jazz vorwagte.
Spectator (UK), 22.06.2007

Extravagante und schwule Piraten gibt es nicht erst seit Johnny Depp, berichtet Richard Sanders, der zu diesem Thema "The True Story of Bartholomew Roberts" veröffentlicht hat. "Wenn irgendjemand den Titel des 'Wahren Piraten der Karibik' verdient, war es der Waliser Bartholomew Roberts, der in seiner zweieinhalbjäheigen Karriere zwischen 1719 und 1722 die erstaunliche Anzahl von 400 Schiffen kaperte. - eine Zahl, mit der er alle seine Zeitgenossen in den Schatten stellt. Roberts war der lebende Beweis, dass die Realität immer sehr viel interessanter ist als die Fiktion. Er trank eher Tee als Rum. Er organisierte seine Schiffe nach strikt demokratischen, egalitären Richtlinien. Ein Drittel seiner Männer war schwarz. Und er war wahrscheinlich schwul." (Und trug er beim Entern Puschen?)
Al Ahram Weekly (Ägypten), 21.06.2007

Guardian (UK), 23.06.2007

Richard Harries warnt vor Christopher Hitchens Absage an die Religion "God is not Great" wie vor einem giftigen Pilz. "Wenn Ärzte eine falsche Diagnose stellen, kann das katastrophal sein, und es ist eine Katastrophe, was Hitchens da zu den Problemen der Menschheit sagt. Er glaubt, dass die Religion die Wurzel allen Übels ist. Ist sie nicht. Das Problem liegt in uns, besonders wenn wir in Gruppen mit einer dominanten Ideologie organisiert sind, ob nun säkular oder religiös. Hitchens Fehldiagnose offenbart nicht nur ein unheilvolles Nichtverstehen, sondern hat sehr ernste Konsequenzen in der modernen Welt, wo die Religion zu einem so bedeutenden Faktor geworden ist. Hitchens bestärkt Fundamentalisten in ihrer Auffassung, eine belagerte, rechtschaffene Minderheit zu sein, wo es doch darum geht, sie in ein Zwiegespräch mit anderen zu verwickeln."
Weltwoche (Schweiz), 21.06.2007

Mathias Plüss führt ein Interview mit dem österreichischen Physiker Walter Thirring. Der 80jährige spricht über Einstein, den er als junger Assistent kennen lernen durfte und über den Zusammenhang von Physik und Religion. "Für mich ist offensichtlich, dass ein Plan da ist, dem die Natur unterworfen ist. Diesen Plan haben wir mit den einsteinschen Gleichungen in den Händen, denn sie beschreiben die Gesetze des Kosmos. Intelligent nenne ich den Plan deswegen, weil er sich dem menschlichen Geist erschließt, genauer gesagt, dem intelligenten Geist, der zur Abstraktion der höheren Mathematik befähigt ist."
New York Times (USA), 25.06.2007

In der Sunday Book Review bespricht der Historiker Richard Evans die nun erschienene Übersetzung von Saul Friedländers großer Studie "Die Jahre der Vernichtung". Eine makellose akademische Arbeit, lobt Evans - aber auch sehr viel mehr als das: "Was 'Die Jahre der Vernichtung' auf literarisches Niveau hebt, ist die gekonnte Verflechtung individueller Zeugnisse mit der breiteren Beschreibung der Ereignisse. Friedländer lässt den Leser niemals vergessen, was die Prozesse, die er beschreibt, auf menschlicher und persönlicher Ebene bedeuten."
Außerdem gibt es unter anderem Rezensionen zu Per Pettersons Roman "Out Stealing Horses" und einem Buch, in dem Katie Rophie sieben ungewöhnliche Ehen in britischen Literaturzirkeln zwischen 1910 und dem Zweiten Weltkrieg porträtiert.