Magazinrundschau

Michail Ryklin: Russland und die Berufsverbrecher

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
10.07.2007. Osteuropa hat sein ganzes neues Heft Warlam Schalamow und seinen Erzählungen aus dem Gulag gewidmet. Michail Ryklin beschreibt aus diesem Anlass die traditionsreiche Verbindung zwischen russischer Politik und dem Berufsverbrechertum. Outlook India beobachtet einen Imagewandel der Südinder. Einfach toll findet Nepszabadsag die Sexszenen, mit denen die EU für Europa wirbt. In der Revista de Libros stellt sich Alberto Fuguet den idealen Kritiker vor. In al-Sharq al-Awsat erinnert sich der israelische Schriftsteller Sami Michael an den Irak, die Heimat, in der er geboren wurde. Polen lacht über Stasi-Akten im Teatr Osmego Dnia, erzählt die Gazeta Wyborcza. In der New York Times schickt John Irving eine Liebeserklärung an Günter Grass.

Osteuropa (Deutschland), 01.07.2007

Ein großartiges Heft legt Osteuropa in diesem Monat vor. Es ist ganz dem russischen Schriftsteller Warlam Schalamow gewidmet, der von seinen 18 Haftjahren unfassbare 14 Jahre im Arbeitslager von Kolyma verbringen musste. Anders als Solschenizyns "Archipel Gulag" haben seine "Erzählungen aus Kolyma" in Deutschland nie Aufmerksamkeit auf sich gezogen, was sich nun, ändern wird. Zu Schalamows hundertstem Geburtstag wird der erste Band seiner Erzählungen "Durch den Schnee" auf Deutsch herausgegeben.

Ulrich Schmid erklärt, was Schalamows Schreiben von Solschenizyns unterscheidet: "Schalamow geht der emotionalen Komplizenschaft mit dem Leser konsequent aus dem Weg. In Schalamows Lagerprosa fehlt jede Anklage. Grausamkeiten und Demütigungen werden kaum direkt beschrieben, sondern nur als gewöhnliche Begebenheiten registriert. Oft bedarf es sogar einer erhöhten Aufmerksamkeit, damit der Leser einen Vorfall überhaupt in seiner ganzen Tragweite wahrnehmen kann."

Der russische Philosoph Michail Ryklin zeichnet anhand von Schalamows und Solschenizyns Aufzeichnungen nach, wie nachhaltig sich die politische Macht in Russland mit dem Berufsverbrechertum gemein gemacht hat: Die Welt des Gulag "war eine Welt der Knechte im Hegelschen Sinne, sie bestrafte für das große unbekannte Verbrechen, das virtuell auf jedem lastete. Das aus vergangenen Epochen geerbte menschliche Material galt in dieser Welt als wertlos und musste radikal umgearbeitet werden. Genau wie die Sowjetmacht verachteten auch die Kriminellen alle Formen menschlicher Solidarität, und wie diese bekämpften sie das Privateigentum. Sie verschwendeten, verprassten und verzockten es, bestachen mit ihrem Diebesgut Ärzte und die Lagerverwaltung. Die Annäherung der sowjetischen Ideologie an dieses Milieu, seine idealisierende Überhöhung, ist kein Missverständnis, kein Fehler; sie ist dieser Ideologie inhärent, die eine totale Enteignung zum Ziel hat."

Außerdem finden sich in diesem Heft zahlreiche Texte von Schalamow selbst, Briefe von Solschenizyn, ein Manifest von Memorial zur Gegenwart des Jahres 1937 und zahlreiche weitere unglaubliche Geschichten, etwa über den Buntmetallkonzern von Norilsk, der vom Gulagbetrieb zum heutigen Weltmarktführer aufstieg, oder den Komponisten Wsewolod Saderazki, der das Lager nur überlebte, weil Dscherschinski ihm den entsprechenden Aktenvermerk spendierte.
Archiv: Osteuropa

Outlook India (Indien), 16.07.2007

Ramachandra Guha stellt fest, wie radikal sich Indiens Koordinatensystem gewandelt hat: "Der typische Nordinder betrachtete den typischen Südinder als klein, stämmig, dunkel, weibisch - und Vegetarier. Aber heute stimmen die einst so stolzen Nordinder mit den Füßen ab und ziehen in den Süden. Sie kommen, um Codes in Bangalores Software-Firmen zu schreiben und auf den Baustellen von Hyderabad zu schuften, auf den Kaffeeplantagen von Coorg zu arbeiten oder als Laufburschen in der Filmindustrie von Chennai (Madras). Jetzt lautet unter Panjabis und Bihars das Stereotyp vom Südinder, dass er intelligent und aufgeschlossen ist, hart arbeitet und Unternehmergeist besitzt. Und er kann sehr oft eine sie sein. Am allerwichtigsten ist, dass sie dir einen Job geben kann, wenn du fleißig bist und dich gut benimmst."

Weiteres: S.N. Balagangadhara überlegt, was Europa von Indien lernen kann. So genau weiß er es auch nicht, ist sich aber sicher, dass es mehr ist als nur Yoga, Karma und vedische Astrologie.
Archiv: Outlook India

Economist (UK), 09.07.2007

Die katholische Kirche benimmt sich in China neuerdings ähnlich wie Yahoo, zeigt sich nämlich auf Versöhnung mit der Macht bedacht, schreibt der Economist: "Papst Benedikt, dessen Kirche China lange die Unterdrückung der Religionsfreiheit vorgeworfen hat, ist jetzt um Freundschaft bemüht. In einem ungewöhnlichen und langen Brief an die chinesischen Katholiken schrieb er letzte Woche durchaus versöhnlich über die vom chinesischen Staat kontrollierte katholische Kirche und ihre Bischöfe, die ohne Zustimmung des Vatikans berufen wurden. Er betonte überdies, dass es die Kirche in China nicht als ihre Aufgabe betrachtet, politische Veränderungen im Land herbeizuführen."

Weitere Artikel: In Ägypten ist, berichtet der Economist, nach langem Ringen die weibliche Beschneidung gesetzlich verboten worden - neuesten Umfragen zufolge wird sie aber noch immer von 68 Prozent der Bevölkerung befürwortet. Nicolas Sarkozy plant eine Liberalisierung des französischen Universitätssystems - dem Economist geht sie allerdings ganz entschieden nicht weit genug. Besprochen wird unter anderem Hugh Kennedys Geschichte der Verbreitung des Islam. Das Bild, das er von den Beduinen zeichnet, die Europa eroberten, ist recht ungewöhnlich: "'Die muslimischen Eroberungen', schreibt er, 'waren alles andere als das Ausströmen einer wilden Horde von Nomaden.' Die Beduinen Arabiens waren zäh und hochbeweglich, angetrieben von Stammesehre, Beutelust und Glaubenseifer." Unter anderem wird auch Torsten Krols Roman "Callisto" rezensiert. Ein Nachruf ist der Modeschöpferin Liz Claiborne gewidmet. Nicht uninteressant: Der aktuelle Big-Mac-Index, d.h. der internationale Währungsvergleich anhand des Big Mac.
Archiv: Economist

Nepszabadsag (Ungarn), 09.07.2007

Die EU hat eine PR-Offensive im Internet gestartet: Auf EUtube bei Youtube wirbt sie für ihre Ziele. Die meisten Filme fand Balasz Pocs letzte Woche ja nicht so berauschend, aber der neue Zusammenschnitt von Sexszenen aus preisgekrönten europäischen Kinofilmen - "Die fabelhafte Welt der Amelie", "Gegen die Wand" oder "Goodbye Lenin" - hat ihm fabelhaft gefallen: "Die Kommunikationsabteilung der EU ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und hat entdeckt, wie man zu den Europäern spricht. Zu Beginn des Clips reißen eine Frau und ein Mann sich gegenseitig die Kleider vom Leib, danach wird es eher noch heftiger. ... Sicher ist: Zahlreiche EU-Maßnahmen werden in Vergessenheit geraten, aber an dieses eine Förderprogramm werden sich die Menschen noch lange erinnern. Mission erfüllt."

Die diesjährige Homosexuellen-Parade in Budapest endete blutig: Mitglieder der rechtsextremen Partei "Jobbik" attackierten die friedliche Demonstration, es gab mehrere Verletzte. Ein Skandal, findet György Bugyinszki. Verantwortlich dafür macht er alle Politiker, "die heimtückisch und niederträchtig behaupten, das sei 'eine Privatsache'", die Homosexuellen im christlich-konservativen Lager, die "durch ihr Schweigen bestätigen, dass Homosexualität die Krankheit der Linksliberalen sei" und die "überwiegend katholischen kirchlichen Würdenträger, die Homosexualität weiterhin mit der Begrifflichkeit des Mittelalters, als moralische Frage behandeln".
Archiv: Nepszabadsag

Revista de Libros (Chile), 08.07.2007

Unorthodoxe Ansichten über Sinn und Zweck von Kunst- und Literaturkritik formuliert der Schriftsteller (und Kritiker) Alberto Fuguet (mehr hier) in seiner Kolumne: "Die Künstler und ihr Werk sind ein bloßer Vorwand, das Medium, um sich auf die Welt zu stürzen, auf den Stand der Dinge; wenn ein Künstler wirklich gut ist, wird er bewirken, dass derjenige, der über ihn schreibt, ihn gar nicht erwähnt, dafür aber schließlich von sich selbst spricht. Darum geht es vielleicht letzten Endes: im Autor Erinnerungen wachrufen, aufhören, ein Kritiker zu sein, und sich stattdessen in einen Leser verwandeln, der einfach Glück gehabt hat, dem man eine Tribüne zur Verfügung gestellt hat, von wo aus er Türen öffnet, statt Rollläden runterzuziehen. Wie wenige schaffen das."

Der spanische Schriftsteller Javier Cercas schreibt zum bevorstehenden vierten Todestag Roberto Bolanos: "Zu den größten Verdiensten Bolanos gehört es, literarischen Anekdoten, Legenden, Gerüchten eine geradezu epische Dimension verschafft zu haben, in der sämtliche Leidenschaften, das schwindelerregende Auf und Ab der menschlichen Existenz, einen überwältigenden neuen Ausdruck finden."

Tygodnik Powszechny (Polen), 08.07.2007

Aus Anlass des zehnten Jahrestags des "Jahrhunderthochwassers" an der Oder stellt Michal Olszewski pessimistisch fest: "Die Liste der Fehler damals ist fast genau so lang wie die der Unterlassungen danach". Das Problem sei die Mentalität der Verantwortlichen: "Die Wasserbauer denken noch in Vorkriegskategorien: ein guter Fluss ist ein gerader Fluss mit festen Wällen. (...) Wenn aber das wirklich große Wasser kommt, reichen Dämme nicht aus. Und große Fluten kommen immer häufiger vor. Die Klimaveränderung tut ihr Übriges und die Bebauung von Überflutungsflächen und die Flussregulierung durch den Menschen kommt dazu". Dennoch entstehen in den Flussniederungen neue Wohnsiedlungen - bei Anwohnern und Entscheidern fehlt größtenteils der Wille und die Vorstellungskraft, um die Denkweise zu ändern.

Weiteres: Die Kulturanthropologin Joanna Tokarska-Bakir empfiehlt die Lektüre eines zweibändigen Tagebuchs ("Zamojszczyzna", 1918-1943 und 1944-1959) von Zygmunt Klukowski. Dieser Arzt aus dem, einer südostpolnischen Kleinstadt beschreibt in nüchternem Stil den Alltag in der Provinz in der Zwischenkriegszeit, die beiden Besatzungen und die Wirren der Nachkriegszeit. Und: zum Auftakt einer Artikelserie mit Urlaubstipps wird... Deutschland empfohlen! Das Land, das Polen üblicherweise nur durchfahren. Und wenn sie mal bleiben, dann nur zum Arbeiten oder Studieren, so Agnieszka Sabor. "Für alle, die Gegensätze suchen: Weltläufigkeit und Provinzialismus, Elitarismus und Plattheit, Askese und Zügellosigkeit, Getöse und Stille, ist Deutschland ein Ferienparadies!"
Stichwörter: Askese, Nachkriegszeit, Wasser

Guardian (UK), 07.07.2007

In einem Essay setzt der Autor Julian Barnes dem Schriftsteller, Übersetzer und Geliebten von George Sand, Prosper Merimee, ein Denkmal, dessen größtes Verdienst laut Barnes die Bewahrung des französischen Kulturerbes war. Von 1834 bis 1860 war Merimee Inspecteur des monuments historiques de France: "Was Merimee entdeckte, wenn er seine jährlichen Runden drehte, war, dass ein Großteil von Frankreichs monumentalem Erbe vor dem Kollaps stand. Das Dach der Kathedrale von Chartres drohte einzustürzen; die Wandzeichnungen in Saint-Savin - das größte Aufgebot mittelalterliche Fresken in Frankreich, vielleicht in Europa - waren barbarisch übertüncht; ein paar Tage, nachdem Merimee den Palast des Vize-Regenten inspiziert hatte, stürzte er schlicht ein. Bezeichnend war der Zustand der großen Abtei von Vezelay. Ihr linker Turm war 1569 von Protestanten niedergerissen worden, Revolutionäre hatte missliebige Flachreliefs abgehauen, und schließlich errichtete - 'wie um zu beweisen, dass das 19. Jahrhundert in Sachen Vandalismus der Vergangenheit ebenbürtig war' - ein Armeecorps ein 'lächerliches achteckiges Observatorium' direkt auf dem verbliebenen rechten Turm."

Weiteres: Martin Woollacott stellt Eric Hobsbawms neues Buch "Globalisation, Democracy and Terrorism" vor, das einen sehr, sehr düsteren Blick in die Zukunft wirft. Zum Buch der Woche gekürt wird Tim Richardsons Geschichte englischer Gärten "The Arcadian Friends".
Archiv: Guardian

al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 04.07.2007

In einem interessanten Interview mit dem israelischen Schriftsteller Sami Michael geht es um das Schicksal der irakischen Juden, die in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Irak geflohen sind. Michael selbst emigrierte aus Bagdad zunächst nach Teheran und dann 1949 weiter nach Israel. "Das ist das Paradoxe: Ich habe die Heimat meiner Kinder angenommen, im Unterschied zu dem, was normalerweise der Fall ist, wenn die Kinder die Heimat des Vaters annehmen. Das gleiche geschah mit vielen Palästinensern, sie können nicht mehr in ihrer ersten Heimat leben, hören aber nicht auf, davon zu erzählen. Sie wird ein Teil der Vergangenheit. Dennoch bewegt mich das, was im Irak geschieht, wie jeden anderen Iraker auch. Ich verfolge die Nachrichten aus den irakischen Städten mehr als aus jedem anderen Land der Welt, auch als jene aus Israel. Bis heute sehe ich die irakischen Orte in meinen Träumen, meine Träume sind irakisch und spielen nur im Irak - obwohl ich den Irak vor sechzig Jahren verlassen habe. Die Wörter meiner Träume sind jene der Straßen Bagdads, seiner Geschäfte, seiner Dattelpalmen, seines Flusses und seiner Brücken, unseres alten Hauses und meiner alten Freunde."

(Auch die arabische Website elaph interessiert sich seit einigen Monaten intensiv für dieses Thema. Hier schreibt der israelische Historiker Shmuel Moreh, der wie Michael aus dem Irak stammt, in einer Serie über die Geschichte der irakischen Juden.)
Stichwörter: Irak, Michael, Sami

Gazeta Wyborcza (Polen), 07.07.2007

"Das Publikum lacht. Heute können wir lachen, denn das, was wir all die Jahre für das Grauen wie bei Kafka gehalten hatten, erscheint uns heute als primitiv und dumm." So beschreibt der Publizist Janusz Majcherek die Reaktionen auf "Teczki" (Die Akten), das neueste Spektakel der legendären polnischen Theatertruppe "Teatr Osmego Dnia" (Theater des Achten Tages, hier Info auf Französisch) In dem Stück lesen die vier Darsteller aus Geheimdienstakten: "Das ist kein historisches Stück, und es hat schon gar nichts zu tun mit der aktuellen Geschichtspolitik. Es zeigt Episoden aus dem Leben der Schöpfer von 'Teatr Osmego Dnia', die Geschichten freier Menschen, die sich mittels ihrer Kunst gegen das freiheitsberaubende System gewehrt haben. Sie zeigen uns aber auch, dass Systeme nicht verschwinden, sondern nur ihre Oberfläche ändern, und dass man um innere Freiheit und Unabhängigkeit endlos kämpfen muss." Dennoch, so Majcherek, ist es "ein aufbauendes Stück".

Der Schriftsteller Pawel Huelle wirft sich nochmal für Witold Gombrowicz in die Bresche, dessen Bücher Bildungsminister Giertych aus dem Schulkanon streichen will. "Sich mit den geistigen Abgründen von Giertych zu beschäftigen, ist reine Zeitverschwendung. (...) Wichtig ist nur, dass Gombrowicz für einige Generationen polnischer Intellektueller zum Maß der Diskussion um Begriffe wie Polen, Patriotismus, Verantwortung, Rechte des Einzelnen, und auch die Rolle des Schriftstellers wurde. Trotz oder gerade wegen des Skeptismus, der Anarchie und der Groteske, die in seinen Werken zum Ausdruck kommen" und die Moralwächter seit Generationen zu Attacken auf Gombrowicz veranlassen.
Archiv: Gazeta Wyborcza

Spectator (UK), 07.07.2007

Der Spectator stürzt sich auf die Tatsache, dass einige der Terroristen von Glasgow Ärzte sind. Stephen Schwartz und Irfan Al-Alawi vom Centre for Islamic Pluralism stellen in alarmiertem Ton eine hauseigene Studie vor, in der sie untersucht haben, wie Berufstätige aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Berufen zu Extremisten werden. "Unsere Studie konzentrierte sich auf arabische und pakistanische Ärzte (letztere sowohl zu Hause als auch im Ausland) und zeigte, dass in einem Großteil der islamischen Welt die Medizin und Religion eine Verbindung eingehen, die in der westlichen Welt verschwunden ist. Für westliche Ärzte mag die Medizin etwas mit religiöser Ethik zu tun haben, aber für muslimische Ärzte basiert sie auf religiöser Ethik und der islamischen Sicht auf die Welt. Desweiteren verbinden viele Muslime Heilung mit ihren religiösen Führern, und in den traditionelleren islamischen Ländern ist es typischerweise der Imam, der zuerst (und als letzter) zu Kranken gerufen wird. Gebet und glaubensbasierte Rezepte sind dort die einzigen Therapien."

Außerdem erinnert Hywel Williams die populären Atheisten Christopher Hitchens ("God is not Great") und Richard Dawkins ("The God Delusion") daran, dass fast alle Aufklärer an Gott glaubten. Und Alex Lewis warnt vor Rekrutierungsversuchen durch Extremisten an den Universitäten.
Archiv: Spectator

Das Magazin (Schweiz), 07.07.2007

Sacha Verna unterhält sich mit mit dem amerikanischen Autor Richard Ford, der zeigt, dass nicht nur deutsche Philosophen zu subtilsten Verstiegenheiten über das Verhältnis von Kritik und Affirmation fähig sind. Zu den amerikanischen Suburbs, die von einer seiner Romanfiguren verteidigt werden, sagt er: "Kritik ist die bequemste Art, sich der Verantwortung dafür zu entziehen, wie die Welt um uns herum aussieht. Wer also über die Suburbs schimpft, sollte sich lieber fragen: Warum gibt es sie denn? Doch nur, weil wir sie gewollt und gebaut haben. Und sie offenbar immer noch wollen und bauen. Uns ist in diesem Land das affirmative Vokabular abhandengekommen. Einer der wichtigsten Sätze, die ich je gelesen habe, stammt von Wallace Stevens: Wir verschlingen das Schlechte und verschlucken uns am Guten. Kunst kann das ändern, wenn sie will. Kunst, die sich für ein affirmatives Vokabular entscheidet, stellt einen ersten Schritt hin zur Übernahme von Verantwortung dar."

Und Miklos Gimes fragt angesichts der immer häufigeren Razzien in Clubs und Bars: "Zürich gilt als eine der liberalsten Städte der Welt. Wie lange noch?"
Archiv: Das Magazin

Foglio (Italien), 07.07.2007

In apokalyptischem Ausmaß sorgt sich Edoardo Camurri um das Buch, die Buchhandlungen und die Leser in Italien. "Um zusammenzufassen: Zu viele Neuheiten jedes Jahr, Buchhandlungen, die in Titeln ertrinken, der Kampf um die besten Verkaufsplätze, der Buchhändler verwandelt sich in einen Serienkiller, der Leser unterwirft sich den kommerziellen Mustern, die kleinen Verlagshäuser suchen nach alternativen Strategien, und über das alles regiert, in seiner olympischen Neutralität, das kalte und unbeeindruckte Gesetz der Verkaufszahlen. Man bräuchte vielleicht einen Generalstreik, wie bei den Steuern. Hört auf mit dem Lesen! Schluss. Aus. Intelligente Analphabeten sind besser als trottelige Leser."

Weiteres: Marco Respinti porträtiert die feministische amerikanische Historikerin Betsy Fox-Genovese. Fabi Dal Boni regt sich über die Computerstimmen auf, die ertönen, wo immer er auch anruft.
Archiv: Foglio

Weltwoche (Schweiz), 05.07.2007

Eine ausführliche Exegese des noch gar nicht erschienenen siebten Harry-Potter-Bandes sowie eine Reflexion über verschiedene Versionen seiner möglichen Handlung erfragt ein namentlich nicht genannter Interviewer vom Potter-Experten Michael Maar. Auf die Frage, ob Harry Potter sterben werde, antwortet Maar: "Ich würde hoch dagegen wetten. Es gibt ungeschriebene Verträge, die man nicht brechen soll, wenn man den Zorn der Götter nicht herausfordern will. Ein ungeschriebenes Gesetz der Kinder- und Jugendliteratur ist, dass der Held nicht am Ende sterben darf. Rowling spielt gern mit Regelbrüchen und kleinen Gesetzesübertritten, aber dieses letzte große Tabu wird sie nicht missachten. Vielleicht wird Harry seine Zauberkraft verlieren und als gewöhnlicher Muggel enden, das wäre eine mögliche und gar nicht unelegante Lösung. Aber sterben? Da sind andere in Gefahr: Neville Longbottom, wie gesagt, Hagrid, auch Ginny und selbst Hermine..." Auf Englisch erscheint der Band am 21. Juli.
Archiv: Weltwoche

New York Times (USA), 08.07.2007

John Irvings Kritik über Günter Grass' "Beim Häuten der Zwiebel" ist eine einzige Liebeserklärung an den bewunderten Schriftsteller. An der deutschen Kritik über Grass' spätes SS-Bekenntnis will er nichts gelten lassen: "Warum hat er so lange gewartet, bevor er es erzählte, fragen seine Kritiker (als wäre er zu irgendeiner Zeit nicht dafür kritisiert worden)." Und weiter: "Gute Schriftsteller schreiben über wichtige Dinge, bevor sie über sie plaudern; gute Schriftsteller erzählen Geschichten nicht, bevor sie sie aufgeschrieben haben." Und was Irving besonders beeindruckt: "Atemberaubend an dieser Autobiografie ist Grass' Ehrlichkeit über seine Unehrlichkeit."

Im Magazin porträtiert Roger Cohen die israelische Außenministerin und potenzielle neue Premierministerin Tzipi Livni. Desweiteren ist ein Essay von Akiko Busch abgedruckt, in dem die Autorin erklärt, warum es erfüllend ist, einen Fluss zu durchschwimmen. Jaimie Epstein widerspricht John Irving, der in seinem Grass-Artikel behauptet, literarische Kenntnisse hätten im geholfen, Mädchen kennenzulernen. Laut Epstein steht das einer romantischen Annäherung eher im Weg.
Archiv: New York Times