Magazinrundschau

Hochpreisige Monstrositäten

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
22.01.2008. Im Chronicle of Higher Education erklärt Laurie Fendrich, wie man Studenten Rousseaus Ansichten über Frauen und das Theater nahebringt. Im Nouvel Obs sieht Abdelwahab Meddeb Hoffnung für den Iran. Portfolio untersucht die Britney-Ökonomie. Der New Republic ist entsetzt vom Antisemitismus der in Auschwitz ermordeten Irene Nemirovsky. In der London Review of Books schwärmt Eric Hobsbawm vom Berlin der Weimarer Republic. Il Foglio zeichnet die enge Verbindung von Popmusik und Drogenmafia in Mexiko nach. Przekroj entdeckt polnische Expats in der Ukraine.

Chronicle (USA), 25.01.2008

Laurie Fendrich, Kunstprofessorin an der Hofstra University, schildert in einem recht amüsanten Artikel die irritierende Wirkung von Jean-Jacques Rousseaus "Brief über das Theater" auf ihre Studenten. Besonders die These, dass Frauen nicht ins Theater gehen sollten, weil dies Eitelkeit an die Stelle ihrer von der Natur erwünschten Bescheidenheit treten lasse, versetzt Fendrichs Studenten in Aufruhr: "In unseren Diskussionen frage ich, nachdem meine Studenten wie immer gegen Rousseaus Chauvinismus protestiert haben, warum die meisten Frauen in der modernen Gesellschaft Make up tragen und die meisten Männer nicht, und warum es keinen Laden gibt, der 'Victor's Secret' heißt. Wir sprechen über die Frauen bei Jane Austen, ihre Kompromisse zwischen wahrer Liebe und Männern, die ihnen Sicherheit geben, so abstoßend sie seien mögen, und wieviele von diesen Überlebenstechniken bis heute erhalten geblieben sind. Diese Diskussionen sind unbequem, das gebe ich zu, sogar für mich. Aber wie auch immer: ich trage unweigerlich Lippenstift in meinen Seminaren."
Archiv: Chronicle
Stichwörter: Austen, Jane

Nouvel Observateur (Frankreich), 17.01.2008

Unter der Überschrift "Wie ist der Islam zu heilen?" stellt der tunesienstämmige Hochschullehrer, Schriftsteller und Lyriker Abdelwahab Meddeb in einem Interview Thesen seines neuen Buchs vor: "Sortir de la malediction. L'islam entre civilisation et barbarie" (Seuil). Nur eine "tabulose" kritische Lektüre des Koran könne zur Überwindung des Islamismus durch den Islam selbst führen. Auch für den politisch konkreten Sieg über den Islamismus, den er mit dem Faschismus gleichsetzt, sieht er Chancen, selbst im Iran: "Dieses Land kann sich von Faschismus und Totalitarismus befreien, die ihm die islamistische Ideologie aufzwingen, weil es an bestimmten Rändern durch die Werken seiner Künstler, Filmemacher, Fotografen, Bildhauer, Dichter und Denker beiderlei Geschlechts an einer offensichtlichen Modernität festhält. Die Kiarostamis, Panahis und Satrapis sind zahlreich. Außerdem hat sich jeder Iraner, sogar der dogmatischste Mullah, eine Bindung zum vorislamischen Persien bewahrt."

Zu lesen ist außerdem ein Gespräch mit der chilenischen Dokumentarfilmerin Carmen Castillo, deren Film "Calle Santa Fe" an die blutige Erstürmung ihres Hauses 1974, einem Geheimversteck revolutionärer Pinochet-Gegner, erinnnert und als erste ihrer Arbeiten im Kino läuft.

New Republic (USA), 30.01.2008

Auch in den USA ist Irene Nemirovsky zur literarischen Heroine avanciert. Nach "Suite francaise" und "Der Ball" erscheint dort nun der Roman "David Gobler" über einen habgierigen jüdischen Ölmagnaten, und Ruth Franklin ist entsetzt über den Antisemitismus und das reaktionäre Gedankengut der in Auschwitz ermordeten Autorin: "Nemirovsky hat 1935 zugegebenermaßen erklärt, 'dass sie "David Golder" abgemildert hätte, wenn es Hitler schon gegeben hätte'. Sie wusste also, was sie dort verfertigt hatte. Und sie wiederholte es 1939: 'Wie konnte ich so etwas nur schreiben? Das Klima hat sich doch sehr gewandelt!' Nemirovskys Distanzierung von ihrem eigenen Roman macht es nur umso schockierender, dass irgendjemand ihn heute noch zu verteidigen versucht. Und vielleicht hätte ein überlegter Beobachter auch bemerkt, dass es bereits 1929 eine gefährliche Zeit war, das rechte Feuer anzufachen."

Die Titelgeschichte ist dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber Barack Obama gewidmet, der Noah Schreiber an dessen einmalig enttäuschenden Vorgänger Howard Dean erinnert.
Archiv: New Republic

Gazeta Wyborcza (Polen), 19.01.2008

Eineinhalb Jahre, nachdem die englische Ausgabe von Jan T. Gross' "Fear" erste Diskussionen auslöste, hat die polnische Übersetzung weitere hitzige Debatten ausgelöst. Dazu hat die "Wyborcza" ein kleines Dossier zusammengestellt. In einem sind sich die Kommentatoren, der letzte Anführer des Ghetto-Aufstandes Marek Edelmann und der Historiker Dariusz Stola, einig: Die Fakten über die antijüdische Gewalt in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sind längst bekannt. Die Gemüter erregen aber Gross' Sprache und seine kontroversen Interpretationen. "Simple Generalisierungen, extreme Bewertungen und missglückte Interpretationen machen die Kritik an 'Fear' einfach und gerechtfertigt. Schade, denn das Thema ist wichtig und der Autor außergewöhnlich. Aber er hat seinen Schreibstil selbst gewählt", so Stola.

Sehr lobend berichtet Marek Beylin über die Ausstellung "It's our history. 50 Jahre europäisches Abenteuer", mit der das Europa-Museum in Brüssel seine Arbeit aufnimmt. "Sie zeigt ein Europa, das unter dem Einfluss der Angst entstand, das Grauen von Krieg und Totalitarismus könne wiederkommen, und dann würde der Kontinent endgültig aus der Geschichte verschwinden". Aber außergewöhnlich macht die Ausstellung etwas anderes: "Zum ersten Mal wird im Westen so spektakulär zum Ausdruck gebracht, dass die Geschichte des östlichen Teils auch zum europäischen Erbe gehört. (...) Man spürt die Handschrift von Krzysztof Pomian", der den wissenschaftlichen Beirat leitet.

Artur Domoslawski serviert einen weiteren Appetizer aus seiner entstehenden Ryszard-Kapuscinski-Biografie (Teil 1 berichtete aus "Kapus" Arbeitszimmer). Diesmal geht es um seine Beziehungen zu Lateinamerika - als Korrespondent, Dozent von Workshops der "Stiftung für neuen lateinamerikanischen Journalismus", Freund von Gabriel Garcia Marquez, und und und. Kapuscinski, der mit emanzipatorischen Bewegungen in Lateinamerika sympathisierte, leitete einen solcher Workshops in Mexiko-Stadt, in dem Moment, als "Subcomandante Marcos" einmarschiert. "Urplötzlich stand Kapu auf und sagte: Und jetzt, entschuldigt mich, meine Freunde, ich gehe arbeiten - und löste sich in der Menge der Partisanen, Unterstützer und Schaulustigen auf", erinnert sich ein Augenzeuge.
Archiv: Gazeta Wyborcza

Portfolio (USA), 01.02.2008

Seelisch mag Britney Spears wie ein Wrack erscheinen, wirtschaftlich ist sie noch immer Gold wert, rechnet Duff McDonald in einem Artikel über die Britney-Ökonomie vor, die er auf jährlich 110 bis 120 Millionen Dollar veranschlagt: Sogar ihr 2007er Album verkaufte sich trotz allem Ärger gut. Ihre Tourneen haben 150 Millionen Dollar eingespielt; im Durchschnitt nimmt sie mit einer ihrer 265 Solo-Shows laut dem Tourdaten auswertenden Pollstar 583.238 Dollar ein. Aber von Britney kann man weit mehr verkaufen als nur ihre Musik: Der Pure Nachtclub in Las Vegas verkaufte angeblich Plätze an einem Tisch in ihrer Nähe für 50.000 Dollar. Und sie selbst verlangt zwischen 250.000 und 400.000 Dollar, nur bei einem Event aufzutreten."

Joe Keohane staunt, wie unverhohlen - und erfolgreich - die Fastfoodcompany CKE Restaurants auf Junkfood setzt. "Andere Ketten fühlen sich heutzutage gezwungen, wenigstens so zu tun, als würden sie sich um die Gesundheit ihrer Kunden scheren, und haben angefangen, Päckchen mit Äpfeln oder irgendwas mit Joghurt und Walnüssen oben drauf anzubieten. Hardee's und Carl's Jr. laufen mit Absicht in die andere Richtung: Ohne jegliches Bedauern schaffen sie ein Arsenal von hochpreisigen Monstrositäten mit viel Fett und vielen Kalorien."
Archiv: Portfolio
Stichwörter: Las Vegas, Spears, Britney

Rue89 (Frankreich), 21.01.2008

Die französische Kulturpolitik versagt, schäumt der Historiker Antoine de Baecque, und schuld daran sei ein Präsident, der "wenig gebildet und auch noch stolz darauf" sei und der Kultur zutiefst misstraue. Baecques Analyse von zwei kulturpolitischen Papieren Nicolas Sarkozys fällt dementsprechend aus: "Dieses Kulturprogramm glänzt nicht gerade durch Ambition. Sarkozy scheint die Welt der Kultur nicht für die seine zu halten und zeigt sich äußerst zurückhaltend. Im Grunde versucht er, feindliches Gelände zu entminen, das Feld derer abzugrenzen, die er als unüberwindliche Gegner betrachtet, und ihre Angriffe im voraus zu vereiteln. Während er auf zahlreichen Gebieten meist offensiv vorgeht, beschränkt Nicolas Sarkozy die Kultur auf ein paar Klassiker: die Vielfalt, das Erbe, die neuen Technologien und das Aufgabengebiet 'Stadtviertel'."
Archiv: Rue89
Stichwörter: Rue89, Sarkozy, Nicolas

London Review of Books (UK), 24.01.2008

Der 1917 geborene marxistische Historiker Eric Hobsbawm bespricht Eric Weitz' - wie er findet "brillantes" - Buch "Weimar-Deutschland: Versprechen und Tragödie" (Verlags-Website mit Podcast-Interview des Autors) - vor allem erinnert er sich selbst aber an die Zeit: "Selbst für die wenigen Jahre der 'Normalität' gab es das Gefühl, auf einem vorübergehend ruhigen Vulkan zu leben, der jederzeit ausbrechen konnte. Der große Theatermann Max Reinhardt wusste das: 'Was ich liebe', sagte er, 'ist der Geschmack des Vergänglichen auf der Zunge - jedes Jahr könnte das letzte sein.' Dieser Geschmack gab der Kultur von Weimar ihren einzigartigen Reiz. Er verlieh einer bitteren Kreativität Schärfe, brachte Verachtung für die Gegenwart, eine von Konventionen unbehinderte Intelligenz hervor, bis zum plötzlichen und unwiderruflichen Ende... Es war eine seltsame und wunderbare Zeit, um sich selbst und die Welt in einem Berlin zu entdecken, das aussah wie die mögliche Hauptstadt des 20. Jahrhunderts. Dann übernahmen die Barbaren die Macht. Wenn ich mich heute durch Berlin bewege, scheint mir, dass es sich nie von 1933 erholt hat."

Besprochen werden das Lexikon des Unerklärten ("Chambers Dictionary of the Unexplained"), eine neue englische Übersetzung der Psalmen (Website), die Blog-Buch-Anthologie "Ultimate Blogs: Masterworks from the Wild Web" (Website) und Ang Lees jetzt in Großbritannien anlaufender Film "Lust, Caution". Außerdem hat Slavoj Zizek einen Leserbrief geschrieben, in dem er noch einmal zu erklären versucht, wie sein in einem LRB-Artikel propagierter gemäßigter Linksradikalismus genau zu verstehen ist.

Economist (UK), 19.01.2008

Lässt sich ethisch gutes und ökonomisch effizientes Handeln verbinden? Daniel Franklin schildert in diesem Zusammenhang Ursachen des Booms der sogenannten CSR (corporate social responsibility, also etwa: sozialverantwortlichen Unternehmertums): "Die Skandale bei Enron, WorlCom und anderswo haben das Vertrauen in die großen Firmen beschädigt und zu schwerfälligen Maßnahmen der Regierungen geführt. Eine stetig wachsende Armee von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) steht bereit, um sich beim geringsten Anzeichen von Fehlverhalten in die Schlacht gegen multinationale Konzerne zu werfen.... Die Unternehmen stehen unter schärferer Beobachtung denn je zuvor. Peinliche Nachrichten von irgendwo auf der Welt - etwa ein Kind, das bei der Arbeit an einem Kleidungsstück mit dem Markenlogo zu sehen ist - können von Kameras eingefangen und in Windeseile im Internet verbreitet werden." Vorgestellt werden unter anderem der Siegeszug von SCR allgemein sowie konkrete Sozialprojekte mehrerer Firmen und Larry Brilliant, der Leiter von Google.org.

Weitere Artikel: Der spanischsprachige Buchmarkt boomt, erfahren wir, aber das Wachstumspotenzial bleibt riesig: "Der Markt für spanischsprachige Bücher gilt als der zweitgrößte der Welt. Und es ist der größte für Übersetzungen, die etwa ein Fünftel der 120.000 Titel ausmachen, die jährlich veröffentlicht werden." Außerdem geht es um den Misserfolg von Gratiszeitungen in den USA und Forschungen, die zum Ergebnis kommen, dass uns teure Sachen schon deshalb besser gefallen, weil sie teurer sind. Besprochen werden unter anderem Bücher für und gegen das Glück, die Autobiografie von Clarissa Eden und neue Kriminalliteratur.
Archiv: Economist
Stichwörter: Buchmarkt, Kriminalliteratur, Ngos, Ngo

Nepszabadsag (Ungarn), 19.01.2008

Archaische Gemeinschaften entstehen, wo Menschen gemeinsame Auffassungen über Lebensform, Religion und Welt teilen und sie sich an der Gestaltung dieser Gemeinschaft aktiv beteiligen können. Ähnliche stammesgesellschaftliche Lebensformen sind auch in manchen staatlichen Großunternehmen zu beobachten, die sich dadurch nicht nur als ineffizient und Belastung für den Staat, sondern auch als besonders resistent gegen Umstrukturierungen erweisen, erklärt der Verhaltensforscher Vilmos Csanyi: "Dahinter verbirgt sich natürlich keine Bosheit, vielmehr ist es die institutionelle Existenz selbst, die die Entstehung einer eigenen 'Kultur' ermöglicht - ganz gleich, ob es sich dabei um die Post, den Justizapparat oder die Polizei handelt. Sobald sie aufgebaut sind, treten gemeinsame Ansichten und Aktionen in Erscheinung, und damit das eigene Interesse, das sie dann gegenüber der Außenwelt verteidigen. Schnell wird die Begründung ihrer Daseinsberechtigung ausgearbeitet, wie auch der Glaube daran, dass man von außen nicht in ihr Leben hineinreden könne. [...] Es empört sie, wenn Außenstehende sich einen Einblick verschaffen oder gar einmischen. Solche Ansichten werden dann auch in den Medien verbreitet. In diesem Moment müsste die Gesellschaft aufhorchen und merken, dass etwas nicht in Ordnung ist: Dass eine ihrer Institutionen das Joch abschütteln will, das die wirklich enge Verbindung von Kontrolle, Leistung und verwendeter Ressourcen bildet. Jetzt könnten Korrekturen noch vorgenommen werden, später wird es immer schwieriger."
Archiv: Nepszabadsag

Foglio (Italien), 19.01.2008

Eine erfolgreiche Sparte der mexikanischen Popmusik steht der Welt der Drogenschmuggler nahe. Warum in der jüngeren Zeit immer mehr Stars der Szene ermordet werden, erklärt Maurizio Stefanini. "Die Tucanes sind eine Gruppe, die sich schon mal mit Kalaschnikows ablichten lassen, und einer ihrer bekanntesten Songs ist einem geschichtsträchtigen Feuergefecht gewidmet. 'Mafias des Nordens und des Südens - welche ist die mächtigste?', heißt es im Refrain. Die Polizei sagt, dass die Kartelle bereits die verschiedenen Sänger adoptiert haben, egal ob sie nun 'Narcos' sind oder nicht. Sie stellen sich auf die Seite ihrer Favoriten und gehen mit härtesten Mitteln gegen die Lieblinge der Konkurrenz vor. Es wird verbreitet, dass im Internet schon Videos im Umlauf sind, in denen die Verbrecher im Rhythmus der populären Hits foltern und töten."

Andrea Affaticati führt die Leser in den Erbfolgekrieg ein, der seit 2002 zwischen Axel Sven und Friede Springer tobt. Genüßlich serviert Affaticati die saftigen Details der Auseinandersetzung, deren vorläufige Entscheidung heute am Frankfurter Berufungsgericht ansteht: "Vier Exfrauen, eine Witwe, eine Horde von Kindern, das Kindermädchen, dass den Vater des Schützlings heiratet... Und dennoch: ein Imperium."

Weiteres: Stefano Cingolani breitet die Saga der Carla Bruni aus, deren "Dynastie" italienische Wurzeln hat. Ugo Bertone macht sich mit den Beispielen einiger erfolgreicher Unternehmer Mut, die in Italien bleiben.
Archiv: Foglio

Przekroj (Polen), 17.01.2008

Milena Rachid Chehab hat eine neue Gattung polnischer Arbeitsmigranten entdeckt: 'Expats' in der Ukraine! "Es sind Experten, die das Licht des freien Marktes in den Osten tragen. Wir kannten diese Spezies bisher nur in Form von Ausländern, die Anfang der 90er Jahre die Topmanagerposten in westlichen Firmen einnahmen, die den polnischen Markt betraten. Jetzt kommt der Domino-Effekt: Polen, die über die Jahre Erfahrungen gesammelt haben, geben sie an die Ukrainer weiter, die in wirtschaftlicher Sicht am Beginn der Transformation stehen". Warum es sich lohnt, von Warschau nach Kiew zu ziehen? "Lieber ein großer Fisch im kleinen Teich, als ein kleiner im großen sein", beschreibt es kurz einer der befragten Manager.
Archiv: Przekroj
Stichwörter: 1990er, 90er

ADN cultura (Argentinien), 19.01.2008

"Zu wem soll man heute halten? Für wen soll man noch sein?" Auch Javier Marias leidet an der neuen Unübersichtlichkeit: "Eine der hartnäckigsten Qualen unserer Zeit besteht darin, zwei Parteien zusehen zu müssen, die sich streiten oder miteinander kämpfen, ohne sich für die eine oder andere entscheiden zu können (sich auf die Seite des Schwächeren zu stellen funktioniert nicht immer, nur zu oft arbeitet der mit so faulen Tricks, dass einem übel wird). Schon seit langem benehmen sich israelische Politiker wie wilde Tiere, deshalb empfindet man aber nicht die geringste Sympathie für ihre palästinensischen Gegenspieler; die Heerscharen von Al Qaida sind eine wahre Pest, und die USA, so wie sich gegenwärtig präsentieren, die reinste Plage; das Castro-Regime ist kriminell und grotesk, aber allzu viele Castro-Gegner flößen einem kaum weniger Furcht ein. Und es hilft nicht einmal der tröstliche Gedanke: 'Na gut, irgendwann richten die sich gegenseitig zugrunde und die Welt ist auf einen Schlag zwei Ungeheuer los.' Denn die heutigen Ungeheuer richten sich nicht zugrunde, hartnäckig machen sie immer weiter und weiter und zu einem Ende kommen sie nie."

"Europa wird immer mehr zu einem riesigen abgeschotteten Privatbezirk." Die seit 1995 in Berlin ansässige argentinische Choreografin Constanza Macras (s. a. hier) spricht im Interview über ihr neues Stück Brickland, das von eben solchen privatisierten Räumen handelt.
Archiv: ADN cultura

New Yorker (USA), 28.01.2008

Ziemlich gründlich hat sich George Packer die bisherige Kampagne von Hillary Clinton angesehen und in ihrem Konkurrenzkampf mit Barack Obama zwei völlig unterschiedliche Konzepte der Präsidentschaft ausgemacht. Während Obama mit Charisma auf gesellschaftlichen Wandel setze, gehe es Clinton eher darum, ehrgeizig Ziele zu erreichen. "Mir kam in den Sinn, dass Clinton einen bekannten Typus des Demokraten verkörpert - den ernsthaften Polit-Junkie wie Michael Dukakis, Al Gore oder John Kerry - außer, dass sie eine Streberin mit unter Verschluss gehaltenem Killerinstinkt und feurigem Temperament ist. In unserem Gespräch schien Clinton einzuräumen, dass sie nicht durch Rhetorik und Gefühl begeistert. 'Man kann auch durch Taten begeistern', erklärte sie. (...) Sie würde den Kontrollverlust nicht riskieren, den es kosten könnte, einen Raum mit Humor, Ärger oder Streit mit sich zu reißen oder jene Art spontaner menschlicher Note ins Spiel zu bringen, die jeder, der sie privat erlebt, an ihr kennt und schätzt."

Weitere Artikel: Jerome Groopman beschreibt Einfluss und Nutzen von wirtschaftlichem Knowhow auf Krankheit und medizinische Forschung. Adam Gopnik amüsiert die Berichterstattung über Sarkozy-Bruni: Während die "Oo-La-La!-Division der Mon-Dieu!-Schule in der amerikanischen Presse" das ganze ungeheuer französisch findet, neigt die französische Presse dazu, ihrem "Bling-Bling President" typisch amerikanische Neigungen zu unterstellen. Anthony Lane sah im Kino den Monster-Film "Cloverfield" von Matt Reeves und den 2007 mit das Goldenen Palme ausgezeichnete Drama "4 Monate, 3 Wochen und fünf Tage" von Christian Mungiu. Online lesen darf man außerdem die Erzählung "The Reptile Garden" von Louise Erdrich und Lyrik von Les Murray, Ciaran Carson und John Hollander.
Archiv: New Yorker