Magazinrundschau
Gewalt ist das Mittel und der Zweck
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
27.05.2008. Der New Humanist sieht die muslimischen Kreationisten auf dem Vormarsch. Nepszabadsag überlegt, wie die Demokratie mit verstecktem Rassismus umgehen soll. Der New Yorker und New Republic stellen mit Dr. Fadl und Noman Benotman zwei ehemalige Terroristen vor, die heute zu den schärfsten Kritikern Al Qaidas gehören. In der New York Review of Books erklärt der Leiter der Harvard-Bibliothek, warum eine Nachricht nur eine Geschichte ist. Nicht nur die Roma, alle Einwanderer bringen Italien in Schwierigkeiten, meint laut Caffe Europa die Lega Nord. Die Weltwoche betrachtet verstört die Jugendgang von Justice.
New Humanist (UK), 01.05.2008

Nepszabadsag (Ungarn), 26.05.2008

New Republic (USA), 11.06.2008

New Yorker (USA), 02.06.2008

Weiteres: Jonathan Rosen beschäftigt sich mit der anhaltenden Relevanz des englischen Dichters John Milton, zu dessen 400. Geburtstag eine ganze Reihe Bücher neu aufgelegt wurden, darunter auch seine bekannteste Schrift, das epische Gedicht "Paradise Lost". Paul Goldberger besichtigt die architektonischen "Extravaganzen", die Peking sich für die Olympischen Spiele geleistet hat. Sasha Frere-Jones stellt das neue Album "Here I stand" des R&B-Sängers Usher vor. David Denby hält die Wiedererweckung von "Indiana Jones" nach so vielen Jahren für einen Fehler.
Zu lesen sind außerdem die Erzählung "A Night at the Opera" von Janet Frame und Lyrik von Stanley Plumly und Arda Collins. Nur im Print: ein Artikel über Verbrechensbekämpfung der Zukunft.
Outlook India (Indien), 02.06.2008

Weitere Artikel: Anvar Alikhan weist knapp auf die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte der in spirituellen Zentren Indiens verbreiteten Kette "German Bakery" hin: Gegründet wurde sie vor einundzwanzig Jahren in Pune, vom aus Deutschland stammende Hippie Klaus Gutzeit - alias "Woody Pumpernickel". (Hier ein Erfahrungsbericht)
New York Review of Books (USA), 12.06.2008

Der Physiker Freeman Dyson hat auch in den neuesten Veröffentlichungen nichts gefunden, was ihn vom drohenden Klimawandel überzeugt hätte: "Alle Bücher, die ich über die Wissenschaft und Ökonomie des Klimawandels gelesen habe, treffen nicht das Hauptproblem. Dieses ist kein wissenschaftliches, sondern ein religiöses." Dyson schlägt daher vor, einfach genetisch veränderte Bäume zu pflanzen, die mehr CO2 absorbieren.
Weiteres: Michael Tomasky nimmt den von der Presse bisher recht wohlwollend behandelten John McCain näher unter die Lupe, stößt aber auch nur auf ein recht heftiges Temperament und widersprüchliches Abstimmungsverhalten. John Cassidy untersucht, wie die Präsidentschaftskandidaten auf die Immobilienkrise reagieren wollen. Besprochen werden Philip Glass' an der Met uraufgeführte Gandhi-Oper "Satyagraha" und neue Bücher über Selbstmord-Attentäter.
Literaturen (Deutschland), 01.06.2008

Weitere Artikel: In seiner Kolumne "Netzkarte" stellt Aram Lintzel unter anderem das "virtuelle Kafka-Bureau" vor. Und Sibylle Berg muss lernen, dass Geld "doch glücklich" macht. Im Kriminal bespricht Franz Schuh Guillermo Martinez' Roman "Der langsame Tod der Luciana B.", und zwar ganz ausdrücklich, ohne die zentrale Pointe zu verraten. Rezensiert werden außerdem das Buch "Der Fisch in uns", in dem der Paläontologe Neil Shubin beschreibt, wie er den Tiktaalik (Bild) - ein Zwischending aus Meer- und Landbewohner - entdeckte, Andreas Rosenfelders Untersuchung "Digitale Paradiese. Von der schrecklichen Schönheit der Computerspiele", die Bestseller-Verfilmung "Wilde Unschuld" und auf DVD eine Prachtausgabe (mit Romanbeilage) von Anthony Minghellas "Der Englische Patient".
Wired (USA), 26.05.2008

Außerdem: Evan Ratliff hat sich in den brasilianischen Dschungel begeben, wo er den wegen Biopiraterie angeklagten Biologen Marc van Roosmalen besuchte und das Schwimmen in von Anacondas bewohnten Gewässern nicht scheute. Herausgekommen ist dabei das Porträt eines nicht ganz unproblematischen Rebellen und wohl noch problematischerer Gesetze gegen Biopiraterie.
Caffe Europa (Italien), 26.05.2008
Nando Sigona vom Refugee Studies Centre in Oxford beschreibt in einem aus ResetDoc übernommenen Schwerpunkt (der dort aber nicht online ist) noch einmal den fremdenfeindlichen Strudel, in dem Italien gerade versinkt. "In einem Interview im Corriere della Sera, beschrieb Gianfranco Fini (der jetzige Präsident der Abgeordnetenkammer) die Roma als eine 'Gemeinschaft, die sich nicht in unsere Gesellschaft integrieren lässt', Personen die 'Diebstahl für beinahe erlaubt und nicht verwerflich halten, die das Arbeiten ihren Frauen überlassen, Prostitution wahrscheinlich, und die keine Skrupel haben, Kinder zu vergewaltigen oder Kinder nur zu zeugen, um sie zum Betteln zu schicken.' Fini hält die bisherigen Beschlüsse für zu schwach und meint, dass zweihundert- bis 250.000 Personen aus Italien ausgewiesen werden müssten. Aus den Reihen der Lega Nord ist nun der Vorschlag gekommen, man müsste die Maßnahmen auf die ganze Immigrationsfrage ausdehnen. Umberto Bossi erklärte auf den Seiten von La Padania: 'Jetzt reden alle über die Roma und die Rumänen, die ganze Aufmerksamkeit ist auf sie gerichtet. Und man vergisst, dass es da noch die ganzen anderen Einwanderer gibt, mit all den Problemen, die damit verknüpft sind. Es sind nicht nur die Roma, die dieses Land in Schwierigkeiten bringen."
Weiteres: Alessandro Simoni macht auch die Prodi-Regierung für das feindselige Klima gegenüber Einwanderern verantwortlich. Alessandro Lanni trifft sich mit dem katholischen Priester Virginio Colmegna, der sich um hilfsbedürftige Einwanderer kümmert.
Weiteres: Alessandro Simoni macht auch die Prodi-Regierung für das feindselige Klima gegenüber Einwanderern verantwortlich. Alessandro Lanni trifft sich mit dem katholischen Priester Virginio Colmegna, der sich um hilfsbedürftige Einwanderer kümmert.
World Affairs (USA), 23.05.2008

Tygodnik Powszechny (Polen), 25.05.2008

Außerdem: Anita Piotrowska berichtet über das Dokumentarfilmfestival "Planete Doc Review", und Joanna Jopek sucht beim Krakauer "Photomonat" nach Sinn und Wahrheit der Fotografie.
Economist (UK), 23.05.2008

Besprochen wird die Studie "Fatal Misconception", in der der Historiker Matthew Connelly einen kritischen Blick auf die Geschichte der Geburtenkontrolle im 20. Jahrhundert wirft: "Ein großer Teil der im Namen der Geburtenkontrolle begangenen schrecklichen Dinge hatte seine Wurzeln in einer heiklen Koalition von Feministinnen, Philanthropen und Umweltschützern, die den unfreiwillig Fruchtbaren helfen wollten, und Rassisten, Eugenikern und Militaristen, die ganz genaue Vorstellungen davon hatten, wer sich reproduzieren sollte und wer nicht."
Rezensionen gibt es weiter zu Fareed Zakarias Buch über "Die post-amerikanische Welt" und zu David Y. Prices Geschichte des Animationsfilm-Pioniers Pixar.
Elet es Irodalom (Ungarn), 23.05.2008

Aus der Ausgabe letzter Woche: Im Herbst 1968 flüchtete der Prager Filmstudent Pavel Schnabel nach Deutschland, wo er zu einem der bekanntesten Dokumentarfilmer wurde. Über die Erfahrung, aus dem Prager 1968 ins 1968 der westeuropäischen Studentenbewegung zu geraten, sprach er im Interview mit Zoltan Szalai: "Stellen Sie sich vor, Sie verlassen ein Land, weil Sie nichts mehr von Politik und Kommunismus hören wollen - und begegnen dann in einem anderen Land wildfremden Menschen, die gerade am Entfachen einer gesellschaftlichen Revolution arbeiten. In der langen Zeit, die ich mit ihnen verbrachte, stellte sich die Frage immer öfter, was ich vom westlichen 1968 halte und warum ich die Tschechoslowakei verlassen habe. Nach einer gewissen Zeit habe ich mit ihnen zusammen demonstriert und an mehreren 'sit ins' teilgenommen - unter anderem gegen den Springer-Konzern. Sowohl ich als auch sie mussten verstehen, dass ich die Tschechoslowakei nicht wegen jenem Sozialismus verlassen habe, für den sie kämpfen, und dass sie nicht jenen Kommunismus verwirklichen wollen, vor dem ich geflohen bin. Ich musste erkennen, dass die damalige BRD die Ideale des Sozialismus besser verkörperte als die Tschechoslowakei."
Times Literary Supplement (UK), 23.05.2008
A. N. Wilson verteidigt Patrick Frenchs Biografie V.S. Naipauls "The World is what it is": "Es ist eine ungeheure Leistung, eine wundervolle Biografie, eine Rechtfertigung für die Kunst der Biografie. Und doch waren die Reaktionen bisher eher feindselig - vor allem, scheint es, weil die Kritiker schwer damit zu kämpfen haben, in dem großen Schriftsteller auch die herkömmliche Vorstellung des idealen Ehemanns zu finden. Wie konnte solch ein meisterlicher Autor ein solches Monster sein? Kein Zweifel, es ist ungeheuerlich, wenn Naipaul gegenüber French eine Szene schrecklicher Gewalt gegenüber seiner argentinischen Geliebten Margaret Gooding zugibt: Er hatte gerade herausgefunden, dass sie ihm untreu war: 'Zwei Tage lang habe ich sie geschlagen; zwei Tage lang habe ich sie mit der Hand geschlagen, meine Hand fing schon an zu schmerzen... Ihr machte es nichts aus. Sie hielt es für einen Ausdruck meiner Leidenschaft für sie.' Sie blieb noch ein Vierteljahrhundert bei ihm. Kein Zweifel, Naipaul wollte, dass davon erzählt wird - von der Gewalt und von der Untreue."
Carlin Romano stellt zwei Bücher vor, die sich vor und um die bisher "rein zufällige" Freiheit des Internets sorgen: Daniel J. Solove fürchtet in "The Future of Reputation", dass Klatsch und Tratsch und üble Nachrede durch das Internet in aller Welt verbreitet und für alle Zeit gespeichert wird. Jonathan Zittrain fürchtet in "The Future of the Internet", dass Spam und Viren uns dazu bringen könnten, in die schöne neue Welt der kontrollierten Angebote von iPods, iPhones, Xboxes und TiVos zu flüchten.
Carlin Romano stellt zwei Bücher vor, die sich vor und um die bisher "rein zufällige" Freiheit des Internets sorgen: Daniel J. Solove fürchtet in "The Future of Reputation", dass Klatsch und Tratsch und üble Nachrede durch das Internet in aller Welt verbreitet und für alle Zeit gespeichert wird. Jonathan Zittrain fürchtet in "The Future of the Internet", dass Spam und Viren uns dazu bringen könnten, in die schöne neue Welt der kontrollierten Angebote von iPods, iPhones, Xboxes und TiVos zu flüchten.
Weltwoche (Schweiz), 22.05.2008

Außerdem: Markus Gasser kann sich Thomas Pynchons Erfolg bei der Literaturkritik nur damit erklären, dass Pynchon so schön kapitalismuskritisch ist.
New York Times (USA), 25.05.2008

Im Internet hat die New York Times die Kommentar-Sektion nach dem 727. Eintrag geschlossen (Tage vor Erscheinen des Artikels im Print). Die Leserschaft ist in großer Mehrheit völlig verständnislos und spuckt Gift und Galle. Sie fordert Emily Gould auf, etwas Vernünftiges aus ihrem Leben zu machen. Sie fordert die New York Times auf, wieder eine seriöse Zeitung zu werden, in der es um ernsthafte Dinge geht. Es gibt auch Unterstützer, aber die posten vor allem in Emily Goulds privatem Blog Emily Magazine. (Im Dezember hatte Carla Blumenkranz die Gawker-Blogger im Magazin n+1 genau unter die Lupe genommen. Passend zum Emily-Blog ein Artikel im New York Magazine, den ebenfalls ein Blogger - allerdings mit etwas mehr Karacho, das heißt beleidigend und Tod wünschend - verfasst hat. Den Hinweis fanden wir natürlich bei Gawker)