Magazinrundschau
Guck, es ist ein Pork Port
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
10.06.2008. In der Polityka erklärt Tadeusz Mazowiecki, warum Polen schon 1989 ein neues Land war. Der Economist untersucht den sich rapide verändernden Buchmarkt. In Tygodnik Powszechny meint der Theaterregisseur Pawel Demirski: für die jungen Polen ist Lech Walesa ein totes Symbol. Das TLS analysiert den Aufstieg der Genreliteratur. Espresso prophezeit den Aufstieg der indischen Frauen. Die New York Review of Books weiß, warum unser Gehirn Dopamin liebt. Im Nouvel Obs erklärt Attac die Folgen der Globalisierung. In Reset.doc erklärt Zygmunt Bauman, was wir dagegen tun sollen. Die New York Times stellt Pig City vor.
Polityka (Polen), 10.06.2008
In einem geradezu epischen Gespräch unterhält sich Jacek Zakowski (jetzt auch auf deutsch!) mit Tadeusz Mazowiecki, dem ersten Premier des neuen Polen, über die heikle Wendezeit, die vorsichtigen Träume von damals und das Heraufziehen der Vierten Republik der Gebrüdern Kaczynski, Radio Marya und der Liga der Polnischen Familien: "In gewissem Sinne hing das fast von Anfang an über uns. Und den Erfolg brachte meiner Ansicht nach die Allianz törichter Intellektueller, die von irgendeinem Neuanfang träumten, mit Politikern, die diesen immer gesucht hatten, weil sie es übelnahmen, dass dieser Neuanfang nicht ihr Werk war, und mit allen Menschen, die mit den Veränderungen unzufrieden waren. Erinnern Sie sich bitte daran, dass die Regierung Olszewski schon 1992 ein Neuanfang sein sollte. Sie waren nicht damit einverstanden, dass der Anfang im Jahre 1989 war. Also verknüpfte sich im Jahre 2005 das alte politische Vorhaben mit den tatsächlichen Schwächen der ganzen Transformation. Und hinzu kam noch die Kompromittierung des postkommunistischen Lagers... Ich denke, dass es doch an irgendeinem sozialen Ausgleich angesichts zu großer Veränderungen, die neue Unterschiede schufen, gefehlt hat, und dass sich die Menschen, die die politische Bühne beherrschten, kompromittiert haben. Aber alles zu zerstören, war keine Arznei. Das war ein noch stärkeres Gift."
Economist (UK), 09.06.2008

Weitere Artikel: Der Economist entscheidet sich nach dem Ende der demokratischen Vorwahl noch nicht für Obama oder McCain, stellt aber fest: "Zwei derart beeindruckende Kandidaten haben die beiden Parteien sehr lange nicht ins Rennen geschickt." Sehr begrüßt werden Liberalisierungen des Universitätssystems in Frankreich - jetzt müssten nur noch, findet der Autor des Artikels, Studiengebühren zugelassen werden.
Besprochen werden unter anderem neue Thriller, die in China spielen, zwei Bücher über europäische Kathedralen und die Polemik "Die Zelle zerstören" (Verlagsseite) des US-Terrorismus-Experten Michael A. Sheehan, die vor Terrorismus-Panik warnt, denn: "Die meisten Terroristen sind Amateure. Al-Quaida wird überschätzt. Der 'Krieg gegen den Terror' ist nicht der Dritte Weltkrieg."
In einem Technologie-Sonderteil geht es unter anderem um Chancen und Probleme des 100-$-Laptops, neue, auf Surfer-Beobachtung beruhende Werbemethoden im Internet und revolutionäre neue Webnavigationstechniken.
Tygodnik Powszechny (Polen), 08.06.2008

Weitere Artikel: Zum selben Thema äußert sich auch der Soziologe und Politiker Pawel Spiewak, der Walesa zwar respektiert, ihn aber nicht auf einen Denkmalsockel setzen will. Michal Nogas berichtet aus Drohobycz über das III. Internationale Bruno-Schulz-Festival (hier das Plakat und das Programm auf Englisch). Mit Interesse hat Dariusz Nowacki Krzysztof Vargas' Ungarnband "Gulasz z turula" gelesen: "Der polnische Leser erfährt, dass Polens historisches Pech noch relativ erträglich ist - es gibt Nationen, denen unvergleichlich mehr Unrecht widerfuhr. Beim Lesen möchte man über das Schicksal der Magyaren weinen, über ihren Nationalcharakter und ihre verkorkste Psyche, über ihre absurden Träume von der Macht, die lange vergangen ist und nie wiederkommen wird."
Times Literary Supplement (UK), 06.06.2008
Welcher Kritiker wagt es heute noch, Comics, Detektiv- oder Horrorgeschichten zu verteufeln? Angesichts zweier Bücher über den Aufstieg von Genre-Literatur, David Hajdus "The Ten-Cent Plague" und Michael Chabons "Maps and Legends", glaubt Michael Saler, an einem "kulturellen Wendepunkt" zu stehen: "Genre-Filme und -Bücher bedienen nicht länger nur Minderheiten. Sie führen die Bestseller-Listen und Umfragen an: Wir sind alle Geeks geworden. Die Verachtung des Establishments für das Genre und das Misstrauen der Populisten gegenüber experimentellen Techniken gehören der Vergangenheit an. Generation, die Hoch- und Massenkultur gleichermaßen kennen, sind zu den Produzenten und Gebietern der Künste geworden, nicht zuletzt durch die Ausbereitung des Internets seit den frühen 90er Jahren (selbst das 'Establishment' ist von der vielleicht weniger wohlklingenden, dafür demokratischeren Blogosphäre überholt worden)."
Espresso (Italien), 06.06.2008

New York Review of Books (USA), 26.06.2008

Auch wenn Robert Mugabe nicht von der Macht lassen will, sieht Joshua Hammer doch einige Anzeichen für die Auflösung seiner Herrschaft über Simbabwe: "Während meiner früheren heimlichen Besuche in Simbabwe war das Meikles Hotel eine No-Go-Zone, das favorisierte Jagdgebiet der Central Intelligence Organization (CIO), Mugabes allgegenwärtigem Spitzeldienst. Aber jetzt tummelten sich hier Dutzende von nicht akkreditierten westlichen Journalisten, um sich die Pressekonferenzen der Oppositionspartei MDC anzuhören. 'Die Angst-Fabrik funktioniert nicht mehr', sagte mir John Makumbe, ein politischer Analytiker der Universität von Simbabwe und MDC-Unterstützer. Er traf sich zum ersten Mal offen im Hotel mit Menschenrechtsaktivisten und ausländischen Korrepondenten. 'Die CIO ist immer noch da, natürlich, aber sie sind demotiviert, entmutigt. Sie haben ihren Kampfeswillen verloren.'"
Weiteres: Was ist amerikanisch an der amerikanischen Kunst, fragt John Updike und kommt zu dem Schluss, dass sie vielleicht "keine Ideen außer von den Dingen" hat. Elizabeth Drew erzählt die Geschichte von Vietnam-Kämpfer Jim Webb, der erst Schriftsteller und dann demokratischer Senator von Virginia wurde. Jetzt ist er als Obamas Vize im Gespräch. Besprochen werden die Ausstellung "Sacred Bronzes of Southern India" in der Royal Academy of Arts, Marguerite Duras' Erinnerungen "The War" und Errol Morris' Abu-Ghraib-Film "Standard Operating Procedure".
Nouvel Observateur (Frankreich), 05.06.2008

ResetDoc (Italien), 09.06.2008
Rechts oder Links - das ist nicht mehr die Frage, wenn es um die Lösung der Probleme geht, die die Globalisierung verursacht, erklärt der polnische Soziologe Zygmunt Bauman im Interview. "Global produzierte Probleme lassen sich nur global klären. Lokale Regierungswechsel bringen uns der Lösung dieser Probleme nicht näher. Die einzig denkbare Lösung für die global verursachte Welle existenzieller Unsicherheit ist die Anpassung der Macht der Politik, der Volksvertretung, des Gesetzes und des Gerichtsstandes an die schon globalisierten Kräfte. Die Lösung, wenn sie überhaupt denkbar ist, besteht in einer Neuvermählung von Macht und Politik - aber dieses Mal auf einer höheren, globalen, planetarischen, gesamtmenschlichen Ebene."
New York Times (USA), 08.06.2008

In weiteren Artikeln des Dossiers fragt der Architekturkritiker der New York Times, Nicolai Ouroussof, ob Retortenstädte wie Dubai jemals mit Paris oder New York mithalten können. Und Jon Mooallem klärt über die Kunst des "Guerilla Gardening" auf.
In der Book Review stellt David Gates zu Rushdies neuem Roman "The Enchantress of Florence" (erstes Kapitel) die grausame Frage: "Warum lässt mich dieser ingeniöse und ehrgeizige Roman - immerhin eine Verteidigung der menschlichen Einbidlungskraft - so kalt?"