Magazinrundschau

Zweideutigkeit ist hier nicht

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
29.07.2008. Zumindest in einer Sache ist sich die London Review of Books einig mit General Franco. Tygodnik Powszechny sucht ein Museum für den Sozialismus. Rue89 fragt, wie antisemitisch ist der Karikaturist Sine. Das Wall Street Journal berichtet über einen niederländischen Karikaturisten, der wegen antimuslimischer Witze im Knast landete. Keine Hilfe auf der Welt für Simbabwe sieht die New York Review of Books. Im Espresso macht Umberto Eco die Pariser Taxifahrer für globale Überwachungsmaßnahmen verantwortlich. In ResetDoc erklärt Seyla Benhabib, wozu Blogs gut sind.

London Review of Books (UK), 31.07.2008

Jenny Diski hat einen sehr schönen Text verfasst übers Schlafen, übers Wachen, über den Tod und über die Zustände dazwischen. Mit Passagen wie dieser: "Wer geht, wenn man einschläft? Die anderen, versteht sich... Andernfalls wäre es ja man selbst, der nicht da ist, und alle anderen wären da, wo sie immer sind, und machten weiter mit dem, was sie immer tun. Das hieße aber, nimmt man, wie es oft geschehen ist, den Schlaf und den Tod als Geschwister, dass die Welt, wenn du stirbst, einfach ohne dich weitermacht - und das ist ein offenkundig lächerlicher Gedanke. Als er starb, sollen Francos Generäle (und sie haben, hoffe ich, gelogen) ihm versichert haben: 'Generalissimo, ganz Madrid steht draußen vor dem Palast, um sich von Ihnen zu verabschieden.' 'Warum', fragte der Generalissimo. 'Wo wollen sie hin?' Das war das erste Mal, dass ich mich mit einem faschistischen Diktator identifizieren konnte, aber er hatte, dieses eine Mal, schlicht und einfach völlig recht."

Weiteres: Eine lange Reportage gibt es von James Meek, der sich im vor genau einem Jahr von Hochwasser überfluteten Tewkesbury umgesehen hat. Peter Campbell lässt sich von Frank Gehrys temporärem Pavillon (Bild) vor der Londoner Serpentine Gallery zu einer Kurzgeschichte innovativen Bauens anregen. Darüber, wie von der BBC produzierte Radioprogramme rund um den Globus zu hören sind, schreibt Jeremy Harding. Jacqueline Rose bespricht Bernhard Schlinks jetzt in englischer Übersetzung erschienenen Roman "Die Heimkehr" - Schlinks völlig verzerrtes Bild der Dekonstruktion regt sie dabei zu einer sehr genauen Auseinandersetzung mit Fragen von Schuld, Sprache, Paul de Man und Gerechtigkeit an.

Rue89 (Frankreich), 27.07.2008

Der Karikaturist Sine hat in der satirischen Zeitschrift Charlie Hebdo zwei Sätze geschrieben, über die ganz Frankreich rätselt: Sind sie antisemitisch oder nicht? Bernard-Henri Levy meinte in Le Monde ganz eindeutig: ja. Aber Sine hat auch viele Unterstützer. Das Internetmagazin rue89 bringt eine sehr differenzierte Auseiandersetzung mit der Affäre, scheint aber eher auf Seiten BHLs zu sein, und erinnert an die "Affäre Carbone 14", nach dem Namen eines Pariser Alternativradios der frühen achtziger Jahre: "Mitten in einer schönen Augustnacht des Jahres 1982, lädt der nicht gerade für Anmut bekannte Humorist Jean-Yves Lafesse Sine ein. Gerade hat es das Attentat der Rue des Rosiers im jüdischen Viertel von Paris gegeben, mit sechs Toten. Beide Komiker haben eine Flasche Whisky auf dem Tisch, und man gibt dem Affen ordentlich Zucker: 'Ich bin Antisemit. Ich werde künftig Hakenkreuze auf alle Mauern schmieren... Ich will, dass künftig jeder Jude in Angst lebt, es sei denn er ist für die Palästinenser...' Zweideutigkeit ist hier nicht." Auf rue89 äußert sich Sine auch in einem Video auch zur "Affäre Carbone 14".


Archiv: Rue89

Wall Street Journal (USA), 12.07.2008

Andrew Higgins erzählt die Geschichte des niederländischen Karikaturisten Gregorius Nekschot (ein Pseudonym), der am 13. Mai in der Morgendämmerung verhaftet wurde und eine Nacht im Gefängnis verbringen musste. Die Polizei beschlagnahmte außerdem seinen Computer und seine Notizbücher. "Laut Aussage eines Vertreters der Staatsanwaltschaft steht Nekschot seit drei Jahren wegen des Verdachts, er verletze mit seinen Karikaturen niederländisches Recht, unter Beobachtung. Diese Cartoon-Affäre ist wie ein Schock über ein Land gekommen, das sich immer als Bastion der Toleranz sah, eine Tradition, die durch die grimmige Erinnerung an die blutigen Konflikte zwishen Katholiken und Protestanten aufrechterhalten wurde. Die Niederländer schützten Juden und andere Flüchtlinge vor der spanischen Inquisition und Calvinisten vor der Verfolgung in Frankreich. Seine Denker halfen, die Aufklärung des 18. Jahrhunderts erblühen zu lassen. Prostitution, Marihuana und Pornografie sind seit Jahrzehnten legal." Besondere Empörung hatte in dem Fall das Bekenntnis des Justizministers Hirsch Ballin, einem strenggläubigen Christen, ausgelöst, wonach "eine bislang geheime Staatsbehörde, genannt die Interministerielle Arbeitsgruppe für Cartoons existiert. Von offizieller Seite hieß es später, dass diese Gruppe keine Befugnis zur Zensur hat und nach der dänischen Karikaturenkrise 2006 eingesetzt worden war, um niederländische Politiker vor möglichen Gefahren zu warnen."

Tygodnik Powszechny (Polen), 27.07.2008

Die polnische Wochenzeitung widmet ein Dossier der Musealisierung des Sozialismus. Karolina Wichowska geht der Frage nach, warum in Polen noch keine entsprechende Einrichtung entstanden ist, obwohl mehrere Initiativen ins Leben gerufen wurden und sich namhafte Persönlichkeiten, u.a. Andrzej Wajda dafür eingesetzt haben (hier die Webseite des Projekts und hier ein virtuelles Museum). "Es gibt keinen Ort, an dem von diesem tragischen Kapitel der polnischen Geschichte im globalen Kontext erzählt würde. Es ist ein Paradox, denn Polen hat am meisten zum Fall des Kommunismus beigetragen und bleibt das einzige postkommunistische Land, das seinen Beitrag nicht entsprechend darstellt." Immerhin scheint aber der künftige Museumssitz jetzt geklärt: es wird der Kulturpalast in Warschau sein. Es wäre sinnlos, ihn abzureißen, aber man kann die Symbolik ändern. Das Museum der Erinnerung an den Kommunismus sollte zur Ikone der polnischen Hauptstadt werden, sagt einer der Initiatoren.

New York Review of Books (USA), 14.08.2008

Mit großer Sympathie liest Zadie Smith die "BBC Talks" von E.M. Forster, die sie für ihren Humor und Charme sehr schätzt: "Forster war ein seltsamer Vogel. Er war frei von den Untugenden, die man bei den Romanciers seiner Generation gewöhnlich findet - was ihn auszeichnet, ist, was er nicht getan hat. Er wurde mit den Jahren nicht immer konservativer, seine Melancholie wandelte sich nicht in Misanthropie; er kniete nie vor dem Papst oder der Königin nieder, er flirtete auch nicht - im ideologischen Sinne - mit Hitler, Stalin oder Mao; er glaubte nie, dass der Roman tot war oder die Hügel am Leben, er las zeitgenössische Literatur auch, nachdem er fünfzig geworden war."

Joshua Hammer konstatiert deprimiert, dass Simbabwe keine Hilfe von außen gegen Robert Mugabes Terrorherrschaft erwarten kann: "China spielt eine Schlüsselrolle als Simbabwes Beschützer gegen die amerikanischen Bemühungen um eine Strafresolution im UN-Sicherheitsrat. Russland führt die Veto-Kräfte gegen Sanktionen mit der Behauptung an, dass Mugabes Wahlbetrug eine interne Angelegenheit sei und nicht in der Zuständigkeit der UN liege. China folgte dem nur zu gern, denn für den größten Investor in Simbabwe stehen enorme Einsätze in den Minen des Landes und lukrative Waffengeschäfte auf dem Spiel. Südafrika hat unter Präsident Tabo Mbeki Mugabes Regime diplomatischen Schutz bereit gestellt, wie auch Benzin, Energie und internationale Bankkonten für den inneren Zirkel - Anzeichen einer Veränderung sind nicht in Sicht."

Weiteres: Hugh Eakin untersucht, in welchem Zustand die archäologischen Stätten des Iraks fünf Jahre nach den großen Plünderungen während des Krieges sind. Samatha Powers wirft einen Blick auf die Ratlosigkeit der Demokraten in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Espresso (Italien), 25.07.2008

Weil die ganze Welt herumreist, reicht das Passfoto zur Identifikation nicht mehr aus, schreibt Umberto Eco. Dass man in den USA seinen Fingerabdruck nimmt, findet er nervig, aber unumgänglich. Sonst würde es überall so zugehen wie in den Taxifahrerkreisen von Paris. "Ein Freund erzählt, dass er sich in Paris darüber wunderte, dass die Taxifahrer aus dem Nahen Osten einige Straßen einfach nicht kannten. Also fragte er sie, ob sie denn keine Prüfung ablegen müssten. Der gute Mann antwortete, dass man mit einem orientalischen Aussehen bei einer Prüfung sich mit allem Möglichen ausweisen kann. Auf dem Bild muss nur irgend ein anderer orientalisch anmutender Mann drauf sein. Der Prüfer kann das nicht unterscheiden. Und so, erklärte der wackere Taxifahrer, absolviert derjenige, der sich am besten auskennt, die Prüfungen für alle seine Kollegen."

Weiteres: Die Bibliothek des Vatikans wird derzeit renoviert. Bis sie 2010 wieder aufmacht, empfiehlt Sandro Magister die runderneuerte und erweiterte Website, die jetzt auch einen Katalog der 150.000 Manuskripte enthält. Moses Naim hält es für gut möglich, dass sich die Lage der Frauen weltweit tatsächlich langsam bessert.
Archiv: Espresso

New Yorker (USA), 04.08.2008

Kelefah Sanneh porträtiert den schwarzen politischen Kommentator Tavis Smiley, der bereits im Januar in der Tom Joyner Morning Show vor "Hysterie und Hype" rund um Barack Obama warnte und die Wählerschaft verdächtigte, einfach nur "verliebt" zu sein. Anrufe und Mails folgten umgehend. Die Hörer konnten nicht begreifen, warum Smiley sich gegen einen Mann aussprach, der der erste schwarze Präsident werden könnte. In der nächsten Sendung räumte er 'Schmerz, Qual, Zorn und Enttäuschung' ein, gab aber nicht nach. Und auch wenn er in den folgenden Wochen Hillary Clintons Kampagne kritisierte, stand im Zentrum seiner Unzufriedenheit oft Obama. Er war empört über die Vorstellung, dass der Senator 'Rasse transzendiert'. 'Kein Mensch verlangt, dass weiße Kandidaten ihre Rasse überschreiten', meinte er."

Mehr zum Thema: In einem zusätzlichen Hörbeitrag äußert sich Sanneh zur Bedeutung von Obamas Kandidatur für die schwarze Community. Unter der Überschrift "Obama wird global" kommentiert Hendrik Hertzberg dessen Weltreise. Zu hören ist eine Diskussion zwischen David Remnick, Hendrik Hertzberg, Ryan Lizza und George Packer über Obamas Deutschlandbesuch und die Zukunft des Kriegs im Irak.

Außerdem: Ben McGrath zeichnet das komplexe Porträt des in Bagdad umgekommenen Soldaten Alan Rogers. Judith Thurmann rezensiert Brenda Wineapples Studie "White Heat: The Friendship of Emily Dickinson and Wentworth Higginson? (Knopf). Peter Schjeldahl führt durch die Ausstellung "After Nature", eine wichtige Gruppenausstellung von 26 internationalen Künstlern im New Museum. Und Anthony Lane sah im Kino die Liebeskomödie "In Search of a Midnight Kiss" von Alex Holdridge. Zu lesen sind außerdem die Erzählung "Clara" von Roberto Bolano und Lyrik von Kathryn Starbuck und Louise Glück.
Archiv: New Yorker

Polityka (Polen), 26.07.2008

Der Historiker Jerzy Kochanowski erinnert an die große Geschichte des Goldes in der polnischen Volksrepublik, als Gold sichere Geldanlage und illegales Spekulationsobjekt war. "Die Regierenden betrieben ein doppeltes Spiel: einerseits verfolgte man Schmuggel und kämpfte gegen organisierte Gruppen. Andererseits sicherten staatliche Institutionen den Zufluss an die Bürger und ermutigten den offziellen Ankauf - 1957 wurden Regeln eingeführt, wonach Gold und Platin leichter zu verkaufen waren als Industriewaren oder Lebensmittel. Der staatliche Ankaufspreis wurde so festgelegt, dass es sich lohnte, Gold ins Land zu schmuggeln, um es an den Staat zu verkaufen."
Archiv: Polityka

Guardian (UK), 26.07.2008

Salman Rushdie erinnert sich an den Moment, in dem er Schriftsteller wurde: "An einem Tag im Jahr 1976 - an das genaue Datum erinnere ich mich nicht mehr - entschied sich ein junger, erfolgloser Autor, der mit einer enormen, aber widerspenstigen Geschichte kämpfte, noch einmal neu anzufangen, diesmal mit einem Ich-Erzähler. An diesem Tag wurde vieles von dem geschrieben, was heute der Anfang der 'Mitternachtskinder' ist... Ich kann mich noch gut an die Heiterkeit erinnern, die mich überkam, als ich Saleem Sinais Stimme entdeckte, und damit meine eigene. Ich habe immer an diesen Tag als den Moment gedacht, an dem ich wirklich ein Schriftsteller wurde, nach einem Jahrzehnt falscher Anfänge."

Außerdem: Julian Barnes huldigt der Autorin Penelope Fitzgerald. Adam Thirlwell liest noch einmal Ricardo Piglias Essay "The Last Reader" über die Angst des Autors vor seinem Leser.
Archiv: Guardian

Times Literary Supplement (UK), 28.07.2008

Paula Marantz Cohen besuchte eine Konferenz in Oxford über Fred Astaire. Wundervolle Idee, auch wenn nicht viel neues dabei herauskam. Immerhin: "Für viele hier war Fred Astaire eine einsame Passion, so war diese Konferenz eine seltene Gelegenheit, diese Wertschätzung zu teilen." Wir teilen sie auch - und wie! - und nutzen den Artikel hemmungslos, einige unserer Lieblingstanzszenen mit Astaire zu zeigen:

Aus: You'll never get rich




Aus: Holiday Inn



Und aus: The Sky's the Limit



(Für die längere Version braucht man etwas Geduld!)
Stichwörter: Astaire, Fred

Economist (UK), 25.07.2008

Während im Westen die Zeitungen in Auflagen- und Finanzkrisen rutschen, blühen sie in weiten Teilen von Lateinamerika und Asien. Auch in China, wie der Economist beobachtet: "Zwar beobachtet der riesige chinesische Aufsichtsapparat große wie kleine Organe genau. Dennoch geht es den Zeitungen auch hier bestens. In den vergangenen fünf Jahren sind die Auflagen um mehr als zwanzig Prozent auf heute 107 Millionen Exemplar gewachsen. (Zum Vergleich: In den USA werden täglich etwa 50 Millionen Zeitungen verkauft.) Das Einkommenswachstum liefert einen Teil der Erklärung, ebenso die hohe Alphabetisierungsrate, die sich auch den Investitionen der Kommunistischen Partei in Bildung verdankt... Aber auch Pekings Kampf gegen die Korruption könnte eine Rolle spielen. Einige Funktionäre begreifen die Regionalzeitungen als Verbündete in ihrer Anstrengung, korrupte Autoritäten zu demaskieren und lassen sie deshalb an längerer Leine."

Außerdem: Beim Blick auf den Big-Mac-Preisindex ist festzustellen, dass das Währungssystem aus dem Häuschen ist - der Euro zum Beispiel ist sagenhafte 50 Prozent zu teuer. Und was gerade noch gefehlt hat: Neuroökonomie. Besprochen werden unter anderem Bücher über die Rolle der USA im Nahen Osten, eine Biografie der Madam de Maintenon und - ohne jede Begeisterung - Paul Austers neuer Roman "Man in the Dark".
Archiv: Economist

Nouvel Observateur (Frankreich), 24.07.2008

Anlässlich Barack Obamas Präsidentschaftskandidatur und seinem Frankreichbesuch widmet sich das Titeldossier dem "langen Weg der Schwarzen". Unter der Überschrift "Alles und nichts hat sich geändert" erklärt Joseph Lowery, ein ehemaliger Mitstreiter von Martin Luther King, im Interview die anfängliche Skepsis und weshalb die schwarze Community lange gezögert hat, bevor sie Obama unterstützte. "Von diesen symbolischen Kampagnen hatten alle genug. Diesmal war angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage des Landes niemand willens, so eine Kandidatur zu unterstützen. Erst beim Selma-Gedenkmarsch im März 2007 wurde ich neugierig auf Obama, wollte ihn besser kennen lernen. Ich habe ihn mir angehört, und seine Botschaft hat mir gefallen. Dann habe ich mich gefragt, ob ihn vor allem junge Weiße ernst nehmen. Am Martin Luther King Day habe ich sie gefragt: 'Was reizt euch so an ihm?' Barack Obama... Barack Obama... Vielleicht hat es was mit dem Namen zu tun, und er wäre nicht so attraktiv, wenn er Joe Blow hieße! Doch ich hatte immer noch meine Zweifel. Also ging ich nach Iowa und habe Wahlkampf für ihn gemacht, ich wollte einfach wissen, wie ein weißer Bundesstaat auf ihn reagiert. Und das habe ich erfahren! Dort habe ich begriffen, dass seine Kampagne real und nicht symbolisch ist."

Zu lesen ist außerdem ein Interview mit dem Architekten und Pritzkerpreisträger Jean Nouvel, in dem er sich unter anderem als "totaler Hedonist" outet.

Spectator (UK), 25.07.2008

Ronald Harwood, der schon das zum Film gewordene Theaterstück "Taking Sides" über den Entnazifizierungsprozess Wilhelm Furtwänglers schrieb, beschäftigt sich in seinem neuen Werk "Collaboration" nun mit Richard Strauss, der ebenfalls nicht ganz sauber aus dem Dritten Reich hervortrat. Robert Gore-Langton stellt Harwoods Stück vor, das auf dem Chichester Theaterfestival zu sehen ist. "Harwood tritt Strauss vorurteilslos gegenüber und macht klar, dass der Mann auf schreckliche Weise erpresst wurde. Es wird angenommen, dass Strauss gefügig war, weil die Nazis herausgefunden hatten, dass er eine jüdische Schwiegertochter hatte, Alice. Der Preis für ihr Überleben bestand in der Kooperation mit der Reichsmusikkammer. Sein einziger Moment des Trotzes lag in der Weigerung, den Namen des Librettisten Stefan Zweig vom Plakat für 'Die schweigsame Frau' entfernen zu lassen. Die Oper wurde deshalb nicht aufgeführt, der Leiter des Theaters entlassen. "Ganz unten war er, als er Kitschmusik schrieb - die Hymne für die Olympischen Spiele und den Hochzeitsmarsch für die japanische Kaiserfamilie - das fand er furchtbar', sagt Harwood."
Archiv: Spectator

ResetDoc (Italien), 21.07.2008

Das dem interkulturellen Dialog verpflichtete Magazin Resetdoc.org bringt ein Dossier über die internationale Öffentlichkeit im Zeitalter englischsprachiger Satellitenkanäle mit konkurrierenden Weltsichten - von CNN bis Al Jazeera (Editorial). Am interessantesten scheint uns ein Gespräch, das Karin Wahl-Jorgensen mit der politischen Philosophin Seyla Benhabib führte, die zunächst eine kleine Hommage auf Jürgen Habermas darbringt und dann erklärt, was sie sich vom Wechselspiel zwischen Blogosphäre und Printmedien in den USA erwartet: "Ich sehe beide Trends. Auf der einen Seite werden Blogs oft von Amateuren gemacht, und das führt leicht zu verzerrten Darstellungen und Desinformation. Aber andererseits findet man auf Blogs oft ein Mehr an Informationen, und das zwingt die etablierten Medien, sich dazu zu verhalten. Insgesamt ist das ein guter Prozess, denn er führt zu mehr Transparenz in den Medien."
Archiv: ResetDoc

New York Times (USA), 27.07.2008

Im Sunday Magazine beschreibt ein frustierter Drogenbekämpfer im diplomatischen Dienst, Thomas Schweich, die Geschichte der gescheiterten Versuche, ein effektives Anti-Drogenprogramm in Afghanistan zu installieren. Dagegen stand "eine seltsame Mischung aus ängstlichen Europäern, kurzsichtigen Medienberichten, korrupten Afghanen, engstirnigen Pentagon-Offizieren, politisch motivierten Demokraten und Taliban". Die Situation heute: "Am 12. Mai erklärte General Khodaidad auf einer Pressekonferenz den Kampf gegen den Mohnanbau zum Fehlschlag. In diesem Jahr würde man weniger als ein Drittel des Mohnabaus vernichten, verglichen mit 2007 (...) Trotz dieser Entwicklung stellten die Afghanen schnell ein optimistisches Papier über ihre Fortschritte für die Paris Konferenz über Afghanistan zusammen. Dort trafen sich am 12. Juni Staatschefs aus der ganzen Welt, inklusive Karzai. Die afghanische Regierung sammelte auf dieser Konferenz 20 Milliarden Dollar an zusätzlicher Entwicklungshilfe ein. Aber das Drogenproblem war ein Ärgernis, das den finanziellen Erfolg gefährden konnte. Darum wurden die Drogen von der formalen Agenda gestrichen und eine Woche vor der Konferenz in einer 50-minüten geschlossenen Diskussion auf niedrigerem Level abgehandelt."
Archiv: New York Times
Stichwörter: Entwicklungshilfe