Magazinrundschau

Nur zwei Männer haben mich so liebkost

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
02.12.2008. Outlook India untersucht die Anschläge in Mumbai. In Salon beschreibt Martin Simecka den Unterschied zwischen Exkommunisten und richtigen Dissidenten. Walrus vermisst die wilden Juden. In Przekroj warnt Dorota Maslowska: die Polen könnten alle verbrennen. Im TLS reicht George Walden kunstliebenden Hedgefonds-Managern ein Döschen mit Exkrementen. Im Espresso vertieft sich Umberto Eco in eine Lexikon der Onomatopöie. The Wired besucht Charlie Kaufman. Im Nouvel Obs sucht Paul Virilio den Ort der Nomaden. Sex macht noch keine Revolution, meint The Nation mit Blick auf den Iran. Die New York Times stellt die mächtigsten Zensoren der Welt vor: die drei von Google.

Outlook India (Indien), 08.12.2008

Saikat Datta und Smruti Koppikar berichten über erste, widersprüchliche Ergebnisse der Untersuchungen des Terroranschlags auf Mumbai. "Der Name, der kursiert, ist Lashkar-e-Toiba (LeT), vermutlich in enger Zusammenarbeit mit einer Sektion der Unterwelt von Mumbai und außer Kontrolle geratene Elemente des pakistanischen Geheimdienstes ISI. Aber weder der Polizeicheg von Maharashtra, A.N. Roy, noch der Polizeikommissar von Mumbai, Hasan Gaffoor, will die Beteiligung dieser tödlichen Troika bestätigen. Tatsächlich gehen frühe Einschätzungen der Geheimdienste davon aus, dass einige der Terroristen junge britische Muslime pakistanischer Herkunft waren. Quellen sagen, sie seien über ein Jahr gut ausgebildet worden, aber die letzte Entscheidung, den Anschlag auszuführen, sei bei der Jahreskonferenz der LeT in Muridke, PoK, letzte Woche gefallen. Die Operation Mumbai wurde offenbar finanziert von dem in Saudi Arabien ansässigen Abdul Bari. Er ist Teil eines größeren Terrornetzwerks und hat auch frühere Anschläge in Indien finanziert. ... Inzwischen weist die Analyse des Akzents von zwei (mutmaßlichen) Terroristen in einem Gespräch mit einem privaten Fernsehsender darauf hin, dass sie entweder ausgewanderte Pakistani sind oder aus dem pakistanischen Teil des Punjab kommen." (Für aktuelle Informationen sollte man auf der Website nachsehen.)

Außerdem: Es war der siebte Terroranschlag in Indien seit 1993, berichtet Smruti Koppikar, dennoch waren die Behörden vollkommen unvorbereitet. Kritik an den indischen Sicherheitskräften kommt auch von Saikat Datta und von B. Raman.
Archiv: Outlook India

Salon.eu.sk (Slowakei), 27.11.2008

Salon.eu.sk hat einen Artikel von Martin Simecka, Chefredakteur von Respekt, übersetzt, der sich - mit Blick auf die Kundera-Affäre - an seinen Vater Milan erinnert, einen gläubigen Kommunisten, den der sowjetische Einmarsch 1968 zum Umdenken brachte. Sein Sohn erinnert sich gut an die stundenlangen Diskussionen zwischen denen, die schon in den Fünfzigern in Arbeitslagern schufteten wie Karel Pecka und Zdenek Rotrekl, und denen, die viele Jahre Privilegien im kommunistischen System genossen hatten, bevor sie ihre Meinung änderten und ihr Leben literarisch aufarbeiteten. "Die Kundera-Affäre ist explosiv, weil sie die Dominanz dieser Generation zerstört, die mit Hilfe der Literatur die Vergangenheit in wahrerem Licht zeigen wollte als das Leben selbst es konnte, mit seinen banalen und beschämenden Wahrheiten, repräsentiert zum Beispiel durch ein krudes Polizeidokument, wonach ein Herr Kundera einen Herrn Dvoracek verraten hat. In der tschechischen Gesellschaft hat literarische Fiktion wirksam die realen Erinnerungen ersetzt, die niemand hören wollte, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Gegenwart. Übrigens waren gerade Kunderas Romane besonders erfolgreich in der Erfüllung dieser Aufgabe der Literatur."

Ebenfalls ins Englische übersetzt ist das Gespräch zwischen Vaclav Havel und Adam Michnik aus der Gazeta Wyborcza letzte Woche. Auch hier geht es - unter anderem - um Kundera. Michnik fragt Havel, warum die Medien diese Art von Enthüllung nötig haben. Dazu Havel: "Die Medien wollen Profit machen. Und wie wir wissen, ist 'kleines Erdbeben in Chile, wenige Tote', keine Meldung. Aber wenn die Medien sagen können, 'XY' war ein Informant oder dass er geschieden wurde oder jemanden vergewaltigt hat, dann werden sie das tun, weil es ihnen Profit bringt."
Archiv: Salon.eu.sk

Walrus Magazine (Kanada), 01.12.2008

Charles Foran liest Bücher von Philip Roth, Mordecai Richler und Michael Chabon und stellt fest, dass eine Ära jüdisch-amerikanischer Literatur zu Ende geht: Die wilden Juden sterben aus. Foran charakterisiert sie mit Hilfe von Philip Roths Alter Ego Nathan Zuckerman: "'Der Jude in seiner aufgekratztesten Art', denkt Nathan Zuckerman, 'kann mit nichts und niemandem eine ruhige Beziehung haben.' Er erweitert den Pantheon um den Sänger Eddie Cantor, die Komödianten Jerry Lewis und Lenny Bruce und den Sozialkritiker Abbie Hoffman. In letzter Zeit wurden diese wilden Juden, allesamt Bewunderer von Isaac Babels bahnbrechenden Kurzgeschichten aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert über die Unterwelt von Odessa, verdrängt durch solche mit einem 'milden, vernünftigen' Naturell - nicht die Sorte, die während einer Aufführung des emotional manipulativen Stücks über Anne Frank aufspringt und, als die Nazis das dem Untergang geweihte jüdische Kind bei der Durchsuchung der Wohnung nicht finden, ruft: 'Guckt unters Dach! Sie versteckt sich unterm Dach!'"
Archiv: Walrus Magazine

Przekroj (Polen), 27.11.2008

Es ist etwas ruhiger geworden um Dorota Maslowska, seit sie 2006 den renommierten NIKE-Literaturpreis (für ihr zweites Buch "Die Reiherkönigin") erhalten hat. Aber jetzt meldet sich die junge Autorin im Interview mit einer harten Gesellschaftskritik zurück. "Gestern las ich mein letztes Buch, zuvor habe ich es ja nur geschrieben. Es ist für mich ein Buch darüber, dass in unserer Gesellschaft Menschen mit so krass unterschiedlichen Lebenserfahrungen, Konsumpotentialen und Mentalitäten leben, dass sie alle nur 'Verpiss dich' zueinander sagen, und sie verpissen sich; wir leben in so einer Atmosphäre der Missachtung, im Hass, wir schauen uns gegenseitig nicht an, sondern isolieren uns voneinander. Es gibt Ghettos für junge Leute, alte Leute, reiche Leute, arme Leute, wir schließen sogar die Mülltonnen voreinander ab. Es ist mein erstes Buch, in dem ich nicht aufzähle, wen ich missachte, sondern darüber schreibe, dass wir uns alle missachten, und man so nicht leben kann. Die Leute brennen vor Wut auf einander, wir können alle verbrennen."
Archiv: Przekroj
Stichwörter: Nike

Elet es Irodalom (Ungarn), 21.11.2008

Die Warschauer Literaturzeitschrift Zeszyty Literackie, die vor kurzem ihr 25jähriges Bestehen gefeiert hatte, stellte vorletzte Woche ihre neueste Ausgabe in Budapest vor. Die Herausgeberin der Zeitschrift, Barbara Torunczyk, erklärt im Interview mit Andras Palyi, was ihrer Ansicht nach mit Polen nicht stimmt. "Als die westliche Hälfte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Sturz der Nazidiktatur zu einem demokratischen Wertesystem zurückkehrte, hielten es sowohl die Intellektuellen als auch die Politiker für wichtig hielt, den Respekt für die kulturellen europäischen Tradition wiederherzustellen. Wir haben dies vor zwanzig Jahren in einer ähnlichen Situation versäumt, mit fatalen Folgen. Warum mussten all unsere moralischen und künstlerischen Schätze durch den Dreck gezogen werden? Warum haben wir nicht dafür gesorgt, dass uns Walesa als Symbol der Freiheit Polens, Michnik als Vorkämpfer der reinen Öffentlichkeit, Zagajewski als Dichter der glaubwürdigen Worte erhalten bleiben?"
Stichwörter: Literaturzeitschriften

Times Literary Supplement (UK), 28.11.2008

Platzt nach der Immobilienblase auch die Kunstblase? Geradezu dankbar dafür wäre der Diplomat, Politiker und Autor George Walden. Vielleicht würden dann etwas mehr Qualität und Realitätssinn in die britische Kunstszene einziehen? "Wir haben fast ein Jahrhundert gebraucht, um den Duchamp/Dada-Witz zu kapieren, und jetzt, wo wir ihn verstanden haben, reiten wir ihn mit Wiederholungen zu Tode. Die Behauptung, das zugkräftige Werk von heute beruhe auf der gewagtesten, esoterischsten Kunst von gestern, torpedierte der Erzmodernist Clement Greenberg, als er schrieb: 'Natürlich ist nichts davon wahr. Gemeint ist, dass wenn die fetten Zeiten vergehen, das Neue für neue Varianten bestohlen wird, die dann verwässert und als Kitsch serviert werden.' Greenbergs Beobachtung gilt für das meiste des bewusst 'Gewagten' in der britischen Literatur, für Theater- oder Opernproduktionen ebenso wie für die Kunst. Hedgefonds-Manager haben jetzt die Muße, ihn zu lesen, ihr schrulliges Video oder ihre Büchse mit Exkrementen zu betrachten und soviel Trost daraus zu beziehen wie sie können."

Außerdem: Lucy Dallas stellt vier neue französische Bücher vor, von denen nur EINS in Paris spielt.

Folio (Schweiz), 29.11.2008

Im NZZ-Folio dreht sich alles um Geschwister. Verena Dürrenmatt findet, sie habe "Glück gehabt" mit ihrem Bruder. "Sicher - als er später dann so in der Öffentlichkeit stand, als dieser ganze Trubel kam, mit dem 'Besuch der alten Dame' oder den 'Physikern', das war nicht immer einfach für mich. Im Gegenteil, es hat mein Leben wohl mehr beeinflusst, als ich wahrhaben wollte. Das sehe ich aber eigentlich erst heute. Das Buch 'Schwestern berühmter Männer' von Luise F. Pusch hat mich beeindruckt. Von denen blieben auch viele unverheiratet, hatten psychische Probleme - wie ich. Vielleicht hat das schon etwas damit zu tun, dass da neben einem halt immer jemand ist, der viel Aufmerksamkeit bekommt und neben dem man sich irgendwie unbedeutend fühlt. Obwohl: Psychische Probleme hatten diese Männer oftmals selber. Das kennt man ja von Künstlern, beim Fritz war das nicht anders. Wir hatten beide Zeiten, in denen das Leben ziemlich dunkel war. Wie unser Vater auch. Nur hatte der Fritz mit der Kunst eben ein Ventil, um das etwas abzufedern. Mir hat so etwas gefehlt."

Außerdem: Der Maler Manfred Bockelmann erzählt, wie seine Karriere einbrach, als sein Bruder Udo Jürgens das Lied "Mein Bruder ist ein Maler" sang, und Udo Jürgens erzählt, wie unglücklich er als Kind war, "ich habe Geräusche gehört, hatte im Traum wahnsinnige akustische Erlebnisse, die mir Angst machten". Peter Hartmann schreibt über die Enkel von Gianni Agnelli, Lapo und Jaki Elkann. Der Viertälteste einer österreichischen Großfamilie erzählt vom nicht immer sonnigen Aufwachsen mit zehn Geschwistern. Und Mikael Krogerus interviewt Tommy Ramone über seine "Brüder". Und in der Duftkolumne erzählt Luca Turin, wie er beinahe mal ein elektronisch gesteuertes Parfumspray miterfand.
Archiv: Folio

The Nation (USA), 15.12.2008

Die iranisch-amerikanische Anthropologin Pardis Mahdavi beschreibt in ihrem Buch "Passionate Uprisings: Iran's Sexual Revolution" eine erstaunlich unbekümmert ausgelebte Sexualität unter den Frauen der Teheraner Mittel- und Oberklasse. Aber ist das ein Zeichen für eine anstehende politische Revolution? Laura Secor bezweifelt es. Die Frauen in Mahdavis Studie "leben in einer Theokratie mit einem vormodernen, bindenden religiösen Code und sie erleben zugleich, was wir im Westen als 1960er-mäßige sexuelle Revolution, 1970er-mäßige zweite Welle des Feminismus und zeitgenössische postfeministische Umarmung weiblicher Sexualität mit all ihrer Komplexität bezeichnen würden. Mahdavi beschreibt einige ihrer verheirateten Testpersonen, wie sie jeden Tag buchstäblich Stunden mit ihrem Makeup und ihren Kleidern verbringen und den Rest des Tages auf der Suche nach einem Liebhaber durch die Stadt kurven. In einer Gesellschaft, die den Frauen sagt, sie sollten keusch sein, häusliche Sklavinnen für ihre Ehemänner, die wiederum die Freiheit haben, bis zu vier Ehefrauen und 99 'vorübergehende' Frauen zu haben, könnte man dies als weibliche Machtdemonstration ansehen. Aber es liegt ebenso etwas unleugbar Steriles in all dem."

Für den Aufmacher ist Sean Penn zusammen mit Christopher Hitchens und dem Historiker Douglas Brinkley nach Venezuela und Kuba gereist und hat dort Hugo Chavez und Raul Castro interviewt. Beim Treffen mit Chavez waren Hitchens und Brinkley dabei (wir warten auf ihre Berichte in Vanity Fair bzw. CBS), zu Raul Castro durfte nur er allein gehen. Penn ist ungeheuer angetan von Chavez und mehr noch von Castro: "'Was ist mit Guantanamo?', frage ich. 'Ich erzähle Ihnen die Wahrheit', sagt Castro. 'Die Basis ist unsere Geisel. Als Präsident sage ich, die USA müssen gehen. Als Militär sage ich, lasst sie bleiben.' Habe ich hier eine große Story, frage ich mich innerlich? Oder ist das ganz unbedeutend?" (Die Langversion dieses Artikels findet sich bei der Huffington Post.)
Archiv: The Nation

Le Monde (Frankreich), 29.11.2008

Im November vergangenen Jahres schockte der amerikanische Journalist Donald Morrison die Franzosen, als er im Time Magazine den "Tod der französischen Kultur" verkündete. Auf diesem Artikel beruht sein im September erschienenes Buch "Que reste-t-il de la culture française?" (Les Editions Denoel). Im Interview erklärt er: "Gerade die, die immer das Gegenteil behaupten, schätzen ihre Kultur gar nicht. (...) Frankreich unterstützt seine Kultur, und es ist einfach, hier mit mittelmäßigen, ichbezogenen Romanen und Filmen berühmt zu werden, die sich außer auf Canal plus kein Mensch ansieht. Künstler müssen sich nicht durchkämpfen, ebenso wenig wie Verleger, Produzenten und Galeristen. Es ist viel einfacher, hier Künstler, vor allem Schriftsteller zu sein, als in den Vereinigten Staaten."
Archiv: Le Monde

New York Review of Books (USA), 18.12.2008

New-York-Times-Kolumnist und Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman erklärt, wo es lang gehen könnte bei der Bewältigung der Finanzkrise: "Wir müssen ganz klar die Lektionen wieder lernen, die unsere Großväter in der Großen Depression gelernt haben. Ich werde nicht versuchen, die Details eines neuen Regelwerks auszubreiten, aber das Grundprinzip sollte klar sein: alles, was während der Finanzkrise gerettet werden muss, weil es eine essentielle Rolle im Finanzmechanismus spielt, sollte reguliert werden, wenn es keine Krise mehr gibt, so dass keine überzogenen Risiken mehr eingegangen werden. Seit den 1930ern wurde von kommerziellen Banken verlangt, dass sie entsprechendes Kapital haben, flüssige Aktiva vorrätig haben, die schnell in Cash verwandelt werden können und dass die Art der Investitionen, die sie tätigen können, begrenzt ist. Im Gegenzug erhalten sie staatliche Garantien, wenn etwas schief geht. Nachdem wir jetzt gesehen haben, wie eine Reihe von Finanzinstituten die Krise schuf, müssen vergleichbare Regulierungen für einen sehr viel größeren Teil des Systems geschaffen werden. Und dann sollten wir noch hart darüber nachdenken, wie wir mit der finanziellen Globalisierung umgehen."

Außerdem: Deborah Eisenberg ahnt nach der Lektüre der Tage- und Notizbücher Susan Sontags, wie sie Susan Sontag wurde. Orhan Pamuk erzählt von seiner Bibliothek. Sarah Kerr bespricht Roberto Bolano. Und Ingrid Rowland schreibt anlässlich einer Ausstellung in der Londoner National Gallery über das Siena der Renaissance. Ein Special zu den Präsidentschaftswahlen beinhaltet unter anderem den skeptischen Beitrag von Joan Didion und enthusiastischen Beitrag von Darryl Pinckney bei einem Symposium zu den Wahlen.

Espresso (Italien), 28.11.2008

"Arf arf bang crack blam buzz cai spot ciaf ciaf clamp splash crackle crackle crunch deleng gosh grunt honk honk cai meow mumble pant plop pwutt roaaar dring rumble blomp sbam buizz schranchete slam puff puff slurp smack sob gulp sprank blomp squit swoom bum thump plack clang tomp smash trac uaaaagh vrooom". Der gelernte Semiotiker Umberto Eco ist hocherfreut über ein neues spanisches Lexikon der Onomatopöie. Mehr als 1.000 lautmalerische Begriffe aus Comics haben Roman Gubern e Luis Gasca in ihrem "Diccionario de onomatopeyas del comic" gesammelt, allerdings ist das für Eco immer noch zu wenig. "Jacovitti zum Beispiel kommt nur drei Mal vor, mit einem bescheidenen und vorhersehbaren bang, einem tompt und einem hug. Natürlich ist da noch viel mehr zu holen, mehr als man hier aufzählen kann: blomp, pra (für einen Schlag mit dem Pistolengriff), pamt, ponfete, slappete, cianft, svoff, ciunft, badabanghete, sdenghete, flup und (sein Meisterstück) PUgno."
Archiv: Espresso
Stichwörter: Eco, Umberto, Semiotik

Wired (USA), 16.11.2008

Jason Tanz schreibt einen ambitionierten Text über den Drehbuchautor Charlie Kaufman und dessen neuen Film "Synecdoche, New York". Es ist der erste, bei dem Kaufman auch Regie führte. Kaufman kommt durchaus sympathisch rüber: kompliziert, pessimistisch, voller Selbstzweifel. Und wenn's drauf ankommt, kriegt er Nasenbluten. "In zwei Tagen wird 'Synecdoche' seine nordamerikanische Premiere haben. Heute nacht schmeißt Sony Pictures Classics eine rauschende Party, um die zehn Filme zu promoten, die sie während des Filmfestivals (in Toronto) zeigen, und - mit etwas Glück - frühe Oscar-Gerüchte hervorzurufen. Draußen spricht Regisseur Jonathan Demme über seinen neuen Film, 'Rachel getting married', während der Star des Films, Anne Hathaway, einen Trupp Reporter und Branchengrößen betört. Kaufman sollte jetzt hier sein, an einem Glas Cabernet Shiraz von Dan Ackroyds Weingut nippen und 'Synecdoche' anpreisen. Aber er hat sich den Kopf angestoßen, als er aus dem Taxi stieg, seine Brille schnitt ihm ins Gesicht und jetzt ist er auf dem Klo, überzeugt, seine Nase sei gebrochen. Statt die Leute zu umschmeicheln, verbringt er die Cocktailstunde in einer schummrigen Ecke des Restaurants und unterhält sich mit Debra Winger über ihre Farm in den Catskills, während er in eine Serviette eingewickelte Eiswürfel auf sein Gesicht drückt."
Archiv: Wired
Stichwörter: Farmer, Kaufman, Charlie, Toronto, Sony

Nouvel Observateur (Frankreich), 27.11.2008

Der französische Philosoph Paul Virilio hat gemeinsam mit dem Fotojournalisten und Filmemacher Raymond Depardon in der Fondation Cartier eine Ausstellung zusammengestellt, die sich mit dem Phänomen zunehmender Menschenströme aus Flüchtlingen, Vertriebenen, Immigranten, Asylbewerbern und Umgesiedelten beschäftigt. Im Gespräch erläutert Virilio sein in diesem Zusammenhang zentrales Konzept der "outre ville", in dem sich die hergebrachte Dominanz der Sesshaftigkeit gegenüber dem Nomadentum auflöse, was auch Konsequenzen für den Begriff der Stadt und die Identität dieser "modernen Nomaden" habe: "Das Zirkulieren wird zum neuen Wohnen. Die alte Stadt galt als ein Ort der Wahl, im Sinne der Wohnortwahl. Heutzutage ist die Stadt ein Ort des Ausstoßes. Mit der Omni-Polis ist sie überall und nirgends. (...) Die 'Trajektografie' ersetzt die Geografie. (...) Das Tempo der Telekommunikation gestattet diesen endlosen Personenverkehr. Weshalb also sollte man seine Geburtsidentität behalten? Ein Feuerwehrmann erzählte mir, als es in einem Zug einmal zu einer Geburt kam, habe man diesen angehalten, damit das Kind einen Geburtsort hatte. Heutzutage würde man dafür keinen TGV mehr stoppen!"

New Statesman (UK), 27.11.2008

Mit großem Interesse hat Andrew Hussey "The Shameful Peace", Frederic Spotts' Buch über die französischen Intellektuellen unter der deutschen Besatzung gelesen. Viele Intellektuelle, so lernt er, waren durchaus angetan von den Nazis, besonders wenn sie dieses gewisse arische Aussehen hatten wie Karl Heinz Bremer, der stellvertretende Leiter des Deutschen Instituts in Paris. Zu seinen Verehrern "gehörten nicht nur Robert Brasillach, sondern auch Personen, die so lächerlich und abscheulich waren wie Serge Lifar, der führende Tänzer des Pariser Opernballetts. Sogar nach der Befreiung 1945 prahlte Lifar damit, dass er eine physische Beziehung mit Adolf Hitler gehabt hätte. Er genoss es, zärtlich die Arme seiner Liebhaber zu streicheln und dabei zu murmeln: 'Nur zwei Männer haben mich so liebkost: Diaghilev und Hitler.'" (Wer sich für diesen Aspekt der deutsch-französischen Beziehungen interessiert, dem sei ergänzend Francois Dufays "Herbstreise" empfohlen, ein Bericht über die Deutschlandreise französischer Schriftsteller im Oktober 1941)

Außerdem: In einer kurzen Notiz empfiehlt Katy Taylor Daniel Kehlmanns "Ich und Kaminski" als "durch und durch unterhaltsame" Lektüre.
Archiv: New Statesman

Nepszabadsag (Ungarn), 29.11.2008

In der ungarischen Gesellschaft wird der Umgangston immer rauer. Mittlerweile werden Lehrer oder Ärzte verprügelt und das Allgemeinbefinden der Gesellschaft verschlechtert sich von Tag zu Tag. Der Verhaltensforscher Vilmos Csanyi fordert deshalb eine gesündere Debattenkultur - in erster Linie, aber nicht nur, von den Parlamentariern: "Stellen Sie sich ein Parlament vor, in dem jeder seinen Gegner respektiert und dies auch zum Ausdruck bringt, indem er seine abweichende Meinung innerhalb der Grenzen des Respekts äußert. Es wäre ein Vorbild von elementarer Kraft. Wenigstens die Politiker müssten erkennen, dass wenn sie die Leiter von Institutionen in ihrer Person zu demütigen versuchen, auch die Institutionen einen bedeutenden, oft sogar anhaltenden Schaden erleiden."
Archiv: Nepszabadsag
Stichwörter: Debattenkultur

Point (Frankreich), 27.11.2008

In Frankreich liegt ein Gesetz zur Verabschiedung vor, das den Umgang mit der Leugnung des armenischen Völkermords regeln soll. Eine breite Front vor allem aus Geschichtswissenschaftlern. angeführt von Pierre Nora, Vorsitzender der Initiative Liberte pour l'Histoire, verwahrt sich im so genannten Appel de Blois gegen diesen gesetzlich verordneten Umgang mit Geschichte und fordert den Senat auf, der Ratifizierung nicht zuzustimmen. Sein Hauptargument: Dieses Gesetz "terrorisiere" die Historiker und spanne sie in ein "politisch korrektes Joch", das "ihre Arbeit behindere". Eine der interessantesten Gegenpositionen dazu nimmt Bernard-Henri Levi ein, der seinerseits argumentiert, die Leugnung eines Verbrechens wiederhole es. In seinen Bloc-notes schreibt er: "Nicht die Gesetze, sondern die Leugner des Verbrechens terrorisieren die Historiker. Diese Gesetze sind nicht dazu da, die Forscher zu behindern, sondern sie von dieser Wunde, dieser Pest von Verfälschern zu befreien. Nehmen wir nur das einzige dieser Gesetze, das derzeit funktioniert: das so genannte Gesetz Gayssot, das die Leugnung des Holocaust unter Strafe stellt. Das ist ein Anti-Le-Pen-Gesetz, ein Gesetz gegen antisemitische Verunglimpfung. Die Unterzeichner des Appells von Blois sollen mir einen einzigen Wissenschaftler nennen, der dadurch in seiner Forschungs- und Meinungsfreiheit beeinträchtigt worden wäre."
Archiv: Point

Literaturen (Deutschland), 01.12.2008

Aus dem Schwerpunkt zu Walter Benjamin - es schreiben unter anderen Sigrid Weigel und Manfred Schneider - kann man online Rene Aguigahs Besprechung der ersten Bände der neuen "Kritischen Gesamtausgabe" Benjamins lesen, in der Aguigah feststellt: "Wer die originalen Texte lesen will, bekommt sie übersichtlich dargeboten; wer in die Tiefen der unterschiedlichen Versionen, Korrekturen und Publikationsgeschichten steigen will, wird kompetent geleitet und erschöpfend ausgestattet. Dahinter steckt letztlich ein philologisch-demokratisches Ethos. 'Hier fällt jegliche Bevormundung der Leser weg', sagen Christoph Gödde und Henri Lonitz, die Hauptherausgeber. 'Editionen haben nicht den Zweck, Interpretationen zu lenken, sondern die Texte verantwortlich zu überliefern.'"

Außerdem: In den "Business as usual"-Rubriken: Franz Schuh empfiehlt im "Kriminal" Camilly Ways Psychothriller "Schwarzer Sommer". Der Kriminalschriftsteller Heinrich Steinfest teilt Lektüreeindrücke rund um Entenhausen mit. Annette Zerpner hat Raoul Schrotts "Ilias"-Übersetzung und zweimal Sven Regener im Hörbuchformat genossen. Für die "Netzkarte" hat sich Aram Lintzel in der seltsamen Welt der Personensuchmaschinen (Yasni, 123people) umgetan, die neuerdings die Google-Ergebnisse zumüllen.
Archiv: Literaturen

London Review of Books (UK), 04.12.2008

Neal Ascherson, Autor eines großen Buchs über die Schwarzmeerregion, ist in das offiziell zu Georgien gehörende Abchasien gereist, über das man im Westen wenig weiß. Anders als die Südosseten, die wohl eher zu Russland wollen, würden die Abchasen einen eigenen Staat bevorzugen, seit sie 1992/93 die Georgier - mehr als 50 Prozent der Bevölkerung - vertrieben haben. Ascherson plädiert dafür, dass die EU solche Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützt. Er vergleicht den Konflikt überraschenderweise nicht mit Nordirland, sondern mit der Oder-Neiße-Grenze: "Jahrzehntelang war klar, dass jeder, der die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie auch nur in Erwähnung zog, politischen Selbstmord beging. Das westdeutsche Fernsehen brachte den Wetterbericht, wolkig oder sonnig, für Schlesien genauso wie für Bayern. Öffentlich unterstützten die Alliierten diese Position nach Kräften. Unter der Hand gab jeder französische oder britische Diplomat zu, dass dies furchtbar und wirklichkeitsfremd war. Aber genau das haben sie daran geschätzt. Ein Westdeutschland, das so fest an dieses unmögliche Dogma gebunden war, wäre niemals in der Lage, einen Handel mit der Sowjetunion abzuschließen, etwa Wiedervereinigung gegen Austritt aus der Nato. Erst in den 70er Jahren entschloss sich Willy Brandt, das Land aus dieser Falle hinauszuführen, indem er die territorialen Ergebnisse des Krieges und die neuen Grenzen anerkannte."

Weitere Artikel: Donald MacKenzie erzählt, wie man einen Hedgefonds gründet. Mahmood Mamdani versucht zu erklären, warum Simbabwes Diktator Robert Mugabe von seinem Volk weniger gehasst wird, als er es eigentlich verdient. Der griffigen Schlagwortkunst des Malcolm Gladwell ("Blink") nähert sich Thomas Jones mit Blick auf dessen neues Buch "Outliers: The Story of Success". Besprochen werden Steve Colls Geschichte der "Bin Ladins" und Jean-Luc Godards nun auch auf englischsprachiger DVD greifbare "Histoire(s) du cinema".

Polityka (Polen), 01.12.2008

Jacek Zakowski huldigt zunächst einmal ausführlich der Spezies großer Polen, bevor er auf den eigentlichen Punkt kommt: Eine für Polityka durchgeführte Umfrage, die ergeben hat, dass die "große Operation Autoritätenaustausch" der Brüder Kaczynski ein Flop war: "Sogar Adam Michnik und Leszek Balcerowicz, die in der Narration der IV. Republik alle gesellschaftlichen und politischen Übel der III. symbolisierten, kamen ungeschoren davon. In diesem Sinne darf man wohl sagen, dass die neokonservative Revolution von Jan Rokita und den Brüdern Kaczynski, die von den katholischen Fundamentalisten in Thorn und Giertychs Nationalisten unterstützt wurde, in Polen nicht nur die Wahlen verloren hat. Ähnlich wie in Amerika hat sie auch den offen erklärten und mit unerhörter Brutalität geführten Kulturkampf um die Herrschaft der Seelen verloren. Und zwar mit Pauken und Trompeten."
Archiv: Polityka

New York Times (USA), 30.11.2008

Was Sie, liebe Leser, im Internet lesen dürfen und was nicht, entscheiden zu einem guten Teil Googles Nicole Wong, Andrew McLaughlin und Kent Walker. Sie prüfen Videos bei Youtube, Blogs bei Blogger oder Seiten bei Google, über die sich Privatpersonen, aber vor allem Regierungen beschweren. Sollte so viel Macht in den Händen von drei Menschen liegen, fragt der Juraprofessor Jeffrey Rosen im NYT-Magazine in seiner Reportage über Googles Zensoren, zumal diese ihre Entscheidungen selten öffentlich begründen. Einer der die Gefahren in diesem Verfahren sieht, ist Lawrence Lessig. "'Während der Blütezeit von Microsoft befürchteten die Leute, dass die Eigentümer der Betriebssysteme ihr Monopol benutzen könnten, um ihre Produkte gegen Konkurrenten zu schützen', sagt der Internetforscher Lawrence Lessig von der Stanford Law School. 'Diese Dynamik ist winzig verglichen mit dem, was man bei Google befürchten muss. Sie haben enorme Kontrolle über eine Plattform für die Daten der ganzen Welt, und alles, was sie tun, dient der verbesserten Kontrolle dieser Daten. Wenn Ihr ganzes Spiel darauf basiert, Marktanteile zu erhöhen, ist es schwer, gut zu bleiben und Daten so zu sammeln, dass sie nicht den privaten Datenschutz verletzten oder repressiven Regierungen helfen, kontroversen Inhalt zu blockieren.'"
Archiv: New York Times