Magazinrundschau

Kreuzung aus Igel und Schnecke

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
12.05.2009. Der Nouvel Obs bringt ein Interview mit Imre Kertesz über das Überleben nach dem Überleben. Die New York Review of Books feiert die reiche und kluge Madame de Stael. Tygodnik Powszechny freut sich über die erste Stasiuk-Verfilmung. Im Guardian fragt sich Elaine Showalter, warum amerikanische Autorinnen notorisch unterschätzt werden. Le Point porträtiert Dieudonne, der seinen Antisemitismus zur Kunst erklärt. Rue 89 fragt: Sind Internetsperren links? Im New Republic liest sich John Banville durch die Briefe Samuel Becketts.

New York Review of Books (USA), 28.05.2009

Madame de Stael ist gerade wieder ausgesprochen in Mode. Mit gutem Grund, meint Richard Holmes, der eine ganze Reihe neuer Bücher über sie bespricht und erst einmal das Phänomen vor Augen stellt: "Sie war die einzige Tochter eines Schweizer Bankiers, eine der reichsten und klügsten jungen Frauen ihrer Generation in Europa. Sie schrieb unter vielem anderen einen berühmten Roman - Corinne, oder Italien (1807) - der eine neue Heldin für ihre Zeit erfand, sich besser verkaufte als die Werke Walter Scotts und seitdem stets im Druck blieb. Sie hat Dutzende Menschen vor der Guillotine gerettet. Sie hat die Pariser Hutmode auf den Kopf gestellt, mit ihren verblüffenden vielfarbigen Turbanen. Sie tat Jane Austen verächtlich ab als 'vulgär'. Sie ignorierte Napoleon bei einem Empfang... Und sie redete bei einer Soiree in Mayfair den Dichter Coleridge einmal in Grund und Boden. Für all diese Dinge sollte sie allein schon in Erinnerung bleiben."

Besprochen werden unter anderem drei Bücher - über Warren Buffett, von Malcom Gladwell und von Geoff Colvin -, die jedes auf seine Weise nach den Zusammenhängen von Talent, Glück und Erfolg fragen sowie neue Bücher zur Gründungsgeschichte des Staats Israel, vom Neuen Historiker Benny Morris und von Gudrun Krämer.

Nouvel Observateur (Frankreich), 08.05.2009

In einem Gespräch aus Anlass des Erscheinens seines Essaybandes "Die exilierte Sprache" in Frankreich ("L'Holocaust comme culture', Actes Sud) erklärt Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz, warum er das Trauma der Konzentrationslager besser ertragen habe als Schrifsteller wie Romain Gary, Jean Amery oder Primo Levi: Weil er danach in einem kommunistischen System gelebt habe. Dieses Paradox erklärt er so: "Als Kind kannte ich nichts anderes als ein totalitäres Regime. Als ich nach Ungarn zurückkehrte, war es deshalb nicht so schwierig für mich zu verstehen, was sich da abspielte. Ich habe gesehen, wie man Menschen zu einem Teilchen in einem Räderwerk verwandelte. Die Anzeichen waren die gleichen. Ich habe 1956 den Aufstand von Budapest miterlebt. In diesen Situationen will niemand nachdenken, man will einfach leben. Alles war Lüge, die ganze Welt war eine Lüge. Doch die meiste Zeit hat man in dieser Absurdität den Verstand bewahrt. Ich hatte das Gefühl, dass meine Identität deformiert war, dass ich meine Normalität verloren hatte. Aber ich habe nie eine Erklärung dafür gefunden. Ich habe mich gefragt, ob meine 'Anomalie' zur Normalität geworden war. Oder ich ein anderer."

Tygodnik Powszechny (Polen), 11.05.2009

Man mag es kaum glauben, aber mit "Wino Truskawkowe" (Erdbeerwein) hat Regisseur Dariusz Jablonski die erste Verfilmung (hier der Trailer) eines Buches von Andrzej Stasiuk ("Galizische Geschichten") vorgelegt. Michal Walkiewicz ist erleichtert - auf weit verbreiterte Stereotype einer idyllischen Provinz, die den Versuchungen der Großen Welt Stand hält, wurde verzichtet. "Jablonski ist es gelungen, die Atmosphäre der galizischen Provinz einzufangen, und sie gleichzeitig in einen entwirklichten Raum zu versetzen. Er hatte auch keine Angst, mit Stasiuk in Dialog zu treten - ihn etwas zu zähmen, zu erhellen, etwas von der tragikomischen Konvention des tschechischen Kinos einzubringen".

Außerdem: Elzbieta Sawicka ist begeistert von der Baseler Ausstellung "Vincent van Gogh zwischen Erde und Himmel. Die Landschaften". Und Jakub Puchalski erinnert an das Händel-Jahr, das in Polen erst spät gefeiert wird, und weiß noch, dass seine ersten Händel-Platten aus der DDR stammten.

Guardian (UK), 09.05.2009

Die feministische Literaturwissenschaftlerin Elaine Showalter fragt sich, warum amerikanische Romanautorinnen notorisch unterschätzt werden, warum immer nur Männern wie John Updike oder Philip Roth "der große amerikanische Roman" zugetraut wird. Im Gegenzug porträtiert sie dann acht große lebende US-Autorinnen, von Joyce Carol Oates über Marilynne Robinson bis Annie Proulx. Hier aber einige Gründe für mangelnde Wertschätzung: "Ernstzunehmende Frauen neigen kaum dazu, sich selbst zu feiern, wie es Walt Whitman tat (der anonym eine ekstatische Rezension seiner 'Leaves of Grass'veröffentlichte); Frauen werden viel strenger beurteilt, wenn sie Werbung für sich machen; sie gelten dann schnell als selbstverliebt und aufmerksamkeitssüchtig. Also kennt die Öffentlichkeit ihre Namen nicht. Sie heiraten keine Models, Schauspieler oder Filmstars; sie tauchen in den 'schönste Frauen'-Listen bei People nicht auf; sie bewerben sich nicht um politische Ämter; sie erstechen ihre Ehemänner nicht und prügeln sich nicht in der Öffentlichkeit; und sie posieren nicht mit abgesägten Schrotflinten vor ihren Autos."

Angelique Chrisafis hat Isabelle Huppert getroffen, die Jury-Präsidentin des diesjährigen Cannes-Wettbewerbs. Sie gibt sich entschieden der Filmkunst und nicht dem Glamour zugewandt: "'Vielleicht sollten wir einmal der Jury die Information vorenthalten, wer die Filme, die sie sieht, gemacht hat. Zehn Tage lang die Augen und Ohren verschließen.' Für Huppert geht es in Cannes um die große Überraschung, das unbekannte Meisterwerk. 'Etwas, das man nicht erwartet hat... Diese Neugier und Offenheit, um nichts anderes geht es für mich in Cannes. Es ist ein Festival, das das Kino als Kino feiert.'"
Archiv: Guardian

Observator Cultural (Rumänien), 10.05.2009

Das Übersetzungsprojekt des Cultural Observator ist diesmal Filip Florian gewidmet. Auf Deutsch ist im letzten Jahr sein Roman "Kleine Finger" veröffentlicht und sehr gut besprochen worden. Der Haupttext ist ein Auszug aus Florians Roman "Die Tage des Königs". Erzählt wird die Geschichte eines Berliner Zahnarztes, der im Jahr 1866 nach Bukarest reist, dort ein in zahnärztliches Kabinett gründet und sich mit dem Fürsten Carol I. befreundet.

Hier der Anfang: "Im Juni, wenn die Sommersonnenwende naht, zieht die Morgendämmerung früher herauf als sonst. An diesem Mittwoch jedoch zeigte sich keine aufgehende Sonne. Die mit Koffern, Taschen und Kisten beladene Kutsche setzte sich mit einem Ruck in Bewegung, eines der Pferde (eine hochbeinige graue Stute) schnaubte und warf den Kopf herum, als wollte es in die Zügel beißen, das andere (ein Fuchs mit einer Narbe am Hals) reckte die Brust, und aus einem abgedeckten Weidenkorb maunzte Kater Siegfried kläglich. Der Zahnarzt verlor die grünen Fensterläden und die schwere Tür der Herberge, den Wasserbottich im Hof und die Margeritenstauden am Tor aus den Augen, dafür sah er eine getirgerte Katze flink über die Spitzen der Zäune laufen, wobei sie die fehlenden Latten mit traumwandlerischer Sicherheit übersprang, hartnäckig darauf bedacht, mit den Pferden Schritt zu halten. Sie dünkte ihm durchaus ansehnlich, mitsamt dem dicken Bauch."
Stichwörter: Bukarest, Florian, Filip, Narben

London Review of Books (UK), 14.05.2009

Der Schriftsteller Colm Toibin liest den Briefwechsel zwischen der Dichterin Elizabeth Bishop und dem Dichter Robert Lowell, der ein Zeugnis ihrer engen Freundschaft ist, und stellt fest: "Die Briefe zeigen, dass Lowell eine Kreuzung aus einem Fuchs und einem Welpen war. Er kannte viele kleine Dinge und war oft voller Hoffnung für seine Gedichte, seine Theaterstücke, seine Freunde, seine Ehefrauen und seine Kinder. Er trieb sich sehr viel herum, körperlich und geistig. Bishop dagegen war eine Kreuzung aus Igel und Schnecke. Sie kannte ein großes Ding, oder wollte es kennen; sie hinterließ silberne und schwer lesbare Spuren."

Andrew O'Hagan denkt über Susan Boyle (hier) und verwandte YouTube-Phänomene nach: "Ihr Erfolg ist nicht schwer zu verstehen: Wir lieben die Idee, dass Talent im Verborgenen blüht, und es gehört zu unseren am tiefsten verwurzelten Phantasien, dass die Bescheidensten unter uns, die Unschuldigsten, die, die am wenigsten hermachen, die Fähigkeit haben, die Welt in Erstaunen zu versetzen. Diese Vorstellung ist das sentimentale Geheimnis des ganzen Showbusiness."

Weitere Artikel: Gareth Peirce, die als Rechtsanwältin des islamistischen und des IRA-Terrors Angeklagte verteidigt hat, schreibt über Folter und die gefährliche Staatsgeheimnisskrämerei Großbritanniens. Jenny Turner bespricht Ratgeber-Bücher, die erklären, wie man aus finanziell schlechten Zeiten das beste macht. Michael Wood hat im Kino den schwedischen Adoleszenz-Vampir-Film "So finster die Nacht" (Webseite) gesehen.

Point (Frankreich), 07.05.2009

Der postkoloniale Komiker Dieudonne hat Frankreich Ende letzten Jahres in eine gewisse Aufregung versetzt, weil er in einer seiner Shows den Holocaust-Leugner Robert Faurisson mit einem Preis für political incorrectness auszeichnete (die Aufregung war allerdings längst nicht so groß wie später beim holocaustleugenden Bischof Williamson). Nun legt Dieudonne nach und verspricht, mit einer "antizionistischen" Liste (mehr hier) bei den Europawahlen anzutreten. In Le Point erscheint ein Porträt des Stand Up-Comedian: "Er beruft sich auf ein 'Marketing des Skandals', über das er gern theoretisiert und das er mit Strategien der zeitgenössischen Kunst vergleicht... Er sieht sich als eine Art Maurizio Cattelan des Lachens und beruft sich auf die provokanten und umstrittenen Installationen des Künstlers (eine Hitlerstatue als betendes Kind, ein Elefant in Ku Klux Klan-Verkleidung). So soll man auch seine Idee verstehen, Jean-Marie Le Pen zum Paten seines Letztgeborenen zu machen."
Archiv: Point

Times Literary Supplement (UK), 08.05.2009

Ein weiteres Buch aus dem Nachlass von J.R.R. Tolkien ist in Großbritannien erschienen, nämlich sein Versuch, eine empfindliche Lücke der Nibelungen-Sage mit eigenen Gedichten zu stopfen. Wie wird das bei der Tolkien-Leserschaft ankommen, fragt Tom Shippey, der zuvor im Detail erläutert hat, was Tolkiens Konjekturen für das Epos bedeuten. "Viele werden Schwierigkeiten haben mit den Archaismen, schließlich sind die Gedichte siebzig Jahre alt, geschrieben noch dazu von einem Mann, der früheren Zeiten näher stand als seiner Gegenwart. Wer durchhält, wird viel über die Dichtung der Edda und die großen Legenden des Nordens lernen, und einiges von der 'dämonischen Energie', die sie ausstrahlen spüren. Dies ist die unerwartetste von Tolkiens vielen postumen Veröffentlichungen...; die Gedichte halten den Vergleich mit ihren Edda-Vorbildern aus - und immerhin gibt es wenig Poesie ihresgleichen."

Polityka (Polen), 08.05.2009

Adam Krzeminski nimmt politische Mythen aufs Korn - deutsche, englische, französische und natürlich polnische. "Während die kommunistischen Staaten ihre Legitimation in historischen Mythen suchten, taten dies die westlichen Staaten (u.a. Frankreich und die Bundesrepublik) durch einen fast vollständigen Bruch mit der Vergangenheit. De Gaulles Frankreich strich die Niederlage von 1940 und die Kollaboration der Vichy-Regierung aus dem Gedächtnis, Deutschland dagegen seine klassischen nationalen Mythen. Der Mythos der bis zur Selbstvernichtung treuen Nibelungen war durch Stalingrad diskreditiert worden. Die siegreiche Schlacht der Germanen gegen die Römer im Teutoburger Wald wurde nun durch Adenauers Händedruck mit de Gaulle überdeckt. Und den Mythos von Kaiser Barbarossa, der aus seinem Schlaf erwachen und Deutschlands Feinde besiegen wird, setzte die Gründung der EWG und der NATO außer Kraft."
Archiv: Polityka

Das Magazin (Schweiz), 12.05.2009

Stimmen die Prognosen über den Anstieg des Meeresspiegels auch nur annähernd, werden die Malediven zum Ende des Jahrhunderts überflutet sein. Guido Mingels hat den eleganten jungen Präsidenten Mohamed Nasheed besucht, der lange als Oppositioneller im Gefängnis saß. Will er seinem Volk wirklich ein neues Land kaufen? "Es gebe bereits Kontakte mit Sri Lanka, Australien, Indien. 'Auch die Israeli haben in Palästina Land gekauft', sagte Nasheed. Er beabsichtige, Teile der Tourismus-Einnahmen in einem Fonds anzulegen, der bis in ein paar Jahrzehnten, wenn die Flut kommt, groß genug sein soll zum Erwerb einer trockenen Heimat."

Außerdem: ein Interview mit dem Hirnforscher Gerhard Roth über die Veranlagung zum Glück und zum Unglück.
Archiv: Das Magazin

Economist (UK), 09.05.2009

Eine durchaus ungewöhnliche Person würdigt der Economist in dieser Woche mit einem ausführlichen Nachruf: den österreichisch-amerikanischen Geisterjäger Hans Holzer. "Geister, erklärte er, sind etwas ganz Natürliches. Sie sind einfach menschliche Wesen, die nicht gemerkt haben, dass sie gestorben sind. Sie haben ihre körperliche Hülle abgelegt, aber ihre inneren Empfindungssinne bleiben erhalten; mit ihnen gehen sie um wie zuvor. Sie sind entweder in emotionalem Aufruhr, gefangen zwischen den Welten des 'Hier' und des 'Dort' und werfen mit Vasen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Oder sie sind friedliche 'Zurückbleiber', die so sanft gestorben sind, dass sie nie die Mühe auf sich nehmen, den Ort zu verlassen, den sie kennen. Das erklärt zum Beispiele, sagte Hans Holzer, wie eine trauernde Familie am Mittag Tante Minnie begräbt und sie nachmittags um drei wieder in ihrem Stuhl sitzend vorfinden kann."

Besprochen werden unter anderem Horatio Clares Sachbuch "Eine einzige Schwalbe" (Verlagsseite), das der Reise des titelgebenden Vogels von Südafrika nach Südwales folgt und Jay Taylors Biografie "Der Generalissimo" (Verlagsseite), die für eine freundlichere historische Einschätzung des chinesischen Diktators Chiang Kai-Shek plädiert.
Archiv: Economist
Stichwörter: Südafrika

Rue89 (Frankreich), 06.05.2009

Ist es "links", Downloadern den Computer wegzunehmen und sie den Internetanschluss weiterbezahlen zu lassen? Die sozialistische Partei in Frankreich meint "nein" und stimmt darum gegen die entsprechende loi Hadopi von Sarkozy. Letzte Woche haben sich aber "linke" Künstler zu Wort gemeldet, um Sarkozy zu unterstützen, darunter Michel Piccoli und Juliette Greco. Sie schreiben in einem offenen Brief an die Sozialisten in Le Monde: "Sie verkörperten einst den Widerstand gegen die Deregulierung, gegen das Gesetz des Dschungels, das die kulturelle Vielfalt zerstört. Nun sind Sie, durch eine seltsame Ironie der Geschichte, zu Advokaten eines entfesselten Kapitalismus geworden, der sich im Moment der Digitalisierung gegen die Rechte der Künstler stellt. Vergesssen Sie nicht: Das Urheberrecht ist ein Menschenrecht. Die Chefs der neuen Multis mögen Jeans und T-Shirts tragen, das ändert nichts an ihrer Gier." Darauf entgegnet der Komponist Pierre Sauveageot in Rue89: "Links sein bedeutet, die Debatte über den Hunger nach Kultur und ihre Finanzierung auf ein europäisches Level zu heben. Links sein bedeutet, eine kulturelle Vielfalt zu entwickeln, die auf öffentlicher Finanzierung und ... der Teilhabe am Internet beruht. Links sein bedeutet zu wollen, dass die Rechte renommierter Autoren aufstrebende Künstler finanzieren."
Archiv: Rue89

The Nation (USA), 25.05.2009

Der Urbanist Mike Davis hat in Mexiko seinen Freund Marcos Ramirez (Künstlername ERRE) getroffen, der ihm erzählt, wie Mexiko die Schweinegrippe zunächst als Witz wahrnahm - bis folgendes eintrat: "Plötzlich starb der berühmte Archäologe Felipe Solis. Er war Direktor des Nationalen Anthropologischen Museums und hatte noch eine Woche vorher Barack Obama durch die aztekischen Sammlungen geführt. Es kursierten Gerüchte, dass er an Schweinegrippe gestorben sei (was später dementiert wurde). Das setzte die ganze Szenerie unter Strom. Die Leute wussten nicht mehr, was sie denken sollten. Es war wie in Camus' Roman 'Die Pest'. Enge Freunde trauten sich nicht mehr, sich mit Wangenkuss zu begrüßen."

Der New Yorker Journalismusprofessor Eric Alterman greift in seiner Kolumne recht heftig den Washingtoner Alphajournalisten David Broder an, der angesichts der Folter in Guantanamo und anderswo einerseits zugab, dass Amerika einige seiner dunkelsten Jahre erlebt habe und andererseits alle Recherchen zum Thema ablehnt, weil sich in ihnen nur eine 'unwürdige Rachsucht' manifestieren würde.
Archiv: The Nation

Elet es Irodalom (Ungarn), 30.04.2009

Immer wieder wird in Ungarn über die Integration der Roma debattiert – bislang ohne nennenswerte Ergebnisse. Den Grund dafür sieht der Ethnologe Peter Niedermüller – neben der weit verbreiteten Romafeindlichkeit – darin, dass diese Integration meistens als "Einbahnstraße" aufgefasst wird - als müssten sich ausschließlich die Roma um eine Aufnahme in die Gesellschaft bemühen. Für Niedermüller aber ist in dieser Frage auch die Mehrheitsgesellschaft gefragt: "Solange wir nicht erkennen, dass die Integration der Roma nicht ausschließlich an die Bildung und die Beschäftigung der Roma geknüpft werden kann, solange wir nicht verstehen, dass Integration auch mit stetiger, sozialer Fürsorge, mit der Aktivierung der Gesellschaft, mit einer sich auf alle Bereiche des Lebens erstreckenden Desegregation, mit interkultureller Bildung und mit der Schaffung eines gesellschaftlichen Konsenses gegen Hass und Vorurteile verbunden ist, werden wir keinen Schritt vorankommen."
Stichwörter: Integration, Roma

New Republic (USA), 20.05.2009

Es war nicht ohne, diese Ausgabe mit ausgewählten Briefen Samuel Becketts zusammenzustellen, erzählt John Banville. Denn nach Becketts Wunsch sollte sie nur Briefe beinhalten sollten, die sich auf seine Arbeit beziehen - was im Leser Banville einige Frustration auslöst. Doch sklavisch haben sich die Herausgeber offenbar auch nicht an Becketts Anweisungen gehalten. So zitiert Banville aus einem Brief, den Beckett nach dem Tod seines Vaters 1933 an Thomas McGreevy schrieb: "Er war sechzig, aber wieviel jünger schien und war er. Er witzelte und fluchte über die Ärzte, solange er atmen konnte. Er lag im Bett ... und schwor feierlich, dass er keinen Handschlag mehr arbeiten würde, wenn es ihm besser geht. Er würde auf den höchsten Punkt der [Halbinsel] Howth fahren, sich in den Farn legen und furzen. Seine letzten Worte waren 'kämpfen kämpfen kämpfen' und 'Was für ein Morgen'. All die kleinen Dinge kommen zurück - memoire de l'escalier. Ich kann nicht über ihn schreiben".

Außerdem: Istvan Deak würdigt in seiner Besprechung von Philipp Freiherr von Boeselagers Erinnerungen die Männer des 20. Juli, hätte aber auch einige Fragen an den Autor. Adam Kirsch macht in einer Besprechung einer englischen Anthologie klassischer chinesischer Gedichte auf faszinierende Art deutlich, warum Nichtkenntnis manchmal genauso gut sein kann wie Kenntnis des Hintergrunds.
Archiv: New Republic