Magazinrundschau
Ein Flickenteppich aus Zerstreuung
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
04.05.2010. Das New York Times Magazine informiert über den neuesten Trend: Die Selberstatistik. N+1 bilanziert "The Intellectual Situation", nicht mehr und nicht weniger. In Le point verteidigt BHL Sigmund Freud. In Magyar Narancs erklärt Peter Nadas: Wenn in Ungarn die Demokratie den Bach runtergeht, dann ist der Kapitalismus daran schuld, während vorher der Sozialismus schuld war. In The Nation empfiehlt Tony Judt Umerziehung gegen Autoritarismus.
n+1 | Point | Magyar Narancs | Salon.eu.sk | Spectator | The Nation | Merkur | New Yorker | El Pais Semanal | Newsweek | Open Democracy | New York Times
n+1 (USA), 28.04.2010

Point (Frankreich), 29.04.2010

Magyar Narancs (Ungarn), 22.04.2010
Der Sieg der Rechtskonservativen, die bei den Wahlen am 11. April 52,7 Prozent der Stimmen errangen, hat die politische Landschaft in Ungarn verändert. Der Schriftsteller Peter Nadas überlegt im Interview, wie es dazu kommen konnte und bekennt, auch er habe sich in vielen Dingen gründlich geirrt: "Ich habe das intime Verhältnis zwischen Demokratie und Kapitalismus nicht erkannt, ich hatte keine Ahnung davon, wie die Kräfte des Marktkapitalismus' ohne jegliche politische Kontrolle entfesselt werden, wozu sie fähig sind, und vor allem, wo sich in den großen Demokratien der reale Platz der Tradition der Aufklärung befindet. Sicher, in der Diktatur blieb mir der so genannte gesunde Menschenverstand als Zuflucht. Doch die auf den gesunden Menschenverstand bezogenen Reserven der großen westlichen Demokratien waren schon damals auf ein Minimum geschrumpft, das hätte ich sehen müssen. Die Maßeinheiten für gesunden Menschenverstand sind in den westlichen Gesellschaften noch vorhanden, deshalb sind sie stabiler. Doch gerade der Fall der Berliner Mauer war das Zeichen dafür, dass sich die Prioritäten ändern würden. Seitdem hat die Wirtschaft nichts mehr zu befürchten. Sie wird nicht mehr von der Politik gesteuert, sondern umgekehrt. Heute bin ich der Meinung, dass der gesunde Menschenverstand als verfassungsgebende Kraft in den großen alten Demokratien zwar noch vorhanden ist, den Alltag dieser Gesellschaften aber nicht mehr bestimmt. Dieser Alltag wird vielmehr von der Anhäufung materieller Güter bestimmt. Nicht einmal von Konsum, der steht nur an zweiter Stelle. Und hinsichtlich der Anhäufung der materiellen Güter sind die Defizite der ungarischen Gesellschaft riesig."
Salon.eu.sk (Slowakei), 28.04.2010

Spectator (UK), 01.05.2010

The Nation (USA), 17.05.2010

Merkur (Deutschland), 01.05.2010

Weiteres: Henning Ritter schreibt über Schopenhauers Ethik des Mitleids. Markus Knell liest die Autobiografien der beiden libertären Ökonomen Janos Kornai und Vernon Smith. Karl Heinz Bohrer widmet sich Kurt Flasch.
New Yorker (USA), 10.05.2010

Weiteres: Connie Bruck porträtiert den Medienmogul Haim Saban. (Laut Gawker und The Wrap soll Saban auf den New Yorker einigen Druck ausgeübt haben, bevor das Porträt veröffentlicht wurde.)
Anthony Lane sah im Kino Jon Favreaus Comicverfilmung "Iron Man 2" mit Robert Downey Jr. und Scarlett Johansson und Dover Koshashvilis Tschechow-Verfilmung "The Duel". Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Uncle Rock" von Dagoberto Gilb und Lyrik von Lucia Perillo und Charles Wright.
El Pais Semanal (Spanien), 02.05.2010
Javier Marias kommentiert gewohnt sarkastisch den Versuch, den Richter Baltasar Garzon mittels Anklage wegen "Rechtsbeugung" aus dem Amt zu drängen, weil er ein Amnestiegesetz von 1977 für Verbrechen während der Franco-Diktatur missachtet haben soll. "Ein Gutteil Spaniens, auch der Linken, Nationalisten und der allgemein 'gegen das System' Eingestellten, befindet sich soziologisch gesehen und ihrer Gefühlslage nach weiterhin in der Welt des Franquismus - diese Leute haben nie etwas anderes beigebracht bekommen. Dass der Oberste Gerichtshof der Klage gegen Garzon unter anderem durch Falange Espanola (!) stattgegeben hat, scheint mir bedauerlich, aber keine Überraschung, schließlich sind auch einige der Richter Franquisten. Die Annahme, der Franquismus könne eines Tages durch die Gesamtheit unserer Gesellschaft grundsätzlich verurteilt werden, war und ist eine Illusion. Ein derartiger Konsens, ähnlich dem in Europa nach dem Ende der Faschismen erreichten, mag er auch noch so künstlich oder falsch sein, ist hier niemals zustande gekommen. Das hier ist und war immer schon ein anormales Land, ich weiß nicht, worüber wir uns wundern. Hier hat noch nie jemand die Gegenseite von irgendetwas überzeugt."
Newsweek (USA), 29.04.2010

Open Democracy (UK), 29.04.2010
Es gibt auch kleine Kriege, die die Welt verändern, schreibt der bulgarische Politikwissenschaftler Ivan Krastev im Anschluss an Ronald Asmus' Buch "A Little War that Shook the World" (Auszug). "Der russisch-georgische Krieg von 2008 war so ein kleiner Krieg. Er dauerte gerade fünf Tage, aber er erschütterte den Glauben der Europäer, dass Krieg auf dem alten Kontinent eine Sache der Vergangenheit sei. Er hat nicht nur Staatsgrenzen im Kaukasus neu gezeichnet, sondern die Voraussetzungen der gesamten europäischen Sicherheitsdebatte verändert."
New York Times (USA), 02.05.2010

Und in der Sunday Book Review: "If the Oxford English Dictionary had a listing for 'all over the place,' Vollmann would take up the entire entry. And the next one", erklärt ein erschöpfter Pico Iyer nach Lektüre von William T. Vollmans neues Werk "Kissing the mask. Beauty, Understatement and Femininity in Japanese Noh Theater With Some Thoughts on Muses (Especially Helga Testorf), Transgender Women, Kabuki Goddesses, Porn Queens, Poets, Housewives, Makeup Artists, Geishas, Valkyries and Venus Figurines" (Leseprobe), Josef Joffe nimmt Tony Judts Buch über den Zustand der Sozialdemokratie "Ill fares the land" (Leseprobe) auseinander und David Gates liest Tom Nolans Biografie des Jazzklarinettisten Artie Shaw.
Hören Sie hier - zusammen mit Paulette Godard und Fred Astaire - Artie Shaws "Concerto for Clarinet":
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