Magazinrundschau
Etwas Musikähnliches
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
01.06.2010. Der New Yorker zeichnet ein faszinierendes Porträt des Wikileaks-Gründers Julian Assange. Im Merkur versichert Udo di Fabio: Ohne Geld keine Befreiung. Der Economist beschreibt den neuesten Exportschlager nach Afrika: Homophobie. In MicroMega fragt Paolo Flores d'Arcais, warum ausgerechnet Roberto Saviano demontiert werden muss? In Paris herrscht wieder Aufbruchsstimmung, meldet das Magazin. n+1 vertieft sich in neue Berlin-Romane. Die New York Times erklärt, warum Job Cohen der neue niederländische Premier werden könnte.
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New Yorker (USA), 07.06.2010

(Hier ein Video von Assange bei Stephen Colbert und hier noch ein Bericht aus der Zeit, wonach Assange vor zwei Wochen bei der Einreise nach Australien kurzzeitig seinen Pass abgeben musste.)
Außerdem: Pankaj Mishra widmet sich in einer ausführlichen kritischen Besprechung den neuen Büchern von Ayaan Hirsi Ali und Paul Berman. Peter Schjeldahl bespricht ein Buch über den amerikanischen Galeristen Leo Castelli. Anthony Lane sah im Kino Mia Hansen-Loves Drama "The Father of My Children" und die Komödie "Solitary Man" von Brian Koppelman und David Levien. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Extreme Solitude" von Jeffrey Eugenides und Lyrik von Carl Dennis und Jennifer L. Knox.
Merkur (Deutschland), 01.06.2010

Für den Sündenfall schlechthin hält der Jurist Horst Meier die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November 2009, den verschärften Volksverhetzungsparagrafen für grundgesetzkonform zu erklären, obwohl er nicht mehr nur die Leugnung des Holocausts unter Strafe stellt, sondern auch die Verherrlichung oder Rechtfertigung des Nationalsozialismus: "Die Verfassung bietet ein Forum, auf dem alle über alles diskutieren können. Ohne Ausnahme. Permanent. Niemand darf diese Debatte für beendet erklären; und keine Staatsgewalt darf eine Ächtung des NS-Regimes als amtliche Wahrheit verordnen und Widerspruch dagegen bestrafen. Man mag sich damit begnügen, die Vergangenheitsbewältigungsverweigerer politisch zu isolieren - sie mit juristischen Zwangsmitteln zu überziehen ist überflüssig und schädlich."
Der Zoologe Hubert Markl macht sich verschiedenste Gedanken über Charles Darwin, die Natur und die Kultur und stellt klar: "Die Natur lernt immer hinzu!"
Economist (UK), 31.05.2010

Polityka (Polen), 29.05.2010

Außerdem: Michal Slomorz erzählt (hier auf Deutsch) die Geschichte der oberschlesischen Wehrmachtsangehörigen.
MicroMega (Italien), 29.05.2010

Prospect (UK), 28.05.2010

Recht geistreich verreißt Alexander Linklater die Autobiografie "Hitch 22" des von ihm eigentlich sehr geschätzten politischen Intellektuellen Christopher Hitchens. Andeutungsweise interessant werde es nur, wo sich das Buch in der Nähe dessen bewegt, was Hitchens in Essays schon besser gesagt hat. Ansonsten aber: "Jetzt, wo er das Licht auf sich selbst richtet, kommt man sich vor wie in der Gegenwart eines halbnackten alten Colonels, der in seiner Garderobe vor sich hin plappert. Seine Prosa mäandert ziellos vor sich hin."
Elet es Irodalom (Ungarn), 28.05.2010

Odra (Polen), 01.05.2010

Im Rezensionsteil wird Andrzej Stasiuks nicht mehr ganz so neuer Roman "Taksim" (deutsche Übersetzung steht noch aus) besprochen. "Es ist ein Recycling-Buch", meint Slawomir Nosal zu all den Anspielungen auf frühere Bücher des Autors, "ein kompliziertes Buch, die uns zu Irrungen durch all die Fragmente zwingt und dabei die Pfade verliert. Aber dank der Intertextualität zeigt es uns den Weg. Vielleicht sollte man 'Taksim' als Versuch begreifen, Erfahrungen zu verinnerlichen, einen Sinn zu schaffen. Und vielleicht ist das der einzig mögliche Weg, denn wir setzen uns aus unsortierten Erinnerungen, Sehnsüchten und Obsessionen zusammen."
Das Magazin (Schweiz), 29.05.2010

Und: Eugen Sorg hat den 1976 gebauten südafrikanischen Ponte Tower besucht, ein Mietshaus, das einst als höchstes und modernstes Gebäude der südlichen Hemisphäre galt und fast nur von Weißen bewohnt war. Sein Baumeister Rodney Grosskopff nannte es: "my big erection". Heute leben dort Afrikaner aus allen Nationen und das Miteinander ist prekär, wie Sorg erfährt.
New Statesman (UK), 31.05.2010

n+1 (USA), 24.05.2010
Amelia Atlas vertieft sich in ein neues literarisches Genre, den Berlin-Roman: Drei Bücher rezensiert sie, zwei davon von 'Expats', also Amerikanerinnen, die in Berlin leben, Chloe Aridjis "Book of Clouds" (Auszug und Link zu einer Lesung) und Anna Wingers "This Must be the Place"(mehr hier). "Berlin ist nicht Paris oder Rom. Es gibt keine Montmartre-Romantik oder verblichene Glorie des Altertums. Die Demimonde aus Isherwoods Berlin ist mit dem Krieg vergangen so wie Bowies lärmende Gegenkultur mit der Mauer unterging. Und das gegenwärtige künstlerische Gesicht der Stadt mag ihnen folgen. Wirklich einzigartig an Berlin ist vor allem, wie lebendig die Geschichte dort noch wirkt. Aridjis und Winger haben Bücher geschrieben, die für den Exberliner Standpunkt repräsentativ sind - die Stadt wird ihnen darin zum Instrument ihres (unseres?) Solipsismus. Aber sie wird nicht immer so bleiben. Immer neue Apartmentkomplexe mit manikürten Rasenflächen stoßen in die Brachen vor. Sie müssen nicht unbedingt Verlust bedeuten, denn sie können auch zeigen, dass die Stadt in Bewegung bleibt."
Experimentelle Philosophie (kurz x-phi), die empirische Methoden auf philosophische Fragen anwendet, ist schwer angesagt. Justin E.H. Smith, ein Historiker der Philosophie des 17. Jahrhunderts, bringt eine scharfe Kritik einiger Neuerscheinungen, will die Sache selbst aber nicht verdammen: "Die Hauptkritik kommt von jenen, die eine Öffnung der Philosophie zu experimentellen Methoden von vornherein ablehnen, und gegen diese Kritik haben die neuen Experimentalisten ihre Verteidigung aufgebaut. In dieser Frage stehe ich auf ihrer Seite. An den Grundprinzipien der Bewegung finde ich viel Bewundernswertes. Die Frage, wie ihre gegenwärtigen Leistungen zu beurteilen sind, steht allerdings auf einem anderen Blatt."
Experimentelle Philosophie (kurz x-phi), die empirische Methoden auf philosophische Fragen anwendet, ist schwer angesagt. Justin E.H. Smith, ein Historiker der Philosophie des 17. Jahrhunderts, bringt eine scharfe Kritik einiger Neuerscheinungen, will die Sache selbst aber nicht verdammen: "Die Hauptkritik kommt von jenen, die eine Öffnung der Philosophie zu experimentellen Methoden von vornherein ablehnen, und gegen diese Kritik haben die neuen Experimentalisten ihre Verteidigung aufgebaut. In dieser Frage stehe ich auf ihrer Seite. An den Grundprinzipien der Bewegung finde ich viel Bewundernswertes. Die Frage, wie ihre gegenwärtigen Leistungen zu beurteilen sind, steht allerdings auf einem anderen Blatt."
New York Times (USA), 30.05.2010

Einen ziemlich unterkomplexen Blick auf die Lage in Sri Lanka wirft Lynn Hirschberg der Agitprop-Rapperin M.I.A. vor. Verlobt mit Ben Bronfman, Sohn des Chefs von Warner Music, unterstützt sie in ihren Liedern gern den Kampf der Tamil Tigers ("You wanna win a war? / Like P.L.O. I don?t surrender") und liebt Provokationen: "'Ich möchte irgendwie ein Außenseiter sein', erklärte sie, Pommes mit Trüffelgeschmack kauend." Bei M.I.A. selbst hat das Interview schon wüste Reaktionen hervorgerufen.
In der Sunday Book Review verteidigt der konservative Kolumnist Nicholas D. Kristof den Islam gegen Ayaan Hirsi Ali und ihr neues Buch "Ich bin eine Nomadin": "Auf uns, die wir viel durch Afrika und Asien gereist sind, wirken Beschreibungen des Islams oft richtig, aber unvollständig. Die Unterdrückung der Frauen, der Verfolgungskomplex, der Mangel an Demokratie, die Unbeständigkeit, der Antisemitismus, die Schwierigkeit, sich selbst zu modernisieren, sein überproportionaler Anteil am Terrorismus, - das alles ist real. Aber wenn dies das einzige Gesicht des Islams sein sollte, wäre er heute nicht die am schnellsten wachsende Religion in der Welt. Es gibt auch die warmherzige Gastfreundschaft, die auch Christen und Juden einschließt; die Wohltätigkeit gegenüber den Armen; die ästhetische Schönheit des koranischen Arabisch; das Gefühl einer demokratischen Einheit, wenn Arm und Reich Schulter an Schulter in der Moschee beten."
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