Magazinrundschau

Der Kuchen ist eine Lüge

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
10.05.2011. Die NYRB möchte mit Pakistan nicht mehr reden. Der New Yorker will an Pakistan auch nichts mehr zahlen. In Rue89 erklärt Mehdi Belhaj Kacem seinen Abschied von Alain Badiou. Prospect folgt der Honigstimme von GLaDOS. El Pais Semanal wird langsam klar: der Stierkampf endet nicht mit dem Tod eines Stiers. Die NYT porträtiert die Facebook-Klasse von 2007. Bloomberg stellt fest: Der Triumph der Mathematik ist auch ihre Krise. 

New Yorker (USA), 16.05.2011

Lawrence Wright erzählt die Geschichte der amerikanisch-pakistanischen Beziehungen der letzten Jahre nach, die im wesentlichen darin bestanden, dass die USA immer mehr Milliarden Dollar zahlten, um ein immer unsichereres Regime bei der Kandare zu halten. Mit wenig Erfolg: "Ich fragte mich: Was würde eigentlich passieren, wenn die pakistanische Armee die Führer der Al Qaida gefangen nähmen oder töteten? Der große Dollarfluss würde versiegen, so wie er in Afghanistan versiegt war, als die Sowjets schlapp machten. Mir wurde klar, dass die pakistanische Armee trotz aller Leiden, die durch den Krieg in das Land gebracht wurden, süchtig war nach dem Geld, das er auch brachte. Die pakistanische Armee und der Geheimdienst betrieben das Fang-den-bin-Laden-Business, und wenn sie ihn fangen würden, dann wäre es aus mit dem Business." Wright plädiert darum für die Einstellung aller Hilfen an Pakistan.
Archiv: New Yorker
Stichwörter: Geld, Wright, Lawrence

Outlook India (Indien), 16.05.2011

Noch immer ist offiziell nicht ganz klar, wie weit Pakistan in die Aktion gegen Osama bin Laden eingeweiht war. Für Amir Mir ist die Sache - wie er in durchaus überzeugenden Einzelheiten belegt - recht klar: Die pakistanischen Geheimdienste waren recht früh informiert, Pakistan fürchtet in Wahrheit nicht den Zorn der USA, sondern der Islamisten. Eine Schlüsselfigur ist Shuja Pasha, Direktor des militärischen pakistanischen Nachrichtendiensts ISI: "Am 26. April trat eine Versammlung des pakistanischen Komitees der Vereinigten Stabschefs zusammen, das aus führenden Armeekommandanten besteht. Obgleich kein reguläres Mitglied des Komitees, war auch Pasha unter den Teilnehmern. Und zwar, wie aus Insiderkreisen verlautet, um eine Einschätzung der Konsequenzen der möglichen Tötung Osamas vorzutragen. Nach der Aktion vom 1. und 2. Mai bestätigte Paha der Asia Times Online, dass der ISI von dem Überfall in Abbottabad wusste. Diese Aussage ist bis heute nicht dementiert... Warum aber scheut sich Pakistan immer noch, zu seiner Rolle in der Jagd auf Osama zu stehen? Quellen in der Regierung sagen ganz klar, dass Pakistan Angst vor den Rückwirkungen seiner Beteiligung an der Tötung Osamas hat.".
Archiv: Outlook India

Elet es Irodalom (Ungarn), 06.05.2011

Mag sein, dass Osama bin Laden nicht mehr die alles entscheidende Figur des islamistischen Terrorismus war, doch die symbolische Bedeutung seines Todes ist nicht weniger wichtig, findet der Journalist Mihaly Rege - auch wenn die Wucht der Terrorakte in letzter Zeit nachgelassen hat und die Menschen des "arabischen Frühlings" offenbar ihr Interesse an der nihilistischen Ideologie von Al Qaidaund Konsorten verloren haben: "Weshalb der Tod von Osama bin Laden dennoch ein Ereignis von historischer Bedeutung ist, liegt daran, dass er das Ende eines Symbols markiert. Nicht nur für uns, bei denen dieses Symbol Angst auslöste, sondern auch für jene, die mit seiner Ideologie sympathisierten und sogar bereit gewesen wären, im Namen dieser Ideologie zur Tat zu schreiten. Bin Laden war die Verkörperung einer zerstörerischen Ideologie und erschien zudem als unbesiegbar. Bis jetzt."

New York Review of Books (USA), 26.05.2011

Elizabeth Rubin wirft im Blog der NYRB einige Schlaglichter auf das doppelte Spiel, das Pakistans Militär und Geheimdienst in Hinblick auf Osama bin Laden jahrelang spielten und ist inzwischen soweit, die Taliban für bessere Gesprächspartner zu halten als den ISI: "Immer wieder haben sie über verschiedene Kanäle zu erkennen gegeben, dass sie direkt mit den Amerikanern reden wollen. Die Frage ist wie? Wird die Tatsache, dass bin Laden und seine Familie in einem neugebauten Haus der pakistanischen Armee wohnten, nicht weit von der Hauptstadt entfernt, diesen Eiertanz zwischen den USA und Pakistan verändern? Man staunt, wie gute und kluge Männer und Frauen von diplomatischer Freundschaft eingewickelt werden, wie sie es sich selbst erlauben, Lügen zu glauben, von denen sie wissen, dass es Lügen sind, oder schlimmer noch, wie sie sich mit ihnen abfinden, weil es keinen Ausweg zu geben scheint, keine kreative Lösung, um die alten vertrauten Formen der Diplomatie zu verändern oder die Definition von Freund und Feind."

Bei seiner Reise durch Kuba hat Jose Manuel Prieto ein gebrauchtes Exemplar des heißesten Buchs der Saison ergattern können: die 291-seitige Parteischrift "Proyecto de Lineamientos de la Politica Economica y Social" (Neue Richtlinien für eine ökonomische und soziale Politik, hier auf Spanisch als pdf). "Ganz Havanna liest und diskutiert dieses Buch. Nachdem ich den technischen Jargon durchdrungen hatte, begriff ich, dass die Debatte im Kern um die Frage geht, ob dem Staat eine neue Rolle zugewiesen werden könne. Kann man ihn sich mehr als einen Schiedsrichter vorstellen denn als den Spielerstar, ohne dass er dabei die Kontrolle verliert?"

Außerdem stellt Ian Buruma Janny Scotts Porträt "A Singular Woman" von Barack Obamas freigeistiger Anthropologen-Hippie-Mutter Ann Dunham vor. Charles Simic preist das Talent der serbischen Autorin Tea Obreht und ihren Roman "The Tiger's Wife".

Rue89 (Frankreich), 08.05.2011

Hubert Artus führt ein ausführliches Videointerview mit dem (relativ) jungen Star der Neuen Französischen Philosophen, Mehdi Belhaj Kacem, der sich anlässlich der tunesischen Unruhen spektakulär von seinem Idol Alain Badiou getrennt hat. In seinem jüngsten, vor drei Monaten erschienenen Pamphlet "Apres Badiou" betont er aber, dass er Badiou nach wie vor für einen großen Philosophen hält. Es erschien pikanterweise bei Grasset, dem Verlag des Gottseibeiuns aller linksfühlenden Akademiker, Bernard-Henri Levy. "'Apres Badiou' ist ein dickes, dichtes und vor allem heftiges Werk", schreibt Artus. "Auf der Höhe der Depression, die diese Scheidung im letzten Jahr bei dem jungen Philosophen auslöste. Der Vatermord ist darin allzu spürbar. Seinem alten Mentor wirft er so gut wie alles vor: die 'philosophischen Albereien' in 'L'eloge de l'amour', sein 'Hetero-Spießertum', seinen vulgären Humor... MBK empört sich auch über alles, was Badiou nahe steht: Selbst Slavoj Zizek kriegt sein Fett weg und wird eines quasi sarkozystischen Schmierenkomödiantentums bezichtigt." Badiou konnte es nicht lassen, kurz auf Kazem zu antworten: Kacem sei "mental korrupt", schrieb er im Express.
Archiv: Rue89

New Humanist (UK), 01.05.2011

Es reicht nicht, Atheist zu sein, man muss auch gute Argumente haben. Mit einer kräftigen Handbewegung wischt Kenan Malik das Buch "The Moral Landscape: How Science Can Determine Human Values" (Auszug) des Populär- und Naturwissenschaftlers Sam Harris vom Tisch, der behauptet unter Umgehung aller Werke von Philosophen oder Soziologen menschliche Werte naturwissenschaftlich ableiten zu können. Harris will es aus der bloßen Anschauung schließen. Jeder weiß, dass Vergewaltigung böse ist. Jeder weiß ein erfülltes Leben zu schätzen, also müssen das objektive Werte sein. Malik schreibt dazu: "Ebenso plausibel wäre das Argument: Es gibt Lücken in der Fossilienkette, also muss Gott Adam und Eva geschaffen haben." Und Szientismus ist auch nur eine Religion: "Wissenschaft hat große Autorität in der modernen Welt, zurecht. Aber so wichtig es ist, ihre Autorität im Faktischen zu verteidigen, so wichtig ist es, Versuche zu bekämpfen, diese Wissenschaft in Gebieten auszuspielen, die über das bloß Faktische hinausgehen. Es gibt eine lange Geschichte des Missbrauchs von Wissenschaft zur Zementierung von Vorurteilen."
Archiv: New Humanist

Polityka (Polen), 05.05.2011

Im Interview mit der Polityka spricht der Soziologe Wojciech Lukowski über die Teilung des polnischen Arbeitsmarkts in ein privilegiertes Segment mit festen, gut bezahlten Stellen, in das es nur diejenigen mit guten Beziehungen schaffen, und das prekäre, schlechtbezahlte Segment für den Rest: "Vor größeren Unruhen hat uns 2004 das Ventil der Migration bewahrt. Junge, häufig gut ausgebildete und bis zum Geht-nicht-mehr verzweifelte Menschen verließen innerhalb weniger Monate in Massen das Land. Die Atmosphäre beruhigte sich. Angebot und Nachfrage nach Arbeitsplätzen glichen sich etwas aneinander an. Doch erneut wird ein gigantischer Druck auf den öffentlichen Sektor ausgeübt, um die nächsten Privilegierten dort unterzubringen. In Krisenzeiten verträgt das aber der Haushalt nicht. Es gibt noch den privaten Sektor. Irgendetwas wird produziert. Die Erfolgreichen haben sich in der sicheren Position der Etablierten eingerichtet und haben nicht die Absicht, irgendetwas zu verändern. In die Gesellschaftsordnung greifen sie nicht ein. Ab und zu zahlen sie irgendeinen Tribut zur Erhaltung des Status quo. Sie sind sehr wenig entwicklungsorientiert. Sie haben ihre Insel der Glückseligkeit gefunden. Da sitzen sie nun und sagen: Ihr kommt hier nicht hin, und wir gehen nicht von hier weg, wozu denn auch?"
Archiv: Polityka

Prospect (UK), 20.04.2011

Voller Vorfreude blickt Sam Leith auf die (inzwischen erhältliche) Fortsetzung des Videospiel-Klassikers "Portal" - und erklärt noch einmal, warum dieses Spiel ohne jeden falschen Kunstanspruch doch einzigartig ist. Das hat mit dem Experimentalcharakter der Wurmlöcher, durch die die Heldin teleportiert wird, zu tun. Mehr noch aber mit einem Charakter, der gar keinen Körper hat, nur eine Stimme ist: "GLaDOS schmollt und schimpft, droht und schmeichelt. Sie verspricht, dass du, wenn du mit deiner Arbeit an den Experimenten fertig bist, auf einer Party, zu der all deine Freunde geladen sind, zur Belohnung einen Kuchen erhältst... Aber je länger die Honigstimme des Computers dich durch das Labyrinth der Testzonen lockt, desto klarer wird, dass GLaDOS nicht einfach passiv-agressiv ist, sondern ganz und gar verrückt. Von wegen Kuchen - sie plant dich zu ermorden, indem sie dich in einen Feuersee stößt. Und wenn du diesem Schicksal entgehst, findest du dich in den düsteren Backstage-Zonen des Gebäudes, wo du auf Graffiti stößt, die vermutlich von deinen Vorgängern stammen. Ein wiederkehrendes Graffito lautet: 'Der Kuchen ist eine Lüge.' Das hat längst ein Eigenleben außerhalb des Videospiels gewonnen und ist zu einem Internet-Slogan geworden..., ein Allzweck-Hinweis auf die Verlogenheit von neuen Diäten, neoliberalen Trickle-Down-Ökonomen und den Versprechungen der Religion. Das ist das Grandioseste an Portal: Es ist nicht nur ein Spiel, sondern eine Weltanschauung."
Archiv: Prospect
Stichwörter: Graffiti, Labyrinth, Videospiele

El Pais Semanal (Spanien), 08.05.2011

Quino Petit berichtet über die aktuelle Krise im spanischen Stierkampf. Nach dessen Verbot in Katalonien hat sich im März in Sevilla eine "G-10 der Toreros" gebildet. Deren Meinungen über Auswege aus der schwierigen Situation gehen aber teilweise weit auseinander. Einig ist man sich in der Ansicht: "Der Stierkampf ist weder eine Sache der Linken noch der Rechten, er gehört allen." Und auch gegen die Äußerung des Publizisten Carlos Abella, sie seien "die letzten romantischen Helden der spanischen Gesellschaft", dürfte es innerhalb der G-10 wenig Widerspruch geben. Der Torero El Juli räumt allerdings überraschend selbstkritisch einen Mangel an Kommunikationsfähigkeit ein: "Wir haben uns in unsere eigene Welt eingeschlossen, dabei wäre wahrscheinlich genau das Gegenteil richtig gewesen." Eine Modernisierung des Schauspiels scheint dessen Protagonisten jedoch schwer vorstellbar: "Das geht vielleicht in Bezug auf die Zuschauer, man kann ihnen mehr Komfort bieten und alles, was dazu gehört. Das Entscheidende an der Corrida versetzt dich aber in eine andere Zeit. Und das ist ein magischer Vorgang", meint Torero Enrique Ponce. Ernüchternd das Statement des Philosophen Jesus Mosterin: "Langfristig hat der Stierkampf keine Zukunft. In zwanzig Jahren dürfte er in ganz Spanien verboten sein."
Archiv: El Pais Semanal
Stichwörter: Katalonien, Stierkampf, El Pais

Eurozine (Österreich), 06.05.2011

Kunstperformances quälen nicht nur das Publikum, oft quälen auch die Künstler sich selbst. Donatien Grau weist in einem Artikel für A Prior, der online von Eurozine publiziert wird, auf die religiösen Ursprünge und Dimensionen der Performancekunst hin, die der Idee der "Inkarnation" sehr nahe seien. "Um es noch klarer zu sagen. Das Prestige des Kunstwerks liegt in der Tatsache, dass Seele/Geist/Bewusstsein des Künstlers stärker sein können als körperliche Begrenztheit oder Schwierigkeit. So gesehen erscheint das Leiden des Künstlers als Neuauflage des Martyriums, ein Schlüssel für das Werk von Künstlern wie Gina Pane. In einem kühnen Schluss könte man sagen, dass die Märtyrer die ersten Performance-Künstler waren..." Glücklicherweise stellt Grau bei jüngeren Künstlern eine Abwendung von diesem Modell und eine Hinwendung zu erzählerischen Formen fest.
Archiv: Eurozine
Stichwörter: Märtyrer

New York Times (USA), 08.05.2011

2007 war ein goldenes Jahr für Leute, die im Internet reich werden wollten, erzählt Miguel Helft in der NYT. "'Okay Klasse, das ist eure Hausarbeit: Entwickelt ein App. Sorgt dafür, dass die Leute es nutzen. Wiederholt das.' Das war im Herbst 2007 die Aufgabe einiger Studenten in Stanford, die als 'Facebook Klasse' berühmt werden sollten. Niemand sah voraus, was als nächstes passierte. Die Studenten gewannen Millionen von Nutzern für ihre kostenlosen Facebook-Apps. Und als das Geld für die Anzeigen hereinrollte, verdienten einige dieser Studenten mehr als ihre Professoren. Praktisch über Nacht befeuerte die Facebook-Klasse die Karrieren und Vermögen von mehr als zwei Dutzend Studenten und Lehrern. Sie half außerdem, ein neues Unternehmensmodell zu entwickeln, das das Tech Establishment auf den Kopf stellte: Das schlanke Start-up."

In der NYT Book Review werden besprochen eine Neuauflage der gesammelten Werke von F. A. Hayek, Mohamed ElBaradeis Autobiografie, John Grays neues Buch "The Immortalization Commission" über die vorrevolutionäre Bewegung der "Gottbauer" (God-Building) und Wendy Lessers Buch über Schostakowitschs Quartette. Hier der Anfang von Edward Rothstein freundlichem Verriss: "Bevor wir unsere Aufmerksamkeit auf Stalin, die Dissidenten der Sowjetära oder die Debatte über Schostakowitschs Memoiren richten, hören Sie zu. Versuchen Sie das Zweite Streichquartett von 1944, in dem die Musik sich auf wenigen Seiten von düsterer Melancholie zu heiserem Spott dreht. Oder verfolgen Sie die verschlüsselten Anspielungen im Achten Streichquartett von 1960, in dem der Komponist Buchstaben seines Namens benutzt, um ein musikalisches Motiv zu erschaffen und Sätze aus früheren Arbeiten zu beschwören, die wie Seufzer aus Rauchwölkchen dahin treiben können. Oder konzentrieren Sie sich auf die überirdische fugenartige Eröffnung des letzten Quartetts, des fünfzehnten. 'Spielt es so, dass eine Fliege mitten im Flug tot herunterfällt oder das Publikum aus schierer Langeweile den Saal verlässt', forderte 1974 der Komponist von den Musikern der Premiere.

Und hier eine - gemessen an Schostakowitschs Forderung - geradezu grotesk gescheiterte Aufnahme:


Archiv: New York Times

Economist (UK), 05.05.2011

Der Online-Werbemarkt ist im ständigen Wandel. Der jüngste Trend sind Echtzeit-Auktionen, bei denen der Werbeplatz auf den jeweiligen Besucher zugeschnitten wird, dessen Interessen die Website an den vielen zuvor auf dem Rechner verankerten Cookies erkennt. Die Vorteile für die Werbeindustrie liegen auf der Hand: "Konventionelle Display-Anzeigen sind einfach ineffektiv, sagt Jakob Nielsen von GroupM, einem großen Einkäufer. Angenommen eine Firma möchte junge Männer erreichen. Dann kauft sie Anzeigen im Sportteil eines großen Portals wie etwa Yahoo! Sie wird dabei aber für die Frauen, die die Seite besuchen, mitbezahlen. Wenn sie gleichzeitig Anzeigen im Sportteil eines anderen großen Portals bucht, wird sie den doppelten Preis für Leute bezahlen, die beide Seiten besuchen. Echtzeit-Auktionen beseitigen dieser Probleme, indem sie den Werbenden erlauben, ein bekanntes Publikum zu kaufen. Man öffnet eine Webseite und schon beginnt eine automatisierte Auktion. Die Firmen kaufen einen Werbeplatz, basierend auf ihrer Kenntnis des mutmaßlichen Besuchers. Diese Kenntnis verdankt sich den Spuren, die er, ohne es zu wissen, im Netz hinterlassen hat. Der Gewinner bekommt die Anzeige, oft noch einmal extra zugeschnitten - so dass man etwa mehr Werbung für Cabrios an sonnigen Tagen sieht. Der ganze Prozess dauert in der Regel gerade mal 150 Millisekunden, also weniger als die Hälfte eines Blinzelns."
Archiv: Economist
Stichwörter: Yahoo, Auktion, Cookies, Cabrio

Bloomberg Businessweek (USA), 14.04.2011

Die heißesten Stars in Internetfirmen sind nicht mehr Programmierer, sondern Mathematiker, erzählt Ashlee Vance. Denn es sind Mathematiker, die die Spuren, die das Publikum im Netz hinterlässt, so auswerten, dass der Anzeigendollar rollt. Das schafft allerdings auch einige Probleme: Jeff Hammerbacher war 23 Jahre alt, als Facebook ihn im April 2006 holte, um das Nutzerverhalten auf Facebook zu analysieren. "Nach einigen Jahren wurde er unruhig. Er stellte fest, dass die Durchbrüche in den Computerwissenschaften erfolgt waren. Und noch etwas nagte an ihm: Hammerbacher betrachtete die Firmen in Silicon Valley - Facebook, Google, Twitter - und sah, dass seine Kollegen ihr Talent verschwendeten: 'Die besten Köpfe meiner Generation denken darüber nach, wie man die Leute dazu bringt, auf Anzeigen zu klicken', sagt er. 'Das nervt.'"