Magazinrundschau

Sun Tzu trifft John Locke

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
03.04.2012. Vanity Fair berichtet vom World War 3.0. Im Merkur feiert Michael Maar den Schriftsteller Wolfgang Herrndorf. In der New York Review of Books liest Neal Ascherson die Geschichte des Großen Afrikanischen Kriegs im Kongo. In Slate.fr verteidigt der spanische Regisseur Alex de la Iglesia die "Internetpiraterie". In The New Republic lernt Timothy Snyder mit Paul Prestons Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs etwas über die Selbstkolonialisierung Europas. In Frontline erklärt Shajahan Madampat: Islamismus ist auch in seiner gemäßigten Form nicht mit Demokratie vereinbar. Der New Yorker beschreibt die Nöte der Spielcasinos in Macau.

Vanity Fair (USA), 03.04.2012

Die Kräfte der Ordnung (Regierungen) und des Chaos (Hacker) kämpfen um das Internet. Das derzeitige große Schlachtfeld in diesem "World War 3.0", schreibt Michael Joseph Gross, ist Dubai, wo fast ein Jahr lang 193 Staaten das UNO-Abkommen über das Internet neu verhandelten. Was Regierungen möchten, ist klar: Kontrolle. Aber was möchten die Kräfte des Chaos möchten, ist auch klar: absolute Freiheit. Aber was ist mit der dritten Kraft, die Gross "organisiertes Chaos" nennt? Zu dieser Kraft gehört beispielsweise der Sicherheitsexperte Dan Kaminsky: "Er ist ein seriöser Unternehmer, dessen derzeitige Mission es ist, Passwörter mit anderen Wegen für Internetuser zu verbinden, ihre Identität nachzuweisen. 'Das einzige, worin alle übereinstimmen', sagt Kaminsky, 'ist, dass das Internet zur Zeit jedem Geld einbringt und weiterlaufen muss.' Während sie neue und sicherere Systeme zur Authentifizierung ausarbeiten, arbeiten Kaminsky und andere gleichzeitig daran sicherzustellen, dass diese Authentifizierungssysteme die Qualität der Privatheit und Anonymität behalten - obwohl Anonymität zu praktisch jedem Problem beigetragen, oder es sogar geschaffen hat, um das es beim Krieg ums Internet geht. Ihre Aufgabe ist eine Art Quadratur des Kreises: ein Weg, Anonymität und Authentifizierung zu vereinen - und damit fruchtbares Chaos ebenso wie Kontrollmöglichkeiten - ohne das eins von beidem überwiegt. Es ist ein sauberer philosophischer Trick: Sun Tzu trifft John Locke trifft Adam Smith trifft Michel Foucault."
Archiv: Vanity Fair

Merkur (Deutschland), 02.04.2012

Michael Maar verleiht noch einmal sehr wortgewaltig seiner Bewunderung für Wolfgang Herrndorfs Agenten-Wüsten-Roman "Sand" Ausdruck, dem er immerhind eine gute Nachricht entnimmt: "Es gibt eine Reststrahlung von Empathie in der Kälte des Alls. Herrndorf hat den größten, grausigsten, komischsten und klügsten Roman der letzten Dekade geschrieben. Er ist aimable; und sein Werk wird bleiben."

Der Rechtsanwalt Benno Heussen sieht Europa als Fusionsprojekt ähnlich scheitern wie Daimler-Chrysler. Vor allem wird es ihm zu kostspielig: "Europa muss die Stiere bändigen. Aber der Friede darf am Ende nicht teurer bezahlt werden als der Krieg. Darüber müssen wir in allen Zungen sprechen. Auch auf Griechisch."

Außerdem stimmt Ralph Bollmann ein Lob der Bürokratie an, Rosten Woo widmet sich der Architektur des Raumanzugs, und Adam Krzeminksi erinnert an Fürst Adam Czartoryski.
Archiv: Merkur

New York Review of Books (USA), 05.04.2012

Als klug und luzide empfiehlt Neal Ascherson Jason Stearns Buch "Dancing in den Glory of Monsters", das die Geschichte des Großen Afrikanischen Kriegs im Kongo erzählt. Neokoloniale Schuldzuweisungen verfangen bei Stearns offenbar nicht: "Für ihn geht es bei den fürchterlichen Ereignisse im Gürtel von Afrika zwischen Atlantik und Großen Seen um menschliches Versagen: die schwache soziale und politische Strukturen, die bei der ersten Erschütterung zusammenbrechen, der Mangel an ausgebildeten Eliten, die abwechselnde Einmischung oder Indifferenz der übrigen Staaten und in Stearns Sicht vor allem die Schwäche nationalstaatlicher Autorität. Gescheiterter Staat? Wenn es in Zaire oder Kongo jemals einen Staat gegeben hätte, der kohärent genug zum Scheitern gewesen wäre, hätten sich die Dinge weniger desaströs entwickelt."

Slate.fr (Frankreich), 30.03.2012

Einen sehr interessanten und gut verlinkten Hintergrundtext zur Internetdebatte in Spanien bringt Alexandre Hervaud. Er trifft den spanischen Regisseur Alex de la Iglesia, der anders als die meisten seiner Kollegen in Deutschland oder Frankreich eine sehr internetfreundliche Position einnimmt. Auf das spanische "Sinde"-Gesetz gegen "Internetpiraterie" antwortet er, so Hervaud, "mit einer Stellungnahme Ende Februar in El Pais mit der Überschrift 'Das Vakuum ist schon da'. In diesem Text, der zehn Tage vor der Verordnung des Sinde-Gesetzes erschien, lässt ihn die Schwäche des legalen Angebots in puncto Kino im Web verzweifeln. Und noch einmal fasst er, als ich ihn anlässlich des Festivals des spanischen Films in Nantes treffe, den ewigen Streit zwischen Branche und Netzbenutzer in einer lapidaren Formel zusammen: 'Ab dem Moment, in dem es kein legales Angebot mehr gibt, kann man nicht von illegalem Downloaden sprechen.'"
Archiv: Slate.fr

London Review of Books (UK), 05.04.2012

Zwei neue Biografien über David Bowie lassen Thomas Jones ausführlich in Leben und Werk des Künstlers stöbern: "Ziggy Stardust und die Spiders from Mars stammten ganz offensichtlich nicht vom Mars: Sie wirkten weniger wie Außerirdische, vielmehr wie ein Haufen übergroßer Kids, die Verkleiden spielten - was auf seine Weise noch anziehender war. Wir sind vielleicht anders, schienen sie zu sagen, aber wir sind genau wie du. In den besten Ziggy-Songs verschmilzt Bowie den außerirdischen Superstar mit dem Jungen aus Bromley mit den schiefen Zähnen auf dieselbe Weise wie seine bekannten mehrdeutigen Inszenierungen von Geschlecht und Sexualität: Er ist gleichermaßen Star und Fan, Ground Control und Major Tom. Dabei geht es nicht nur um bloße Wörter: Während des gesamten Albums hört man es in seiner Stimme, in der Art und Weise, wie sein Akzent sich zwischen Südlondon, den Grafschaften rund um London und irgendwo völlig anders bewegt, oder wie die Melodie an der Mitsummbarkeit entlang tanzt, nur um mit einem Mal ins Unermessliche zu schießen. Dabei handelt es sich einerseits um die tiefironische Performanz von interplanetarischem Glamour und andererseits ganz genauso um die Ergüsse einer Vorortsehnsucht, die die Bedingungen beschreibt, vor denen zu fliehen sie das Versprechen in Aussicht stellt." Hier ein Video von 1972 mit den Jungs, die Verkleiden spielen:



Weiteres: John Lanchester wägt ab, was von Karl Marx heute zu halten ist. Ross McKibbin sieht die Liberal Party in einer schweren Krise. Michael Wood bespricht Vincente Minnellis "The Bad and the Beautiful", den die BFI Southbank demnächst in einer Retrospektive zeigt.

New Republic (USA), 19.04.2012

Für einen ganz großen Wurf hält der Historiker Timothy Snyder Paul Prestons Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs (nur mit dem Titel "The Spanish Holocaust" ist Snyder überhaupt nicht einverstanden). Am Ende sieht er eine Gemeinsamkeit der Regime von Franco, Hitler und Stalin 1939: "Alle drei Regime waren, trotz ihrer beträchtlichen ideologischen Unterschiede, Beispiele für das Aufkommen neokolonialer Praktiken in Europa selbst. Die Sowjets kolonialisierten sich selbst (Stalins Ausdruck), indem sie ihre Landwirtschaft kollektivierten, um eine Industrie aufzubauen; die Deutschen wollten Osteuropa kolonialisieren um ein landwirtschaftliches Paradies für die arischen Herrenmenschen zu schaffen; Franco brachte die Kolonialtruppen aus Afrika nach Spanien, um eine traditionelle bäuerliche Ordnung wiederherzustellen und die orientalisierte Landbevölkerung zu unterdrücken. Alle drei Vorhaben waren ideologische Alternativen zu einer Landreform unter demokratischen Bedingungen, die fehlgeschlagen war; alle drei waren wirtschaftliche Antworten auf die große Depression, die das Ende des Kapitalismus zu signalisieren schien; und alle drei waren politische Modelle für eine bäuerliche Herrschaft in einem Europa, in dem die Ausweitung der Seeherrschaft und damit traditioneller Kolonialismus nicht länger möglich zu sein schien... Das große Thema der europäischen Geschichte verschiebt sich von der Kolonialisierung zur Selbstkolonialisierung in den 1930ern."

Jacob Soll liefert einen ziemlich heftigen Verriss von Norman Davies' Buch über untergegangene Königreiche in Europa, wozu auch das polnische Königreich zählt. Und hier zeigt sich für Soll der Revisionismus Davies': "Seit Jahren macht Davies es zu seiner persönlichen Mission, die polnischen Toten im Zweiten Weltkrieg mit dem Holocaust gleichzusetzen. Nun kann niemand leugnen, dass sowohl Deutsche als auch Russen Polen ermordet haben. Polen wurde durch die Angriffe von Russland und Deutschland im Zweiten Weltkrieg verkrüppelt, die Ermordung der polnischen Elite in Katyn hat dem Land für eine Generation eine tiefe Wunde geschlagen. Aber Massenmord und Massenverschwinden sind zwei verschiedene Dinge und Davies kämpft mit beiden Konzepten zusammenhanglos und dubios. Jedesmal, wenn er den Tod von Juden erwähnt, erwähnt er akribisch den Tod von Polen als ebenso wichtig."
Archiv: New Republic

Elet es Irodalom (Ungarn), 03.04.2012

Dem ungarischen Staatspräsidenten Pal Schmitt wurde vom Senat der Budapester Semmelweis-Universität (SOTE) wegen Plagiats sein Doktortitel aberkannt. Nachdem am Wochenende in Budapest nach Angaben der Organisatoren etwa 400.000 Menschen auf die Straße gegangen waren, ist er gestern gestern zurückgetreten. Für Empörung sorgt auch der (vor der Aberkennung bekannt gewordene) Befund der von der Universität eingesetzten Untersuchungskommission, wonach die Verantwortung für das Abschreiben nicht bei Schmitt, sondern bei seiner damaligen Hochschule, der heute in die SOTE integrierte Sport-Universität liegt, da sie Schmitt auf das Fehlverhalten nicht hingewiesen habe. Zoltán Kovács, Chefredakteur der Wochenzeitschrift Élet és irodalom, hält das für ungeheuerlich: "Das ist offensichtlich eine unermessliche Peinlichkeit. Damit wird nämlich suggeriert, dass nicht der Dieb der Schuldige ist, sondern der, der den Diebstahl nicht merkt und wenn es dann bekannt wird, keine Konsequenzen folgen lässt. Vielleicht wird ja die Gesellschaft Konsequenzen daraus ziehen. Und sie tut es, denn heute sind sich sogar die verblendetsten Anhänger von Schmitt und der Regierung über die Tatsache des Textklaus im Klaren, aber solange der Dieb täglich vom Balkon seines Amtssitzes im Sándor-Palais winkt, ist es - man möge mir diese Katachrese verzeihen - die Lüge, die dem Volk da zuwinkt und verkündet, dass man ruhigen Herzens klauen solle, seht her, auch ich bin ungeschoren davongekommen. Das Land ist nicht zu retten."

Kürzlich haben sich Mark Palmer, der ehemalige US-Botschafter in Budapest, Charles Gati von der John Hopkins Universität und Miklós Haraszti, ehemaliger OSZE-Beauftragter für die Pressefreiheit, mit der Erwägung zu Wort gemeldet, die 1993 eingestellte ungarische Ausgabe des Radiosenders Radio Free Europe neu zu starten - aufgrund der Bedrohung der Pressefreiheit in Ungarn. Zwar wurde der Vorschlag auch von liberalen Intellektuellen im Land kritisch gesehen, doch angesichts der festen Überzeugung ungarischer Regierungsanhänger, die "Verleumdungen" gegen Ungarn in der deutschsprachigen Presse hätten mit der Zensur in diesen Ländern zu tun, schlägt ein ES-Redakteur in einer Glosse eine weitaus "nützlichere" Verwendung des Radiosenders vor: "Die von der Zensur geknebelte Presse in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich darf ihre Meinung über das blühende, demokratische Ungarn nicht schreiben - wie auch die eingeschüchterten Bürger dieser Länder, die nichts darüber erfahren dürfen und sich auch nicht trauen, sich zu äußern. Auch die französischen, englischen, holländischen, belgischen, spanischen, dänischen, schwedischen, finnischen usw. Bürger der EU sind dem Druck der kolonialisierenden Diktatur der Europäischen Kommission ausgesetzt und werden desinformiert. Die Zeit für einen Neustart von RFE ist in der Tat gekommen, und zwar in deutscher, französischer, englischer, flämischer, spanischer, dänischer, schwedischer, finnischer usw. Sprache. Klar ist auch, von wo aus man senden sollte: aus Budapest, der Hauptstadt des demokratischen Ungarns, das seine Freiheit nach zwei chaotischen Jahrzehnten wiedererlangt hat."

Newsweek (USA), 02.04.2012

Dem nach Demokratie und besserem Lebensstandard dürstenden Marokko mag es schlecht gehen, mit seiner Arbeitslosenquote von 9 Prozent, aber einer macht seinen Schnitt, stellt Laila Lalami bei einem Besuch zur Totenfeier eines Onkels fest: "Den König scheint die wirtschaftliche Krise nicht zu berühren. Sein Reichtum hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Heute ist er der siebentreichste Monarch der Welt, sein Reichtum beläuft sich auf geschätzte 2,5 Milliarden Dollar. Wie der Journalist Ahmed Reda Benchemsi kürzlich erklärte, ist König Mohammad der 'Nummer 1 Geschäftsmann im Land' - der erfolgreichste Banker, der erfolgreichste Lebensmittelhändler, der erfolgreichste Landbesitzer und der erfolgreichste Bauer. Am Ende machen die täglichen Einkäufe der Marokkaner nur den König reicher."
Archiv: Newsweek
Stichwörter: Marokko

Frontline (Indien), 06.04.2012

Shajahan Madampat denkt in einem großen Essay über Islamismus und Demokratie nach. Der Islam als Religion ist selbstverständlich mit Demokratie vereinbar, meint er, beim Islamismus, also dem politischen Islam, sei das jedoch anders, unabhängig davon, ob man den radikalen oder gemäßigten Islamismus betrachtet: "Guilan Dinoux hat festgehalten, dass die Strategie der Radikalen einem leninistischen Ansatz folgt. Doch auch im Lager der sogenannten Moderaten sehen wir oft extrem radikale Überreste der Grunddoktrinen des politischen Islams unangenehm koexistieren mit hochkultivierten und versöhnlichen Ideen, die vereinbar sind mit den Erfordernissen eines demokratischen Pluralismus. Rachid Ghannouchi zum Beispiel, der tunesische islamistische Denker, der hinter dem Erfolg von Al Nahda steht, hat kategorisch erklärt, dass ein offen ausgedrückter Atheismus in dem islamischen Staat, den er anstrebt, nicht nur toleriert, sondern auch beschützt werden würde. Gleichzeitig erklärte er bei anderer Gelegenheit, dass Apostasie als politische Straftat behandelt werden sollte, wie Landesverrat."

Außerdem: Der Anglistikprofessor Satya P. Mohanty erklärt in einem langen Interview über sein Buch "Colonialism, Modernity, and Literature": "Kulturchauvinismus ist Gift für einen Studenten der Literatur."
Archiv: Frontline

Prospect (UK), 20.03.2012

Dan Levin porträtiert die chinesische Schauspielerin Yao Chen, die den Twitter-Clon Sina mitunter auch für Spitzen gegen die Obrigkeit ihres Landes nutzt: "Yao lässt sich schwer mit Dissidenten wie Ai Weiwei und Liu Xiaobo vergleichen, die erhebliche Risiken auf sich genommen haben, um gegen Chinas autoritäte Regierung zu protestieren und dafür inhaftiert - oder schlimmeres - wurden. Sie ist ist Teil der Mainstreamgesellschaft und nicht daran interessiert, ihre Karriere, geschweige denn ihre Freiheit, durch überdeutliche Ansagen aufs Spiel zu setzen. Doch gerade die Tatsache, dass sie ein Filmstar ist, machen ihre kleinen Abweichungen vom obrigkeitstreuen Protokoll so signifikant. Es handelt sich dabei um einen Drahtseilakt, der die ungewissen und ständig in Bewegung befindlichen Grenzen dessen symbolisiert, was sich im China des 21. Jahrhunderts sagen lässt, wo die Nutzer, der Zensur zum Trotz, im Begriff sind, die Macht des Netzes zu nutzen, um ihr Land zu verbessern."

Außerdem: Philip Hunter hat sich neuere Studien zu Gemüte geführt, derzufolge die IQs in westlichen Gesellschaften, allen bisherigen Trends zum Trotz, in jüngster Zeit stagnieren oder sogar sinken. Peter Hitchens macht sich in seiner Kolumne erhebliche Sorgen darüber, dass die britische Polizei vermehrt autoritär und repressiv auftritt.
Archiv: Prospect
Stichwörter: Ai Weiwei, Dissidenten, Liu Xiaobo

Polityka (Polen), 30.03.2012

Ewa Winnicka berichtet (hier auf Deutsch) bedrückt über die Vorurteile, denen Polen in den Niederlanden ausgesetzt sind. Nicht alle gehen so weit wie Geert Wilders Partei für die Freiheit, die eine Webseite für Beschwerden über Polen eingerichtet hat. "Edyta Pamula von Holland Contracting ist Optimistin. Ihre Firma schult seit langen die Arbeiter, indem sie ihnen die kulturellen Unterschiede erklärt. Am wichtigsten sind die kleinen, wie beispielsweise die Trennung und Abholung von Müll. Die Holländer sind nämlich an das Prinzip gewöhnt, dass wenn das Müllauto dienstags kommt, man an diesem Tag den Müll rausbringt. Nicht am Sonntag oder am Mittwoch. Und weiter: das Parken. Wenn ein Arbeiter ein eigenes Auto hat, zur Arbeit aber mit dem Bus fährt, gibt es keinen Grund dafür, dass sein Auto die ganze Woche lang einen Parkplatz blockiert. Die Schulungen fruchten: 'Ein beunruhigter Nachbar einer unserer Dienstwohnungen hat nach ein paar Wochen verwundert gesagt, dass gar nichts schlimmes passiert ist, seit nebenan Polen eingezogen sind.'"
Archiv: Polityka
Stichwörter: Holland, Wilders, Geert

New Yorker (USA), 07.04.2012

Evan Osnos beschreibt in einem Brief aus China die Verwandlung der ehemaligen Kolonie Macao, die inzwischen Sonderverwaltungszone Chinas und der einzige Ort ist, an dem seit 2002 in China Glücksspiel erlaubt ist. Seither konkurrieren vor allem US-Konsortien darum, dort ein zweites Las Vegas aus dem Boden zu stampfen. Das Zockgeschäft in Macao ist laut Osnos nicht ganz unkompliziert: "Um die praktischen Probleme zu lösen, die mit dem Betreiben eines Spielcasinos in Macao verknüpft sind, sind die Casinos auf Fremdunternehmen, die so genannten 'junkets' angewiesen. So ist Werbung für Glücksspiel im chinesischen Mutterland verboten, und chinesische Staatsbürger dürfen nicht mehr als dreitausend Dollar pro Besuch in Macao einführen. Aus Perspektive der Casinos am beunruhigendsten ist aber, dass es illegal ist, in der Volksrepublik Spielschulden einzutreiben. Junket-Betreiber sind da eine legale Ungehung, weil ihre Mitarbeiter reiche Kundschaft aus ganz China werben, ihnen Kredite einräumen und das komplizierte Geschäft des Geldeintreibens abwickeln ... Wenn ein korrupter Amtsträger oder Angestellter seine Gewinne geheim halten will, bietet ein junket die Möglichkeit, ihm auf der einen Seite der Grenze Geld zuzustecken und es auf der anderen zurückzubekommen."

Weiteres: Elizabeth Kolbert bespricht zwei Studien zur Frage, ob Fortpflanzung ethisch vertretbar ist: "Why have Children? The Ethical Debate" und "Better Never to Have Been". Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Porn Critic" von Jonathan Lethem.
Archiv: New Yorker
Stichwörter: Geld, Las Vegas, Lethem, Jonathan