Magazinrundschau
Sehnsucht nach absoluter Zeitgenossenschaft
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.05.2012. Die Zukunft der Lyrik liegt im "unkreativen Schreiben", behauptet die Boston Review. Gute Übersetzer beherrschen das Handwerk des Mamporrero, behauptet El Espectador. Seit es Internet gibt, machen Bücher über Musik dem Leser mehr, dem Autor weniger Spaß, behauptet das TLS. Micromega fordert mehr Commons. In Le Monde diskutieren Edgar Morin und Francois Hollande über Multikulturalismus. Was ist in den USA mit dem Säkularismus passiert, fragt der New Humanist. Der Hollywood Reporter meint: Gar nicht so übel, dieser Kim Dotcom.
Boston Review (USA), 01.05.2012

What do you see, Nonny?
What do you see?
A tune & a stain
Waiting for me
Will you go there, Nonny?
Will you go there?
It's just by the corner
Right over the bend
Who'll you see there, Nonny?
Who'll you see there?
A monkey, a merchant, a pixelated man
What will you say, Nonny?
What will you say?
I'm just a nobody making my way
El Espectador (Kolumbien), 06.05.2012

Times Literary Supplement (UK), 04.05.2012

Der 1914 bei einem Attentat getötete Jean Jaurès ist so etwas wie der Säulenheilige der französischen Linken, doch eine differenzierte inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Positionen fand bisher kaum statt. Dass es in den letzten Jahren vermehrt Veröffentlichungen zu Jaurès gab, findet der Geschichtsprofessor Julian Wright überfällig: "Dass dieser politische Titan, der so dominant im Parlament, auf Parteikongressen und in der internationalen Politik auftrat, als apolitischer Heiliger angesehen wird, sagt einiges aus über die Ermüdung, zu der der Managerialismus moderner linker Politik seit Mitterand geführt hat."
MicroMega (Italien), 06.05.2012

Außerdem in MicroMega: Einige Schriftsteller werfen einen Blick auf Morde an Frauen in den letzten Monaten: Wer waren die Frauen, welches waren die Motive der Mörder? 55 Frauen, so die Redaktion in der Einleitung, sind in Italien seit Beginn des Jahres umgebracht worden - von ihren Lebensgefährten. "Frauen umzubringen - die eigene Frau umzubringen - ist kein mildernder Umstand, wie er bis vor kurzem oft zugestanden wurde, sondern ein erschwerender Umstand", schreibt Adriano Sofri, und erklärt, warum neben dem allgemeinen Begrff für Mord in Italien, "omicidio" auch der neue Begriff "femminicidio" stehen sollte.
New York Review of Books (USA), 24.05.2012

Außerdem: Nadine Gordimer schreibt über neue Bedrohungen für die Freiheit in Südafrika: seit 2010 gibt es dort strenge Gesetzesvorlagen zum Schutz staatlicher Daten und zur Medienkontrolle. Und Julian Bell führt durch die große Retrospektive von Damien Hirst, die noch bis September in der Tate Modern in London zu sehen ist; einer der Gründe für ihn, unbedingt hinzugehen: die betrunkenen Schmetterlinge, denen man dort begegnet.Geoffrey O'Brien schreibt über drei Filme, die jetzt auf DVD erschienen sind: "The Artist" von Michel Hazanavicius, "Hugo" von Martin Scorsese und "The Phantom Carriage" von Victor Sjöström. Paul Krugman erklärt, wie man die Depression beendet. Und Garry Wills bespricht den vierten Teil von Robert A. Caros Biografie "The Passage of Power: The Years of Lyndon Johnson": "Robert Caros epische Biografie Lyndon Johnsons - dies ist der vierte Band von geplanten fünf - war ursprünglich als Studie über Macht geplant und auch so geschrieben. Aber diesen Band dominiert ein dringlicheres Thema: Es ist eine Studie über Hass."
Monde (Frankreich), 04.05.2012

Zu lesen ist außerdem ein Appell von Stephane Hessel, sich wieder zu mehr Werten im Leben und Handeln zu bekennen.
New Humanist (UK), 01.05.2012

Alom Shaha, Autor des Buchs "The Young Atheist's Handbook", ruft säkulare Organisationen auf, auch Muslimen auf dem Weg in den Atheismus zu helfen. Sehr anschaulich schildert er, wie schwer es für einen jungen Muslim ist, seinen Unglauben zu bekennen - weil es immer auch ein Bruch mit Tradition und Community bedeutet: "Warum bekenne ich meine Atheismus also so offen? Weil ich so mutig bin? Nein. Der einfache Grund ist, das meine Eltern tot sind... Hätte meine Mutter länger gelebt, so mein Verdacht, wäre ich weniger offen gewesen. Ich liebte meine Mutter, und hätte sie es so gewollt, dann hätte ich mich auch mehr bemüht, ein guter Muslim zu sein."
Economist (UK), 05.05.2012

Dazu passend fragt ein weiterer Artikel nach den Konsequenzen aus dem Fall des blinden chinesischen Aktivisten Chen Guangcheng, der in der US-Botschaft in Peking Zuflucht gesucht hat.
Elet es Irodalom (Ungarn), 04.05.2012

In Ungarn sind mehrere wissenschaftliche Arbeiten und Umfragen der letzten Zeit zu dem Schluss gekommen, dass die Bevölkerung mit dem westlichen Wertesystem wenig anfangen kann. Judit Kádár hat daher die Kultur- und Wochenend-Beilagen der vier größten ungarischen Tageszeitungen (Magyar Hírlap, Magyar Nemzet, Népszabadság und Népszava) im Monat Februar nach deren pro- bzw. anti-westliche Einstellung hin "abgeklopft" und dabei festgestellt, dass trotz markanter Unterschiede zwischen den einzelnen Zeitungen "die überwiegende Mehrheit der Artikel in den kulturell-gesellschaftskritischen Wochenend-Beilagen und im Kultur-Resort die Europäische Union und den Westen aus der Außenperspektive, von der Peripherie betrachtet. [...] Die europaskeptischen Ansichten erscheinen in den meisten Fällen in auf Ungarn bezogenen Artikeln, weil die gesamte ungarische Tagespresse nach innen gewandt und provinziell ist, nach dem Motto: 'Extra Hungariam non est vita'. Die kulturelle Berichterstattung über das Ausland ist fast völlig verschwunden, keine der Zeitungen vermittelt zeitgenössische westliche Konzepte, Theorien oder Erklärungen zu globalen Themen. Da ist es kein Wunder, dass die Mehrheit der ungarischen Bevölkerung immer noch über die aus dem Feudalismus geerbte paternalistisch-antiliberale Einstellung verfügt und 'nicht-westliche' Werte vertritt."
Prospect (UK), 04.05.2012

Außerdem: Martin Rees freut sich, dass einige an Science Fiction grenzende Theorien über die Beschaffenheit des Universums zunehmend ernsthaft in der Kosmologie diskutiert werden.
Polityka (Polen), 04.05.2012

Guardian (UK), 05.05.2012

Margaret Atwood hat mit größtem Vergnügen "Bring Up the Bodies", den zweiten Band von Hilary Mantels Romanserie über Thomas Cromwell gelesen: "Das Buch endet wie es beginnt, mit einem Bild von blutgetränkten Federn", was auf einen dritten Band hoffen lässt. Anne Enright hat ebenfalls mit großem Vergnügen Gwendoline Rileys "Opposed Positions" gelesen, einen Roman über eine junge Frau, die "nicht genau weiß, was falsch ist an ihr". Und Toby Litt ist recht beeindruckt von Peter Stamms Roman "Sieben Jahre".
Hollywood Reporter (USA), 11.05.2012

Hier ein Reklamevideo für Megaupload mit den angesehensten Popstars - die sich inzwischen alle von Dotcom distanziert haben:
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