Magazinrundschau
Nur ich denke an mich
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
21.08.2012. Im Guardian denkt die ägyptische Schriftstellerin Ahdaf Soueif über die Rolle der Literatur in revolutionären Zeiten nach. Quietus würdigt David Lynchs untrügerische Sinn für Traurigkeit. In Elet es Irodalom liest der ungarische Schriftsteller András Bruck Sebastian Haffners "Geschichte eines Deutschen" als gruselig aktuelle Beschreibung des heutigen Ungarn. Der Economist lädt sich Salah 3D zum Beten aufs Iphone. NZZ Folio folgt dem Weg der Sojabohne zum Kotelett. Die Financial Times besucht den Filmkomponisten John Williams. Ach was, Weltuntergang, winkt Wired ab.
Guardian (UK), 18.08.2012
Die ägyptische Schriftstellerin Ahdaf Soueif denkt über die Rolle der Literatur in revolutionären Zeiten nach und sieht im Moment eher die Autoren der Realität als die der Fiktion gefragt: "Es braucht Zeit, um Realität zu verarbeiten und sie in Fiktion zu verwandeln. Im Moment hat es keinen Sinn, eine Geschichte zu schreiben, die sich selbst anbietet oder geradezu danach verlangt, geschrieben zu werden. Denn in der nächsten Minute wird eine andere Geschichte sie überrolen und den gleichen Anspruch erheben. Wir, als Schriftsteller, können uns nicht einfach eine davon schnappen, weglaufen, uns im Kämmerchen einschließen und darauf warten, bis die Transformation stattgefunden hat - denn als Bürger müssen wir präsent sein auf den Straßen, wir müssen demonstrieren, unterstützen, reden, anregen und Worte finden. In kritischen Zeiten ist unser Talent gefragt, die Geschichten so zu erzählen, wie sie sich zugetragen haben, damit sie ihre Kraft als Realität entfalten, nicht als Fiktion."
Weiteres: Keith Thomas stellt Stephen Alfords Geschichte "The Watchers" vor, die erzählt, mit welch drakonischer Politik Elizabeth I. sich vor katholischen Königinnenmördern zu schützen versuchte: "Die Standardstrafe für Verräter bestand im Hängen und bei noch lebendigem Leib Kastrieren, Ausweiden und Vierteilen." Ruth Scurr empfiehlt Sophie Wahnichs Studie "In Defence of the Terror", die den Terror der Französischen Revolution rigoros vom heutigen Terrorismus absetzt. Salman Rushdie liest noch einmal Kazuo Ishiguros großen Roman "Was vom Tage übrig bleibt". Außerdem ist ein Auszug aus Zadie Smith' neuem London-Roman "NW" zu lesen.
Weiteres: Keith Thomas stellt Stephen Alfords Geschichte "The Watchers" vor, die erzählt, mit welch drakonischer Politik Elizabeth I. sich vor katholischen Königinnenmördern zu schützen versuchte: "Die Standardstrafe für Verräter bestand im Hängen und bei noch lebendigem Leib Kastrieren, Ausweiden und Vierteilen." Ruth Scurr empfiehlt Sophie Wahnichs Studie "In Defence of the Terror", die den Terror der Französischen Revolution rigoros vom heutigen Terrorismus absetzt. Salman Rushdie liest noch einmal Kazuo Ishiguros großen Roman "Was vom Tage übrig bleibt". Außerdem ist ein Auszug aus Zadie Smith' neuem London-Roman "NW" zu lesen.
Elet es Irodalom (Ungarn), 17.08.2012

The Atlantic (USA), 19.08.2012
Offenbar sind auch im Westen viele Gläubige entschlossen, schnurstracks ins Mittelalter zurückzukehren, damit sie endlich wieder gefahrlos Frauen schurigeln können. "Es geht schon wieder los", berichtet Garance Franke-Ruta. "Diesmal hat der republikanische Abgeordnete Todd Akin das zeitgenössische Äquivalent zu dem frühen amerikanischen Glauben breitgetreten, nur Hexen würden nicht untergehen, als er im Interview mit einer lokalen Radiostation in Missouri verkündete, eine 'echte Vergewaltigung' führe nicht zu einer Schwangerschaft. 'Nachdem was ich von Ärzten weiß, ist eine solche Schwangerschaft sehr selten', erklärte Akin im Interview mit KTVI-TV. 'Wenn es eine echte Vergewaltigung ist, dann kennt der weibliche Körper Wege, sich gegen eine Schwangerschaft zu verschließen.'" Dieser Schwachsinn ist nicht neu. Franke-Ruta zitiert einige haarsträubende Beispiele, darunter den republikanischen Politiker Stephen Freind, der laut Philadelphia Daily News 1988 erklärte: "Die Chancen, dass eine vergewaltigte Frau schwanger wird, 'stehen eins zu Millionen und Millionen und Millionen'. Der Grund dafür sei, so Freind, dass die traumatische Erfahrung einer Vergewaltigung bei der Frau dazu führe, dass sie 'ein bestimmtes Sekret absondert', das Spermien tötet."
Ob die edlen Lebensschützer die krebskranke Sechzehnjährige gerettet hätten, die in der dominikanischen Republik starb, nachdem man ihre eine Chemotherapie verweigert hatte mit der Begründung, dies würde ihren knapp drei Monate alten Fötus gefährden?
Ob die edlen Lebensschützer die krebskranke Sechzehnjährige gerettet hätten, die in der dominikanischen Republik starb, nachdem man ihre eine Chemotherapie verweigert hatte mit der Begründung, dies würde ihren knapp drei Monate alten Fötus gefährden?
El Espectador (Kolumbien), 18.08.2012
Héctor Abad schreibt in Sachen Julian Assange Klartext: "Die Ziele von Wikileaks waren und sind weiterhin lobenswert: Die Offenlegung der korrupten Machenschaften autoritärer Regierungen und die vom Westen während seiner 'humanitären Kriege' begangenen Gräueltaten. Der Assange zur Last gelegte Sexualdelikt ist dagegen ein Vorwand bzw. eine Hilfskonstruktion: Ecuador hat Schweden angeboten, Assange in der ecuatorianischen Botschaft zu verhören, wie auch, ihn den Schweden zu übergeben, wenn sie ihn nicht ausliefern. Die USA wollen Assange jedoch exemplarisch bestrafen, damit alle Welt die Botschaft erhält: Lasst euch bloß nicht einfallen, euch nochmal in unsere Staatsgeheimnisse einzumischen. Wenn Assange etwas 'vergewaltigt' hat, dann die Geheimhaltung schmutzigster Regierungsverbrechen und krasser Korruptionspraktiken von Unternehmen. Deshalb wird er verfolgt, und nicht, weil er mit zwei Personen zweimal statt einmal und ohne statt mit Kondom Sex gehabt hat."
Economist (UK), 18.08.2012

Nepszabadsag (Ungarn), 12.08.2012

Wired (USA), 17.08.2012

Weiteres: Peter Schwartz sieht die Hegemonie von Öl und Gas im Energiehaushalt auch weiterhin nicht bedroht, ganz im Gegenteil. Kevin Kelly spricht mit dem Öko- und Internet-Aktivist Stewart Brand, der in den 80ern erste Netzforen für Umweltschutz gründete und heute aus dem Staunen über die technologischen Möglichkeiten von Biohacking, Gentechnik und Kernfusion nicht mehr herauskommt. Den lesenswerten Artikel zum automatisierten Light-Speed-Trading hatten wir bereits in der Magazinrundschau vom 07.08. vorgestellt.
Revue des Droits de l'Homme (Frankreich), 13.07.2012
Frankreich ist sehr stolz auf seine laizistischen Traditionen, in kaum einem Land sind Staat und Religion strikter getrennt. Die Beschneidung der Jungen wird dennoch ohne Probleme praktiziert, schreibt Céline Fercot in einem sehr sachlichen Artikel über die Diskussion in Deutschland und Frankreich in der Revue des Droits de l'Homme. Auch in Frankreich ist das Thema von Zweideutigkeiten und Tabus umgeben, erläutert sie. Beschneidung widerspreche zwar den Gesetzen über die körperliche Unversehrtheit, gerade von Kindern, die nicht religionsmündig sind : "Sie profitiert aber von einer Art Toleranz auf Gewohnheitsbasis, die sich wohl zumindest zum Teil aus der Furcht erklärt, antisemitische oder islamophobe Reaktionen auszulösen. Sie könnte allerdings sehr wohl als Ordnungswidrikeit betrachtet werden: In diesem Fall müsste man die Grenzen in Betracht ziehen, die den Religionen im Namen der öffentlichen Ordnung auferlegt werden können - basierend auf dem Gesetz zur Trennung von Staat und Religion von 1905."
Financial Times (UK), 17.08.2012
Clemency Burton-Hill besucht den Filmkomponisten John Williams auf einen Plausch. Zu ihrem Erstaunen arbeitet der mit Oscars überhäufte Meister auch heute noch mit Stift und Papier und verfügt über keine Angestellten, nicht einmal einen Assistenten. Auch dass er gar nicht sonderlich filmbegeistert ist, überrascht: "'Ich habe mich nie nennenswert für das Kino interessiert', räumt er ein. 'Nie. Selbst als junger Mann nicht. Ich habe mich allein wegen der Studioorchester in Hollywood für Filmmusik zu interessieren begonnen.' ... Als Teenager hörten sich John Williams und seine Freunde Filmsoundtracks an und machten sich einen Spaß daraus, die jeweiligen Ensembles zu identifizieren. 'Wir wussten, dass es sich, sagen wir, um das Warner Bros. Orchestra handelt, denn damals - anders als heute, wo ein oder zwei freiberuflich arbeitende Gruppen alles aufnehmen - ware es nicht immer dieselben Leute, die jeden Film aufnahmen. In der Isolation, ein paar Meilen weg von Los Angeles, kam eine inspirierende Indiviualität aus dem Studiosystem. Heute ist das ganz anders. Es ist eine verschwundene Welt.'"
Hier führt das Prager Filmorchester Williams' "Imperial March" aus "Krieg der Sterne" auf - mit prominentem Besuch:
Hier führt das Prager Filmorchester Williams' "Imperial March" aus "Krieg der Sterne" auf - mit prominentem Besuch:
Folio (Schweiz), 01.08.2012

Und Soja stillt heute keineswegs den Hunger der Menschen - über 97 Prozent der geernteten Soja werden an Vieh verfüttert, vor allem in China, wo riesige Schweinezuchtanlagen den wachsenden Fleischkonsum der Chinesen stillen. Die eigene Sojaproduktion wurde lange vernachlässigt, berichtet Xifan Yang. Heute kann sie mit der Konkurrenz nicht mithalten, vor allem, weil sie keine billige genmanipulierte Soja anbieten kann: "Trotz der enormen Nachfrage ist chinesische Soya auf dem Heimatmarkt bisweilen derart chancenlos, dass Bauern in der Mandschurei ihre Erträge exportieren müssen, vorwiegend nach Japan, Südkorea oder Europa. China zählt zu den weltweit größten Exporteuren von Bio-Soyabohnen. Die Ausfuhrmengen sind aber vergleichsweise gering, 350 000 Tonnen oder 0,5 Prozent des jährlichen Gesamtverbrauchs. 'Es ist verrückt', sagt Ma Wenfeng. 'China exportiert teure, qualitativ hochwertige Soya und deckt sich mit minderwertiger Soya ein.'"
Quietus (UK), 17.08.2012

Dazu passed: Pitchfork hat sich mit Lynch über die Neuauflage des Soundtracks unterhalten. Und ob Fox' Einschätzung von "In Heaven" gültig ist, lässt sich bei Youtube überprüfen:
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