Magazinrundschau

Die meiste Kunst die meiste Zeit

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
22.01.2013. Die NYRB kritisiert die aufgeregte Beschreibung von CIA-Folter in Kathryn Bigelows neuem Film. In ADN cultura erklärt María Sonia Cristoff, warum sie ihren Winterschlaf im Sommer abhält. In Wired verteidigt Larry Page sein verrücktes Zeug. Der New Yorker erforscht den Markt für prähistorische Knochen. n+1 und das New York Magazine werfen einen Blick auf Insidergeschäfte in der Kunst. The New Republic erklärt dem Moma, warum Paul Klee sehr wohl ein Abstrakter ist. In Elet es Irodalom erklärt András Pályi, warum Dichter keine guten Vorbilder sind.

New York Review of Books (USA), 07.02.2013

Das Problem an Kathryn Bigelows Film "Zero Dark Thirty" ist nicht die Rechtfertigung von Folter, meint Steve Coll, sondern das völlig falsche Bild, das er von den heutigen CIA-Methoden vermittelt: "'Zero Dark Thirty' ignoriert, wie reguliert, juristisch abgesichert und bürokratisiert - wie banal - Folter in einigen der geheimen CIA-Lagern geworden ist. Ein zum Teil vertraulicher Bericht des früheren Generalinspekteurs der CIA, John Helgerson, zeigt, dass Ärzte des medizinischen Dienstes der CIA den Verhören beiwohnen und die Lebensfunktionen der Gefangenen überwachen, um sicherzustellen, dass sie gesund genug sind, um weiter misshandelt zu werden. Beamte der Agency tippen einschläfernd detaillierte Memoranden über die Verhöre ab, wie die zugänglichen Kurzfassungen des Geheimdienstkomitees des Senats deutlich machen. Videos werden aufgenommen und protokolliert. Diese CIA-Büro-Routine hätte auf der Leinwand vielleicht schockierender gewirkt als die klischeehaften Misshandlungen der Gefangenen, die der Film stattdessen präsentiert."

Weitere Artikel: Martin Filler feiert das superdemokratische, soziale und ökologische Architekturkollektiv Snøhetta aus Norwegen, das nicht nur seine Auftraggeber, sondern alle Menschen glücklich machen will: "Vielleicht konnte nur eine postindustrielle soziale Demokratie so progessiv wie Norwegen ein Architekturbüro wie dieses hervorbringen." (Links die neue Bibliotheca von Alexandrina, gebaut von Snøhetta.) H. Allan Orr räumt en Detail die Zweifel aus, die der Philosoph Thomas Nagel mit seinem Buch "Mind and Cosmos" an der Evolutionsbiologie schürt, weil sie Nagels Ansicht nach das Bewusstsein nicht erklären könne.

ADN cultura (Argentinien), 18.01.2013

Auf der südlichen Welthälfte ist gerade Hochsommer und Ferienzeit - die argentinische Schriftstellerin María Sonia Cristoff erklärt, was das für sie bedeutet: "Den Sommer verbringe ich normalerweise im Winterschlaf: Wie manche Tiere suche auch ich, wenn die Zeit kommt, zu der mein Organismus den Bedingungen der Außenwelt nicht gewachsen ist, einen möglichst abgelegenen Rückzugsort auf. Dort zehre ich, in fast völliger Reglosigkeit, von dem, was ich das Jahr über angesammelt habe. Und ich schlafe, schlafe, schlafe. Und stehe ansonsten nur auf, um zu schreiben. Wohl für jeden Schriftsteller ist der Sommer die schlechthin ideale Zeit, um sich ganz auf einen Text zu konzentrieren: Endlich hält einen nichts mehr vom Schreiben ab - vor allem nicht all die Arbeiten, die man sonst ausführen muss, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Deshalb lieben wir Schriftsteller den Sommer so sehr. Reich sein: Unabhängig von der Jahreszeit schreiben können."
Archiv: ADN cultura
Stichwörter: Winterschlaf, Jahreszeiten

Wired (USA), 17.01.2013

Im Gespräch mit Steven Levy erklärt Larry Page von Google, warum sich das Unternehmen mit seiner Abteilung Google X in immer waghalsigere und aufregendere Projekte (wie etwa ein fahrerloses Auto) stürzt: "Wir verfügen über soviel Geld, für uns arbeiten all diese Leute, warum arbeiten wir nicht an mehr Sachen? Man könnte sagen, dass Apple sich nur mit sehr, sehr wenigen Dingen beschäftigt und für die funktioniert das doch prächtig. Doch ich halte das für unbefriedigend. Ich sehe da all diese Möglichkeiten in der Welt, wie Technologie das Leben der Leute besser machen könnte. Bei Google nehmen wir vielleicht 0,1 Prozent dieses Raums in den Blick. Und all diese Tech-Firmen ergeben zusammen vielleicht bloß 1 Prozent. Das bedeutet, es gibt 99 Prozent unerschlossenes Potenzial. Die Investoren machen sich immer große Sorgen, 'ach, ihr Leute gebt soviel Geld für soviel verrücktes Zeug aus'. Doch dieses ist nun das Zeug, das sie am meisten begeistert - Youtube, Chrome, Android. Wenn man nicht ein paar verrückten Sachen macht, macht man die falschen Sachen."

Außerdem: Carl Zimmer begibt sich mit einigen Gen-Forschern in einen DNA-Feldzug gegen Superviren. Schau mir in die Augen, Kleines: Ein anonymer Autor gruselt sich fürchterlich beim Rendezvous mit den neuesten Lügendetektoren der USA.
Archiv: Wired

London Review of Books (UK), 24.01.2013

Während Frankreichs Superreiche aus Steuergründen aus dem Land fliehen, verdienen immer weitere Teile der Bevölkerung so wenig, dass sie überhaupt nicht erst steuerpflichtig werden. Auch deshalb kommentiert Jeremy Harding das ganze Aufsehen um den aus fiskalischen Gründen zum Neu-Russen mutierten Gérard Depardieu ziemlich gallig: "Das war eine farbenprächtige Geschichte. Sie wirbelte ordentlich was auf und führte dabei einige sonderbare Figuren vor, darunter Jean Michel Jarre, die Bardot und ihre Zirkuselephanten, Putin sowie einen kleineren Würdenträger Mordwiniens, wo eines der Mitglieder von Pussy Riot einsitzt. Sie führte auch zu einer hitzigen Debatte über die Honorare von Schauspielern und die Kosten der französischen Filmproduktion. Aber sie beleuchtete kaum die Bereiche jenseits der Bühne, wo 19 Prozent der jungen Leute in Armut leben, fünf Millionen oder mehr kein Bankkonto eröffnen können und 3,6 Millionen mangelhaft untergebracht oder obdachlos sind. Depardie hat sich zum Selbst-Ausschluss entschieden und bleibt dauerhaft und ermüdend sichtbar. Sozialer Ausschluss in Frankreich ist weniger spektakulär."

Außerdem: Thomas Laqueur liest sich durch den neuesten Regalmeter an Buchveröffentlichungen zum Untergang der Titanic. Michael Wood liegt bei Tarantinos "Django Unchained" in den eisernen Ketten der Langeweile. Und Eleanor Birne besucht eine Ausstellung mit Arbeiten von Madge Gill ("Britanniens bekannteste Außenseiterkünstlerin") in Londons Nonnery Gallery (links ihre "Lady in Orange" aus den 30er Jahren).

New Yorker (USA), 28.01.2013

"Bones of Contention" - Steine des Anstoßes - überschreibt Paige Williams in einem nur im Englischen funktionierenden Wortspiel ihre ebenso schräge wie hochinteressante Geschichte über den - keineswegs immer legalen - Markt für prähistorische Knochen. Ihr Protagonist ist Eric Prokopi aus Florida, der einmal ein komplettes Skelett eines mongolischen Tarbosaurus bataar (Bild links) im Angebot hatte. Was mongolischen Wissenschaftlern gar nicht gefiel, die sich bestohlen fühlten: Die Versteigerung des T. bataar musste rückgängig gemacht werden. Williams lässt unter anderem David Herskowitz, Fossilienexperte des Versteigerungshauses Heritage Auctions, zu Wort kommen: "Zu einem gewissen Grad füttern Museen den Markt. Etablierte Institutionen unterscheiden beim Erwerb von Fossilien zwischen den Quellen, neuere tun dies gelegentlich nicht. Naturhistorischen Museen, die in Japan, China und im Nahen Osten aus dem Boden schießen, wurde vorgewofen, dass sie tendenziell von jedermann kaufen. Sie wollen Dinosaurier und Säugetiere, sagte mir Herskowitz, Privatsammler dagegen bevorzugten kleinere Objekte. 'Nicht viele Leute haben ein Haus, das groß genug für einen Dinosaurier ist', erklärte er. 'Am beliebtesten sind Sachen, die man sich ins Regal stellen kann, also Meteoriten, Trilobiten, Dinosauriereier und -knochen. Zum Beispiel ein hübscher Wirbelknochen. Den kann man sich ins Bücherregal legen und sagen: Schau mal, das ist ein Wirbelknochen vom T. rex.'"

Außerdem zu lesen: Ein weit ausholender Artikel von Jill Lepore über die Geschichte der amerikanischen Militärausgaben - und die immerwährende Debatte darum, wann sie eigentlich endlich einmal ausreichend sind. Hilton Als liefert einen scharfen Verriss von Rob Ashfords Inszenierung des Tennessee-Williams-Klassikers "Cat on a Hot Tin Roof" mit Scarlett Johansson als Maggie.
Archiv: New Yorker

Eurozine (Österreich), 21.01.2013

Der Literaturwissenschaftler Klaus-Michael Bogdal, der in diesem Jahr für sein Buch "Europa erfindet die Zigeuner" den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhält, erklärt in diesem schon etwas älteren, aber immer noch aktuellen Artikel, warum es so schwierig ist, die Sinti und Roma in die europäische Geschichte einzuschreiben: "Wenn wir die Romvölker wie bisher erst mit dem nationalsozialistischen Genozid in die europäische politische Geschichte eintreten lassen, wird eine einmalige sechshundertjährige Geschichte verdeckt. Allerdings haben die Romvölker, die über lange Zeiträume nomadisch lebten und über keine eigene Schriftkultur verfügen, so gut wie keine historischen Selbstzeugnisse überlassen. Die Überlieferungen und Dokumente erlauben es daher nicht, eine Geschichte der Romvölker zu schreiben, die sich beispielweise mit jener der verfolgten und vertriebenen französischen Hugenotten vergleichen ließe. Was uns vor allen Dingen in Gestalt der Literatur und Kunst zur Verfügung steht, sind die Grunderfahrungen der ständischen und bodenständigen europäischen Bevölkerung mit einer fremden, als bedrohlich empfundenen Lebensweise."
Archiv: Eurozine

New Republic (USA), 19.01.2013

Jed Perl kriegt es hin, einen Verriss zu schreiben, der zugleich eine Hymne ist, und umgekehrt. Er lobt die Virtuosität, mit der die Kuratorin Leah Dickerman die Ausstellung "Inventing Abstraction" im MoMA hängte, für ihre Virtuosität und Stimmigkeit und wirft ihr im selben Atemzug Purismus vor, verständlich, wenn man bedenkt, dass sie Paul Klee und Joan Miró nicht in der Ausstellung zuließ, weil sie in ihren Bildern Rudimente der Gegenständlichkeit witterte. "Vielleicht hat Dickerman Miró unter Surrealismus abgelegt, den manche ebenfalls als eine Art der Abstraktion ansehen. Und offenbar hatte sie vor, zumindest einen Klee in die Ausstellung aufzunehmen, seine 'Hommage an Picasso', aber wahr ist doch, dass Klee ein ebenso zentraler Akteur in der Ausstellung hätte sein müssen wie Léger, Malewitsch oder Arp. Je mehr ich über den Ausschluss Mirós und Klees nachdenke, desto schwerer ist er zu verstehen. Manche mögen sagen, dass 'Inventing Abstraction' eine alte Linie des Museum of Modern Art widerspiegelt, das Abstraktion oft (aber nicht immer) als Einbahnstraße in eine immer größere Reinheit ansah. Aber wenn die MoMA-Vision von Abstraktion die späteren abstrakten Expressionisten einschließt, dann ist es vollends sinnlos, Miró und Klee auszuschließen, deren poetisches Verständnis abstrakter Kunst die Avantgarde der Vierziger so tief beeindruckte." Die Illustration zeigt Klees "Hommage an Picasso".

Außerdem in der New Republic: Lydie DePillis' launige Reportage von der Consumer Electonics Show in Las Vegas.
Archiv: New Republic

La regle du jeu (Frankreich), 17.01.2013

"Schreckliche Neuigkeiten" meldet Laurent David Samama über die Mitglieder der russischen Punk-Band Pussy Riot. Die in Lagerhaft sitzende Maria Aljochina etwa sei aufgrund der Haftbedingungen und des auf sie ausgeübten psychologischen Drucks inzwischen an einer Depression erkrankt. Nadeschda Tolokonnikowa ihrerseits befindet sich in einem Lager, über das die russische Wochenzeitung New Times berichtete, dass die Frauen dort die Heizungsventile öffnen, um an warmes Wasser zu kommen. Samama zitiert sie aus einem über AFP verbreiteten Brief, in dem sie das "Grau" ihres derzeitigen "Anti-Lebens" schildert: "Das Hauptdruckmittel ist die vorzeitige Entlassung". Er verweist außerdem auf ein Interview im Magazin Les Inrockuptibles, das am Rande einer von der Vereinigung Russie-Libertés Konferenz zur Situation der künstlerischen Freiheit in Russland mit Jekaterina Samuzewitsch, dem nicht inhaftierten Mitglied der Gruppe, geführt wurde. Diese sieht derzeit die vorrangige Aufgabe darin, die beiden anderen Gruppenmitglieder zu befreien, glaubt aber, dass der feministische Kampf unbedingt weitergehen müsse. "Im Fernsehen wurde ein dreiteiliger Film über uns gezeigt, in dem behauptet wurde, wir von Pussy Riot seien nichts weiter als drei kleine dumme Ziegen, die von Boris Beresowski [russischer Milliardär, gegenwärtig im Londoner Exil, Anm.d.Red.] gesteuert würden. Es ist interessant festzustellen, dass man in Russland ziemliche Mühe damit hat zu akzeptieren, dass Frauen sich der Kunst als Ausdrucksmittel bedienen."
Archiv: La regle du jeu

n+1 (USA), 16.01.2013

Gary Sernovitz, Autor und in einem früheren Leben Analyst für eine New Yorker Investmentbank, denkt über Kunst und Risikogeschäfte nach. Der größte Kunde seiner Bank war 1997 der - inzwischen unter Beschuss geratene - Spekulant und Kunstsammler Steven Cohen. Er besitzt ein Vermögen von 8,8 Milliarden Dollar und gibt etwa acht Prozent davon für Kunst aus. Soviel Geld, meint Sernovitz, häuft nur jemand an, der einen Vorteil zu nutzen weiß. Das gilt auch für die Künstler heute, die ständig etwas Neues machen sollen: "Alle Künstler reagieren - jeweils in ihrer eigenen Art - auf ihr Innenleben, die Außenwelt und andere Kunst. Die Basiszutaten haben sich nicht geändert. Aber zu oft frage ich mich nach einer Ausstellung, in die ich hungrig nach einem starken ästhetischen Erlebnis gegangen war, warum sie mich kalt gelassen hat. Es könnte sein, dass ich nicht beschlagen genug bin, die intellektuelle Schönheit in den Ideen der Zentauren zu sehen. Es könnte sein, ermahne ich mich, dass die meiste Kunst die meiste Zeit nur so lala ist; es gab nie ein Zeitalter der allgegenwärtigen Meisterwerke. Aber manchmal kommt es mir auch so vor, als sei der Vorteil die Voraussetzung für eine Ausstellung geworden. Als sei dieser Vorteil das einzige, was noch zählt."
Archiv: n+1
Stichwörter: Geld, Kunstsammler

New York Magazine (USA), 21.01.2013

Steve Cohen, der Spekulant und Kunstsammler, ist auch einer der besten Kunden des Galeristen Larry Gagosian, den Eric Konigsberg als knallharten skrupellosen Geschäftsmann beschreibt, der sich ebenfalls ganz gut darauf versteht, den Kunstmarkt zu manipulieren: "Gagosians Aufstieg in den letzten 25 Jahren, parallel mit der Entwicklung der modernen Wall Street, teilt sicherlich einen Strang seiner philosophischen Doppelhelix mit den Investitionsplanungen von Hedge Funds. Die Idee dahinter ist, so wenig wie möglich dem Zufall - oder hier dem Geschmack - zu überlassen, um den Wert seiner Sammlung selbst festlegen zu können. Auktionen sind ein entscheidender Mechanismus nicht nur für den Verkauf von Bildern, sondern auch, um den Wert von Kunst zu etablieren und zu halten, die privat den Besitzer wechselt. Es ist folgerichtig, dass Gagosians größte Kunden selbst ernannte Titanen der Hochfinanz, des Geldmanagements und des globalen Megahandels sind: Leon Black, François Pinault, Victor Pinchuk, Eli Broad und natürlich der bedrängte Hedge-Fund-König Steve Cohen. Was immer ihre Verdienste als Kunstmäzene sind, diese Leute würden niemals Kunst kaufen, die eine schlechte Investition ist. Es ist ein weiterer Markt, auf dem gespielt wird und der besiegt werden muss."

MTV Hive (USA), 16.01.2013

Fans von Alternative oder Indie Rock sind links und weltoffen, richtig? Falsch. Nach Martin Douglas' Erfahrung sind sie genauso ausschließend wie alle anderen Gruppen. Douglas ist schwarz und ein Fan von Nirvana und Co. Da macht man seine ganz eigenen Erfahrung, erzählt er. Zu Beispiel auf einem Konzert von Joanna Newsom. "Als ich ankam, fühlte ich mich wie in einem dieser Träume, in denen man durch die Schulgänge geht und feststellt, dass man nackt ist. Jeder warf mir seinen besten abschätzenden Blick zu. Ein Mädchen verkündete hörbar: 'Ich wusste nicht, dass auch Schwarze Joanna Newsom mögen.' Leise Ehrerbietung überkam die Menge, als Bill Callahan mit einem Solo eröffnete. Sie verflüchtigte sich, als er Favoriten wie 'River Guard' und 'Let me see the colts' spielte und die Leute wie wild jubelten. Als ich zustimmend mitjubelte, erntete ich einige weitere seltsame Blicke. Den Rest der Nacht verbrachte ich in ungemütlichem Schweigen."
Archiv: MTV Hive

Elet es Irodalom (Ungarn), 18.01.2013

Ende Dezember wurde die polnische Literaturszene von einem Spitzel-Skandal erschüttert: Der Dichter und Redakteur Adam Włodek, früherer Ehemann der vor einem Jahr verstorbenen Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska, soll 1953 seinen Dichterkollegen Maciej Słomczyński bei der Staatssicherheit angezeigt haben. Bisher galt der 1986 verstorbene Włodek als großzügiger Unterstützer einer ganzen polnischen Dichtergeneration, dessen Andenken seine Frau einen mit umgerechnet etwa 12.000 Euro dotierten Preis für junge Dichter widmete. Jetzt steht der Preis in Frage - u.a. wegen der Kampagne einer Facebook-Gruppe mit dem Namen "Ist ein Spitzel das Vorbild der Dichter?". Mit dieser Frage kann der Polonist und Schriftsteller András Pályi gar nichts anfangen: "Spitzel sollte man niemandem zum Vorbild machen. Es geht um etwas ganz anderes. Für Adam Włodek haben sich Dichter wie Ewa Lipska oder Bronisław Maj zu Wort gemeldet, die Besten der heutigen polnischen Lyrik, die nichts mit der ehemaligen Partei-Ideologie am Hut haben. Sie behaupten, was Włodek für die junge polnische Literatur getan habe, werde durch seine Fehltritte nicht in den Schatten gestellt. In der Tat müssten wir endlich erkennen, [...] dass der Schriftsteller, Dichter, Künstler eben nicht dazu dient, ein Vorbild zu sein. [...] Wir können sie nur zum Vorbild machen, wenn wir ihre Biografie den Erwartungen gemäß frisieren. Denn das Leben der Schriftsteller ist nur selten vorbildhaft (was gilt überhaupt für wen als vorbildhaft?), und wenn doch, so ist es nicht ihr typisches Merkmal. Sie haben vielmehr tiefe, ergreifende, beunruhigende, neue Perspektiven bietende Gedanken über das Schicksal, Leiden und Glück des Menschen, und diese Gedanken formulieren sie auf eine Art, die dem Leben vieler anderer Menschen einen Sinn verleiht. Der ungarische Dichter Attila József, der wegen eines blasphemischen Gedichts die Universität verlassen musste, behauptete, der Dichter lehre sein Volk auf 'Nicht-Oberschulen-Niveau'. Das kann man im Sinne eines höheren Niveaus verstehen, aber genauer ist es, wenn man es als 'anders' liest. Dieses 'Andere' müssten wir endlich begreifen, anstatt mit diesen endlosen und unproduktiven Debatten und leeren Slogans fortzufahren."

New York Times (USA), 17.01.2013

Die ausländischen Truppen bereiten ihren Abzug aus Afghanistan vor. Luke Mogelson hat Mohammad Daowood, einen Kommandanten der afghanischen Streitkräfte, begleitet und beschreibt im New York Times Magazine die Gratwanderung im Ringen um das Vertrauen der Bevölkerung: "Je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, umso deutlich wurde, dass Daowood seine eigene Form von Aufstandsbekämpfung praktizierte. Dazu gehörte, dass er sich bei den Einwohnern einschmeichelte, indem er nicht nur die Taliban, sondern auch die Amerikaner und die afghanische Regierung als einen gemeinsamen Feind identifizierte. In beinahe jedem Dorf, das wir besuchten, beobachtete ich, wie Daowood vor verärgerten Bauern gegen die politische Elite in Kabul wetterte."

"Hin und wieder entwickelt sich eine Stadt zum innovativen Zentrum einer bestimmten Musikform. Zu einem Ort, wo sich die Umstände verschwören und ganz besondere kreative Blüten treiben, wo sich wahnsinnige Genies gegenseitig zu Höchstleistungen antreiben. Seattle, 1990. Die Bronx, 1979. Memphis, 1954", schreibt Dan Kois mit Blick auf die lebhafte Karaoke-Kultur in Portland, Oregon: "Kann es sein, dass sich eine der aufregendsten amerikanischen Musikszenen zur Zeit in Portland abspielt, und dass nicht ein einziger Beteiligter ein Instrument spielt?"

Schließlich untersucht Noam Cohen die Rolle des M.I.T. bei der Anklage gegen den Netzaktivisten Aaron Swartz.
Archiv: New York Times