Magazinrundschau

Der kleine Realismus sozialer Episoden

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
06.01.2015. Die LA Review of Books sucht in der Elite der Magazine vergeblich nach Autorinnen. Geschmack hilft in unfreien Regimes auch nicht weiter, erklärt Peter Esterhazy in HVG. Im Espresso ruft Roberto Saviano den Zeitungen zu: Auf in den Mezzogiorno. Der New Statesman geißelt den Sexismus der Nerd-Kultur. Clarkesworld stellt chinesische Science Fiction vor. Himal widmet sich nepalesischem Rock. Atlantic sieht den Künstler auf dem Rückweg in die Renaissance. Das Netz ist nicht Militär, erklärt der Merkur. Und wenn George Orwell Matter lesen würde, gäbe es ein Erdbeben.

LA Review of Books (USA), 22.12.2014

Beschämend gering ist die Anzahl der Autorinnen in kulturell und intellektuell bedeutenden (sich zudem meist als links und vielfältig verstehenden) Zeitschriften wie der New York Review of Books, Harper"s, Atlantic, The New Republic, The Nation, dem New Yorker oder der London Review of Books (Zahlen hier für amerikanische, hier für britische Magazine). Ausflüchte, wie die peinlich betretene London Review sie vor knapp einem Jahr in der BBC machte - Frauen reichen zu selten Artikel ein, schreiben nicht gern kritisch über andere Frauen, wollen es zu oft allen recht machen - lässt Katherine Angel nicht gelten. Wenn Frauen sich nicht bewerben, dann müssen diese Zeitschriften eben über andere Kanäle nach Autorinnen suchen: "Ist es gönnerhaft, wenn Magazine gezielt nach Autorinnen suchen? Aber nein - solange man Angelegenheiten der Geschlechtergleichheit (oder jeder Gleichheit) nicht herablassend behandelt. Es geht nicht darum, Magazine zu bitten, gnädig ihre Gunst denjenigen zuzuwenden, die bisher unbeachtet blieben. Es geht darum, sie aufzufordern, ihre Methoden zu überprüfen, über ihre Mängel nachzudenken. Mit anderen Worten: Es geht nicht nur darum, dass sie die Tatsache der Ungleichheit anerkennen, die sie fortsetzen. Es geht auch darum, dass sie die Möglichkeit erwägen, dass sie etwas verpassen."

HVG (Ungarn), 26.12.2014

Der Schriftsteller Péter Esterházy erklärt in einem Essay das moralische Ende der gegenwärtigen Regierung. Er nimmt dabei zwar auch Bezug auf die jüngsten Skandale - offensichtliche Korruptionsfälle, teure Armanduhren, Luxusreisen und Immobilienerwerb von Regierungsangehörigen - misst diesen allerdings wenig Bedeutung zu: "Neureiches Protzen ist eine Bagatelle. Kádár prahlte kaum, aus seinem Puritanismus folgte jedoch nichts Gutes. Der Generation meines Großvaters konnte man keine Geschmacklosigkeit nachsagen, nach 18 Uhr trug sie keine braunen Schuhe mehr, doch damit haben wir auch nicht viel erreicht. (...) An diesem Punkt steht der Artikel wie das Land an einem Scheidepunkt. Wir gehen entweder in das Nichts, zwischen Stühlen unter die Bank, dort wird es uns nicht gut gehen, mein Herr. Oder wir stehen zwangsweise vor einem Neuanfang - hier muss ich aber sofort an die Beckett-Anekdote denken: Als dem Meister gesagt wurde, wie schön heute das Wetter werden würde, antwortete er freundlich, dass er so weit nach vorne nicht gehen würde."
Archiv: HVG

New Yorker (USA), 12.01.2015

Im neuen Heft des New Yorker porträtiert Adam Gopnik den Soziologen Howard Becker. Gopnik notiert, wie Becker Bourdieu als karrieregeil kritisiert und erklärt, wie Beckers neues Buch "What About Mozart? What About Murder?" die soziale Komponente von irregulärem Verhalten wie Opiumkonsum herausarbeitet: "Becker zeigt Kontinuitäten auf zwischen der Mittelklasse-Hausfrau des frühen 20. Jahrhunderts, die abhängig wurde vom Opium, das man seinerzeit gegen "Frauenprobleme" verschrieb, und schwarzen Jugendlichen, die in ganz anderen Lebensumständen zu den gleichen Drogen greifen … Becker ersetzt das Melodram individueller Pathologien durch den kleinen Realismus sozialer Episoden."

Ferner: Julia Ioffe fragt, ob der frühere Oligarch Michail Chodorkowski nach zehn Jahren Haft für Putin noch gefährlich werden könnte. Und Jonathan Kalb erzählt eine persönliche Leidengeschichte: Wie er sein natürliches Lachen verlor und wie dieser Umstand sein Leben veränderte.
Archiv: New Yorker

Espresso (Italien), 31.12.2014

Zum Jahresanfang geht Roberto Saviano in seiner Kolumne nochmal seine guten Vorsätze durch. Einer davon: "Ich würde gern mal - und sage das schon seit Jahren - die Redaktion einer überregionalen Zeitung mitsamt Büro und Infrastruktur in den tiefen Süden versetzen, an die äußerste Peripherie, damit einmal klar wird, was in jenem provinziellen und so gar nicht bürgerlichen Italien vorgeht, das dennoch die Regeln setzt und das in seinem archaischen Wesen zur Norm und zum verbindlichen Wirtschaftsmodell wurde."
Archiv: Espresso
Stichwörter: Mezzogiorno, Saviano, Roberto

Clarkesworld (USA), 31.12.2014

Einen ganz eigenen literarischen Kontinent bildet die chinesische Science-Fiction, die sich in ihrem Heimatland - wie man an den schwindelerregend hohen Auflagenzahlen der entsprechenden Magazine ablesen kann - großer Popularität erfreut. Der Übersetzer Ken Liu macht dankenswerter Weise den Versuch einer groben Unterteilung (und gibt in der Auswahl-Bibliografie einige Links zu übersetzten Kurzgeschichten). Dem neugierigen westlichen Leser gibt er für eigene Erkundungen einen guten Ratschlag mit: "Westliche Leser betrachten die chinesische Science-Fiction leicht durch die Brille westlicher Träume, Hoffnungen und Märchen über chinesische Politik. "Subversion" im westlichen Sinn des Begriffs mag hier zum interpretatorischen Schlüssel werden. ... Ich möchte den Leser dringend darum bitten, solchen Versuchungen zu widerstehen. Die Vorstellung, dass die politischen Anliegen chinesischer Schriftstellern dieselben sind wie die des westlichen Lesers, wäre bestenfalls arrogant, schlimmstenfalls gefährlich. Chinesische Schriftsteller schreiben über globale Themen und die Menschheit, nicht nur über China. Und ich denke, ihr Werk von dieser Perspektive aus zu verstehen, ist die deutlich lohnendere Herangehensweise." Außerdem hat sich Ken Liu mit der Autorin Xia Jia unterhalten (hier deren Kurzgeschichte "Tongtong"s Summer").
Archiv: Clarkesworld

Himal (Nepal), 26.12.2014

In Himal bietet Premila van Ommen einen faszinierend detailreichen Überblick über die florierende Rock-, Punk- und Metalszene in der nepalesischen Community Londons. Seit 2000 ist hier ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen, allein in den letzten sieben Jahren wurden 50 Bands gegründet. Und die populärsten davon füllen tatsächlich größte Hallen, während bei den überschaubareren Konzerten die Familien der Musiker im Publikum stehen. Die Vermengung nepalesischer Folklore mit westlichem Classic Rock hat in Nepal seit den siebziger Jahren Tradition, schreibt van Ommen: "Classic Rock popularisierte sich in Nepal in den 70ern, als Ausländer auf Hippie-Trips Kassetten mit ihrer Lieblingsmusik ins Land brachten. Nepalesische Rockbands wurden gegründet, die die Lieblingsmusik der Touristen, darunter Songs von Deep Purple und den Doors, nachspielten. ... Im Nordosten Indiens ließ die Popularität verschiedener Rockmusik-Genres immer neue Generationen mit einer Vorliebe für Bass, Drums und Gitarren entstehen. Einige wurden zu den Onkeln und Vätern von Studenten in Großbritannien, andere die älteren Brüder, die ihren jüngeren Geschwistern jene Musik vorstellten, die man sich am besten anhören sollte. Als die Nepalis nach Britannien zogen, brachten sie im Gepäck die Rockmusik mit sich, mit der sie aufgewachsen waren."

Kostprobe? "Beyond Perfection" von Symbol of Orion:


Archiv: Himal

The Atlantic (USA), 28.12.2014

Was genau ist ein Künstler? In der Renaissance galt er als Kunsthandwerker, in der Romantik als einsames Genie, nach dem Zweiten Weltkrieg war er ein von Institutionen beglaubigter Profi - und heute? Heute sehen wir, wie er sich dank des Internets zum Entrepreneur entwickelt, erklärt William Deresiewicz und beschreibt die Veränderungen, die damit einhergehen: "Wir sehen in dem neuen Paradigma - sowohl auf die externen Beziehungen des Künstlers wie auf seine inneren kreativen Fähigkeiten bezogen - was wir überall in der Kultur sehen: Tiefe wird durch Breite ersetzt. Ist das eine gute oder schlechte Sache? Es ist zweifellos beides, allerdings in einem noch unbekannten Verhältnis. Klar erscheint jedenfalls, dass dieses neue Paradigma die Ausbildung von Künstlern verändern wird. Ein kürzlich geschaffenes M.F.A.-Programm in Portland, Oregon, ist in der Rubrik "angewandtes Kunsthandwerk und Design" aufgelistet. Studenten aus den verschiedensten Disziplinen studieren Entrepreneurship ebenso wie kreative Tätigkeiten. Das Machen, erkennt das Programm, ist jetzt verflochten mit dem Verkaufen und Künstler brauchen ein Training in beidem - eine Tatsache, die die Ausbreitung dualer M.B.A./M.F.A.-Programme widerspiegelt."

Außerdem: Karen Swallow Prior beschreibt T.S. Eliots J. Alfred Prufrock als Urbild des Hipsters.
Archiv: The Atlantic

Merkur (Deutschland), 01.01.2015

Das Netz hat unter anderem militärische Ursprünge, vor allem im "Arpanet" einer militärischen Forschungseinrichtung der USA, aber es auf die militärische Herkunft zu reduzieren, ist aus mehreren Gründen gefährlich, ganz besonders weil Anhänger dieser These die Solidität des doch auch zivilgesellschaftlichen so wichtigen Instruments überschätzen, meint Günter Hack in einer kenntnisreichen Anlayse (hier als pdf-Dokument): "Bei genauerem Hinsehen kann die Frage, ob das Internet ein Projekt mit zuvorderst militärischer Aufgabenstellung ist, dessen zivile Nutzung nur geduldet wird, beim heutigen Stand der Forschung mit einem klaren Nein beantwortet werden. Die Forschung über paketvermittelte Kommunikation wurde zwar von der ARPA als einer Agentur des Verteidigungsministeriums angestoßen und gefördert, aber ausdrücklich als Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Interaktion, nicht um die militärische Kommunikation im Fall eines Atomkriegs aufrechterhalten zu können."

Außerdem online im neuen Merkur: Paul Kahl und Hendrik Kalvelage über den "Erinnerungsort Goethe-Nationalmuseum in Weimar" (hier als pdf-Dokument).
Archiv: Merkur
Stichwörter: Arpanet, Internet, Erinnerungsorte

Bloomberg Businessweek (USA), 29.12.2014

Silicon Valley? Langweilig, so eingefahren. Die jungen Entrepreneure, also die unter 30-Jährigen zieht es ganz woanders hin, erzählt Karen Weise: nach Afrika. Nairobi zum Beispiel. Hier kann man wirklich alles neu erfinden, sogar soziale Projekte, die sich rentieren: "Maeghan Orton, die die afrikanische Zweigstelle von Medic Mobile leitet, einem Zulieferer für medizinische Technologie, sagt, sie steche manchmal heraus als das "weiße Mädchen, das auf einer Farm in Süddakota aufwuchs". Etwa achtzig Prozent ihrer Zeit bereist sie die Region und arbeitet mit Gesundheitsministerien und Hilfsorganisationen überall in Ostafrika, um medizinische Apps für einfache Handys zu entwickeln. Sie erklärt beispielsweise, warum ein Ipad mit seinem kurzen Batterieleben ungeeignet ist für eine Klinik auf dem Land. Orton überzeugte auch ihren Ehemann, nach Nairobi zu ziehen - es war Teil eines "merkwürdigen Ehevertrags", wonach sie einige Jahre in Afrika leben würden. Drei Monate nach dem Umzug, während einer der monatlichen "Whiskey Nächte", bei denen sie zollfreien Alkohol am Lagerfeuer trinken, entschieden er und ein Freund, WiFi-Hotspots für ländliche Gebiete zu entwickeln. Kürzlich haben sie die Technologie auf einer dreiwöchigen Reise durch Südafrika getestet."

New Statesman (UK), 29.12.2014

Eine irre Debatte entspinnt sich gerade zwischen Boston und London über den Sexismus der Nerd-Kultur. Auf seinem Blog hatte der MIT-Professor Scott Aaronson beschrieben, wie ihm die Mathematik aus der traumatisierenden Pubertät half. Außerdem sei er immer Feminist gewesen, aber am Ende wollten die Mädchen doch immer nur die coolen Neandertal-Typen. Er fühlt sich jedenfalls keineswegs als "privilegierter Mann": "Ich habe mich in meinen prägenden Jahren - im Grunde von 12 bis Mitte 20 - überhaupt nicht bevorzugt gefühlt, ich lebte in Angst und Schrecken. Ich hatte Angst, dass eine meiner Klassenkameradinnen irgendwie merken könnte, dass ich sie sexuell begehre und dass ich im selbem Moment verlacht und verhöhnt würde, als Spinner oder Widerling gebrandmarkt, von der Schule oder ins Gefängnis geworfen. Und dass schließlich die Leute, die mir diese Dinge antun würden, moralisch völlig im Recht wären - auch wenn ich nicht ganz verstand, wieso."

Im New Statesman fragt nun Laurie Penny, warum eine schlimme Pubertät als Argument dienen soll, Frauen aus der IT herauszuhalten, also aus dem Bereich, wo derzeit in ungeahntem Maße Wohlstand und Macht geschaffen, neu verteilt und zementiert werden: "Darum ist das Silicon Valley am Arsch: Es ist von einigen der privilegiertesten Menschen in der Welt errichtet und geführt, die sich jedoch für die geringsten halten. Von traumatisierte Menschen, die in keiner Weise den Anliegen anderer Menschen Gehör schenken, deren Traumata nämlich in struktureller Unterdrückung wurzeln. Von Menschen, die nicht hören wollen, dass jemand mehr Unterdrückung erfahren hat als sie. Die sich immer noch nicht von ihrer schrecklichen Nerdoleszenz erholt haben und deshalb nicht hören wollen, dass Frauen oder Schwarze vielleicht durch die gleiche Hölle einer Nerd-Pubertät gehen mussten."
Archiv: New Statesman

Eurozine (Österreich), 22.12.2014

Joe McNamee von der Organisation European Digital Rights (Edri.org) erklärt in Eurozine, warum auch das Thema Netzneutralität mit der Frage von Privatsphäre und Bürgerrechten im Netz engstens verknüpft ist. Und er sieht eine unheilige Allianz zwischen Staaten und Internetprovidern heraufziehen: "Access Provider lassen sich sehr gern bitten, bestimmte Online-Inhalte "freiwillig" zu blockieren. Dies erlaubt es Politikern, Verantwortung im Kampf gegen tatsächliche Verbrechen - etwa Kindesmissbrauch und entprechende Videos - abzuschieben. Und sobald solche Blockaden für echte Verbrechen erlaubt sind, können sie für weniger legitime Zwecke wie die Durchsetzung von Urheberrechten genutzt werden. Wie auch immer die Frage, die Antwort lautet: "Sollen doch die Access Provider diesen Inhalt blockieren." Diese begrüßen die Banalisierung der Eingriffe, denn sie schaffen eine Welt, in der die Provider entscheiden, wer auf dem Online-Marktplatz zu den Siegern oder Verlierern gehört."
Archiv: Eurozine

Matter (USA), 18.12.2014

(Via Netzpolitik) In dem kooperativen Medienprojekt Matter veröffentlicht James Bridle eine sehr ausführliche Reportage über Überwachung in Großbritannien, die man wegen Erdbebengefahr nicht vor George Orwells Grab vorlesen sollte. An einem Beispiel zeigen sie, dass die britische Polizei mittels Kameras am Wegesrand und in Polizeiautos, die Autokennzeichen entziffern können, jedes Auto im Land innerhalb von zwanzig Minuten finden können: "Britannien ist eines der am stärksten überwachten Länder der Welt. Studien schätzen die Zahl funktionierender Überwachungskameras auf zwei bis vier Millionen - für eine Bevölkerung von 60 Millionen. Die DNA-Datenbank des Landes verfügt über Daten von sechs Millionen Bürgern. Telekom-Firmen sind gehalten, die Daten von Handytelefonaten 12 Monate lang zu speichern und sie der Regierung zur Verfügung zu stellen. In vielen Städten haben Überwachungskameras Lautsprecher, so dass Angestellte - zumeist Personal der Städte - Bürger, die sie auf den Bildschirmen sehen und deren Verhalten sie verdächtig finden, direkt ansprechen können."
Archiv: Matter

Lapham's Quarterly (USA), 05.01.2015

Der Autor Pico Iyer, als Sohn indischer Eltern in England geboren, in Kalifornien aufgewachsen und mit einer Japanerin verheiratet, fühlte sich immer als Fremder. Darum reist er gern und viel, erzählt er, er mag dieses Gefühl des Fremdseins. Irritierend findet er Reisende, die sich angeblich überall zu Hause fühlen. Sie gucken einfach nicht richtig hin, glaubt er. "Japan bleibt es selbst, indem es einen unüberbrückbaren Graben zieht zwischen denen, die dazugehören und denen, die es nicht tun. Das hat das Land natürlich zurückgeworfen, in einer immer durchlässigeren Welt der Mehrheimischen. Und es ist eine Quelle verständlicher Frustration zum Beispiel bei den Koreanern, die seit Generationen in Japan leben, aber - bis vor ganz kurzem noch - verpflichtet waren, jedes Jahr ihre Fingerabdrücke abzuliefern, und die keinen Anspruch auf einen japanischen Pass hatten. Doch einem lebenslangen Besucher ist die Klarheit dieser Trennung willkommen. Im freien, lässigen Kalifornien fühle ich mit immer so akzeptiert wie alle anderen. Aber das führt aber nicht dazu, dass ich mich mehr wie ein Kalifornier fühle. Außerdem weiß ich, dass Japan nur so reibungslos funktionieren kann, weil jeder einen bestimmten Teil derselben Melodie singen muss, so dass ein einziger choraler Körper entsteht. Das System, das mich draußen hält, produziert die Effizienz und Harmonie, die mich anzieht."

New York Times (USA), 04.01.2015

Im aktuellen Magazin der New York Times gibt uns Christopher Glazek Einblick in die Welt des Kunst-Christophorus Stefan Simchowitz. Der Mann macht viel Geld damit, Künstlern in Not ein Zuhause, trockene Wäsche oder einen Ort zum Arbeiten zu verschaffen. Als Gegenleistung nimmt er die Arbeiten des Künstlers zu Spottpreisen, um sie später an eine gut betuchte Klientel weiterzuverkaufen. Gut oder böse? Glazek nennt ihn den Satan der Kunstmäzene: "Simchowitz selbst sieht sich als eine Art Mark Zuckerberg der Kunstwelt, ein Spieler des 21. Jahrhunderts, der das institutionalisierte Establishment unterläuft. Gegen seinen Ruf als opportunistischer Geschäftsmann besteht er darauf, langfristig zu arbeiten und nach dem ganz großen Fisch zu suchen."

Und Brook Larmer zeigt, wie der standardisierte Aufnahmetest für Chinas Universitäten, genannt "gaokao", zwar beängstigend effiziente Testkandidaten produziert, aber sein eigentliches Ziel verfehlt: "Wie das antike königliche Examen "keju" war das "gaokao" als Mittel gedacht, ein elitäres System durch eine Meritokratie zu ersetzen, indem es Schülern aus ärmlichen Verhältnisse einen Weg nach oben eröffnet … Aber Schüler aus ländlichen Gebieten sind weiterhin schwer benachteiligt. In den Dörfern sind die Schulen schlecht ausgestattet und gut ausgebildete Lehrer sind rar. Wohlhabende Städter dagegen können sich Privatlehrer und Vorbereitungskurse leisten oder sich mit Geld in die besten Schulen "einkaufen"."
Archiv: New York Times