Magazinrundschau

Reflexion über das Verlangen

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
20.01.2015. Selbst schuld, meint der syrische Präsident Assad nach dem Massaker bei Charlie Hebdo in Literární noviny. In The Big Round Table erzählt eine junge Frau von der Beschneidung ihrer Klitoris und den Folgen. Wer die NSA mit der Stasi vergleicht, verharmlost beide, ärgert sich Wired. In Guernica erklärt der Unternehmer Peter Barnes, wie man die Mittelklasse mit Commons rettet. Das TLS liest fantastische Geschichten aus Ägypten.

Literarni noviny (Tschechien), 15.01.2015

Ausgerechnet der Literaturzeitschrift Literární noviny gab der syrische Präsident Assad einen Tag nach dem Massaker bei Charlie Hebdo eines seiner seltenen Interviews. Im Gespräch mit Tereza Spencerová wirft Assad dem Westen Naivität in Hinblick auf den Terrorismus vor. "Wir haben immer gesagt, ihr dürft dem Terrorismus (…) keinen politischen Schutz bieten, denn das wird auf eure Länder und eure Völker zurückfallen. Doch man hat nicht auf uns gehört. Die westliche Politiker waren kurzsichtig und borniert. Was gestern in Frankreich passiert ist, beweist, dass unsere Aussage richtig war. Dieses Ereignis zieht gleichzeitig die europäische Politik zur Rechenschaft, denn sie ist verantwortlich für das, was in unserer Region passiert ist, für das, was gestern in Frankreich geschehen oder was vielleicht schon früher in anderen Ländern geschehen ist."

Philadelphia (USA), 11.01.2015

Im März 1971 brachen Unbekannte in ein FBI-Büro in Pennsylvania ein und stahlen Dokumente, die belegten, dass der Geheimdienst amerikanische Bürger überwachte. Als sich im vergangenen Jahr John und Bonnie Raines zu dem Einbruch bekannten, wurden sie von der Öffentlichkeit als Helden gefeiert. Steve Volk porträtiert das Ehepaar, das bei öffentlichen Auftritten die Parallelen zu den Enthüllungen von Edward Snowden hervorhebt und hofft, dass auch ihm eines Tages die gebührende Würdigung zuteil wird: ""Ein Land, das sich von Angst regieren lässt, ist ein schlecht regiertes Land", sagt John. "In den Fünfzigern und Sechzigern waren wir ein von Angst regiertes Land. Die Angst damals lautete Kommunismus. Er war überall. Und wenn ein Politiker als nachgiebig gegenüber dem Kommunismus galt, dann war seine Karriere vorbei. Deshalb mussten wir tun, was wir getan haben. Heute scheint mir dasselbe zu passieren. Als Politiker kannst du dich nicht mit der NSA anlegen. Du kannst nicht verurteilen, was FBI und CIA treiben - und wovon wir dank Snowden wissen. Denn wenn es wieder einen Anschlag geben sollte, dann ist deine Karriere vorbei. Wir sind heute ein schlecht regiertes Land, glaube ich.""
Archiv: Philadelphia

Linkiesta (Italien), 18.01.2015

Marco Cesario war für Linkiesta in Sarcelles unterwegs, einer Stadt in der Pariser Banlieue, die die zweitgrößte jüdische Gemeinde Frankreichs nach Paris beherbergt. Meist handelt es sich um Juden aus arabischen Ländern. Georges Haddad führt ihn herum, ein Jude tunesischen Ursprungs. Sie besuchen jüdische Geschäafte und nähern sich einer Synagoge. "Zwei Polizisten mit Maschinenpistole im Anschlag überwachen den Eingang, seitlich parkt ein Polizeiwagen. Kaum ziehe ich einen Fotoapparat aus meiner Tasche, nähert sich mir ein Polizist und fragt nach Papieren und Presseausweis. In kurzer Zeit bin ich von Polizisten umringt, die mich von Kopf bis Fuß taxieren. Das Klima ist immer noch äußerst angespannt, Synagogen gehören zu den empfindlichsten Zielen. Der Polizist stellt mir viele Fragen und geht dann in den Polizeiwagen, um Erkundigungen einzuziehen. Der Sicherheitsbeauftrage für die Synagoge will mich nicht eintreten lassen. "Ich lebe hier seit 52 Jahren, noch nie ist mir der Eintritt in eine Synagoge verwehrt worden", sagt Haddad."
Archiv: Linkiesta

Wired (USA), 14.01.2015

Obwohl die NSA regelmäßig als neue Stasi apostrophiert wird, muss Andrew Curry dieser Gleichsetzung vehement widersprechen - und das nicht allein deshalb, weil die NSA schon technologisch der Stasi in jeglicher Hinsicht haushoch überlegen ist: "Die beiden Dienste unterscheiden sich enorm. Bei dem Versuch, die DDR zu kontrollieren, machte sich die Stasi in jedem Aspekt des Alltags bemerkbar. Ihre Macht lag nicht allein in den durch Überwachung gewonnenen Informationen, sondern in der Angst und dem Misstrauen, die von dieser Sammlung ausging. Die NSA wiederum agiert am besten aus dem Dunkeln heraus, während ihre Ziele davon keine Notiz nehmen, geschweige denn von ihrem Dargnet-System zur Datenakquise. ... Deshalb ist dieser Vergleich so trügerisch. Er verniedlicht den Schrecken der Unterdrückung, auf den die Stasi abzielte, und spielt die Bedrohung, die die geheime Überwachung der NSA für unsere Demokratie darstellt, herunter.

Gerade in den US-Kinos gestartet, im Februar dann auch bei uns im Kino: Michael Manns neuer Film "Blackhat", ein Hacker-Actionthriller, der schon seiner Thematik wegen ein gefundenes Fressen für das Geek-Magazin Wired darstellt. Hier befragt Angela Watercutter den Altmeister des intellektuellen Actionfilms, wie er sich der Thematik angenähert hat: Ihm ging es vor allem um ein Maximum an Realismus, erklärt er. Dies scheint ihm geglückt zu sein, jedenfalls fielen die Reaktionen bei einer Vorführung vor Sicherheitsexperten der größten IT-Unternehmen - trotz einiger Lacher bei dramaturgischen Freiheiten, die sich Mann auch nimmt - im wesentlichen positiv aus, wie Cade Metz berichtet: "Viele im Publikum klatschten Beifall, wenn bei Mann die Spione von der NSA als Idioten - und beinahe schon Bösewichte - dastehen und die Chinesen als die Guten. Es ist nicht nur so, dass Mann viele Details auf den Punkt bringt. Es ist nicht nur so, dass er Klischees vermeidet. Er stellt sie auf den Kopf. Ist "Blackhat" also der beste Hackerfilm, der je gedreht wurde? Vielleicht. ... Man kann jedenfalls nicht leugnen, dass Manns neuer Film eine Meute von IT-Spezialisten, die gekommen waren, um ihn auseinanderzupflücken, glänzend unterhalten und, das kann man wirklich sagen, beeindruckt hat. Keine kleine Leistung!"

Dass die USA in den vergangenen 30 Jahren die Hysterie rund um Hackerfilme immer wieder dazu genutzt hat, um die - zur Aufspürung von Sicherheitslücken notwendige - Arbeit von Hackern juristisch zu erschweren, erfahren wir von Kevin Poulsen, der Michael Mann bei der Produktion als Berater zur Seite stand. Nun hofft er, dass die Regierung sich diesen Film, der mit einem explodierenden Kernkraftwerk in China beginnt, niemals ansehen wird: "Jedem Politiker, der dies liest, sei von einem, der daran beteiligt war, dass "Blackhat" sich so authentisch wie möglich anfühlt, gesagt, dass keine Kernkraftwerke explodieren werden. Und falls Sie das doch denken, dann sollten Sie ihre Mühen darauf verwenden, anfällige Systeme vom Netz zu nehmen. Stecken Sie Geld in die Forschung, bieten Sie Organisationen Anreize, in Sicherheit zu investieren, verabschieden Sie Offenlegungsgesetze, die dazu verpflichten, Dateneinbrüche öffentlich zu machen, damit die Öffentlichkeit saumselige Firmen zur Rechenschaft ziehen kann. Blindlings Haftstrafen für die paar Hacker zu erhöhen, die geschnappt werden, wird nichts bringen. Und Sicherheitstools zu kriminalisieren, nur weil man sie auch missbrauchen kann, wird nur den echten Blackhats in die Hände spielen."

Außerdem lesenswert: Joao Medeiros" detaillierte Reportage über die neueste Soft- und Hardware, die Stephen Hawking sprechen lässt (hier zudem Medeiros" Gespräch mit dem berühmten Astrophysiker). Und Lizzie Wade berichtet von Communities im mexikanischen Hinterland, die sich mit Antennen Marke Eigenbau ans mobile Internet anschließen.
Archiv: Wired

Telerama (Frankreich), 15.01.2015

Mit einem offenen Brief an ihre Schüler reagiert die Literaturlehrerin eines Pariser Lycées auf die Ereignisse letzter Woche in Paris. Fanny Capel versucht darin, ihnen Werkzeuge zur Verteidigung der Werte der Aufklärung - "sich Zeit lassen, beobachten, vergleichen, lösen, kritisieren, sich äußern" - an die Hand zu geben. Jeder spreche im Namen des Koran, aber wer habe ihn schon ganz gelesen? "Wer kann sich anmaßen zu behaupten, ihn in seiner Gänze zu beherrschen, obwohl sich häufig selbst Gelehrte, die ihn ihr ganzes Leben lang Punkt für Punkt durchgegangen sind, über die Bedeutung bestimmter Passagen uneinig sind (das Gleiche gilt natürlich für alle religiösen Texte)? Wer kann sich anmaßen, den Propheten zu "rächen", als könne sich der Prophet (ganz zu schweigen Gott selbst!) nicht selbst verteidigen? Findet ihr das nicht unglaublich überheblich von diesen angeblichen "Gläubigen", die zur Waffe greifen, um ihm Namen ihres Gottes zu töten?"
Archiv: Telerama
Stichwörter: Frankreich, Islam

Guernica (USA), 15.01.2015

Keine linke Idee ist heute subversiver als die der Commons. Sie bekämpft den Kapitalismus nicht, sondern sieht ihn als ein Bewässerungssystem, von dem alle profitieren können. Der Unternehmer Peter Barnes will in Guernica mit dieser Idee die darbende Mittelschicht retten. Sein Ausgangspunkt ist eine Erfindung eines republikanischen Senators in Alaska, der einen Teil der Öldividende auf die Bevölkerung umlenkte, so dass jeder Einwohner Alaskas jährlich 1.000 bis 3.000 Dollar erhält - kein schlechtes Zubrot für eine vierköpfige Familie! Ähnlich, so argumetiert Barnes, könnten etwa luftverschmutzende Unternehmen dazu gebracht werden, einen Teil ihrer Dividende an die Allgemeinheit zurückzugeben und damit zugleich einen Anreiz zu Klimaschutz zu erhalten. Auch die ewigen ideologischen Streitigkeiten in Amerika könnten damit geschlichtet werden. "Dividenden aus gemeinsamem Eigentum umgehen diesen bitteren Krieg. Sie brauchen keine Steuern oder Regierungsprogramme. Einmal eingeführt, basieren sie allein auf dem Markt. Und da dieses Einkommen legitim ist, kann es nicht als Wohlfahrt betrachtet werden. Es ist wichtig anzumerken, dass die Alaska-Dividenden immens populär sind. Politiker beider Parteien singen Loblieder auf sie, genau wie die Wähler."
Archiv: Guernica

Times Literary Supplement (UK), 17.01.2015

Als "Meilenstein in der Geschichte der literarischen Fantasie" preist Patricia Storace die erstmals ins Englische übersetzte älteste arabische Textsammlung "Tales of the Marvellous". Selim der Grausame brachte sie 1517 nach der Eroberung Kairos 1517 nach Konstantinopel, wo sie der Orientalist Helmut Ritter 1933 in der Bibliothek der Hagia Sophia entdeckte. Anders als die "Geschichten aus Tausend und einer Nacht", meint Storace, dienen die "Fantastischen Erzählungen" nicht der Reflexion über das Verlangen, sondern ganz klar seiner Befriedigung: "Ein König will Geschichten mit gutem Ende, um ihn in schlafloser Nacht zu beruhigen, ein anderer will den Schmerz über den Verlust seiner 15-jährigen Tochter durch Geschichten lindern, die "ihn Frauen und Mädchen hassen lassen und damit froh über den Tod der Tochter machen". Die Wirkung von ungezügeltem Verlangen wird ebenfalls beschrieben - die Freuden, Schrecken und unvorhersehbaren Folgen seiner Befriedigung. In der siebten Geschichte ermordet Arus al-Ara"is den Dschinn, der ihr Liebhaber war, indem sie ihm dem Kopf abschlägt. "Bist Du jetzt glücklich, da ich meine alte Liebe getötet habe?", fragt sie ihren neuen Geliebten. "Ja, bin ich", antwortet der."

Außerdem: Wesley Stace findet John Lydons Memoiren "Anger is an Energy" eigentlich nur vergnüglich, wenn er Sex-Pistol-mäßig in die Offensive geht ("Fucking say thanks, cunts!"), meist aber erschreckend oberlehrerhaft.

Big Round Table (USA), 19.01.2015

Mariya Karimjee wurde in eine kleine Sekte von Schiiten in Pakistan geboren. Im Alter von sieben Jahren ließ man ihr die Klitoris abschneiden. Später zog die Familie in die USA, wo Karimjee, als sie erwachsen wurde, langsam anfing zu begreifen, was man ihr angetan hatte. In einem beeindruckenden Artikel schildert sie ihre ersten schwierigen Versuche mit Sex und ihr gestörtes Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrer Großmutter, die damals in die Verstümmelung einwilligten: "In den drei Tagen, bevor ich endlich Sex mit meinem Freund haben sollte, war die einzige Person, mit der ich reden wollte, meine Mutter. Niemand anderem traute ich zu, mir wirklich sagen zu können, wie Sex sein würde, wenn einem ein Teil der Klitoris fehlt. Zugleich war ich mir aber gar nicht sicher, ob ich wirklich erfahren wollte, dass meine Mutter ihr Leben lang kein Vergnügen beim Sex hatte. Das machte mir Angst. Was, wenn das auch meine Zukunft sein sollte? Oder schlimmer noch: Was, wenn sie Orgasmen gehabt hätte, ich es aber nicht tun würde? Mein Hass drohte in die eine oder andere Richtung auszuschlagen: Mehr Hass schien fast unmöglich, weniger Hass schien eine noch schlechtere Wahl: Wenn ich sie dafür nicht hassen könnte, wen sollte ich verantwortlich machen?"
Archiv: Big Round Table

Slate.fr (Frankreich), 17.01.2015

Vincent Manilève nimmt sich die Verwendung von zwei Begriffen vor, die in den Medien derzeit wieder verstärkt zirkulieren, wo sie zur Erklärung der jüngsten Anschläge auf islamische Einrichtungen herangezogen werden: islamophob und anti-muslimisch. Er sieht im komplizierten Gebrauch dieser beiden Begriffe eine gewisse Mehrdeutigkeit am Werk. Manilève lässt den Soziologen Houda Asal zu Wort kommen, der sich in einem Aufsatz ("Islamophobie: la fabrique d"un nouveau concept") mit dem Begriff Islamophobie beschäftigt hat: "Asal ist der Ansicht, dass man "nach langen semantischen Debatten über die Treffsicherheit und Relevanz des Begriffs "Islamophobie" heute sagen kann, dass er ein Synonym für "anti-muslimischen Rassismus" geworden ist ... Spricht man von Islamophobie, anti-muslimischem Rassismus oder Muslimophobie, besteht das Problem letztlich darin zu definieren, was Rassismus ist und wie man von einer Feindseligkeit gegenüber der Religion zu einer essentialistischen, umfassenden und stigmatisierenden Sicht auf alle Moslems kommt.""
Archiv: Slate.fr

New Yorker (USA), 26.01.2015

Im neuen Heft des New Yorker erklärt Adam Gopnik, warum Michel Houellebecq gar kein Provokateur ist, sondern einfach ein Satiriker, einer der heutige Verhältnisse weiterdenkt, einer zudem mit wenig poetischem Gespür, aber aufrichtig, weil er wirklich an den Verhältnissen leidet, wie Gopnik meint: "Französische Rezensenten und amerikanische Vorschauen auf Houellebecqs neues Buch lassen eine bissige sardonische Polemik erwarten über das Böse am Islam, die Absurditäten des Feminismus, die Demoralisierung Frankreichs. Tatsächlich ist der Ton des Buches melancholisch. Das Leben erfüllt den Autor mit Trauer … Der Islamophobie-Vorwurf scheint unangebracht. Houellebecq ist nicht islamophob, er ist frankophob. Die imaginierte islamische Regierung in Frankreich wird eher liebevoll gezeichnet: Es herrschen Sicherheit und Höflichkeit, die Bildungsreform ist mustergültig - fast eine Art Neo-Gaullismus … In "Unterwerfung" verweigert die islamische Führung den großen Unternehmen ihre Unterstützung zugunsten kleiner Handwerksbetriebe. Doch für das bodenständige Frankreich kommt all das zu spät, so muss es sich unterwerfen … Satire zeigt, was geschieht, wenn nichts passiert, um das, was passiert zu ändern. Aber das ist nicht die Wirklichkeit."

Weitere Artikel: Mattathias Schwartz findet, für die Terrorabwehr braucht es keine Ausweitung des Überwachungsstaats, weil nahezu alle Urheber großer Terrorakte in den vergangenen 15 Jahren den Behörden ohnehin bekannt waren: Große Datenmengen nützen nichts, wenn man unfähig ist, die wichtigen Informationen herauszufiltern. Jill Lapore schildert Bemühungen, dass Netz zu archivieren. Und Alex Ross erinnert daran, wie der Anwalt Karl Heinrich Ulrich vor über hundert Jahren in Berlin für die Schwulenrechte eintrat.
Archiv: New Yorker

London Review of Books (UK), 22.01.2015

Verdankt sich der Frieden in Nordirland der geschickten Desinformation von Geheimdiensten? Solche Geschichten lesen MI5 und MI6 zur Abwechslung bestimmt mal gern! Owen Bennett-Jones erzählt jedenfalls, dass vor allem ein Satz den Startschuss für die Friedensverhandlungen gab, nämlich die Botschaft von IRA-Mann Martin McGuinness an die Londoner Regierung: "Unser Kampf ist vorbei, aber wir brauchen Eure Hilfe, um ihn zu beenden." Allerdings bestreitet McGuinness, so etwas gesagt zu haben. Er behauptet, es war der Geschäftsmann Brendan Duddy; Duddy verweist auf einen Mann namens "Fred", also MI5 oder MI6: "So wie John Major niemals erlaubt hätte, der IRA zu sagen, dass Irland geeint werden wird, so hätte McGuinness niemals die Worte benutzt, die Fred übermittelte. Als das Ganze herauskam, war die IRA gründlich irritiert. Duddy wurde von der obersten IRA-Führung einem feindlichen Verhör unterzogen. Eine Notiz von ihm beschreibt, wie eingeschüchtert er war: "Ich wurde immer wieder für drei Stunden verhört, um meinen Verrat zu gestehen. Es war schrecklich, totaler, paranoider Wahnsinn. Tagelang wartete ich danach auf das Klopfen an meiner Tür.""

Francis FitzGibbon dröselt einen Prozess auf, bei dem 2007 die Funktionäre der palästinensischen Holy Land Foundation wegen Unterstützung der Hamas zu Haftstrafen bis zu 65 Jahre verurteilt wurden, obwohl die Beweislage mehr als zweifelhaft war. Zum Beispiel gab die amerikanische Regierung selbst Geld an genau die gleichen Hilfskomitees in Gaza wie die Stiftung: "Als Geschichte über rechtliche Schikanen durch die Regierung, moralische Panik und Komplizenschaft durch die Gerichte sind die Geschehnisse um die Holy Land Foundation kaum zu überbieten."

Spectator (UK), 17.01.2015

Kraftwerk haben die moderne Popmusik mehr geprägt als jede andere Band. William Cook staunt über eine Zeit, als Deutschland noch keine Angst vor neuer Technologie hatte: "Seit dem Start vor 45 Jahren war Kraftwerks Einfluss überall zu spüren, in jedem Pop-Genre, das man sich vorstellen kann - und einige, bei denen man es nicht kann. David Bowie war der erste in der Reihe, mit seinem Album "Heroes" 1977 machte er Kraftwerk-Gründer Florian Schneider groß. New Order nutzten Schneiders Musik für ihre Synthesizer-Hymne "Blue Monday", REM ist eine von Hunderten von Gruppen, die dem Zug folgten. HipHop, House und Techno sind ohne Kraftwerk unvorstellbar. Sie waren die erste Band, die sich moderne Technologie zu eigen machten - nicht nur mit den eingesetzten Instrumenten, sondern auch in den Themen ihrer Songs."

In der Titelgeschichte überlegt Qanta Ahmed, wie man den Islam von den Islamisten befreien kann.
Archiv: Spectator

Nepszabadsag (Ungarn), 17.01.2015

Angesichts des Massakers in Paris hofft der Politologe László Lengyel auf eine neue, aufgeklärte, europäische Reformgeneration: "Wer nicht die Ausgrenzung, Erniedrigung, das Verprügeln und Töten des Anderen plant, nur weil der anders denkt oder sich anders benimmt, der findet sich bei den liberalen Demokratien und den Reformern wieder, die zaghaft an dem europäischem way of life bauen und ihn verteidigen: Die Älteren eher mit Bach und Stendhal, mit Bartók und Cézanne, die Jüngeren eher mit Wut: Ich bin wer ich bin, wer ich sein will! - je suis Charlie, Guevara... Wahrscheinlich wird es ohne diese Wut keine Veränderung geben. Doch wenn keine neue, europäische Reformgeneration kommt, die nicht nur Wut hat, sondern auch die Gründe ihrer Wut versteht, die nicht nur demonstrieren oder auswandern will, sondern die Richtungen, Abfolgen und Formen der Veränderungen durchdenken, besprechen und verwirklichen kann, dann wird uns das nationalistische Gespenst aus der Welt treiben."
Archiv: Nepszabadsag

New York Times (USA), 17.01.2015

Im aktuellen Magazin der New York Times begleitet Maggie Jones Adoptivkinder aus Südkorea, die während der Adoptionswelle Mitte der 80er Jahre, als rund 9000 Kinder überwiegend in die USA vermittelt wurden, das Land und ihre Familien verließen. Der Artikel erklärt die Hintergründe der Adoptionen und die Schwierigkeiten der Adoptierten, eine eigene Identität zu finden: "Damals machte man den (überwiegend alleinerziehenden) Müttern weis, es wäre egoistisch, ihre Kinder zu behalten, da sie doch die Chance auf eine intakte Familie in den USA hätten. In den 1980ern war Adoption ein großes Geschäft, das koreanischen Adoptionsagenturen Millionen Dollars bescherte. Zugleich hatte der Staat ein Kind weniger zu ernähren. Bis 1985 hatte Südkorea den Ruf des Cadillac unter den Adoptionsprogrammen, so effizient und konstant war das Angebot an gesunden Babys. Die Zahl der Adoptionen nahm zu, durchschnittlich 24 Kinder verließen Südkorea - täglich. Umso bedrückender, als Südkorea damals prosperierte …"

"Durch die Straßen amerikanischer Städte spuken die Geister von Buch- und Plattenläden, die von den größten Gangstern in der Geschichte der Kulturindustrie zerstört wurden." Der 62-jährige Leon Wieseltier, aus seiner geliebten New Republic vom jungen, im Internet groß gewordenen neuen Eigentümer des Magazins vertrieben, beklagt in der New York Times Book Review laut den Niedergang der Kulturmedien. Das Zeitalter des Posthumanismus dämmert heran, warnt mit lodernder weißer Mähne der Literaturkritiker, gibt am Ende aber Entwarnung: Auch die neue Technologie braucht alte Kulturtechniken.

Außerdem: Ian Urbina Neal Gabler erklärt uns die fabelhafte Welt der Wortsucher - Werbestrategen, die für jedes neue Produkt, jede neue Firma den passenden, erfolgversprechenden Namen finden. Und Irina Aleksander begleitet Karl Lagerfelds Muse Brad Kroenig im Privatjet.
Archiv: New York Times