Magazinrundschau

Das Athen des Westens

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
07.04.2015. Die New York Review of Books schickt Joseph Mitchell zur Hölle für seine giftige Mischung aus Fakten und Fiktionen. Vanity Fair porträtiert die Zarnajew-Verteidigerin Judy Clarke. NPR entdeckt das Innenleben afro-amerikanischer Männer. Zehn mal mehr Milliardäre macht zehn mal mehr teure Kunst, schlussfolgert La vie des idees. Quarterly Conversation untersucht die neue Frivolität Antal Szerbs. Wired erklärt, wie teuer billige chinesische Waren in Wirklichkeit sind.

New York Review of Books (USA), 23.04.2015

Für die aktuelle Review bespricht Janet Malcolm Thomas Kunkels Biografie über den Schriftsteller und Journalisten Joseph Mitchell. Mitchell wurde bekannt durch seine Porträts von Einwohnern New Yorks, die er u. a. für den New Yorker verfasste. Aber sind die Stücke auch echt? Oder ließ der Autor seiner Fantasie allzu großen Raum, als dass die Texte noch als journalistisch durchgehen könnten? Laut Malcolm bleibt Kunkel unentschieden zwischen seiner Sympathie für den Autor und den entlarvenden Fakten: "Kunkel kommt zu einem Bild von Mitchells journalistischer Praxis, mit dem er nichts anzufangen weiß. Einerseits gefällt sie ihm nicht, so verwendet er Begriffe wie "Ermessensspielraum", "dubiose Technik" oder "strapazierte journalistische Regeln", um sie zu beschreiben. Andererseits verehrt er Mitchells Arbeit und möchte sie nicht kritisieren. So entsteht eine Atmosphäre der Verlegenheit, immer wenn der Autor Mitchells radikale Abkehr vom Faktischen enthüllt." Für die Rezensentin indes scheint der Fall klar: "Mitchell hat den Leser betrogen. Er vermischte Fakten und Fiktion zu einem giftigen Trunk. Zu dumm, dass er tot ist und nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann. Oder vielleicht ist es auch gut, dass er tot ist und in der Hölle schmort für seine Sünde gegen den Geist des Faktischen." Oder doch nicht ganz: "Jeder Journalist kennt das Problem mit der Authentizität, aber nur wenige gehen so weit wie Mitchell. Allerdings nicht aus Tugendhaftigkeit, sondern weil ihnen das Talent fehlt. Die Vorstellung, dass Reporter immer der Verführung zur Erfindung von Fakten widerstehen, ist ein Witz. Reporter erfinden nicht, weil sie schlicht nicht imstande sind dazu. Deshalb sind sie ja Journalisten geworden und keine Schriftsteller."

"Die Stabilität der inneren Organe ist die Voraussetzung für ein freies Leben", schrieb in den 1850ern der französische Physiologe Claude Bernard. Wie wahr das ist, lernt Oliver Sacks während der Behandlung seines Leberkrebses.

La vie des idees (Frankreich), 03.04.2015

Der Kunstmarkt hat noch schöne Tage vor sich. Mit der Qualität von Kunst hat das aber nichts zu tun, meint die Wirtschaftswissenschaftlerin Nathalie Moureau in einer nüchternen Bestandsaufnahme für La Vie des Idées. "Die Explosion der Anzahl der Milliardäre in der Welt ist nicht ohne Konsequenzen auf die Entwicklung der Preise und des Markts. Während Forbes 1987 140 Milliardäre in der Welt zählte, liegt diese Zahl im Jahr 2014 zehn Mal höher. Laut World Wealth Report liegt der Anteil der Kunst bei "Ausgaben aus Leidenschaft" unter den vermögendsten Personen bei 22 Prozent. Die Vervielfachung der Milliardäre hat bei gleichbleibendem Anteil der Ausgaben für Kunst also auch die Zahl der Bieter in hochpreisigen Auktionen vermehrt. Während zu Beginn des Jahrtausends nur etwa hundert Käufer auf der ganzen Welt fähig waren, mehr als 5 Millionen Euro für ein Kunstwerk auszugeben, ist diese Zahl inzwischen auf 1000 oder mehr gewachsen."
Stichwörter: Kunstmarkt, Auktion

Vanity Fair (USA), 01.04.2015

Mark Bowden porträtiert die absolut faszinierende Anwältin Judy Clarke, die nach dem Unabomber Ted Kaczynski, christlichen Fanatikern und rechtsextremen Terroristen jetzt auch den Bostoner Attentäter Dschochar Zarnajew verteidigt - um ihm die Todesstrafe zu ersparen. "Clarke verteidigt Leute, die nicht verteidigt werden wollen und die eigentlich keine Chance haben, die also nicht nur sichere Kandidaten für die Todesstrafe sind, sondern ihr auch in manchen Fällen bereitwillig entgegengehen. Einen Fall nach dem anderen hält sie, egal mit welchen Mitteln, den Gang in die Todeszelle auf. Clarke arbeitet nicht mit Aufsehen erregender Rhetorik im Gerichtssaal oder vernichtenden Plädoyers, sondern Fall für Fall, Sieg für Sieg. Das ist ihr Kampf. Wenn der Staat nicht über diese Angeklagten die Todesstrafe verhängen kann, wie dann überhaupt? 2014 wurden in den USA 35 Hinrichtungen vollstreckt, für Verbrechen, die jede Form menschlicher Grausamkeit umfassen - wenige waren so mutwillig und ungeheuerlich wie die von Clarkes Klienten." Ihren Standpunkt erklärt Bowden so: "In ihren wenigen öffentlichen Kommentaren in den Magazinen von Washington und Lee University, wo sie unterrichtet, schrieb Clarke, dass niemand nach "dem schlechtesten Augenblick oder dem schlechtesten Tag" in seinem Leben definiert werden darf."

Außerdem online: die Titelgeschichte über Robin Wright und ihre Rolle als Claire Underwood in der Serie "House of Cards".
Archiv: Vanity Fair

Magyar Narancs (Ungarn), 12.03.2015

Der junge Literaturhistoriker Tamás Scheibner veröffentlichte vor kurzem eine Studie zur Sowjetisierung der ungarischen Literaturwissenschaft ("A magyar irodalomtudomány szovjetizálása" 1945-53, Ráció, Budapest 2014. 316 Seiten). Im Fokus seiner Arbeit (mehr dazu hier) steht die Periode 1945-53, und er untersucht nicht nur die Umgestaltung des literarischen Kanons in dieser Zeit, sondern analysiert auch die gezielte Verbreitung des sozialistischen Realismus in den Künsten durch die Institutionen und rekonstruiert die sogenannte Lukács-Debatte in Ungarn 1949-51, die Themen der Expressionismusdebatte zwischen Brecht und Lukács (1938/39) über den "sozialistischen Realismus" wiederaufnahm. Im Interview mit Dávid Lakner spricht Scheibner über die Wichtigkeit der Erforschung der gelenkten Literatur vor dem Hintergrund der heutigen illiberalen Demokratie in Ungarn: "Als Historiker ist meine Aufgabe die Dekonstruktion der Mythen und nicht ihre Erschaffung. Aktuelle Analogien sind dennoch gefährlich, denn jegliche Ähnlichkeit kann nur bis zu einem gewissen Grad aufrechterhalten werden, führt aber leicht in die Irre. (…) Eine solche Detailstudie der sozialistischen Ära verursacht bei den Zeitgenossen emotionale Reaktionen. Wer diese Zeit erlebt hat, glaubt oft, dass nur er weiß, was in "Wirklichkeit" passiert ist. (...) Die Literaturwissenschaft ist immer noch stark von feudalen Verhältnissen geprägt und oft begegne ich den Wunsch über bestimmte Themen nicht zu schreiben. Allgemein halte ich den kritischen Geist, insbesondere gegenüber unserer eigenen Traditionen, für schwächer ausgeprägt als wünschenswert."
Archiv: Magyar Narancs

Wired (USA), 06.04.2015

Die immer günstiger werdenden, vornehmlich in China hergestellten Gadgets, auf die wir im Alltag selbstverständlich zugreifen, kommen zu einem hohen Preis: Zahlreiche chinesische Fabrikarbeiter müssen empfindliche gesundheitliche Einschränkungen hinnehmen und werden überdies, trotz offiziell anders lautender Verordnungen, von den chinesischen Behörden im Stich gelassen, berichten Michael Blanding und Heather White in einer ausführlichen Reportage. "Keiner weiß, wie viele Arbeiter verletzt oder krank werden; die offiziellen chinesischen Statistiken sprechen im Schnitt von 115 Verletzten pro 10.000 Arbeitern - etwas höher als der US- und signifikant höher als der europäische Schnitt. Doch wenige Beobachter trauen diesen Zahlen. ... Neuerungen im Bereich der chinesischen Kompensation für Arbeiter zwingen die Firmen dazu, in einen gemeinsamen Topf einzuzahlen und damit für einen Anteil des Lohns, der Lebenskosten und der Medizinversorgung eines verletzten Arbeiters aufzukommen. Damit haben die Firmen ein Motiv in Abrede zu stellen, dass ein Arbeiter bei der Erledigung seiner Arbeit verletzt wurde. Korruption und andere Störmanöver seitens der Regierung haben weitere Verzögerungen und Rückschläge für Patienten zur Folge, die daher oft auf Jahre hinaus ihre Behandlung aus der eigener Tasche finanzieren müssen oder in langwierigen juristischen Auseinandersetzungen gefangen sind."

Ebenfalls lesenswert: Eine Reportage der BBC über die Müllhalden im chinesischen Hinterland, wo die bei der Herstellung technischer Geräte anfallende Schlacke entsorgt wird. Wahrlich kein schöner Anblick.
Archiv: Wired

Respekt (Tschechien), 01.04.2015

Die Durchfahrt der US-Militärkonvois auf dem Weg vom Baltikum nach Deutschland hat in Tschechien die Gemüter erregt. Kommunistische und linke Gruppierungen hatten dazu aufgerufen, die Panzer mit Tomaten zu bewerfen, und über die Bedeutung des Konvois wurde überall heiß diskutiert. Doch schließlich empfingen Tausende von Tschechen die Amerikaner freundlich. Marek Švehla ist erleichtert: "Die Menschenmengen, die die Soldaten begrüßten, mochten unterschiedliche Motive dafür haben: von schlichter Neugier über eine Schwäche für Militarismus bis hin zum aufrichtigen Dank für die Präsenz der US-Armee in diesen Breiten. Der Konvoi hat auch gezeigt, dass die Vereinigten Staaten in Tschechien nach wie vor viele Sympathisanten haben. Sogar Sympathisanten mit amerikanischer Flagge im Schrank, die nötigenfalls hervorgeholt wird. (…) Die amerikanische Armee ist hierzulande schlicht ein Symbol der Freheit. Und auch wenn es für manche kitschig klingen mag, entspricht die ausgedrückte Gefühlslage genau den äußeren Umständen, die seit 25 Jahren die angespanntesten überhaupt sind."
Archiv: Respekt
Stichwörter: Militarismus, Tschechien, Baltikum

Tablet (USA), 03.04.2015

David Samuels führt ein sehr langes Gespräch mit Matthew Weiner, dem Erfinder der "Mad Men", über jüdisches Leben in New York und Los Angeles, wo Weiner herkommt. Er spricht über die jüdischen Figuren in seiner Serie und über die Situation der Juden in den USA: "Wo ich gelebt hat, war nicht immer bekannt, dass ich Jude war - und ich glaube, ich kann sagen, dass ein großer Teil der Bevölkerung uns immer noch als Outsider sieht. Das ist eine Tatsache, die wir nicht akzeptieren wollen. Aus irgendeinem Grund werden wir nicht als Teil des multikulturellen Spektrums gesehen, obwohl wir eine eigene Kultur haben und eine Minderheit sind... Ob du es zugibst oder nicht, es gab immer wieder Zeiten, in denen die Juden anfingen sich in einer Gesellschaft einzurichten, und dann wachten sie eines Tages auf und stellten fest, dass der Deal jederzeit gekündigt werden kann, selbst wenn sie christlich geheiratet hatten oder konvertiert waren. Was für ein Schock für eine ganze Generation deutscher Juden, die im 19. Jahrhundert Protestanten wurden, um eines Tages festzustellen, dass ihre Kinder immer noch jüdisch waren."
Archiv: Tablet

NPR (USA), 01.04.2015

Weißer, sensibler Indiepop, schwarzer politischer HipHop und die vom Folk angehauchte Singer-Songwriter-Musik einer britischen Frau - weiter voneinander entfernt könnten die neuen Alben von Sufjan Stevens, Kendrick Lamar und Laura Marling kaum liegen. Und doch eint sie ein gemeinsamer Kern: Alle drei Alben handeln von der Erfahrung der Einsamkeit, wie Ann Powers in einem Essay über die drei, wie sie im übrigen meint, besten Alben des bisherigen Jahres beobachtet. Vor allem im Fall von Kendrick Lamar ist das auch unbedingt politisch zu verstehen, führt sie aus: "Allem Geprahle und Gefuchtel zum Trotz stellt sich Lamars "To Pimp A Butterfly" einem bemerkenswerten Mangel in unserer Kultur entgegen, was die Darstellung des Innenlebens afro-amerikanischer Männer betrifft. Die Literaturwissenschaftlerin bell hooks hat angemerkt, dass fast alle Darstellungen die Auffassung nahelegen, "dass echte [schwarze] Männer ganz und gar Körper, aber keineswegs von Verstand sind". ... Lamar ist ein körperlich geschickter Rapper, aber an und für sich sticht er vor allem deshalb heraus, weil seine Gedanken schneller rasen als seine Füße, insbesondere dann, wenn er alleine sein kann. Selbst der manchmal quälende Konflikt, den er in den von ihm entworfenen Szenarien erduldet, macht den Eindruck eines Stärkungsmittels, denn genau wie sein imaginierter Mentor Tupac Shakur fordert er Einsamkeit als fundamentales Recht ein, als ein Mittel, um die eigene vom göttlichen Funken durchwirkte Menschlichkeit zu erkennen."
Archiv: NPR

HVG (Ungarn), 25.03.2015

"Kitömött barbár" (Der ausgestopfter Barbar, Kalligram, Budapest 2014. 452 Seiten, eine deutsche Übersetzung ist in Arbeit), der neue Roman des Altphilologen und Romanciers Gergely Péterfy wurde letzte Woche als bestes ungarisches Buch des Jahres 2014 mit dem unabhängigen Aegon-Preis für Literatur ausgezeichnet. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Freundschaft zwischen dem ungarischen Schriftsteller und Poeten Ferenc Kazinczy und dem "Hofmohren" Angelo Soliman im Wien des 18. Jahrhunderts. Das Werk thematisiert Fremdenfeindlichkeit und das Patriarchat - und ist damit auch im heutigen Ungarn von einiger Aktualität. Im Gespräch mit Zsuzsa Mátraházy erklärt Péterfy, warum es damit hoffentlich bald vorbei ist: "Vor zehn Jahren, als ich anfing die Welt des Soliman-Buchs zu erfinden, zeichneten sich Feudalismus und autoritäre Herrschaft mit ihren Machtsystemen lediglich als historische Kulissen ab. Als ich das Buch beendete, tobte bereits der politische Wahnsinn unserer Tage und so kann es aus einer aktualisierenden Perspektive gelesen werden. Ich habe nichts gegen so eine Leseart, hoffe aber, dass die Aktualität des Buches so schnell wie möglich vergeht. (...) Ich bin trotz allem optimistisch. Ich sehe ein System, das unter der eigenen Last zusammenbricht."
Archiv: HVG

Quarterly Conversation (USA), 16.03.2015

In einem schönen Essay legt uns Malcolm Forbes den ungarischen Autor Antal Szerb ans Herz, der 1945 im Alter von 43 Jahren in einem Konzentrationslager ermordet wurde und dessen Werk als Solitär in der ungarischen Literatur des 20. Jahrhunderts steht. "Ein bemerkenswerter Aspekt an Szerbs beklagenswert kurzer literarischer Karriere war seine Fähigkeit, im Angesicht der Not stoisch zu bleiben. Sein Roman "Oliver VII" ist eine federleichte Kapriole, obwohl sie das, geschrieben nur wenige Jahre vor dem Tod des Autors, eigentlich nicht sein darf. Ähnlich verhält es sich mit Szerbs letztem großen Werk, "Das Halsband der Königin". Statt einer dunklen, ätzenden Allegorie auf den Einfluss der Nazis und die Unterdrückung in Ungarn, ist es eine flotte historische Geschichte voller Klatsch - und ohne jede kritische Agenda - über die Ereignisse, die zur Französischen Revolution führten. Szerbs Werke ist gewöhnlich gesegnet mit vorsichtig auskalibrierter Beschwingtheit. Seine Prosa ist leicht, aber nie schaumig, witzig, ohne oberflächlich zu sein, eher ironisch als sardonisch. Seine Kopf-in-den-Sand, die Realität vermeidenden Träumer mögen von sich selbst behaupten, sie praktizierten die neue Frivolität, aber sie sind zu beladen mit Dilemmas, Konsequenzen und Selbstoffenbarungen, um gänzlich gewicht- und harmlose Narren zu sein. Eine andere Besonderheit ist Szerbs Einzigartigkeit. Kurz gesagt, er schreibt wie kein anderer der großen ungarischen Autoren des 20. Jahrhunderts."

Literarni noviny (Tschechien), 31.03.2015

Wem Ende des 19. Jahrhunderts Paris zu weit war, um Malerei zu studieren, der ging nach München. Anlässlich der Pilsener Ausstellung "München - leuchtende Metropole der Kunst" schreibt Ivan Matějka: "Es war ein Laboratorium für neue Verfahren, die vielleicht nicht so spektakulär waren wie die in Paris, doch für die Entwicklung der Kunst nicht weniger wichtig. (…) Künstler aus den böhmischen Ländern stellten um die Jahrhundertwende die drittgrößte Kolonie dort dar. (…) So prägte München die tschechische Kunstgeschichte und lieferte oft auch selbst das Sujet, wie die Radierungen Viktor Strettis, Aquarelle Luděk Marolds und František Drtikols, Ölgemälde Ludvík Kubas und Fotografien von Alfons Mucha beweisen. "München war das Athen des Westens, wo man den besten studierenden Menschen der ganzen Welt begegnete, wobei die Nationalität keine Rolle spielte" erinnert sich die Malerin Zdenka Vorlová-Vlčková an ihre Münchner Jahre." Eine Rarität der Ausstellung, die an die 100 Werke von 42 Künstlern umfasst, ist "Das Martyrium der heiligen Ludmilla" des gebürtigen Pragers Gabriel von Max: Das Bild galt lange als verschollen und wurde unlängst bei einem New Yorker Sammler entdeckt. "Seinem Titel zum Trotz reiht sich Max" Gemälde in jene Bilder ein, die tote, gleichwohl schöne Mädchen zeigen und mit dem Etikett "Unglücksmalerei" versehen wurden. Angeblich rührten sie die Betrachter einst zu Tränen."

Guernica (USA), 01.04.2015

Guernica druckt ein Interview, das David Simon am 23. Februar mit dem Schriftsteller Richard Price in New York geführt hat. Price, der in den 70er Jahren mit seinen Genreromanen über die Bronx ("The Wanderers" und "Bloodbrothers") bekannt wurde und einige Drehücher für "The Wire" schrieb, gibt unter anderem Auskunft über seine Arbeitsweise: "Wenn ich ein Buch schreibe, orientiere ich mich zuerst geografisch: Ich bin in Jersey City, in der Lower East Side oder in Harlem, und ich weiß, ich will über diesen Ort schreiben. Meine Gedanken dazu sind panoramisch, ich laufe da so rum, bis sich eine Geschichte von selbst ergibt. Geht es um ein Verbrechen, hat diese Geschichte mit den Verbindungen zwischen all den verschiedenen Elementen an diesem speziellen Ort zu tun, alles, was die Ermittlungen ans Licht bringen. Da geht es um das Soziale. Ich bin kein sozialer Realist, kein Skandalreporter oder so, aber wenn ich das Verbrechen erst habe, dann kommt dieses große, chaotische Durcheinander dazu, die Zeugen, die Familien, die Opfer, die Täter usw. Das wird dann das Rückgrat des Panoramas, das organisierende Prinzip. Folge den Ermittlungen und du ziehst alles und jeden aus dieser Welt da mit rein."
Archiv: Guernica

New York Magazine (USA), 05.04.2015

Jason Zengerle hat zwar durchaus seine Zweifel, ob Hillary Clinton wirklich so gute Kandidateneigenschaften für das Amt des amerikanischen Präsidenten hat, aber letztlich mag das gar nicht der entscheidende Faktor sein - zumindest nicht, wenn man Alan Abramowitz" Voraussagemodell kennt. Danach kommt es nur auf ein paar Faktoren an: die Zustimmungsrate für den vorhergehenden Präsidenten, wenn er aus der selben Partei kommt, das Wachstum des Bruttosozialprodukts in Quartal vor der Wahl und die Anzahl der Präsidentschaftmandate der gleichen Partei, und er zitiert Abramowitz: ""Wenn Obamas Zustimmungsrate bei 50 Prozent bleibt und die Wirtschaft im Herbst 2016 einigermaßen wächst - was beides möglich, wenn nicht wahrscheinlich ist - dann glaube ich an eine gute Chance für Hillary Clinton."" Aber dann gibt es noch einen weiteren Faktor, nämlich vier Prozent Amtsbonus für seine zweite Amtszeit, "den Obama 2012 verbuchen konnte und der für Clinton ausfällt. Mit anderen Worten: Es wird extrem knapp." Und dann kommt es eben doch auf die Eigenschaften des Kandidaten an.