Magazinrundschau

Unfassbar in seiner Unendlichkeit

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
12.05.2015. N+1 erforscht die Technik der Polizei, Menschen antastbar zu machen. Vanity Fair beschleicht der Verdacht, dass es Soldaten im Krieg besser geht als an der Front moderner Gesellschaften. The Nation beschreibt die Bedeutung von Bibliothekaren im Kampf um intellektuelle Freiheit. Le Monde diplomatique streift durch Teheran an gigantischen Prophetenbildern vorbei. Der New Yorker stürzt sich in eine Landschaft aus 18 Trillionen Planeten. Atlantic beschwört die neue Mode in 3D. Und Reflex erzählt, wie sich die Tchechoslowakei zur Weltmacht halluzinierte.

n+1 (USA), 11.05.2015

Mark Greif denkt in einem langen Essay über Aufgabe und Wesen der Polizei nach. Wenn man mit Polizisten zu tun bekommt, stellt er fest, wird man ständig berührt. Polizisten beherrschen in genauesten Abstufungen die Technik der kontrollierten Berührung, ohne selbst berührt werden zu dürfen: "Der Zweck der Berührung besteht darin, die Person berührbar zu machen. Die Berührung bereitet weitere Berührungen vor. Die Hemmung, in unserer Gesellschaft einen Menschen anzugreifen, vor alle einen Bürger, der keine unmittelbare Gefahr für andere darstellt, ist ziemlich hoch. Für die meisten Formen von Gewalt, die zivile Normen durchbricht, braucht es selbst bei denen, die es als Kunst oder Beruf betreiben, eine schrittweise Gewöhnung. Die "plötzliche" Verhaftung bei einer Demonstration kommt fast nie plötzlich, wenn man die Polizisten längere Zeit beobachtet. Die Veränderung bei einem Beamten, der jemanden zu Boden werfen will, richtet sich nicht unbedingt auf das Ziel, sondern scheint innerlich vorzugehen: der Gesichtsausdruck verändert sich - meist im Moment des Zurücktretens, am Ende des Austauschens oder Verhandelns -, man kann spüren, wie sich vor dem Zugriff die Erreichbarkeit verändert."
Archiv: n+1
Stichwörter: Polizei, Polizeiarbeit

The Audacity of Despair (USA), 08.05.2015

Unter den Eindrücken der Geschehnisse in Baltimore der vergangenen Tage, wütet in David Simon der Zorn des Gerechten. In seinem Blog "The Audacity of Despair" hat der einstige Polizeireporter aus Baltimore und Autor der HBO-Serie "The Wire" einen so umfangreichen wie harschen Essay gegen die in vielen großen amerikanischen Städten herrschende Nulltoleranz-Politik veröffentlicht, die seiner Ansicht nach solche Desaster wie die in Baltimore überhaupt erst hervorbringe. "Die übermäßige Gängelung durch die Polizei und eine übelsinnende Drogenprohibition haben die Armen systematisch unterdrückt und isoliert, sie haben einen amerikanischen Gulag geschaffen und die Staatsgewalt in eine militarisierte und brutalisierte Kraft gewandelt, die von den Gemeinden völlig losgelöst ist, in denen Tausende verhaftet werden, während das Verbrechen selbst - das wahre Verbrechen - kaum angegangen wird ... Nein, hier geht es jetzt um Klasse. Hier geht es darum, dass diejenigen, die mehr haben, die Steuerhebel in Gang setzen, um jene, die weniger haben, zu terrorisieren."

New York Review of Books (USA), 21.05.2015

Jed S. Rakoff fragt, warum die amerikanische Richterschaft die Masseninhaftierung junger schwarzer Männer eigentlich immer noch mitträgt: "Mehr als 2,2 Millionen Menschen sind derzeit in amerikanischen Gefängnissen inhaftiert. Das sind 500 Prozent mehr als vor vierzig Jahren. Obwohl die Vereinigten Staaten nur fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, stellen sie fast 25 Prozent aller Gefangenen weltweit. Die Inhaftierungsrate in den USA ist ungefähr 1,5 mal höher als die des zweitplatzierten Ruandas und des drittplatzierten Russlands; und mehr als 6 Mal höher als im Nachbarland Kanada. Weitere 4,75 Millionen Amerikaner sind außerdem nur auf Bewährung oder unter Auflagen frei. Mehr und mehr Menschen werden wegen gewaltfreier Vergehen inhaftiert, wie etwa Drogenbesitz. Und obwohl die Kriminalitätsrate in den letzten 25 Jahren kontinuierlich gesunken ist, hat die Anzahl der inhaftierten Personen stetig zugenommen."

Weiteres: Für die entscheidenden Fragen bei den nächsten Wahlen hält Elizabeth Drew nicht unbedingt, wer gewinnen wird, sondern wer noch wählen darf und wer wieviel Geld in die Kampagnen spülen darf. William Dalrymple reist zu den Stätten altinidscher Hoochkultur. Martin Filler huldigt Frei Ottos Dachkonstruktionen.

New Yorker (USA), 11.05.2015

In der neuen Ausgabe des New Yorker stellt Raffi Khatchadourian das Adventure-Spiel "No Man"s Sky" vor, in dem der Spieler eineunendliche Zahl von Landschaften und Lebewesen erkunden kann. Das Ziel des Spiels ist das Zentrum des Universums: "No Man's Sky wird unendlich sein. Der Spieler beginnt am Rand einer Galaxie mit 18,446,744,073,709,551,616 Planeten … Kein leichtes Unterfangen. Wegen des algorithmischen Aufbaus ist alles miteinander verbunden. Änderungen an der Steuerung eines Raumschiffs können auch das Flugverhalten von Insekten verändern. Das Universum kann nur holistisch entwickelt werden, manchmal muss es ganz auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt werden … Das Spiel ist eine Hommage an das Sci-Fi-Genre - Asimov, Clarke, Heinlein - und die alten Illustrationen zu den Geschichten. In den 70ern und 80ern hatten die Buchumschläge manchmal wenig mit den Stories zu tun, für einen fantasiebegabten Teenager war es eine Freude, die Bilder weiterzuspinnen. Der Weltraum war eine romantische Grenze, unfassbar in seiner Unendlichkeit, wo Raumschiffe und futuristsiche Bauten monumentale Proportionen hatten und zugleich furchteinflößend und zerbrechlich wirken konnten … Darüber hinaus erlaubt das Design eine erstaunliche prozessuale Ökonomie: Achtzehn Trillionen Planetenlandschaften werden aus gerade mal 1400 Zeilen Code generiert."

Außerdem: Kathryn Schulz porträtiert die scheue Schriftstellerin Nell Zink ("The Wallcreeper", demnächst bei Rowohlt). Und Tad Friend trifft Marc Andreessen im Silicon Valley, wo der einstige Netscape-Guru jetzt mit Risikokapital pokert.
Archiv: New Yorker

Bloomberg Businessweek (USA), 07.05.2015

Spätestens seit Steve Jobs als eine seiner letzten Amtshandlungen ein gigantisches neues Apple-Hauptquartier in Auftrag gegeben hat, besteht zwischen den großen IT-Konzernen Apple, Facebook und Google ein Konkurrenzkampf, was die eigene architektonische Repräsentation betrifft, erklärt Brad Stone. Apple und Facebook haben mit Norman Foster und Frank Gehry zwar die größten Namen auf ihrer Seite, doch der kooperativ von Bjarke Ingels und Thomas Heatherwick erstellte Google-Entwurf ist der "radikalste", staunt Stone: "Das vorgeschlagene Design ... verabschiedet kurzerhand Türen. Er lässt tausende Jahre konventionellen Denkens über Wände hinter sich. Und über Stufen. Und Dächer. Im wesentlichen möchten sich Google und sein Mitbegründer Larry Page 60 Morgen Land um ihr Hauptquartier an der San Francisco Bay schnappen und darauf ein gigantisches menschliches Terrarium errichten. Dieses Video vermittelt einen Eindruck, wie man sich das vorstellen darf:



Der Norden Italiens, in den sechziger Jahren besiedelt von Tausenden hochspezialisierten Familienunternehmen, die von Skistiefel bis zu Autos handwerkliche Spitzenware hergestellt haben, verlor seit der Wirtschaftskrise etwa 17 Prozent aller Arbeitsplätze, erzählt Stephan Faris. Kleine Firmen, die mit der Massenproduktion aus Asien längst nicht mehr konkurrieren können, setzten jetzt auf 3D-Drucker: Ignazio Pomini, 27-jähriger Chef einer Automodell-Firma in Trient, erzählt Faris, wie er sich auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern mit Selvaggia Armani zusammengetan haben, einem Künstler und Designer. Jetzt entwerfen die beiden die avanciertesten Lampen: "Die Schönheit dieser Technologie liegt darin, dass du unmögliche Dinge bauen kannst", sagt er.

The Atlantic (USA), 01.05.2015

Auch in der Mode werden 3D-Drucker immer wichtiger werden, meint Robinson Meyer. Laut einer Industriestatistik probieren Frauen im Schnitt elf Jeans an, bevor sie sich für eine entscheiden, erfährt er von der Unternehmerin Crystal Beasley. Man kann sich leicht vorstellen, wie in Zukunft vom Computer maßgefertigte Kleidung die Massenware ablöst. Aber das ist nicht alles: "Weil 3D-Drucker bisher unmögliche Formen und Muster herstellen können, könnte sich unser Geschmack ändern. Die Software von Nervous Systems inspiriert sich an Mustern der fraktalen Geometrie, so dass die Produkte des Studios eine organische Form haben. Mary Huangs Kleider haben ungewöhnlich vieleckige Muster. Solche Designs sagen eine Zeit voraus, in der geschützte Algorithmen einer Marke einen Look kreieren kann, der mindestens genauso unverwechselbar ist wie zum Beispiel das Burberry-Karo. Auch wenn 3D-Drucke noch beschränkt sind auf feste Materialien wie Plastik und Blech, werden zukünftige Maschinen mit größter Sicherheit einmalige Designs aus anderen Materialien produzieren können. Schon jetzt hat Knyttan, eine in London ansässige Firma, eine Software entwickelt, die eine industrielle Strickmaschine individuelle Pullover und Schals herstellen lässt."
Archiv: The Atlantic

Reflex (Tschechien), 11.05.2015

Die Tschechoslowakei hatte in kommunistischen Zeiten eine besondere Beziehung zu LSD, wie der Filmemacher Pavel Křemen im Gespräch mit Kateřina Kadlecová über seine Doku "LSD made in ČSSR" erzählt: "Wir waren, was die Herstellung von LSD und die Experimente damit angeht, eine echte Weltmacht." Viele bekannte Persönlichkeiten hätten damals mit der Droge experimentiert, von Karel Gott bis zum heutigen Staatspräsidenten Miloš Zeman. Die Staatssicherheit beobachtete systematisch die Experimente von Psychiatern, die LSD in Therapien anwendeten, und die Armee wollte LSD gar als Waffe einsetzen: "Die Droge wurde einem Stab sozialistischer Offiziere verabreicht und einem anderen Stab nicht, und dann sollten beide die gleichen Aufgaben bewältigen. Was denen unter LSD-Einfluss nicht so gut gelang." Křemen hat auch eine Theorie dafür, warum die Droge in seinem Land so viel Anklang hatte: "Als Atheisten sehnen wir Tschechen uns traditionell nach einer Spiritualität, die uns Gott, das Geistige, ersetzen kann. Schon unter Rudolf II. wurde in unserem Land ständig irgendein Gebräu erfunden und gemixt. Und im Falle von LSD meinten offenbar viele hochstehenden Menschen, den richtigen Weg gefunden zu haben."
Archiv: Reflex

Elet es Irodalom (Ungarn), 08.05.2015

Der Kunsthistoriker Péter György ist nicht sehr glücklich mit der Budapester OFF-Biennale von Kuratoren, die von der gegenwärtigen staatlichen Kulturpolitik marginalisiert wurden: "Off antwortet mit einer zu Beteiligung, Aufmerksamkeit und Geduld auffordernden Gegenwartskunst, in der Konzeptionen, Diskurse und Berechenbarkeit eine ungleich größere Rolle spielten als das Werk selbst, ästhetische Erfahrung, das Voraussehen, die Emotion. Es war eine Biennale von einigen wenig Auserwählten für einige wenig Auserwählten." Doch über das, was heute und hier ist, sei kaum etwas gesagt worden: "Das Ganze war nichts als die reine wahrhaftige Wahrheit. So erzählt OFF vor allem die nicht besonders rührende Geschichte des Selbstmitleids und der Selbstrepräsentation. Der feine, elegante, konzeptuelle Aktionismus, dessen Ohren- und Augenzeuge die Eingeweihten wurden, ist (mir) zu viel und zu wenig zugleich."
Stichwörter: Off-Biennale, Budapest

Guardian (UK), 11.05.2015

Auf der Suche nach Inspiration für ihren neuen Roman, begibt sich Anne Enrights an die irische Westküste, an der sie nicht nur ihren literarischen Vorgängern begegnet, sondern auch sich selbst: "Jeden Tag habe ich meine Midlife-Madness ausgeführt, wie andere ihren Hund an der Leine, und mich gefragt, warum nichts so geworden ist, wie ich es erwartet hatte... Vielleicht war es nur eine Frage des Timings. Ich hatte niemals erwartet im mittleren Alter zu sein. Das war ein echter Schock. Mutter zu sein, wie komisch ist das denn? Verheiratet zu sein. Verdammt, ich wusste, ich würde in irgendeiner Art Institution enden. Ich hätte niemals gedacht, es würde die Ehe sein. Ich hatte nicht gedacht, mehr oder weniger glücklich zu sein, mehr oder weniger allein. Manchmal vollkommen glücklich und manchmal auch vollkommen allein. Ich bin Schriftstellerin. Es ist mein Job allein zu sein und zu beobachten, wie die "große Granitsteine die Gischt ins Licht werfen"."
Archiv: Guardian
Stichwörter: Enright, Anne, Madness

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 08.05.2015

Charlotte Wiedemann schickt eine Reportage aus Teheran, wo sie an allen Ecken zu spüren bekam, dass das Bilderverbot im schiitschen Islam keine Rolle spielt (weswegen die Iraner auch so tolle Filme drehen): ""Das Märtyrertum ist die Erbschaft des Propheten und seiner Familie an die Nachfolgenden", verheißt ein drei Stockwerke hohes Gemälde, auf dem der Prophet mit Heiligenschein und verhängtem Gesicht zärtlich einen Toten im Arm hält. Für die regierungsnahen Organisationen, die solche Bilder finanzierten, ging es natürlich immer auch um den Staat. Die Islamischen Republik erfährt im Märtyrerkult quasi eine doppelte Legitimierung: durch die Opfer im Krieg und durch die religiöse Ermächtigung. Neben dem Märtyrertum sind Antiamerikanismus und Israelfeindlichkeit die Motive der spektakulärsten Großbilder aus früheren Zeiten - ideologische Bindemittel, die heute nur noch bei einer Minderheit wirken. Doch ist es nicht leicht, als Ersatz neue Bindemittel zu finden. Dafür bräuchte die Islamische Republik einen positiven, in die Zukunft gerichteten Gesellschaftsentwurf."

The Nation (USA), 06.05.2015

Amerikanische Bibliothekare haben nicht nur eine glorreiche Vergangenheit als mutige Kämpfer für die Meinungsfreiheit, sie stehen auch heute, im Zeitalter der staatlichen Massenüberwachung, ganz vorne, erzählt Zoë Carpenter. Unter dem Patriot Act kann das FBI nämlich nicht nur nachfragen, welche Bücher jemand ausgeliehen hat, sondern auch alle Spuren abfangen, die ein bestimmter Nutzer auf einem der Bibliothekscomputer hinterlassen hat. "Amy Sonnie, eine Bibliothekarin und Aktivistin aus Oakland, erzählte mir, dass es eine Debatte innerhalb der Zunft gibt, ob das Bibliothekswesen politisch neutral ist oder sein sollte. "Ich kann und sollte ein Anwalt sein, wenn es um die Bedingungen geht, unter denen wir unseren Beruf ausüben, und Privatspäre ist ein solches Thema, sagt sie. Für Sonnie und ihre Kollegin Alison Marcina ist Privatsphäre nicht nur ein Bestandteil intellektueller Freiheit, sondern auch der sozialen Gerechtigkeit. "Wir dienen Mitgliedern der Gemeinden, die historisch gesehen unter größerer Überwachung stehen als der Rest der Gesellschaft: Immigranten, amerikanische Muslime, Schwarze, politische Dissidenten", sagt Macrina."
Archiv: The Nation

New York Times (USA), 10.05.2015

Im aktuellen Magazin der NY Times erzählt Jay Caspian Kang, wie die beiden Aktivisten Johnetta Elzie and DeRay Mckesson mit ihren Protesten gegen Polizeigewalt die schwarze Bürgerrechtsbewegung ins 21. Jahrhundert brachten: "Ihre Neuerung bestand darin, nicht nur auf die Stärken der sozialen Medien zu setzen - der rasche, moralisch eindeutige Konsens, der durch Hashtags geschaffen wird; die Verbindung, die eine charismatische Online-Persönlichkeit zu ihren Followern aufbauen kann; das breite Netzwerk, das eine schnelle Verbreitung von dokumentarischem Fotos und Videos ermöglicht -, sondern auch schnell Proteste in jeder Stadt zu organisieren, in der es zu Schüssen durch die Polizei kommt."

Taffy Brodesser-Akner wagte sich als embedded journalist in die Höhle von Kris Jenner Kardashian, die soeben die zehnte Staffel der Reality-Soap "Keeping Up with the Kardashians" gedreht hat, und erlebte dort die dollsten Sachen: "Ich war dabei, als Kim sich mit Botox behandeln ließ oder geröntgt wurde, um zu beweisen, dass sie keine Implantate hat. Ich sah, wie Kourtney Kardashians besoffener Freund Scott einem Kellner 100 Dollar in den Mundt stopfte, damit der ihn weiter bedient, oder, wie er über jede der drei Schwangerschaften seiner Frau total geschockt war."

Außerdem: Giles Price schickt Fotos aus Nepal nach dem Beben. Und Jenna Marotta begegnet Caroll Spinney, dem Puppenspieler, der seit 1969 Bibo ist.
Archiv: New York Times

Vanity Fair (USA), 10.05.2015

Eine interessante Beobachtung macht Sebastian Junger in der Vanity Fair: Zwar sinkt die Zahl der amerikanischen Soldaten, die bei kriegerischen Auseinandersetzungen direkt in Kampfeshandlungen verwickelt werden, von Krieg zu Krieg enorm. Doch gleichzeitig nimmt die Zahl der Veteranen, die zu Hause unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, von Krieg zu Krieg rapide zu. Seine These: Die Soldaten erleben in ihren Platoons und in Momenten größter Gefahr eine Form von sozialem Aufgehoben-Sein, die die moderne Gesellschaft im von Vereinzelungen und losen Bündnissen geprägtem Alltag nicht bietet. Auch deshalb sehnen sich viele Veteranen nach dem Krieg zurück. "Die meisten hochentwickelten Primaten, inklusive der Menschen, sind enorm gesellige Wesen und die Zahl der Beispiele von Individuen, die ganz auf sich allein gestellt überleben, ist gering. Ein moderner Soldat, der aus dem Kampf nach Hause zurückkehrt, lässt eine enorm dicht verstrickte Situation, auf die sich die Menschheit hin entwickelt hat, hinter sich und kehrt in eine Gesellschaft zurück, in der die meisten Menschen außer Haus arbeiten, Kinder von Fremden erzogen werden, Familien von den Gemeinden isoliert sind, der persönliche Verdienst vom kollektiven Interesse entkoppelt ist und die Leute alleine oder neben einem Lebensgefährten schlafen. Selbst wenn er oder sie in eine Familie zurückkehrt, entspricht dies nicht der Zugehörigkeit zu einer riesigen, selbstversorgenden Gruppe, die nahezu alles kollektiv erlebt und miteinander teilt. Wie auch immer die technologischen Fortschritte - und sie grenzen wirklich an ein Wunder - aussehen mögen, könnte es durchaus sein, dass der individuelle Lebenswandel, der aus ihnen erwächst, den menschlichen Geist zutiefst angreift."
Archiv: Vanity Fair