Magazinrundschau

Zuweilen mit Brillanz gesprenkelt

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
27.09.2016. Im New Statesman beerdigt John Gray die linke Mitte samt ihrem Glauben an die Globalisierung. In Linkiesta grübelt Mauro Calise über Italiens Hang zur Einpersonenpartei nach. In Atlantic feiert Ta-Nehisi Coates den Freispruch für O.J. Simpson als ultimativen Akt der Gleichberechtigung. Die Leute unterstützen den Islamischen Staat, weil sie Gewalt lieben, meint Paul Berman in Tablet. Der Film-Dienst spürt die Grenzen seiner Handlungsfreiheit im Virtual-Reality-Film.

New Statesman (UK), 22.09.2016

Der New Statesman ruft in einem ganzen Dossier "eine Neue Zeit" aus: Labour in der Krise, Brexit, und der Zusammenschluss von städtischen Liberalen und sozial eher konservativen Arbeitern ist aufgekündigt.

Für John Gray sind auch Neoliberalismus und Globalisierung erledigt, und er hält fest, dass der Bruch mit der EU und Freihandel von rechts betrieben wurde, während sich die Linke an "tote Ideen" klammere: "Wenn die Spannung zwischen globalem Kapitalismus und dem Nationalstaat einer der Widersprüche des Thatcherismus war, dann hat der Konflikt zwischen Globalisierung und Demokratie die Linke erledigt. Mit Bill Clinton und Tony Blair verschrieb sich die linke Mitte dem globalen freien Markt mit demselben glühenden Enthusiasmus wie die Rechte. Im Ergebnis durften große Teile der Bevölkerung in Stagnation oder Armut verrotten, ohne Aussicht auf einen produktiven Platz in der Gesellschaft. Die Geschichte mag in Hillary Clintons Kampf um die Präsidentschaft den letzten Akt des neoliberalen Experiments sehen. Mehr als das Misstrauen, das sie bei vielen Wählern auslöst, mehr als ihre Gesundheit oder ihre Mitt-Romney-hafte Verachtung für den 'beklagenswerten Haufen' der Trump-Wähler, wird ihre Kandidatur überschattet von der Tatsache, dass sie mit einem gescheiterten Experiment identifiziert wird - und mit denjenigen, die am meisten davon profitiert haben."

David Runciman sieht dagegen den Staat zerrieben zwischen den Profiteuren der digitalen Revolution: den Individuen und den Netzwerken. "Die zunehmenden Wahlmöglichkeiten machen es viel schwieriger, die Bürger zufriedenzustellen. Viele haben sich an ein Mikromanagement des Lebens gewöhnt, das jede Regierung klumpfüßig und träge erscheinen lässt, egal wie sehr sie sich bemüht. Zugleich stehen den globalen Netzwerken Staaten gegenüber, die keine Vorstellung davon haben, wie sie diese kontrollieren sollen. Die Finanzwelt ist eines dieser Netzwerke."

Neben einem guten Dutzend weiterer Autoren schreiben zudem John Harris, Mariana Mazzucato und Paul Mason.
Archiv: New Statesman

Linkiesta (Italien), 26.09.2016

Zu den Populisten, die am Geäst morscher Demokratien sägen, gehört Beppe Grillo mit seiner Fünf-Sterne-Bewegung. Jüngst hat sich Grillo, dem es nach dem Tod seines Gurus Gianroberto Casaleggio an Spitzenpersonal mangelt, zum Parteichef küren lassen. Das geht auch nicht anders, meint der Politologe Mauro Calise im Gespräch mit Alessandro Franzi, denn "M5S ist eine Einpersonenpartei, eine Person hat sie geschaffen und kontrolliert sie wie einen Besitz. Seit zwanzig Jahren entstehen in Italien nur solche Einpersonenparteien - Berlusconis Forza Italia war die erste. Darum war die Idee, man könne eine so große Macht in andere Hände geben, sonderbar: Wer kontrolliert beim M5S denn wen? (…) Es ist nicht leicht, Regierungspersonal zu entwickeln. Ohne Grillo hätte die Partei nicht zusammengehalten, dafür braucht man keine Kristallkugel." Und mit Grillo könnte laut Calise ein "Nein" beim italienischen Referendum für eine Verfassungsreform herauskommen, das laut Calise das italienische Parteiensystem vollends zerstören würde.
Archiv: Linkiesta

The Atlantic (USA), 01.10.2016

In den 90ern hatte er wenig übrig für die solidarischen Bekundungen der black community für O.J. Simpson, gesteht Ta-Nehisi Coates: Simpson hatte sich in seiner Karriere dem weißen Mainstream so sehr angedient und seine Blackness so konsequent geleugnet, dass Coates ihn seinerzeit nicht als seinesgleichen erachtete. Heute schätzt er die Lage anders, aber kaum weniger radikal ein: "Als O.J. Simpson vor der Justiz floh, zu ihr zurückkehrte, wegen Mordes angeklagt wurde und sich der Justiz dann aufs Neue entzog, war dies der schockierendste Ausdruck reiner Gleichberechtigung seit der Bürgerrechtsbewegung. Simpson hatte Nicole Brown Simpson und Ron Goldman ermordet. So mutmaßte ich damals, heute bin ich davon überzeugt. Aber er ist damit davongekommen - auf ähnliche Weise, wie Weiße Jahrhunderte lang nicht dafür belangt wurden, wenn sie schwarze Männer und Frauen töteten. Die Tugend der Gleichberechtigung mutet nicht immer wie Tugend per se an, da Gleichberechtigung nicht immer derselben Linie folgt wie die Moral. Gleichberechtigung bedeutet für Afro-Amerikaner genauso behandelt zu werden wie alle anderen auch - egal, ob wir uns gut oder böse verhalten. Simpsons große Leistung war es, für ein Verbrechen angeklagt zu werden und dann auf jene Weise behandelt zu werden, wie es sonst reichen Weißen vorbehalten ist."
Archiv: The Atlantic

Elet es Irodalom (Ungarn), 22.09.2016

Der Kunsthistoriker József Mélyi greift die umstrittenen Aussagen des designierten Direktors des Petőfi Literaturmuseums, Gergely Prőhle, über künftige Ausstellungen auf und notiert eine mögliche Verschiebung des Museums aus dem kulturellen in den machtpolitischen Raum: "Das Petőfi Literaturmuseum blieb in den vergangenen Jahren für alle Protagonisten des literarischen Lebens offen, trotz der Tatsache, dass es Veranstaltungen der Ungarischen Kunstakademie (MMA) beherbergte (was an anderer Stelle, mit anderen Akzenten für viele ein Ausschlusskriterium war). Das konnte gelingen, weil die scheidende Direktorin es schaffte die Akzente aus dem machtpolitischen Raum in den kulturellen Raum zu verlagern. (...) Würde Prőhle seine Rolle nicht im politischen Kontext interpretieren - wie er es bereits 1999 tat, als er in seiner Funktion als Staatssekretär im ungarischen Kulturministerium verkündete, nicht der damalige Staatspräsident Arpad Göncz, sondern der damalige Ministerpräsident Viktor Orbán werde die Eröffnungsrede bei der Frankfurter Buchmesse halten (Ungarn war 1999 Ehrengast, Anm. d. Red.) - dann könnten durchaus kulturhistorisch wichtige Ausstellungsthemen diskutiert werden."

Tablet (USA), 20.09.2016

Vor fünfzig Jahren hat es begonnen, aber es ist noch nicht zu Ende, fürchtet Paul Berman. 1966 war das Jahr der maoistischen Kulturrevolution, eines entsetzlichen Massakers, das überall auf der Welt, aber besonders auch in Deutschland, begeisterte Unterstützer fand. 1966 wurde auch Sayyid Qutb gehängt, der mit seinen "Meilensteinen" eine ähnlich blutige Spur der Verzückung legen würde. Und damit eines klar ist: "Die Leute wollten Maoisten sein. Darum breitete sich das aus. Niemand wurde da hineingeredet. Die Leute guckten sich die Slogans und die Plakate und das wunderbare rote Büchlein und die großen Massen an, und machten den Sprung. Es war eine Epidemie politischen Wahnsinns, zuweilen mit Brillanz gesprenkelt, wie es mit dem Wahnsinn geht, meist aber getrieben von einer Pathologie der Gewalt."
Archiv: Tablet

Novinky.cz (Tschechien), 20.09.2016

Die Sängerin Ida Kelarová, die selbst halb Romni ist, musste auf einem ihrer Musiksommerkurse für Roma-Kinder Anfeindungen und Aggressionen aus der Nachbarschaft miterleben und beklagt im Gespräch den zunehmenden tschechischen Rassismus gegen Roma: "Ja, die Roma-Kinder sollen sich integrieren, aber verlangt nicht von ihnen, dass sie sich assimilieren. Integration bedeutet, dass ich darauf stolz bin, wer ich bin. Assimilierung bedeutet, dies alles zu zerstören und vorzugeben, jemand anders zu sein. Das hat mein Vater gemacht. Er hat sich so dafür geschämt, ein Rom zu sein, dass er früh gestorben ist." Auch vermisst Kelarová gezielte Integrationsangebote: "Nehmen Sie die Sprache. Oft sprechen diese Kinder zu Hause Romani, verstehen kein Tschechisch, scheuen sich aber, es zuzugeben. Wenn sie in der ersten Klasse in Romani unterrichtet werden könnten, bräuchten sie keine spezielle Förderschule, da hätten sie lauter Einsen. Oder welcher tschechischer Lehrer kennt ein Romalied? Ich unterrichte auch Schulklassen, und noch nie habe ich erlebt, dass die [tschechischen] Kinder ein Romalied singen könnten. Die Roma haben ausgezeichnete Musikgruppen, großartige Künstler, aber alle gehen ins Ausland, um Musik zu machen. Nicht mal meine Lieder werden hier gespielt, im Ausland bekomme ich Preise und so weiter, aber hier im hiesigen Radio wird es nicht gespielt, weil es nicht tschechisch ist. Die Roma sind nicht Teil der tschechischen Gesellschaft. Fahren Sie auf den Balkan und dort hören Sie sagen 'Unsere Roma'. Das kommt hier nicht vor."

Hier singt sie "Mamo Na Birinav":


Archiv: Novinky.cz

New Yorker (USA), 03.10.2016

Er habe versucht den Kubanern keinen Yankee-Imperialismus zu präsentieren, sondern ihnen zu versichern, dass die Zukunft in ihrer eigenen Hand liegt, meint Barack Obama nach seinem Kubabesuch zu dem Reporter Jon Lee Anderson. Das sah dann so aus, erzählt Anderson in der neuen Ausgabe des New Yorker: Bei einem Treffen mit amerikanischen und kubanischen Unternehmern, Regierungsvertretern und Journalisten, pries Obama Brian Chesky, dessen Unternehmen Airbnb in acht Jahren vom Nichts auf einen Börsenwert von 25 Milliarden Dollar kletterte. "Obama blickte lächelnd ins Publikum. Niemand musste daran erinnert werden, dass dieser Wert fast ein Drittel des kubanischen Bruttoinlandsprodukts ausmachte. 'Ich nehme Brian als Beispiel', sagte er. 'Er ist einer unserer herausragenden jungen Entrepreneure, der eine Idee hatte und danach handelte. Und in dieser globalen Ökonomie kann sie abheben.' Obama meinte, wenn die Kubaner ihren Stand in der globalen Wirtschaft verbessern wollten, müsse die Regierung mehr Freiheiten geben. 'Kuba sollte Ideen übernehmen, Ideen stehlen, von überall, wo etwas gut läuft', sagte er. 'Mein Rat wäre: Stehlen sie keine Ideen von dort, wo sie nicht funktionieren.'"

Thomas Meaney porträtiert die AfD-Politikerin Frauke Petry als neuen Stern ganz rechts in Deutschland und "entwaffnend mustergültig". Meaney erkennt sogar Parallelen zu Trump: "Obwohl der politische Stil in Deutschland im Vergleich zur Ära Trump sehr anständig ist und Petrys spröde Art sich stark von der Trumps unterscheidet, weisen ihrer beider Aufstiege Ähnlichkeiten auf. Auch Petry ist spät zur Politik gekommen und genießt ihren Outsider-Status. Wie Trump arbeitet sie mit Unterstellungen und facht so Konspirationstheorien an, um Zusammenhalt in den eigenen Reihen zu stiften. Wie Trump wurden ihr finanzielle Delikte vorgeworfen. Wie er geißelt sie die Medien für liberale Tendenzen und profitiert zugleich von medialer Aufmerksamkeit. Petry und ihre Parteigenossen haben es geschafft, die Nachrichten derart zu dominieren, dass ein Gast in Deutschland leicht annehmen könnte, die AfD regiere bereits."

Außerdem: Die Utopie kommt wieder in Mode, lernt Akash Kapur, der zwei neue Bücher zum Thema vorstellt: Erik Reeces "Utopia Drive" und Chris Jennings' "Paradise Now: The Story of American Utopianism". Laura Miller schreibt über die Dublin Murder Squad Serie der Krimiautorin Tana French. Peter Schjeldahl besucht die Ausstellung "Jerusalem, 1000-1400: Every People Under Heaven" im Metropolitan Museum. Hua Hsu hört die neue CD "22, A Million" von Justin Vernon. Anthony Lane sah im Kino Antoine Fuquas Remake der "Glorreichen Sieben" und Andrew Neels Film "Goat". Und Ariel Levy stellt die Comedian Ali Wong vor, die reihenweise Tabus thematisiert, popelnde Frauen etwa. Lesen darf man außerdem Etgar Kerets Geschichte "To the Moon and Back".
Archiv: New Yorker

Magyar Narancs (Ungarn), 01.09.2016

Im Gespräch mit Máté Pálos denkt der 1976 geborene Autor und Literaturredakteur Krisztián Grecsó über den Unterschied zwischen seiner und der jüngeren Autorengeneration nach: "Vielleicht ist es die Wirkung von Facebook und Co., doch die Jüngeren schreiben wesentlich kürzere Texte und wenn sie mal länger sind, dann bestehen sie aus mehreren gedichthaften, kürzeren Teilen. Sie erzählen keine Geschichten, sind eher lyrisch und achten auf die Wahrnehmung, weniger auf die Dramaturgie. Wenn wir die Qualität betrachten, erhalte ich heute wesentlich mehr publizierbares Material. ... Doch ein publizierbares Gedicht ist noch nichts. Null. Die Besten werden nicht mehr, doch das Mittelfeld ist sehr stark, was vor fünfzehn Jahren unvorstellbar war. Gleichzeitig ist es erschreckend wie ahnungslos die jüngeren Generationen sind, was die Funktionsweise der Printmedien angeht. Sie verstehen nicht, dass publizierte Texte Erstveröffentlichungen sind, worin ja ihr Wert steckt. Diese Logik hat Facebook vollkommen zerbombt, denn dort gilt ja, je öfter geteilt, desto wertvoller. So schickt uns ein Autor einen Text zu, den er im Netz bereits verbreitete, mit der Bemerkung, dass es schön wäre, wenn wir ihn auch teilen würden."
Archiv: Magyar Narancs

Elle (USA), 16.09.2016

Molly Langmuir porträtiert die 27-jährige Künstlerin Amalia Ulman, die mit Frauenbildern in sozialen Medien - vorzugsweise auf Instagram - experimentiert. So mutierte sie für ein Projekt von einer brünetten spanischen Konzeptkünstlerin zu einer blonden Süßen in LA, die sich die Brüste vergrößern und in teuren Klamotten fotografien lässt und - andeutungsweise - bei einem Escort-Service arbeitet. Alles Fake. "Sie isolierte sich, erzählte nur einigen Freunden und einigen Museen, mit denen sie in der Vergangenheit zu tun hatte, von dem Projekt - vor allem um sich zu schützen. 'Ich wusste, dass einige Leute nicht glauben würden, dass es eine Performance war', sagt sie. 'Ich habe genug Erfahrung als Frau in der Kunstwelt.' Und es stimmte, einige glaubten es nicht. Ulman erzählt heute, ein Künstler, der von dem Projekt wusste, habe sie mittendrin angerufen und den Einfluss beklagt, den LA auf sie habe. Warum sie diesem giftigen Lebensstil nicht entfliehe und statt dessen seine Muse werde? Andere vermuteten hinterher, sie habe das ganze geplant um die sexuelle Aufmerksamkeit zu bekommen, nach der sie sich insgeheim sehne. Andere unterstellten, sie habe nicht wirklich verstanden, was sie da tat - das es zu einfach war, zu banal um Kunst zu sein."
Archiv: Elle

Film-Dienst (Deutschland), 20.09.2016

Die ersten Virtual-Reality-Filme im 360-Grad-Verfahren erinnern Sven von Reden ans frühe Kino, bevor sich der Spielbetrieb institutionalisierte und das junge Medium feste Formen und Genres entwickelte: Im Vordergrund steht die Attraktion im Gegensatz zur kontemplativen Versenkung in Erzählformate. Ob VR-Filme in absehbarer Zeit allerdings vergleichbare Mechanismen entwickeln, um das Publikum auch langfristig über den bloßen Novelty-Charakter hinaus an sich zu binden, scheint ihm zumindest fraglich - und das nicht nur, weil Montage und gezielte Aufmerksamkeitslenkung als Grundsäulen des Erzählens sich nur schwer in VR-Formate implementieren lassen: "Das dritte Problem, das gegen eine ähnliche Entwicklung von konventionellem und VR-Film spricht, ist das vielleicht fundamentalste: Wenn die Bewegtbild-Erzählung nicht mehr nur durch ein Fenster oder einen Rahmen erlebbar, sondern mit der eigenen sicht- und hörbaren Realität weitgehend deckungsgleich ist, will man dann nicht auch mehr Freiheit, als nur die der Blickrichtung? Um konkrete Beispiele zu nennen: Statt in 'Giant' den Eltern zuzusehen, die ihrem Kind ein Märchen erzählen, würde man nicht lieber - in der Suche nach dem größten 'Thrill' - aus dem Keller gehen und sich die Kriegsrealität in den Straßen selbst ansehen? Würde man in 'Catatonic' von dem Pfleger, der einen schiebt, nicht gerne erfahren, warum man überhaupt eingewiesen wurde? Sicher, das ließe sich auch vom herkömmlichen Kino behaupten. Im VR-Kino verstärkt sich aber dieser Wunsch: So aufregend es ist, seine Blicke frei schweifen zu lassen, so sehr weist gerade diese Teilautonomie auf die Grenzen der eigenen Handlungsfähigkeit hin."
Archiv: Film-Dienst

LA Review of Books (USA), 23.09.2016

Ahsan Akbar vom Dhaka Literaturfestival schildert die schwierige Lage für Autoren und sein Festival nach zahlreichen islamistischer Attacken auf Autoren in Bangladesch - mehrere Autoren und Blogger wurden in den letzten Jahren mit Macheten "zu Tode gehackt", wie es wörtlich im Englischen heißt. Das hat Auswirkungen für das ganze Land. Internationale Investitionen gehen zurück. Und "wie im letzten Jahr wird die Zahl internationaler Gäste beim Dhaka Literary Festival im November wohl sinken. Es wäre unfair zu erwarten, dass Autoren mutiger sind als andere Leute. Trotz der Zusicherung einer hohen staatlich garantierten Sicherheit bleibt es ein Kampf, Autoren zu überzeugen, nach Dhaka zu kommen."

New York Times (USA), 25.09.2016

Die neue Ausgabe des New York Times Magazines geht auf Reisen, zu den Lava-Seen in Äthiopien, in die Berge Albaniens oder die peruanischen Anden. Dazu gibt es je einen Foto-Essay eines namhaften Fotografen. Und damit wir auch verstehen, was wir da sehen, setzt uns Gideon Lewis-Kraus die Feinheiten des Reisens und seiner Dokumentation auseinander: "Ein Unterschied zwischen Suchen und Unterwegssein ist der Umfang des Wissens des Reisenden darüber, wohin er unterwegs ist. Das macht die Unterscheidung zwischen Notwendigem und Zufälligem möglich. Lévi-Strauss fuhr nach Brasilien mit einem Ziel, es war ihm also möglich, das Relevante (ein unbekannter Mythos, ein Hochzeitsritual) vom Irrelevanten (Transportlogistik) zu scheiden. Der Reiz des Roadtrips oder der Pilgerfahrt ist es wiederum gerade, dass das Ziel klein ist und die involvierten Entscheidungen so banal (Tanken oder nicht?), sodass die Botschaft verschwimmt. Wenn die Frage nach der Bedeutung hintangestellt ist, ist letztlich jeder Moment gleich bedeutsam … Das Ziel touristischen Reisens ist auch nicht das Einzelne wie bei Lévi-­Strauss' Hochzeitsritual, sondern bloß die Aneinanderreihung verfeinerter Erfahrung, was bedeutet, dass jeder einzelne Moment optimal erinnert werden muss, also fotografisch. Im Unterschied zum Touristen versteht der wahre Reisende, dass es nicht um die Intensität der höchsten Erfahrung geht, sondern um die Art und Weise, wie sich die Reise selbst in jedem ihrer Momente als stellvertretend für das Ganze offenbart. Also warum nicht mal eine Tankstelle ablichten?"
Archiv: New York Times