Magazinrundschau

Nicht ganz richtig im Kopf

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
07.03.2017. Der New Yorker recherchiert die sinistren Hintergründe des Trump Towers in Baku. The Nation sucht Rat bei rechtspopulistischen Medien. Das New York Magazine untersucht die Apathie Coetzees. Linkiesta feiert die neue globale Frauenbewegung. In El Universal trauert Autor Horacio Castellanos Moya um die Heimat. Der Rolling Stone stellt den ägyptischen Autor Ahmed Naji vor, der für einen Roman ins Gefängnis musste.

New Yorker (USA), 13.03.2017

In der neuen Ausgabe des New Yorker erhellt Adam Davidson die sinistren Hintergründe des Trump Towers in Baku, eines Luxushotels, das nie eröffnet wurde und an dem Trump zusammen mit einer iranischen Familie beteiligt war, die Verbindungen zur Iranischen Revolutionsgarde hat: "Es liegen keine Beweise vor, dass Trump oder seine in das Geschäft involvierten Mitarbeiter aktiv an Bestechung, Geldwäsche oder anderen kriminellen Taten beteiligt waren. Aber Trumps Firma könnte das Gesetz gebrochen haben, indem sie mit der aserbaidschanischen Oligarchenfamilie der Mammadovs kooperierte (die besagte Verbindungen in den Iran pflegt, d. Red.). Ein Korruptionsgesetz von 1977 verbietet amerikanischen Unternehmen, sich an Strukturen zu beteiligen, die als Gegenleistung für materiellen Nutzen oder bevorzugte Behandlung ausländische Regierungen unterstützen. Demzufolge ist auch der unwissende Vorteil durch die korrupten Machenschaften eines Partners strafbar, sofern das betreffende Unternehmen von diesen hätte wissen können … Wenn einer der Partner bei dem Projekt in Baku in illegale Geldtransaktionen verwickelt war und Trumps Firma in irgendeiner Weise Kontrolle über das Projekt hatte, könnte Trump dafür belangt werden."

Außerdem: Alec Wilkinson berichtet, dass der Rockstar und Musikproduzent Jack White jetzt wieder in seinem alten Job arbeitet - als Polsterer. Ariel Levy stellt die US-amerikanische Fotografin Catherine Opie vor, die bevorzugt Transgender und Tätowierte porträtiert. Und Jake Halpern besucht ein Haus in Buffalo, wo Asylsuchende sich auf ihre Flucht nach Kanada vorbereiten. Amanda Petrusich porträtiert die Musikerin Maggie Rogers. Anthony Lane sah im Kino Jordan Vogt-Roberts' "Kong: Skull Island" und Julia Ducournaus Horrorfilm "Raw". Joan Acocella liest Edmund Gordons Biografie der britischen Autorin Angela Carter, "The Invention of Angela Carter" (Oxford). Lesen dürfen wir schließlich noch Anne Enrights Kurzgeschichte "Solstice".
Archiv: New Yorker

HVG (Ungarn), 22.02.2017

Erstmals seit der Übernahme des Medienunternehmens Mediaworks AG im vergangenen Oktober durch einen regierungsnahen Investor, der damit die Kontrolle über zwölf Regionalzeitungen erhielt und die bis dahin größte unabhängige Tageszeitung des Landes Népszabadság (mit damals 35.000 verkauften Exemplaren) einstellte, veröffentlichte der Bund der Ungarischen Zeitungsverleger einen Bericht zur Lage der überregionalen Tageszeitungen in Ungarn. Das Gesamtvolumen wird landesweit nunmehr auf unter 50.000 verkauften Exemplaren geschätzt, was bedeutet, dass in einem Bezirk mit etwa 450.000 Einwohnern mehr Exemplare der dortigen Regionalzeitung verkauft werden als im gesamten Land von allen existierenden überregionalen Zeitungen zusammen. Gábor Juhász kommentiert die Entwicklung: "Die Ungarn werden zunehmend ein Volk der Boulevardzeitungen, der Regionalzeitungen und der kostenlosen Veröffentlichungen. (...) Allgemein wird die Leserschaft älter. Die unter 40-Jährigen kaufen kaum noch Tageszeitungen und die unter 30-Jährigen haben vielleicht mal von der Existenz solcher Organe gehört. Die Gebildeten unter ihnen informieren sich über die Ereignisse in der Welt durch ausländische Webseiten. (...) Es ist kennzeichnend für die ungarischen Zustände, dass es keine überregionale Tageszeitung gibt, die dauerhaft existieren würde, oder gar gewinnbringend betrieben werden könnte. Unter solchen Umständen gibt es nur die Wahl zwischen der Akzeptanz politischer Einflussnahme und Übernahme und der Schließung."
Archiv: HVG
Stichwörter: Ungarn, Ungarische Medien, Hvg

The Nation (USA), 07.03.2017

Kyle Pope, Chefredakteur der hochrespektablen Columbia Journalism Review, kreist um die Frage, wie man Journalismus wieder profitabel gestalten könnte. Trump ist da schon mal eine große Hilfe. Und auch von den rechten Medien kann man lernen, meint Pope in einer nicht ganz ungefährlichen Wendung: "Wenn das Ende der anzeigenfinanzierten digitalen Medien bedeutet, dass Traffic an Bedeutung verliert und engagierte Leser, die zahlen, an Bedeutung gewinnen, dann ergibt die Polarisierung der Medien in politische Lager ökonomischen Sinn. Magazine wie The Nation und The New Republic spielen das Affinitäts-Spiel schon seit Jahren und haben mit ihren leidenschaftlichsten Lesern eine Unterstützerbasis aufgebaut. So strebt der neue Ansatz danach, diese Affinität in ein Bona-fide-Geschäftsmodell umzuwandeln, bei dem die Parteigängerschaft der Leser in Zahlungsbereitschaft mündet."
Archiv: The Nation

New York Magazine (USA), 15.02.2017

Kann es sein, dass J.M. Coetzees Literatur ihre Kraft aus der Apathie zieht? Christian Lorentzen hat Coetzees neuen Roman "Schooldays" gelesen und bleibt mit allergrößtem Misstrauen gegenüber seinen eigenen Leidenschaften zurück. Auf die Spur der Apathie hat den Kritiker David Attwell gebracht, der in "Coetzee and the Life of Writing" die Romane des Nobelpreisträgers als eine Art geistige Exerzitien beschreibt: "'Ernsthaft betrieben', zitiert Attwell Coetzee, 'kann Literatur keinerlei Voraussetzungen akzeptieren wie 1) das Verlangen zu schreiben, 2) ein Thema, 3) eine Aussage. Es muss Raum geben für eine Literatur, die gleichgültig ist gegenüber der Aufgabe des Schreibens, dem Stoff und dem Sinn.' Das ist eine seltsame Idee - Apathie nicht als Hindernis, sondern als Quell der Bedeutsamkeit. Wir kennen Autoren, die schreiben auf der Suche nach Rausch, in Treue zum alltäglichen Leben, aus einem quasi-therapeutischen Impuls, aus politischem Zorn (D.H. Lawrence, Philip Roth), aus Narzissmus oder gar aus Feindseligkeit gegenüber der eigenen Aufgabe (Thomas Bernhard). Aber Apathie? Das ist natürlich eine anti-romanhafte Eigenschaft, aber sie scheint Sinn zu ergeben für Coetzees Werk und den kühlen, unbeteiligten, verkopften Charakter seiner meisten Helden: Apathie als Selbstschutz. Es widerspricht unserer traditionellen Vorstellung von Inspiration, von der Muse, die vom Dichter Besitz ergreift und durch ihn spricht. Aber was, wenn der Dichter in dieser Gleichung ein apathischer Partner wäre? Was, wenn wir uns den Autor als apathischen Diener einer Geschichte und ihrer Figuren vorstellen? Und warum müssen Figuren überhaupt leidenschaftlich sein? Sie wurden schließlich nie gefragt, ob sie Teil der Geschichte sein wollen."

Tapolitika (Tschechien), 07.03.2017

Der russische Journalist und Schriftsteller Arkadi Babtschenko hat sich nach Gerüchten über eine mögliche Inhaftierung auf unbestimmte Zeit in Prag niedergelassen. Tapolitika gibt das Interview wieder, das Babtschenko Radio Svoboda gegeben hat: "Als Dissident in Russland lebt man in ständiger Erwartung. Sobald man den Aufzug gehen hört, läuft man zum Türspion und guckt, ob sie einen holen kommen oder nicht." Dabei sei das In-Umlauf-Setzen von Inhaftierungsgerüchten inzwischen eine generelle Methode des Regimes, unliebsame Kritiker loszuwerden. "Sie konzentrieren sich nicht auf Inhaftierung und Repression, denn was würde ihnen das bringen? Freiheitsentzug, internationale Aufmerksamkeit, Menschenrechte und so weiter, und dann heißt es wieder in der BBC und in Radio Svoboda, wie schlimm sie sind. Also versuchen sie die Leute lieber rauszuekeln. Und streuen deshalb Andeutungen. Einmal, zweimal, dann sagen sie es ganz deutlich, und wenn du es beim fünften Mal noch nicht kapiert hast, dann sperren sie dich natürlich ein. Aber eigentlich geht es ihnen nicht ums Einsperren, sondern darum, die Leute zu vertreiben, sie gehen zu lassen."
Archiv: Tapolitika

Rolling Stone (USA), 24.02.2017

Jonathan Guyer rollt den Fall des ägyptischen Autors Ahmed Naji auf, der seit Jahrzehnten als erster Schriftsteller allein für seine Literatur ins Gefängnis gesteckt wurde. Die Zensurbehörde hatte seinen Roman "Using Life" erst genehmigt, doch dann wurde Naji wegen Obszönität der Prozess gemacht. Der Roman erzählt von einer Gruppe Freunde aus den armen Quartieren Kairos, die auf der Suche nach Spaß und Sinn in ihrem Leben sind, durchaus anzüglich, aber vor allem auch recht subversiv. Eindeutig ist für Guyer das veränderte Klima in Ägypten: "Najis Verurteilung lässt sich nicht allein mit dem harten Vorgehen der Behörden gegen jede Form von Kritik und freie Meinungsäußerung erklären. 'Es war nicht Präsident Sisi, der den Staatsanwalt auf den Plan gerufen hat', sagt der Autor El Toukhy mit Bezug auf den starken Mann Ägyptens, der im Juli 2013 die Macht übernommen hat, 'sondern das Klima, das er erzeugt hat'. Die Atmosphäre von staatlicher und Selbstzensur, die willkürlichen Verhaftungen von Journalisten ermuntern die Informanten und Spitzel die Leute zu denunzieren, und dann kann jeder ehrgeizige Staatsanwalt auf sich aufmerksam machen, indem er einen bekannten Autor anklagt."
Archiv: Rolling Stone

Elet es Irodalom (Ungarn), 03.03.2017

Obwohl Ungarn einer der größten Profiteure des Kohäsionsfonds der Europäischen Union ist, haben seit 2013 alle geförderten ungarischen Regionen im gesamteuropäischen Vergleich (und auch im Vergleich mit den Mitgliedsländer seit der Osterweiterung 2004) ihre Positionen verschlechtert. Die von der EU veröffentlichten Ergebnisse stehen den wiederholten Beteuerungen der ungarischen Regierung diametral entgegen. Victor Orban hat keines seiner Modernisierungsversprechen gehalten, stellt der junge Politologe Zsolt Pétervári fest: "Der wichtigste ideologische Kitt des Orbanismus als kleinstaatlicher Nationalismus ist der traditionelle westenfeindliche, beleidigte Chauvinismus sowie die aus der Triade Trianon-Trauma, Weltkriegsniederlage und gescheiterte 56er Revolution genährte Frustration. Zugleich ist dies das größte Hindernis für eine dauerhafte Installation des Orbanismus, denn dauerhaft erfolgreiche nationalistische Regime werden von geglückten Modernisierungszyklen getragen. Dies gilt für die Türkei unserer Zeit oder in der Zeit der hohen Ölpreise für Russland sowie vormals für die Tigerstaaten Ostasiens. Im Ungarn der Gegenwart, gekennzeichnet durch Deklassierung, Abnahme der Wettbewerbsfähigkeit und Massenauswanderung stehen solch positive nationale Identifikationsmuster für eine breite Mittelschicht zur Ausarbeitung eines kollektiven Selbstbildes nicht zur Verfügung. (...) Die Günstlinge des Regimes selbst wollen erst gar nicht in vergilbte Geschichtsbücher. Nach ihnen die Sintflut."

El Universal (Mexiko), 04.03.2017

Der seit vielen Jahren auf der Flucht lebende Schriftsteller Horacio Castellanos Moya aus El Salvador spricht im Interview mit Caterina Morbiato von der Universal-Wochenendbeilage Confabulario über das Dasein als Exilant und die katastrophale Lage in Mittelamerika, auch mit Blick auf die Veränderungen in den USA: "Es ist einfach wahnsinnig, schrecklich: Du fliehst vor der Gewalt und der Armut, aber wenn du zurückkehrst, gibt es nur noch mehr Gewalt und Armut. Dieser Widerspruch hört nicht auf, denn ohne dieses Zugehörigkeitsgefühl kann der Mensch nicht leben, er braucht es so, wie die Bäume die Erde brauchen. Und dieses Zugehörigkeitsgefühl gibt einem vor allem das Land, aus dem man stammt, darauf baut sich die Identität eines Menschen auf. Wenn dieses Zugehörigkeitsgefühl einen aber auf eine chaotische, gewalttätige, von Armut und negativen Werten geprägte Lage verweist, lebt man in einem ziemlich schizophrenen Zustand. Einerseits liebt der Mensch das, was sein Land für ihn bedeutet, er erinnert sich voller Sehnsucht an das Gute, was es dort gibt oder gab, aber bei der Rückkehr ist fast nichts mehr davon da, bloß noch Härte, Gewalt, blutige, absurde Konflikte... Natürlich sind die meisten von uns da nicht ganz richtig im Kopf."
Archiv: El Universal

Linkiesta (Italien), 07.03.2017

Nein, das ist nicht einfach ein Artikel zum 8. März, dem internationalen Tag der Frau: Lidia Baratta ist überzeugt, dass die Frauenbewegung wiederkommt, und zwar überall: "Die internationale Bewegung ist in Argentinien entstanden, wo Frauen nach der wiederholten Vergewaltigung und der Ermordung der 16-jährigen Lucia Perez den Streik erklärt haben. Und das gleiche ist in Polen gegen das Abtreibungsgesetz des Parlaments geschehen. Der Name der italienischen Bewegung 'Non una di meno' (nicht eine weniger) ist von der argentinischen Gruppe 'Ni una menos' abgeleitet. Am 26. und 27. November fand in Rom mit einem Treffen von drei italienischen Frauenorganisationen eine Generalprobe statt."
Archiv: Linkiesta

New York Times (USA), 05.03.2017

In der aktuellen Ausgabe des New York Times Magazine erklärt Emily Bazelon, warum der neue amerikanische Justizminister Jeff Sessions so mächtig ist: "Über das Justizministerium wird die Regierung ihre nationalistischen Pläne umsetzen - den Gesetzesvollzug, das Errichten von Wahlbeschränkungen und die Einwanderungskontrolle und damit die Wiederbelebung eines vermeintlich christlich-europäischen Erbes. Es ist kein Zufall, dass Sessions das Amt des Justizminister wollte. Das Justizministerium ist am besten geeignet, das Land in der Weise zu verändern, wie er und Bannon (Trumps Chefstratege Steve Bannon, d. Red.) es wünschen. Angesichts um sich greifender Ängste vor drohender Unordnung, könnte das Justizministerium die treibende Kraft werden bei der Neuausrichtung der Frage, wer US-Bürger sein darf und zu welchen rechtlichen Bedingungen … Der große Einfluss des Ministeriums auf die großen politischen Konflikte der Gegenwart und jene, die die kommenden vier Jahre bestimmen werden, konzentriert sich auf das Zivilrecht."

Außerdem: Rollo Romig berichtet über den Bauboom in Indien, der den Städten das Wasser abgräbt. Sasha Weiss porträtiert den Broadway-Regisseur Sam Gold und seinen radikalen, neuen Stil. Und Wyatt Mason schwärmt von der das Persönliche mit Philosophie und Theologie vermischenden bezwingenden Erzählweise des französischen Schriftstellers und Drehbuchautors Emmanuel Carrère.
Archiv: New York Times