Magazinrundschau

Von Adam im Stich gelassen

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
06.03.2018. Der New Yorker lässt sich vom MI 6 über die Konspiration Trumps mit dem Kreml informieren. In 168 ora vergleicht der Anthropologe Tamás Dávid-Barett die ungarische Gesellschaft mit der englischen. Fake News und Sexismus gehören zusammen, seit die Schlange Eva verführte, erklärt Anne Enright in der LRB , die auch ins Herz der Brexiteers blickt. Korruption kann töten, warnt Martin M. Šimečka in Dennik N.  Der Rolling Stone blickt auf die Folgen des Klimawandels in den USA. In En attendant Nadeau erklärt Arundhati Roy: Einen Roman schreiben ist ein Akt der Liebe.

New Yorker (USA), 12.03.2018

Im neuen Heft des New Yorker erzählt Jane Mayer, wie der Ex-Spion des MI 6, Christopher Steele, uns vor Trump und seiner Russland-Connection warnen wollte: "Steeles Quellen behaupteten, Russlands Inlandsgeheimdienst (FSB) könne Trump leicht erpressen, da er Videoaufnahmen besaß, die Trump bei perversen Sexspielen in Russland zeigten. Demnach wohnte Trump 2013 in der Präsidentensuite des Ritz Carlton in Moskau, zahlte eine Reihe Prostituierter für 'Natursekt'-Performances, um das Bett zu entweihen, in dem Barack und Michelle Obama bei ihrem Staatsbesuch geschlafen hatten. Es gab vier Quellenangaben, aber alle Berichte waren secondhand … In Steeles Bericht waren die Namen der Quellen ausgelassen, doch sie wurden beschrieben als hoher aktiver Offizier im Kreml, Hotelangestelle und Trump-Mitarbeiter. Wesentlicher als die sexuellen Details ist in der Rückschau der Umstand, dass der Kreml und Trump in der Kampagne von 2016 politisch konspirierten. Es hieß, die Russen hätten Trump über fünf Jahre aufgebaut und Putin hätte ihn unterstützt, um in den USA und in der transatlantischen Allianz 'Zwietracht zu sähen'. Der Bericht behauptete, obwohl Trump keine Immobilien-Geschäfte in Russland tätigte, hätten er und seine vertrauten Mitarbeiter wiederholt Geheimwissen des Kremls über Hillary Clinton und andere politische Gegner erhalten. Die Behauptungen waren verblüffend und unwahrscheinlich. Sie hatten das Zeug zum Hochverrat, selbst, wenn sie nur teilweise der Wahrheit entsprachen."

Außerdem: Jiayang Fan besucht Chinas Weingüter, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Margaret Talbot fragt sich, ob das Florida-Shooting endlich etwas an den Waffengesetzen ändern wird. Und Kathryn Schulz berichtet über die niemals endende Stinkwanzenplage in den USA. Alex Ross hört die Opern "Semiramide" und "Parsifal" in der Met. Peter Schjeldahl sieht im Whitney's eine Retrospektive des Mid-century-Malers Grant Wood. Und Anthony Lane sah im Kino Francis Lawrences Thriller "Red Sparrow" und Samuel Maoz' "Foxtrot".
Archiv: New Yorker

168 ora (Ungarn), 04.03.2018

Ungarn, so ein Traum nach der Wende, hätte das Zentrum der Region zwischen Istanbul und München werden können. Statt dessen zerfällt das Land, erklärt der Anthropologe und Ökonom Tamás Dávid-Barett und gibt im Interview mit Jozsef Barat einen Einblick in die Struktur der heutigen ungarischen Gesellschaft: "In England zum Beispiel gibt es wohl die Klassengesellschaft. Woher du kommst, bestimmt darüber, was du denkst, wer du bist, welche Wörter du verwendest und am allerwichtigsten: wer deine Freunde sind. Die ungarische Gesellschaft ist ähnlich, nur dass sich die Klassen nicht horizontal ausbreiten, sondern vertikal. Sie besteht nicht aus Schichten, sondern aus Säulen. Es ist schwer, diese zu benennen, denn jede hat mindestens zwei Namen: einen, den die Mitlieder und einen, den die Außenstehenden verwenden. Es gibt die Sozialisten (oder die verrotteten Kommis); die National-Konservativen (oder die unverbesserlichen Nazis), die Liberalen (oder die stinkenden Juden) und die Roma (oder die diebischen Zigeuner). Das ist die Säulengesellschaft, bei der deine Säule darüber bestimmt was du denkst, wer du bist, was du über das Land denkst und wie du sprichst. Wie bei den Engländern ist es auch hier wichtig, wer deine Freunde sind, jedoch entstehen die Netzwerke nicht horizontal, sondern vertikal, in Form von Klientel-, Untertanen- und Vasallenbeziehungen."
Archiv: 168 ora

London Review of Books (UK), 05.03.2018

William Davies versucht sich ebenfalls zu erklären, wie der Brexit zur Politik der Tories werden konnte, wo er doch Ökonomie und nationale Interessen so gravierend schwächt. Als Erklärung findet er die alte konservative Doktrin, dass die Briten nur ohne EU, NHS und Wohlfahrtsstaat zu sich selbst und wahrer Größe finden werden. Aber noch etwas fällt ihm auf: Boris Johnson, Michael Gove, Douglas Carswell, Daniel Hannan und Jacob Rees-Mogg sind alle Mitte der sechziger oder Anfang der siebziger Jahre geboren wurde, Söhne berühmter Vätern, mit einer Zeit im Ausland und ersten Karrieren in den Medien: "Das Ergebnis dieser disparaten Charakteristika sind eine komfortable Vertrautheit mit den Mythen und Ritualen des britischen Staaten, aber eine blasierte Indifferenz gegenüber den Auswirkungen von Politik. Wie Ian Jack vor einem Jahr schrieb, scheint die Expat-Perspektive eine wichtige Rolle in der Psychologie des Brexits zu spielen. Hannan und Carswell verbrachten ihre Kindheit im Ausland. Scharfsinnige Beobachter wie Gary Young wiesen darauf hin, dass der Brexist eher imperialen Vorstellungen als nationalen entspringt. Vor allem aber sieht der Expat das 'große Britannien' nicht nur aus der Perspektive der Regierung. Statistiken, Makroökonomie und Politik bedeuten ihm weniger als der Blick auf die Nation von außen, ganz wie bei den Erzrivalen. Wen interessiert die Steuerschätzung, wenn er einen Atlas vor sich hat."

Fake News und Sexismus gehören seit Adam und Eva zusammen, erinnert die Schriftstellerin Anne Enright, und ziehen sich genau in der Kombination durch Altes und Neues Testament, die Übersetzungen und die ganze Geschichte. Eva hat sich von der Schlange nicht verführen lassen, sie wurde getäuscht und dann von Adam im Stich gelassen: "Genesis ist ein wunderschönes Stück Literatur; halb Gedicht, halb Volksmärchen, es ist schwer, der Idee zu widerstehen, dass es hier etwas Reines gibt, das zum Elend aller Frauen von misogynen Zölibatären verdorben wurde. Als gäbe es einen ursprünglichen edengleichen Text, in dem Mann und Frau gleich sind und niemand Schuld trägt. Die ersten 66 Zeilen der Bibel lang scheint diese Ausgeglichenheit zu bestehen. Dann zeigt Adam mit dem Finger auf Eva: 'Diese Frau, die Du mir an die Seite gestellt hast, die hat mir so eine komische Frucht vom Baum gegeben.' Und Gott verfluchte Eva, diesen Mann trotzdem zu lieben."

Dennik N (Slowakei), 02.03.2018

Auf dem Gedenkmarsch für den ermordeten slowakischen Investigativjournalisten Jan Kuciak in Bratislava hat der Publizist Martin M. Šimečka eine Rede gehalten und die Gesellschaft zur aktiven Verteidigung der Demokratie aufgerufen. "Auch wenn wir den Namen des Mörders nicht kennen, kennen wir den Täter. Es ist die Korruption. Noch bis letzte im Backend ändernWoche konnten wir glauben, dass die Korruption nur ein übler Parasit auf der Demokratie sei, der zwar unsere Gesellschaft bestiehlt, mit dem sich jedoch leben lässt. Aber jetzt wissen wir, dass die Korruption auch töten kann, denn sie will uns einschüchtern und zum Schweigen bringen, sie greift unsere Freiheit an. Und wir wissen, wenn wir uns nicht gemeinsam verteidigen, wird es mehr Tote geben." Auf die derzeitige Regierung setzt Šimečka dabei keine Hoffnung. "Wir müssen uns selbst wehren. Und unsere Verteidigung muss die Wahrheit sein. (…) Aber auch die mutigsten Journalisten können nicht allein die Demokratie retten. Sie brauchen euch, die Öffentlichkeit, die aufmerksamen Leser, Zuhörer und Zuschauer, die nicht gleichgültig bleiben gegenüber der Korruption, die unsere Demokratie auffrisst und unsere Freiheit bedroht."
Archiv: Dennik N

Respekt (Tschechien), 26.02.2018

Erik Tabery, Chefredakteur von Respekt, konstatiert für die Slowakei das "Ende der Unschuld": Journalisten seien immer schon verletzlich gewesen, sie hätten weder Leibwächter noch Ermittlungsvollmachten oder eine Waffe in der Tasche. Doch selbst wenn sie in den dunkelsten Winkeln der Gesellschaft recherchierten, habe es immer etwas wie einen "ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag" gegeben: dass man Journalisten nicht liquidiert. "Nicht, weil nicht jemand Interesse daran hätte, sondern weil er weiß, dass es eine entschiedene Reaktion des Staates zur Folge hat. Mit anderen Worten, jeder sieht von solchen Angriffen auf Journalisten lieber ab, da Sicherheitselemente und Politiker nicht ruhen werden, ehe der Täter eine harte Strafe erhält. So funktioniert es in Ländern, in denen man sich der Bedeutung unabhängiger Journalisten bewusst ist. Die Slowakei weiß nun, dass dieses 'Tabu' gebrochen wurde. In dieser Hinsicht wird die Gesellschaft nie mehr die gleiche sein - über das Ausmaß des Schadens aber wird eine schnelle Aufklärung des Falles entscheiden."
Archiv: Respekt
Stichwörter: Kuciak, Jan, Slowakei

Rolling Stone (USA), 06.03.2018

In einer großen Reportage geht Jeff Goodell der Frage nach, wie sich der Klimawandel in den USA auswirkt. Ballungszentren werden sich verschieben, schreibt er und warnt davor, die finanziellen und sozialen Folgen der Klimamigration zu unterschätzen: "In nicht allzu ferner Zukunft wird es an Orten wie Phoenix und Tucson so heiß werden, dass es lebensbedrohlich sein wird, auch nur die Straße zu überqueren. Teile des oberen Mittleren Westens werden dauerhaft zu einer Staubschüssel. Südflorida wird genauso unter Wasser liegen wie tiefliegende Sektionen der Golfküste. Einige Menschen werden versuchen zu bleiben und den Kampf mit Mutter Natur auszufechten, die meisten aber nicht. 'Die Leute werden tun, was sie seit Tausenden von Jahren tun', sagt Vivek Shandas, Professor für Stadtplanung und -entwicklung an der Portland State University. 'Sie werden in bessere Klimazonen abwandern.'"
Archiv: Rolling Stone

Merkur (Deutschland), 01.03.2018

Ekkehard Knörer kommt in seiner Literaturkolumne noch einmal auf Clayton Childress' letztes Jahr erschienene literatursoziologische Studie "Under the Cover" zurück. Childress untersucht in seiner Pionierarbeit die Entstehung eines literarischen Werkes, von der Kreation über die Produktion zur Rezeption. Unter anderem erfährt Knörer aus der Studie, wie tendenziell instabil das Verlagssystem ist und welche Asymmetrien es hervorbringt: "Eine Zahl, nicht von Childress selbst erhoben, ohnehin schwer zu erheben, von ihm auch eher nebenbei erwähnt, aber für alle erstaunlich ist, die sich nicht auskennen: Das Geschäft mit dem Buch ist in der großen Mehrzahl der Fälle ein Verlustgeschäft. 85 Prozent der belletristischen Bücher spielen die mit ihnen verbundenen Ausgaben nicht wieder ein. (Das ist die Zahl für die Vereinigten Staaten, in Deutschland sieht es wohl ähnlich aus.) Das heißt: Wenige erfolgreiche Titel müssen das weite Feld des schlecht Verkäuflichen querfinanzieren. Jedes Verlagsprogramm ist also eine recht riskante Wette darauf, dass es ein oder zwei oder drei solcher weit überdurchschnittlich erfolgreicher Titel enthält. Und wenn nicht dieses Programm, dann doch das nächste."

Außer vielleicht in den Gedichten von Marion Poschmann und Anja Utler interessiert sich die zeitgenössische Literatur nicht für das Sterben der Arten, bedauert der in Newcastle lehrende Germanist Bernhard Malkmus. Das Anthropozän werde intellektuell wegkuratiert, Klimawandel, Bodenerosion und Meeresversauerung spielten keine Rolle: "Im Hinblick auf ökologische Fragestellungen ist die literarische Imagination eingeschnürt in ein Korsett aus strengen Sprach- und Diskursregeln: Vermeidung jeder affirmativen Haltung zur Natur, die nichts weiter sei als ein soziales Konstrukt; bloß keine Misanthropie, an der unveräußerlichen Vernunftbegabung des Menschen ist nicht zu zweifeln; Ironie ist in Ordnung, aber bitte keine Satire."
Archiv: Merkur

Guardian (UK), 05.03.2018

Kann es sein, dass das britische Establishment am Ende ist? Dass die noble Herkunft nicht mehr automatisch über Oxbridge an die Spitzen von Staat und Wirtschaft führt? Aeron Davis sieht das so, fürchtet allerdings, dass an die Stelle des alten Establishments kein neues tritt, sondern nur noch eine inkonsistente Elite aus Reichen und Mächtigen: "Die automatische Verbindung von exklusiver Ausbildung, Tradition, Status, Macht und Geld, die einst das Establishment ausmachte, gibt es nicht mehr. Heute ist ein viel kleinerer Teil über die Clarendon-Oxbridge-Schiene an die Macht gekommen. Exklusive Londoner Clubs leeren sich oder - schlimmer noch für die Eliten - erlauben jetzt Frauen, Ausländern und Menschen aus niederen Schichten die Mitgliedschaft. Die Angehörigen der Aristokratie, die einst großzügig über die Vorstände von öffentlichen Institutionen und Unternehmen gleichermaßen verteilt waren, sind nicht mehr zu sehen. Mit der zerbrochenen Verbindung durch die gemeinsame Kultur und Bildung sind auch die alten Werte des alten Establishments verschwunden. Es lässt sich nachlesen, dass der Staatsdienst einst eine ehrenvolle Aufgabe für die Elite war. Wie George Orwell 1941 notierte, glaubte die Upperclass, egal wie nutzlos sie war, an den Dienst für die Nation: 'Mit ihrer Bereitschaft, sich selbst töten zu lassen, hat Englands herrschende Klasse immer gezeigt, dass sie einigermaßen anständig ist.' Solch Pflichtgefühl und Selbstopfer gibt es in der neuen Elite definitiv nicht. Statt dessen kreisen ihre Werte um persönliche Bereicherung, Individualismus, aufgeklärtes Eigeninteresse und die Reverenz an die 'Schöpfer des Wohlstands'. Aber solche Normen sind die Antithese zu jedem Gefühl von einem gemeinsamen, kollektiven Interesse. Eigennütziger Individualismus und das Überleben der Angepassten sind keine gute Basis, um eine Gruppe zusammenzuhalten, auch nicht die Elite."
Archiv: Guardian

Magyar Narancs (Ungarn), 06.03.2018

Im Gespräch mit Imre Kőrizs wiegt der Sprachwissenschaftler, Dichter und Übersetzer Ádám Nádasdy die zeitgenössische ungarische Literatur: "Heute funktioniert alles referenziell. Vielleicht waren Tandori und Petri die letzten vulkanischen Talente. ... Ich mag die heutige Literatur, dennoch habe ich das Gefühl, dass das Ewige darin eher die Geschichten sind, das Narrative. So wie es im Mittelalter war, als die feine Lyrik aufhörte und die Romanzen und Geschichten kamen. Die heutigen Schriftsteller haben sich eher von Esterházys Programm abgekehrt, der sagte: nicht das 'was' ist interessant, sondern das 'wie'."
Archiv: Magyar Narancs

Vice (USA), 22.02.2018

Früher wollten die Kids Hollywood-Superstars werden und das süße Leben des Jetset genießen, heute steht YouTube-Star ganz oben auf der Wunschliste. Dass man als solcher sein Haus quasi gar nicht mehr verlässt, nahezu rund um die Uhr malocht und auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen irgendwelcher Algorithmus-Schaltungen ausgesetzt ist und nach Nutzerstatistiken süchtig wird, hat man ihnen dabei wahrscheinlich nicht erzählt: Schöne, neue Arbeitswelt, in die Joe Zadeh in seinem Porträt des professionellen YouTubers WillNE Einblicke gewährt. Um die wichtige Marke von einer Million Abonnenten zu knacken, "hat er jede wache Stunde seines 16-Stunden-Arbeitstags in einem Zustand erbärmlicher Obsession dafür zugebracht. ... Unter seinen Augen bilden sich Säcke. Sein Schlafverhalten ist ziemlich durcheinander. Er zieht Nachtschichten durch um Videos fertigzustellen und ist sich dessen nicht bewusst, was das mit ihm anstellt, bis er zwei Tage später um halb sechs morgens wach liegt." Vor einem Jahr veränderte YouTube sein Werbeprogramm, was insbesondere das mittelerfolgreiche Youtube-Segment schwer traf: "In gewisser Hinsicht stellt der YouTuber das ultimative Destillat der modernen neoliberalen Kultur dar: Eine ganze Gemeinschaft sich selbst bewerbender individualistischer Unternehmer, die einander im Kampf um wirtschaftlichen Erfolg verzweifelt bekriegen, während ihre Arbeit zugleich den Werbetreibenden zugute kommt und den Erfolg eines Konzernmonolithen befeuert: YouTube."
Archiv: Vice

En attendant Nadeau (Frankreich), 27.02.2018

Im Interview mit Natalie Levisalles spricht Arundhati Roy über ihr Selbstverständnis als Schriftstellerin und ihren jüngsten Roman "Das Ministerium des äußersten Glücks", ihr erstes wieder fiktionales Werk nach ihrem Erstlingserfolg "Der Gott der kleinen Dinge" vor 20 Jahren. "Für mich ist Nicht-Fiktion immer ein Einspruch, eine Argumentation. Fiktion dagegen ist die Konstruktion eines Universums. Sie ist ein Akt der Liebe, nicht des Kriegs … Ich wollte der Frage nachgehen: Was kann man heute mit einem Roman machen? Wie die Dinge betrachten, wie es nur ein Roman kann? … Dieses Mal wollte ich ein Buch über eine Stadt schreiben oder eher über eine Stadt, die ständig umgemodelt wird und die Fundamente der alten Stadt durcheinanderwirbelt für die Hauptstadt der neuen Supermacht, für ihre Bedeutung und Gewalttätigkeit - den gewaltsamen Versuch nämlich, eine sehr komplexe Gesellschaft in einen simplen kulturellen Nationalismus umzuwandeln. Die Gewalttätigkeit einer Kolonie, die von einem Tag auf den anderen zum Kolonisator geworden ist."
Stichwörter: Indien, Roy, Arundhati

New York Times (USA), 04.03.2018

In der aktuellen Ausgabe des New York Times Magazine erklärt Bruce Falconer, wer die Farben macht, nicht etwa irgendein Farben-Nerd, sondern die Firma Pantone: "Farbenvorhersager wie die von Pantone haben enormen Einfluss auf die visuelle Seite der globalen Wirtschaft, den Teil, der designed, hergestellt und verkauft wird, obgleich ihre Arbeit unsichtbar bleibt. Erinnern wir uns an eine Szene aus 'Der Teufel trägt Prada', in der Meryl Streep ihrer Assistentin erklärt, wieso sie gerade einen Pullover in Coelinblau trägt: Coelinblau tauchte erstmals in einer Kollektion von Oscar de la Renta auf, so Streep im Film, wurde von anderen einflussreichen Designern aufgenommen und begann dann seinen Abstieg durch die Warenhäuser bis auf den Wühltisch, von dem du den Pulli hast, Schätzchen … In Wirklichkeit wurde die Farbe von Pantone ausgewählt. Sechs Jahre vor dem Film ernannten die Vorhersager von Pantone Coelinblau zur ersten Farbe des Jahres. In den zwei folgenden Jahrzehnten, als digitales Design und soziale Medien sich ausbreiteten, wurde die Marke Pantone weltbeherrschend. Seine Farbvorhersagen gehören zu den einflussreichsten, obwohl die Konkurrenz nicht auf sich warten ließ und mit Tumblr und Pinterest und ihrer Neigung Farbtrends aufzugreifen und sie unter ihre Followern zu verbreiten, stark zunahm. Für die Kaste der Fashion- und Industrial Designer, die Pantones Kundenstamm ausmachen, gehört die Farb- und Farbschattierungswahl zur wichtigsten Entscheidung des Jahres. Unternehmen zahlen viel Geld für den richtigen Ton, und die seltene, beinahe mystische Kunst, ihn zu treffen, ist Pantones Geschäft."

Außerdem: Wil S. Hylton trifft Leopoldo Lopez, den venezolanischen Oppositionsführer mit Hausarrest, und träumt von einem anderen Venezuela.
Archiv: New York Times