Magazinrundschau

Rohrleitungen der Kognition

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
27.03.2018. Im New Yorker untersucht der britische Philosophen Andy Clark die Verkabelungen unserer Seelenmaschine. Die LRB zuckt beim Skandal um Facebook und Cambridge Analytica die Schultern: So ist halt der Kapitalismus. Radikale Doktrinen sind vor allem eins, radikal intolerant, meint der Politologe Michael Walzer in Eurozine. Das TLS lernt, dass Biokühe in den Cotswolds auf Kindermädchen bestehen. Die NYT begleitet die französische Astrobiologin Nathalie Cabrol in die Atacama Wüste Chiles. Longreads erzählt von zweifelhaften, aber sehr teuren Krebsbehandlungen in Deutschland.

New Yorker (USA), 02.04.2018

Im neuen Heft des New Yorker trifft Larissa MacFarquhar den britischen Philosophen Andy Clark, der eine Theorie des expandierenden menschlichen Denkens entwickelt hat. Hilfsmittel des Denkens wie Smartphones und Sprache sind Teil des Denkens selbst, behauptet er: "Die meisten Menschen, stellte Clark fest, neigen dazu, sich mit ihrem Bewusstsein zu identifizieren. Das scheint nicht ungewöhnlich, handelt es sich doch um das Selbst, das sie am besten kennen. Doch Kognition ist viel mehr als das: die riesige, stille Kaverne der Seelen-Maschine mit ihren Schläuchen, Synapsen und elektrischen Impulsen. So viele unbewusste Systeme, Verbindungen, Tricks und tief eingegrabene Wege, die das pulsierende Material des Selbst bilden. Diesen primären Mechanismen, den Verkabelungen und Rohrleitungen der Kognition gelten Clarks Forschungen. Denkt man an all diese fundamentalen Dinge - einige von ihnen teilen wir mit anderen Säugern und weit entfernten Vorfahren, andere sind einzigartig und neu - kann das Bewusstsein wie eine sehr oberflächliche Sache erscheinen, ein User-Interface, das die tatsächliche Arbeit darunter verdeckt."

In einem anderen Artikel erklärt Joshua Rothman die neue Technik des "virtual embodiment", die unser Selbstverständnis tüchtig strapaziert. Margaret Talbot berichtet, wie die amerikanische Umweltschutzbehörde zum besten Freund der Fossilenergielobby wurde. Und Rachel Aviv erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die den Sinn für die eigene Identität verlor. Peter Schjeldahl sah im Met Breuer eine Skulpturenausstellung über den Körper. Und Anthony Lane sah im Kino Steven Soderberghs mit einem Iphone gedrehten Psychothriller "Unsane" sowie Aaron Katz' Hollywood-Mystery "Gemini".
Archiv: New Yorker

Eurozine (Österreich), 20.03.2018

Im Jahr 1975, ganz kurz nach dem Ende Francos, wollte in spanischer Polizist eine Reproduktion von Goyas "Nackter Maja" in einem Schaufenster verbieten - und erntete das Gespött der spanischen Intellektuellen. Im Jahr 2017 zirkulierte in New York eine Petition, um ein Gemälde Balthus' abhängen zu lassen, das ein laszives Mädchen zeigte - und dieser Protest repräsentiert die neueste Variante des radical chic. In Letras Libres (englisch in Eurozine) denkt der Madrider Philosoph José Luis Pardo darüber nach, was sich in diesen vierzig Jahren verändert hat. In Zeiten der Identitätspolitk, so konstatiert er, ist die Idee eines universalen Rechts erodiert: "Wenn die Idee eines 'allumfassenden Kollektivs' verschwindet und damit antagonistische Identitäten zwangsläufig an seine Stelle treten, dann verlieren streitende Parteien das Vertrauen in Gerechtigkeit (denn ihre 'Differenz' widersetzt sich einer Reduktion auf Gleichheit vor dem Gesetz) und suchen das Recht der Opfer auf Rache, die nicht Gerechtigkeit will, sondern eher die Demütigung des Feindes und versuchen zugleich... , alle Irrtümer der Geschichte im Licht ihrer verletzten Identität zu korrigieren, auch die kunsthistorischen."

Lesenswert auch das Gespräch Thomas Casadeis mit dem sozialdemokratischen Publizisten Michael Walzer, Herausgeber von Dissent, über die OktoberrevolutionEurozine übernimmt es aus der italienischen Zeitschrift Il Mulino (hier das Original). In glasklaren Sätzen fertigt Walzer die Idee einer "Avantgarde" ab: "Die Avantgarde-Theorie ist eine der wichtigsten Doktrinen der radikalen oder revolutionären Linken. Ich glaube, es ist eine gefährliche Doktrin. Natürlich hat jede Revolution Anführer, aber eine Avantgarde ist eine sehr spezielle Art der Führung. Ihre Mitglieder behaupten, die Wahrheit über Geschichte und Gesellschaft zu wissen. Sie haben das 'falsche Bewusstsein' der Massen überwunden und sie beanspruchen das Recht -  ein absolutes Recht - auf Führung und später Herrschaft auf der Basis ihres 'richtigen Bewusstseins'. An der Macht sind sie gegenüber jedem, der die Wahrheit nicht kennt, radikal intolerant."
Archiv: Eurozine

Times Literary Supplement (UK), 26.03.2018

Können wir aus dem Verhalten von Tieren auf ihren Charakter schließen? Jennie Erin Smith stellt eine ganze Reihe Bücher vor, darunter Peter Wohllebens "Geheimes Leben der Tiere" oder Elena Passarellos "Animals strike curious Poses", die sich alle mit der Frage beschäftigen, ob Tiere Bewusstsein und Gefühle haben und wie wir uns davon ein sinnvolles Bild machen können. Das alte Tabu, keine menschliche Eigenschaften auf Tiere zu projizieren, gilt längst nicht mehr, schreibt Smith, besonders anrührend erscheint ihr das von Rosamund Young in "The Secret Life of Cows" erzählt: "Die Heldinnen ihres Buch sind die Kühe, die sie auf ihrem Biohof in den Cotswolds aufzieht. ... Sie sind 'Geschwister, Cousins, Freunde oder eingeschworene Feinde', schreibt Young, benannt nach DichterInnen, KönigInnen, Geistlichen oder HerrscherInnen. Sie sind Individuen, die den ganzen Tag über eigene Entscheidungen treffen. Young glaubt, dass die Uniformität im Verhalten von Kühen, Schweinen und selbst Hühnern eine Folge der Massentierhaltung ist. Menschen und Tiere würden eben ihre Identität verlieren, wenn sie in 'unnatürlichen, beengten, nichtssagenden' oder langweiligen Umgebungen leben müssen, schreibt sie. Auf ihrer Farm bleiben Mütter bei ihren Kälbern, manchmal heuern sie weibliche Verwandte als Babysitter an (eine Kuh namens Charlotte, hatte allerdings die Mutterrolle nicht angenommen, erzählt Young, ihr Kalb Calpurnia durfte bei der jungen Mutter keine Milch trinken, die auch prompt zu verstehen gab, dass sich das Kindermädchen um das Balg kümmern soll)."

Auch der Guardian erliegt dem Reiz von Kühen. Er bringt einen Auszug aus John Connells Buch "The Cow Book: A Story of Life on a Family Farm".

Longreads (USA), 26.03.2018

Lindsay Gellman erzählt in einer langen Reportage, wie Privatkliniken in Deutschland zu Unsummen letzte Hoffnung an Krebspatienten im Endstadium verkaufen. Hunderttausende Euro und kann eine Behandlung kosten. In zahlreichen Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitern und Patienten der privaten Hallwang Klinik im Schwarzwald sowie Angehörigen von Krebspatienten lernt sie, wie undurchsichtig die Behandlungsmethoden und -erfolge dort sind. Für sie ist klar, dass hier zu überteuerten Preisen Stoffe verabreicht werden, deren Wirksamkeit fragwürdig ist - vor allem, wenn man sich vor Augen halte, dass das deutsche Gesundheitswesen im Vergleich zum amerikanischen weniger streng reglementiert sei: "Ich habe telefonisch mit Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, gesprochen. Er erklärte, dass alternative Heilmethoden bei approbierten Ärzten an Beliebtheit gewonnen haben, von denen eine zunehmende Anzahl eine Zusatzausbildung in diesem Bereich anfangen. Und in zunehmendem Maße, erklärte Brysch mir, fänden experimentelle Mittel ihren Weg in alternative Behandlungskliniken, wo sie mit älteren unbewiesenen Krebsbehandlungsoptionen wie Ozontherapie (bei der das Gas in die Blutbahn gepumpt wird) und Ganzkörperhyperthermie (bei der die Körpertemperatur des Patienten über längere Zeiträume in den Fieberbereich angehoben wird) angeboten würden." Besonders gut trifft sich das, wenn man - wie ein Teil der Eigentümer der Hallwang Klinik - die Mittel selbst herstellt, so Gellman, die den verzweifelten Patienten verabreicht werden.
Archiv: Longreads
Stichwörter: Gas, Schwarzwald

Wired (USA), 23.03.2018

Der Erfolg von Ryan Cooglers weitgehend in Afrika spielenden und von einem fast durchgängig schwarzen Cast bestrittenem Superheldenfilm "Black Panther" ist sensationell - schon werden weitere schwarze Filmemacherinnen und Filmemacher mit großen Blockbustern beauftragt. Ist das der Ryan-Coogler-Effekt, fragt sich Jason Parham - und vielleicht sogar ein Game-Changer? Man darf auch skeptisch sein, schreibt er: "Superheldenfilme sind typischerweise sichere Investitionen. Die eigentliche Bestandsprobe für den Coogler-Effekt wird darin bestehen, ob man schwarzen Filmemachern auch mit Hollywoodfilmen außerhalb dieses Genres beauftragen wird. 'Vielleicht wird es gar nicht so lange dauern, dass den Studios das dämmert, und sie werden sagen, ja, klar, 'Ant-Man 5', da holen wir uns einen schwarzen Typen', sagt der Filmkritiker K. Austin Collins. 'Aber wer wird schwarzen Regisseuren einen großen Topf Geld hinstellen, um teure Hollywoodfilme abseits von Superhelden und Franchises zu drehen und ohne eingebaute Profitgarantie kommen? Das ist für mich die eigentliche Frage: Nicht 'wer wird Black Panther 2 drehen', sondern 'wer bekommt das Geld für einen neuen Malcolm X'?"
Archiv: Wired

Respekt (Tschechien), 25.03.2018

Nach seinem Amt als tschechischer Premierminister wird der Sozialdemokrat Bohuslav Sobotka nun auch sein Abgeordnetenmandat abgeben und die Politk verlassen. Erik Tabery zieht dazu das Fazit: "Sobotka wurde in diesem Blatt oft kritisiert. … Allzu oft schwieg er, wenn er sich hätte zu Wort melden sollen (…) Doch wie in den Märchen mögen wir Geschichten, in denen ein auf den ersten Blick gleichgültig wirkender, kleiner und schwacher Held aufwacht und die Welt zu verändern beginnt. Sobotka wurde Premier in einer Zeit grundlegender historischer Umbrüche. Russland äußerte wieder seinen unstillbaren Hunger nach fremden Gebieten und fiel in die Ukraine ein. Die Kriege in Syrien und anderen Ländern bewirkten eine große Migrationswelle, die Europa erreichte. Auf der heimischen Bühne war er in seiner Regierung mit dem ehrgeizigen Andrej Babiš, dem keine Regeln respektierenden Präsidenten Miloš Zeman und den Aufständischen in der eigenen Partei konfrontiert. Vieler Problemen nahm Sobotka sich zu spät an (…) doch am Ende hat er sich meist auf die richtige Seite gestellt und diese verteidigt, auch wenn ihm das keine Punkte einbrachte. (…) Die Würdigungen werden unterschiedlich ausfallen, in jedem Fall aber verlässt die Politik ein anständiger Mann, an dessen westlicher Orientierung kein Zweifel bestand. Es geht ein Politiker, der über seinen Schatten gesprungen ist, wenngleich dieser Schatten nicht sehr groß war. Im Tschechien dieser Tage ist das bereits geschichtswürdig."
Archiv: Respekt

London Review of Books (UK), 05.04.2018

William Davies, immer noch davon überzeugt, dass die hochmütige Hillary Clinton ihren Wahlkampf selbst vergeigt hat, sperrt sich dagegen, den Einfluss von Facebook und Cambridge Analytica allzu ernst zu nehmen. Außerdem sind sie doch nicht die einzigen, die ihren Kunden Daten abknöpfen, meint Davies: "In der Panik rund um Trump und Cambridge Analytica wird diese brutale kapitalistische Realität als Abfischen bezeichnet. Wenn das Sammeln von Daten per App, ohne dass sich die Nutzer dessen bewusst sind, ein Abfischen ist, dann auch noch viel mehr: Transport for London fischt Daten dadurch ab, dass es ein freies Wlan in der U-Bahn geschaffen hat (das Wlan wurde installiert, um TfL Echtzeitdaten über Passagierströmen zu geben). Der Digital Service der britischen Regierung hat Daten über seine Bürger abgefischt, indem er das Design von Regierungsseiten manipuliert hat (bei den gebräuchlichen A/B-Tests werden Nutzern unterschiedliche Design angezeigt und die Daten darüber gesammelt, wie das die Klicks und Lesedauer beeinflusst). Uber fischt Daten weit über das Fahrverhalten hinaus ab (die App sammelt die Daten der Passagiere, selbst wenn die Fahrt vorbei ist, auch wenn Nutzer die Funktion jetzt ausschalten können). Neue digitale Werbetafeln am Piccadilly Circus fischen Daten ab (sie enthalten Kameras, um den Gesichtsausdruck der Passanten zu analysieren)."

Propublica (USA), 22.03.2018

In einem Beitrag des unabhängigen News-Magazins berichten Peter Gosselin und Ariana Tobin über den massiven Stellenabbau bei IBM. Ein mächtiger Dämpfer für den American Dream, den das Unternehmen wie kaum ein zweites symbolisierte: "ProPublica schätzt, dass IBM allein in den letzten fünf Jahren mehr als 20.000 seiner US-Arbeitnehmer über 40 Jahren gekündigt hat, das sind rund 60 Prozent aller Kündigungen in diesem Zeitraum. Mit diesen Kündigungen hat IBM Gesetze missachtet, die ältere Arbeitnehmer schützen sollen, wie ProPublica anhand von Dokumenten und Interviews mit mehr als 1000 früheren IBM-Mitarbeitern herausfand. Laut Recherchen von ProPublica hat IBM älteren Mitarbeitern das Recht verweigert, vor Gericht zu ziehen oder sich zu organisieren, ältere gut qualifizierte Mitarbeiter durch junge ersetzt, Kündigungen in Pensionierungen umgewandelt oder erzwungen, Gekündigten geraten, sich für andere IBM-Jobs zu bewerben, die ihnen dann aber von IBM-Managern verweigert wurden, und älteren Mitarbeitern vermittelt, ihre Qualifikationen seien veraltet, um sie nach der Kündigung als geringer bezahlte Vertragsmitarbeiter weiterzubeschäftigen … Mit rund 400.000 Mitarbeitern weltweit und zehntausenden in den USA, bleibt IBM ein Gigant in der Unternehmenswelt. Wie es den Umgang mit seinen Baby-Boomern managt und den Übergang zu einer jüngeren Belgschaft vollzieht, wird als Beispiel für andere Unternehmen dienen."
Archiv: Propublica
Stichwörter: Stellenabbau

HVG (Ungarn), 13.03.2018

Der Bildhauer András Sándor Kocsis war bis Januar Vorsitzender der Ungarischen Verleger und Buchhändler (MKKE) für die er seit 1991 arbeitete. Im Interview spricht er u.a. über Konstanten und Veränderungen. "Ich glaube schon, dass das in die Augen schauen vor 1325 Jahren eine ähnliche Bedeutung hatte wie heute. Die Affekte, die Liebe ändern sich kaum dramatisch, auch wenn sie von Zeit zu Zeit neu bewertet werden. Die fanatisierende Politik heute weckt tragischerweise mit ihrer Sprache und mit der Verbreitung der Nachrichten und Lügen ungeheuerliche Affekte. (...) Jeder Politiker müsste sich daran erinnern, dass es wesentlich leichter ist, den Brunnen mit Zyankalitabletten zu vergiften, als ihn später zu reinigen, was ziemlich unmöglich ist. Und eine genauso schlimme und auch die Zukunft betreffende Sünde ist es, die Seele einer Gesellschaft zu vergiften."
Archiv: HVG
Stichwörter: Kocsis, Andras Sandor, Ungarn, Hvg

The Atlantic (USA), 20.03.2018

In der Titelgeschichte von The Atlantic rechnet der evangelikale Theologe und ehemalige Redenschreiber für George W. Bush, Michael Gerson, scharf mit seinen Glaubensbrüdern ab, die den rassistischen, misogynen, ruhm- und geldgierigen Donald Trump unterstützen: Die evangelikalen Führer "Falwell, Graham und andere versorgen Trump mit religiöser Deckung für moralischen Dreck - sie zwinkern bei ordinärem Benehmen und ermutigen die Auflösung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Statt ihre Überzeugungen zu verteidigen, bieten sie ihren politischen Favoriten vorsorglich Absolution. Und das unterminiert, sogar an rein politischen Standards gemessen, die guten Dinge, an die sie glauben. Zur Ausbeutung von Frauen zu schweigen, hilft ganz sicher nicht, Abtreibung zu verhindern. Es unterminiert eine Bewegung, die nicht nur die Zusammensetzung der Gerichte verändern muss, sondern auch die öffentliche Meinung. Diese evangelikalen Führer haben in jedem Sinne aufgehört, moralische Führer zu sein."
Archiv: The Atlantic

La vie des idees (Frankreich), 23.03.2018

"Die PKK und die Herstellung einer Utopie" lautet der Untertitel des Buchs "La revolution kurde" des Soziologen Olivier Grojean, das Massoud Sharifi Dryaz vorstellt. In seiner detailreichen Studie untersucht Grojean, worin die Brüche und historischen Kontinuitäten der PKK seit ihrer Gründung bestehen, ihre Geschichte, Ideologie und Machtspiele. Dryaz Kritikpunkt daran: "Es ist fraglich, ob man die Kurdenbewegung vollständig verstehen kann, indem man sich einzig auf die Analyse ihrer Hauptorganisation konzentriert ... Aus diesem Grund besteht die Tendenz, die Entwicklung der Bewegung auf die Geschichte politischer Parteien oder militärische Organisationen zu reduzieren. Die Ansprüche und typischen Merkmale der Bewegung werden anhand des Diskurses, der Strategie und Handlungsweisen der wichtigsten Organisationen definiert."
Stichwörter: Grojean, Olivier, PKK, Kurden

Pitchfork (USA), 21.03.2018

Als "Plattenkistenwühler-Soundtracks" bezeichnet Judy Berman die musikalischen Untermalungen zu Wes Andersons Filmen, die den Charme handverlesen zusammengestellter Mixtapes eines Musiknerds verströmen und sich nicht nur darauf beschränken, die Gassenhauer vergangener Dekaden zusammenzusuchen: "Seine Mixtapes sind keine Zeitkapseln. Der Zauber von Wes Andersons Musik hat wenig mit der Verbundenheit zu einem bestimmten Genre oder einer bestimmten Ära zu tun. Ihre auf gewisse Weise zugleich fremden wie vertrauten Klänge verschmelzen, um die emotionale Landschaft seiner Filme zu formen. Rückblickend betrachtet, betrat Anderson in genau dem richtigen Moment die Bildfläche, als sich die erste Generation, die mit den postmodernen Collagen auf MTV aufgewachsen ist, in ihren Teenager- und Twen-Jahren befand. Doch anders als damals angesagte Indie-Regisseure der Generation X wie Kevin Smith oder Todd Solondz, ist es ihm geglückt, auch im 21. Jahrhundert relevant zu bleiben. Was auch mit der seherischen Kraft seines eklektischen Stils zu tun hat. Im Jahr 2018 können wir binnen Sekunden von einem x-beliebigen Youtube-Video zu einem Arthaus-Klassiker klicken. Wenn es um Musik geht, haben die Streamingdienste jeden neugierigen Millennial zu einem genre-agnostischen, in virtuellen Plattenkisten wühlenden Wes Anderson Junior gemacht." Einen kleinen Eindruck von Andersons Soundtracks verschafft dieser Youtube-Supercut:



Außerdem hat Quinn Moreland aufgeschrieben, wie Überlebende von Terroranschlägen und Amokläufen auf, bzw. in Konzerten mit ihrem Trauma umgehen. "Die erste Musik, die ich mir wieder anhören konnte, war Jazz", sagt ein Überlebender des Bataclan-Anschlags. "Einige Monate später konnte ich mir die Eagles of Death Metal wieder anhören. Es war schmerzhaft. ... Heute traue ich mir wieder mehr zu, aber ich gehe auf kein Konzert alleine. Ich gehe immer mit meiner Verlobten oder mit Freunden, auch solchen, die gemeinsam mit mir im Bataclan als Geiseln genommen wurden. Meinen Freund Stéphane habe ich vor dem Angriff nicht gekannt, doch seit jener Nacht sind wir wie Brüder und gehen auf alle möglichen Konzerte gemeinsam."
Archiv: Pitchfork

New York Times (USA), 25.03.2018

Nathalie Cabrol, Foto: Seti Institut
In der aktuellen Ausgabe des New York Times Magazine porträtiert die Historikerin Helen MacDonald die französische Astrobiologin Nathalie Cabrol und begleitet sie in die Atacama Wüste Chiles, wo Cabrol Leben unter extremen Bedingungen studiert, um daraus Erkenntnisse über das Leben auf dem Mars zu ziehen: "Schmal und leicht, mit kurzem silbernem Haar und einer bemerkenswerten, fein herausgemeißelten Attraktivität, erinnert die 54-jährige Cabrol an Isabella Rossellini, mit einem außerirdischen Schlag David Bowie. Ihre Augen ähneln grün-grauem polierten Granit, nachdrücklich mit Eyeliner umrandet, sogar wenn sie in der Wüste ist. Sie ist charismatisch, warm und sehr lustig, aber hat auch eine unbestimmbare, unvorhersehbare Wildheit: Mit ihr zu sprechen erinnert mich manchemal beunruhigend an Begegnungen mit Waldtieren, wenn ich nicht wusste, ob ich fliehen oder mich verteidigen sollte. ... Die Suche nach erdfernem Leben hat in den letzten Dekaden neue Richtungen genommen. Einige Theorien legen nahe, dass bis zu 100 Millionen Planeten in der Milchstraße über komplexe multizelluläre Lebensformen verfügen könnten. Wir haben gelernt, dass Planeten nicht unbedingt der Erde gleichen müssen, um Leben zu gewährleisten. Unterirdische Ozeane auf weit entfernten Monden wie Saturns Enceladus und Titan etwa könnten mikrobiologische Organismen beherbergen. Das Universum, erklärt Cabrol, ist möglicherweise voll von solch einfachen Lebensformen. Der Zweck ihrer Expeditionen ist es, Methoden zu entwickeln, solches Leben oder die entsprechenden Biomarker zu finden, Zeichen für Leben, Organismen oder die von ihnen geschaffenen Strukturen oder chemischen Verbindungen."
Archiv: New York Times