Magazinrundschau

Das Ausmaß des öffentlichen Ärgers

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
21.08.2018. Der Guardian resümiert, wie gründlich die BDS-Kampagne in dreizehn Jahren das Koordinatensystem im Nahen Osten zerschossen hat. Eurozine singt ein Loblied auf die Kritikerinnen des feministischen Mainstreams. HVG beobachtet, wie Orbans Oligarchen in den Medien auf Skalpjagd gehen. Rue 89 lädt zum Essen mit Baron Samedi und Maman Brigitte. Der New Yorker feiert mit Alex Katz die Sensation der äußeren Erscheinung. Künstliche Intelligenz mag effizient sein, erkennt der New Statesman, aber sie ist nicht demokratisch. Auf Paley Matters lernt Alan Moore mit Agent Nummer 6, wie höllisch klug die Arbeiterklasse ist.

Guardian (UK), 14.08.2018

Hierzulande erscheint die anti-israelische BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestment, Sanktionen) als nervende Splittergruppe, doch in einem großen Report macht Nathan Thrall klar, wie sehr die Kampagne seit ihrer Gründung im Jahr 2005 das gesamte Koordinatensystem im Nahost-Konflikt verändert hat. Nur fürs Erste: "Seit ihrer Gründung vor dreizehn Jahren dürfte sie sich so viele Feinde gemacht haben wie Israelis und Palästinenser zusammen. Sie hat die arabischen Staaten dran gehindert, ihren eigenen jahrzehntelangen Boykott aufzugeben. Sie hat die palästinensische Autonomiebehörde beschämt, indem sie deren Zusammenarbeit mit Israels Armee anprangerte. Sie hat die PLO verärgert, weil sie ihr die Position als internationale Vertreterin der Palästinenser streitig machte. Sie hat den Zorn der israelischen Regierung entfacht, weil sie sie zu einer Aussätzigen unter Liberalen und Progressiven verwandelte. Sie hat die Reste des israelischen Friedenslagers zur Verzweiflung gebracht, indem sie die Palästinenser vom Kampf gegen die Besatzung zu einem gegen Apartheid trieb. Sie hat bei der israelischen Regierung eine solch antidemokratische Gegenkampagne provoziert, dass Israels Liberale um die Zukunft ihres Landes fürchten. Und sie hat den europäischen Geberländern Kopfzerbrechen bereitet, die von Israel gedrängt werden, in den palästinensischen Gebieten nicht mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die BDS unterstützen, was unmöglich ist, da dies fast alle zivilgesellschaftlichen Gruppen tun... Die Kampagne hat Filmfestivals erschüttert, Konzerte und Ausstellung auf der ganzen Welt. Sie hat palästinensische Künstler verärgert, die mit israelischen Institutionen zusammenarbeiten, und ihnen vorgeworfen, Israels Menschenrechtsverletzungen zu übertünchen. In Britannien hat BDS Gerichte und Stadträte in Aufruhr versetzt. In den USA hat BDS zwei Dutzend Bundesstaaten dazu verleitet, Gesetze zu erlassen, die einen Israel-Boykott unter Strafe stellen, und damit Israels Verbündete in die Falle gelockt, gegen die Anwälte der Meinungsfreiheit wie die ACLU vorzugehen. Es hat die Liberalen zu einer stärkeren Unterstützung der Palästinenser gebracht und Israel zu einer strittigen Angelegenheit gemacht, die mittlerweile weniger mit den Demokraten und anderen Progressiven verbunden scheint als mit Trump, den Evangelikalen und der äußersten Rechten."

Weiteres: Chris McGreal berichtet, wie sich die Discounter-Kette Dollar General vor allem in sterbenden und total verarmten Regionen breitmacht, indem sie Städte und Gemeinden finanziell brutal unter Druck setzt: Derzeit eröffnet Dollar General in den USA drei Läden pro Tag." Schriftsteller Khaled Hosseini fürchtet unsere Nachrichten-Fatigue angesichts des anhaltenden Flüchtlingssterbens im Mittelmeer.
Archiv: Guardian

Eurozine (Österreich), 20.08.2018

Aloma Rodrigeuz bricht in einem aus Letras Libres übernommen Artikel eine Lanze für die Kritikerinnen des feministischen Mainstreams, vorneweg natürlich Camille Paglia, die nicht müde wird, Feministinnen ihre Ignoranz gegenüber Ästhetik und Psychologie vorzuwerfen. Sie empfiehlt aber auch Jessa Crispin, die in ihrem Buch "Why I Am Not a Feminist: A Feminist Manifesto" gegen einen unpolitischen Feminismus argumentiert, der sich auf einzelne Fälle von Misogynie kapriziert oder den Opferstatus von Frauen reproduziert. Besonders fatal findet Crispin das Argument des Mainsplaining: "In einem Essay ihres Buchs 'Men Explain Things to Me' lieferte Rebecca Solnit ein unschlagbares Argument, mit dem eine Frau jede Diskussion gewinnen kann: Wer Dir widerspricht, tut es aus Frauenfeindlichkeit. Das ist natürlich verlockend, wer kann einem Argument widerstehen, das einem immer Recht gibt? Es beengt jedoch den Diskurs und fördert die die Segregation, den in der Konsequenz dürften nur Frauen miteinander reden. Darum kann es dem Feminismus gehen, wenn wir Simone de Beauvoir und Mary Beard glauben. Dem Feminismus geht es darum, dass das, was Frauen zu sagen haben, auch von Männern gehört wird und ihre Äußerungen die gleiche Aufmerksamkeit erfahren. Das kritisiert Crispin auch in ihrem Manifest, aber sie geht noch weiter. Um zu zeigen, wie gefährlich es ist, eine Gruppe namens Frauen zu etablieren, vergleicht sie das mit dem Nationalismus und seiner Betonung von Gruppenidentität und gemeinsamer Werte, die von anderen abgelehnt würden... Wenn Menschen von Empowerment sprechen sieht Crispin darin oftmals nur Narzissmus, der darauf zielt, die eigne Gruppe ausschließlich mit positiven Eigenschaften zu belegen und die negativen über die andere Gruppe zu verhängen.' Mit solchen Projektionen', schreibt sie, 'verleugnen wir nicht nur all die Facetten, die die Menschlichkeit bei Männern ausmachen, wir verleugnen auch unsere eigene Menschlichkeit.' Wir sind keine vollständigen Menschen, wenn wir nur das Gute in uns Frauen sehen."

Weiteres: Gegen Russlands Geschichtspolitik, die den Blick auf den Stalinismus immer stärker verenge, hofft Daria Khlevnyuk auf Dezentralisierung und Pluralisierung. Außerdem übernimmt Eurozine von Osteuropa den Bericht von Memorial zum Hungerstreik von Oleg Senzow und zur Lage der ukrainischen Häftlinge in Russland.
Archiv: Eurozine

HVG (Ungarn), 21.08.2018

In den vergangen Wochen wurden mehrere konservative Medienunternehmen von regierungsnahen Oligarchen übernommen und dann entweder ganz eingestellt (wie die Wochenzeitschrift Heti Válasz) oder durch die Entlassung kritischer Journalisten über Nacht auf Regierungslinie gebracht, wie der Nachrichtensender HírTV und die populärwissenschaftliche Zeitschrift Kommentár. Péter Hamvay ahnt, warum das Regierungslager die Wochenzeitschriften bisher in Ruhe gelassen hat: "Bei der Machtübernahme von Fidesz 2010 waren die kritischen Medien in der Mehrheit, heute herrscht in beinahe jedem Segment ein Übergewicht der Regierungsmedien. Ausnahmen bilden die Wochenzeitschriften und die Online-Nachrichtenportale. Beim ersteren sind nicht nur die Titeln in der Mehrheit (Élet és Irodalom, Magyar Narancs, HVG, 168 óra) sondern auch die Auflage. Jedoch handelt es hierbei um Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von fünfzig- bis sechzigtausend, die lediglich ein schmales, politisch bewusstes und anspruchsvolles intellektuellen Milieu erreichen. Nicht ohne Grund ist dies die am schwersten erreichbaren Leserschaft für die mit der Wiederholung von einfachen Slogans operierenden Regierungsmedien. Und es ist auch kein Zufall, dass die Regierung anstatt diesen Nachteil aufzuholen, sich in der Zukunft eher um die Einverleibung des Fernseh- und Online-Marktes konzentrieren wird, wo die größten Skalps zu holen sind, nämlich RTL und Index."
Archiv: HVG
Stichwörter: Fidesz, Oligarchen, Hvg, Rtl

New Statesman (UK), 17.08.2018

Künstliche Intelligenz ist bequem und verdammt effizient, weiß Jamie Bartlett, Direktor des Centre for the Analysis of Social Media,  aber leider auch verdammt undemokratisch. Denn sie untergräbt die alles entscheidende Prämisse, dass Menschen die besten Entscheidungen fällen. Verglichen mit einem Algorithmus erscheinen Menschen irrational, ineffizient und dumm. Aber nicht nur das: "In den letzten zweihundert Jahren gab es einen Kreislauf, der sich praktischerweise selbst verstärkte: Individuelle Freiheit war gut für die Wirtschaft, und diese Wirtschaft brachte mehr gutsituierte Menschen hervor, die wiederum Freiheit schätzten. Was also, wenn diese Verbindung geschwächt wird? Was, wenn wirtschaftliches Wachstum in Zukunft nicht mehr von individueller Freiheit und unternehmerischem Geist abhängt, sondern von finanzieller und intellektueller Verfügungsgewalt über die klugen Maschinen, die Forschung, Produktivität und Unternehmen steuern? Es gibt keinen Hinweis, dass eine zentral geplante, staatlich kontrollierte Wirtschaft in diesem neuen Zeitalter nicht blühen könnte. Die letzten Jahre legen sogar nahe, dass digitale Technologie perfekt unter monopolististischen Bedingungen funktionierte: Je größer ein Unternehmen, desto mehr Daten und Rechenleistung bekommt es und desto effizienter wird es; je effizienter es wird, desto mehr Daten und Leistung bekommt es, in einem sich selbst perpetuierenden Kreislauf."
Archiv: New Statesman

The Baffler (USA), 20.08.2018

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, im Zuge von Massenmedien, realistischen Romanen, veröffentlichten Briefwechseln und Broschüren zur "Sexualhygiene" kam bei Menschen die Sehnsucht nach einer Privatsphäre auf, erinnert die Historikerin Rochelle Gurstein, vor allem mit Blick auf die Sensationslust der Presse befürchteten sie eine moralische Verrohung. Gurstein sucht unter anderem in Texten von Henry James und dem Gründer von The Nation, E. L. Godwin, nach Erklärungen, weshalb sich jedoch der zur gleichen Zeit einsetzende Enthüllungs- und Entblößungskult durchsetzte: "Vorherrschender Glaube war, dass Menschen - gute, ehrliche Menschen - nichts zu verbergen haben. 'Lebt im Freien!' ermahnte die Frauenrechtlerin und Ärztin Mary Putnam Jacobi ihre Zuhörer 1871 in einem öffentlichen Vortrag vor der New Yorker Positivistengesellschaft. 'Etwas, von dem man nicht will, dass es die ganze Welt wissen sollte', verkündete Jacobi, 'ist falsch.' In der Novelle The Reverberator brach James diese Haltung auf die primitivste Ebene herunter, indem er eine Figur denken ließ: 'Nun, wenn Leute unmoralisch sind, kann man es nicht aus den Zeitungen heraushalten - und ich weiß nicht, warum man das sollte.' Dieser tiefsitzende Verdacht der Privatsphäre gegenüber als Versteck für Fehlverhalten hat in den westlichen Demokratien eine besondere Rolle gespielt. 'In allen demokratischen Gesellschaften heute', schrieb Godkin, 'ist die Öffentlichkeit entweder geneigt, Versuche der Privatsphäre, sei sie geistiger oder körperlicher Natur, zu verurteilen, oder sie der Lächerlichkeit preiszugeben.' Darüber hinaus verdächtigten 'demokratische' Entlarvungs-Apostel 'alle Rücksicht auf oder Vorkehrungen für die Privatsphäre' als Zeichen der 'Exklusivität' - was heute 'Elitismus' genannt wird."
Archiv: The Baffler

Rue89 (Frankreich), 17.08.2018

Der Anthropologe und Forensiker Philippe Charlier hat zusammen mit dem Zeichner Richard Guérineau einen Comic über Untote in Haiti geschrieben. Im jetzt online gestellten Interview Renée Greusard spricht er über die Zombis, die von den Hollywood-Zombies dadurch unterscheiden, dass es sie wirklich gibt: "Es gibt drei Arten von Zombis. Der erste ist der toxische Zombi, dessen Vergiftung von einer Geheimgesellschaft beschlossen wurde (von den Bizango oder den Cochons gris), weil man glaubt, dass er der Gesellschaft schade. Ein Vergewaltiger, ein Mörder, ein Erbschleicher, so was. Man sagt  ihm: 'Wenn Du nicht aufhörst, wird dir Schlimmeres als der Tod widerfahren.' Und ein Zombi sein, das ist schlimmer als der Tod. Es gibt auch diejenigen, die zum Beispiel von ihrer Schwiegermutter vergiftet werden, oder von jemanden, der ihnen Böses will. Aber das ist ein Missbrauch des 'legalen' Gifts, das im Voodoo benutzt wird (Tatsächlich bestraft das hatitianische Gesetz die Zombifizierung - Anm. d. Red.). Der zweite Typ Zombi ist der psychiatrische. Das sind die Leute, die glauben, sie hätten das Reich der Toten besucht. Sie haben, wie man sagt, mit Baron Samedi und Maman Brigitte gegessen. Das sind in der regel Fälle von Schizophrenie oder anderen Pathologien. Und schließlich gibt es den letzten Typ, den sozialen Zombi. Nach einer Naturkatastrophe (leider wird Haiti oft von Erdbeben, Flutwellen oder Zyklonen getroffen) ist der Vater, die Mutter oder jemand verschwunden, der für die Familie wichtig ist. Er wird ersetzt durch jemand anderes ersetzt. Und alle gaukeln sich was vor. Man tut so, als wäre die Person ein Zombi, wohlwissend, dass er weder die Person noch ein Zombi ist. Alle Welt weiß das, aber niemand sagt es. Es ist ein Spiel. Es ist ein wenig wie bei der 'Rückkehr des Martin Guerre'. Ziel ist, die Lücke der verschwundenen Person zu füllen."
Archiv: Rue89

New Yorker (USA), 27.08.2018

In der aktuellen Ausgabe des New Yorker porträtiert Calvin Tomkins den 90-jährigen, höchst aktiven Maler Alex Katz und seine Porträt-Technik vor: "Indem er Charakter und Stimmung komplett ignoriert, bieten seine Bilder die reine Sensation der äußeren Erscheinung. Nicht, wer die Porträtierten sind, interessiert ihn, sondern wie sie in einem bestimmten Moment erscheinen. Für ihn gibt es nichts Spannenderes als die Oberfläche der Dinge, sagte er einmal. Er malte alle auf diese Weise, nicht nur seine Frau Ada (mehr als 200 Mal). Mitte der sechziger Jahre begann er, Personengruppen in sozialen Situationen festzuhalten. 'The Cocktail Party' zeigt eine Gruppe von gut gekleideten Leuten inklusive Ada in einem New Yorker Loft, 'Lawn Party' dreizehn festlich gekleidete Gäste vor einem Landhaus. Kleidung, Gesten, Frisuren sind spezifisch für die Zeit, aber das Eintauchen in ein dauerndes Jetzt, das Katz 'das schnelle Vergehen der Dinge' nennt, sorgt dafür, dass das Bild nicht altmodisch wirkt. Obwohl Katz mit den traditionellen Realisten der Zeit, Fairfield Porter, Jane Freilicher, Umgang hatte, war seine Arbeit nie realistisch. Die Gesichter seiner Figuren sind weich und makellos, fast exemplarisch, die Hintergrunddetails sind minimal. Seine Oberflächen wurden dünner und weicher in den Sechzigern, gezeichnet von wenigen Pinselspuren. Um die Kompositionsprobleme zu lösen, die Menschengruppen an den Maler stellen, nahm Katz Abstand vom direkten Auftragen der Farbe und brachte sich die Renaissance-Technik bei, bei der der Maler einen lebensgroßen Karton vor die Leinwand spannt und trockenes Pigment durch Nadellöcher aufbringt, um die Umrisse festzulegen. So arbeitet er beim großformatigen Bildern noch immer, stets auf der Suche nach Techniken, um neue Effekte zu erzielen."

Außerdem: George Packer resümiert die Folgen der Finanzkrise von 2008. Dana Goodyear berichtet über neue Body-Cams, die helfen sollen, Polizeigewalt in den Griff zu bekommen. Und Elizabeth Kolbert denkt über die Vor- und Nachteile der Philanthropie in unserer Zeit nach.
Archiv: New Yorker

Paley Matters (USA), 10.08.2018

Erinnern Sie sich noch an die ziemlich abgefahrene britische Agentenserie "The Prisoner", hierzulande auch als "Nummer 6" bekannt? Patrick McGoohan hatte die Serie konzipiert und zugleich die Hauptrolle als Agent übernommen, der sich nach seiner Kündigung auf einer durchgeknallten Insel als Gefangener wiederfindet. Eine Serie zwischen Monty Python, Alice im Wunderland und weird britannia. Dort gilt die Serie aus dem Jahr 1967 natürlich als national treasure. Das New Yorker Paley Center for Media hat zum 50-jährigen Jubiläum der Ausstrahlung in den USA Comiczeichner Alan Moore um ein ausführliches Gespräch gebeten, der seinerseits ein wenig abdriftet. Unter anderem geht es um das kontrovers diskutierte Ende der Serie: "Sie liegen wohl ziemlich sicher richtig, was das Ausmaß des öffentlichen Ärgers betrifft, welche die gnostische Extravaganz der letzten Episode ausgelöst hat. Doch meine Erfahrung als 13-Jähriger in Northamptons Boroughs-Viertel, auf dessen intellektuellen Scharfsinn nur selten Loblieder gesungen werden, war eine andere. Jeder, mit dem ich damals im Viertel darüber sprach, Kinder wie Erwachsene, schien von der letzten Episode eher stimuliert und beeindruckt als erzürnt gewesen zu sein. Ich erinnere mich an einen Besuch am Kiosk, wahrscheinlich habe ich mir gerade die neuesten amerikanischen Comics abgeholt, wo ich in ein Gespräch einstieg, das dort zwischen Harry Trasler, dem Händler, und einer gewöhnlichen Frau vonstatten ging, die sich wohl gerade die aktuellen Ausgaben von Woman's Own und Chronicle & Echo abholte. Beide diskutierten leidenschaftlich und spekulierten wild darüber, was es wohl mit dem Ende der Serie auf sich hatte. Die Frau stürzte sich auf die Einstellung einer Rakete, die über dem Horizont von Port Merion aufstieg. Für sie ein Beweis, dass Nummer 1 immer schon ein Alien aus dem All gewesen ist. Harry Trasler und ich hingegen waren, soweit ich mich erinnere, in unseren Hypothesen etwas vorsichtiger. Jeder hatte eine Theorie - ein Beispiel dafür, dass die Leute an einem Kunstwerk mehr Freude haben, wenn sie selbst kreativ damit umgehen können. Und ich denke, gerade in einer Gegend wie Buroughs, die nicht nur finanziell, sondern auch intellektuell und kulturell verarmt war, stürzten sich die Leute besonders auf 'Nummer 6', weil es etwas darstellte, das für die Leute aus der Arbeiterklasse zwar zugänglich und unterhaltsam war, zugleich aber auch höllisch intelligent. Was eben auch auf viele Leute aus der Arbeiterklasse zutrifft." Hier einige Eindrücke aus der Serie:

Archiv: Paley Matters

New York Times (USA), 19.08.2018

Im aktuellen Heft des Magazins rekapituliert Nicholas Confessore, wie sich die Tech-Konzerne in den vergangenen zehn Jahren die ameirkanische Politik in die Tasche gesteckt haben: "In Washington und den Hauptstädten der Bundeststaaten hat die Kombination aus Reichtum, Prestige und Ignoranz die Tech-Industrie unschlagbar gemacht. Und dabei hat das Silicon Valley die Politik selbst transformuert. Während Aktivisten wie Mactaggart überlegten, wie sie den Kampf gegen die Datenindustrie angehen sollten, sah das politische Establishment der USA seine eigene Zukunft in Unternehmen wie Google und Facebook. Die Überwachungskapitalisten helfen nicht einfach, ein paar mehr Deos zu verkaufen, sie haben die mächtigsten Werkzeuge entwickelt, um Wahlen zu gewinnen. Ungefähr die gleiche Technologie, mit deren Hilfe Obama gewählt wurde, ein pragmatischer Liberaler, der eine offenere Gesellschaft und wohlmeinende Globalisierung versprach, aber auch Trump, ein scharfer Nationalist, der geschickt die sozialem Medien nutzt, um rassistische Panik zu schüren, und der sich daran macht, die von den USA dominierte Weltordnung zu zertrümmern."

Außerdem stellt David Quammen den 2012 verstorbenen Mikrobiologen Carl Woese vor, der in den 70ern unser Bild vom Ursprung der Welt und von der Evolution auf den Kopf stellte, als er die Archaeen einführte (als dritte Domäne neben den Bakterien und den Eukaryoten) und die RNA der DNA überordnete: "Woese war ein Rebell seiner Zunft, undurchsichtig, aber genial, getrieben. Er hatte seine 15 Minuten Ruhm auf der Titelseite der Times, um dann für 35 Jahre wieder in seinem Labor in Urbana, Illinois zu verschwinden. Aber er ist der wichtigste Biologe des 20. Jahrhunderts, den keiner kennt. Er stellte grundsätzliche Fragen, die außer ihm niemand stellte, und erdachte einer Methode, plump und gefährlich, aber effektiv, um diese Fragen zu beantworten. Schließlich begründete er einen neuen Wissenschaftszweig … Wir sind nicht die, für die wir uns halten, sondern Mischwesen … Evolution ist komplizierter, der Lebensbaum verzweigter, Gene bewegen sich nicht nur in vertikaler Richtung, sondern auch seitwärts über Spezies-Grenzen und größere Gräben hinweg. Einige sind sogar seitlich aus Nicht-Primaten-Quellen in unsere Linie, die Primaten-Linie gelangt. Es ist wie das genetische Äquivalent der Bluttransfusion oder eine Infektion, die ihre Identität wechselt. Die Forschung nennt es 'ansteckende Vererbung'. Solche Erkenntnisse sickerten in den 1970er Jahren in die wissenschaftlichen Journale, aber nur selten in die nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit. Sie fordern uns heraus, unser grundsätzliches Verständnis von uns selbst zu hinterfragen. Wenn wir dafür einen Schuldigen suchen: Hier ist er."


Außerdem: Dan Amira interviewt Jerry Seinfeld und entlockt ihm den besten Witz der Welt. Und Nicholas Confessore trifft drei Leute aus der Bay Area, die das Geschäftsmodell von Facebook und Google juristisch auseinandernehmen.
Archiv: New York Times