Magazinrundschau

72 Mikrosaisons

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
05.03.2019. Die London Review schildert die atemberaubende Dreistigkeit, mit der sich die Elite in Simbabwe bereichert. Im Merkur beschreibt die Soziologin Cornelia Koppetsch die Spaltung der bürgerlichen Mittelschichten. Im Guardian ahnt Dave Eggers, warum Donald Trump wiedergewählt werden könnte. Die Paris Review stellt eine Meisterin manipulativer Doppelzüngigkeit vor: die Dichterin Letitia Elizabeth Landon. Die New York Times begutachtet einen unbekannten Rembrandt.

London Review of Books (UK), 04.03.2019

Verbunden mit einer Hommage an ihre Großmutter schickt Diana Stone Eindrücke aus Simbabwe, wo die Frustrationen wieder einmal überkochen. Ein Jahr nach Emmerson Mnangagwas Putsch gegen den greisen Robert Mugabe ist die Währung zusammengebrochen, es gibt kein Benzin mehr, das Bier ist auf eine Dose pro Woche rationiert und immer wieder wird das Internet abgeschaltet: "Simbabwe muss nicht arm sein, das macht einen so fertig. Es hat zahlreiche Mineralien, große Wasserreserven, eine gebildete und ehrgeizige Bevölkerung, einen Nationalpark in der Größe von Belgien, und einige der schönsten Landschaften der Welt. Simbabwe ist arm, weil es im großem Maßstab von seiner eigenen Regierung ausgeraubt wird. Eine kleine Zahl von Simbabwern fühlt sich zu Wohlstand berechtigt, und der einzige Weg, so reich zu werden wie sie glauben, dass es ihnen zusteht, ist die Plünderung der öffentlichen und halböffentlichen Kassen. Die Unsicherheit, wie lange sich das gegenwärtige Regime wird halten können, fördert eine extreme Kurzsichtigkeit: Solange es geht, fahren die Leute ihre Ernte ein. Simbabwes Defizit liegt bei zwölf Prozent des BIP; mit einer solcher Verschuldung stiehlt man zwangsläufig von der Zukunft. Aber Simbabwe ist auch aus einem anderen Grund arm: Ein Regime auf Angst zu gründen ist teuer. Die Armee zu mobilisieren kostet Geld. Trängengas gibt es nicht umsonst. Die Emigration fordert ebenfalls ihren Preis, der Brain Drain  junger Simbabwer, ebenso wie der Verlust von Leben, wenn sie von Soldaten zu Tode geprügelt werden. Und schließlich: Bei allem Mut und aller Ausdauer der Simbabwer sind Menschen, die in Angst leben müssen, unweigerlich weniger produktiv, weniger zuversichtlich, unsicher, ob sie abends länger bei der Arbeit bleiben können oder kreative Risiken auf sich nehmen sollen. Angst beeinflusst die Ökonomie in allem, vom Grafikdesign bis zur Landwirtschaft: Auf seinem Stück Land kann man Mais oder Tomaten pflanzen: Tomaten sind auf dem Markt mehr wert, aber wenn alles den Bach runtergeht und die Märkte zusammenbrechen, kann man seinen Mais lagern und selber essen. Also pflanzen alle Mais und bleiben arm."

Weiteres: Adam Phillips bewundert auch aus psychoanalytischer Sicht, wie Kate Manne in ihrem Buch "Down Girl" Misogynie als politisch-gesellschaftliche Logik dekonstruiert. Ferdinand Mount beißt sich an den Brexiteers fest.

Merkur (Deutschland), 04.03.2019

In Zeiten globalisierter Finanzströme, internationaler Migrationsbewegungen und supranationaler Netzwerke schwindet die Vorstellung, ein politisches und soziales Gemeinwesens könnte weiterhin mit der Nation deckungsgleich sein. Die Soziologin Conelia Koppetsch sieht die bürgerlichen Mittelschichten im aufkommenden Kultur- und Klassenkampf in zwei Lager gespalten: Das kosmopolitisch-neobürgerliche Lager mit seiner Vision eines digitalen oder 'grünen' Kapitalismus und das eher sozialdemokratische Lager mit seinem Ethos der nivellierten Mittelschichtsgesellschaft: "Worin sich die Positionen unterscheiden, ist die Frage, wo die Grenzen der Gemeinschaft imaginiert werden und wer im gesellschaftlichen Wir aufgehoben sein soll. Während die Vertreter der nivellierten Mittelschichtsgesellschaft sich aus den (unteren) Mittelschichten rekrutieren, deren Lebensführung und Lebenschancen in besonders hohem Maße an die Nation und die Funktionsfähigkeit des Wohlfahrtsstaates gebunden sind und die darum eher zur nationalen Schließung der Gemeinschaft neigen, orientieren sich die Vertreter des globalen Kapitalismus, die aus den stärker transnationalisierten Fraktionen der oberen Mittelschicht kommen ... stärker an Strukturen und Deutungsangeboten jenseits des Nationalstaats. Beiden gemeinsam ist jedoch der Rekurs auf soziale Schließung: Auch wenn sich die kosmopolitischen Milieus der akademischen Mittelklasse dies nicht eingestehen möchten, so verteidigen auch sie auf scheinbar offen-inklusive Weise einen exklusiven Lebensraum. Zwar sieht sich die obere Mittelschicht als Träger einer weltbürgerlichen und im globalen Maßstab repräsentativen Kultur (Friedrich Tenbruck) und fühlt sich einem Ideal universalistischer Teilhabe- und Aufstiegschancen verpflichtet... Gleichwohl bleibt die weltbürgerliche Kultur - vorläufig jedenfalls - zumeist auf ihre akademischen Trägergruppen beschränkt, die sich über kulturkosmopolitische Lebensstile vergesellschaften, dabei eine Verschmelzung mit hochgebildeten Migranten (expats) anstreben, sich aber zugleich nach unten abgrenzen."
Archiv: Merkur

New Yorker (USA), 11.03.2019

Für die aktuelle Ausgabe des New Yorker begibt sich Helen Rosner in die Küche von Niki Nakayama in Los Angeles, wo die japanische Meisterköchin den Stil des Kaiseki zelebriert: "Kaiseki ist kein bestimmtes Gericht oder eine Technik, sondern ein Format, das oft ein Dutzend oder mehr kleine Gänge umfasst. Es ist mit den strengen Ritualen der japanischen Teezeremonie verwandt und integriert ästhetische Elemente aus japanischen Kunstformen wie Kalligrafie und Blumendekoration. In seiner Exaktheit und Zurücknahme sah Paul Bocuse einen Ansatz, der in vieler Hinsicht das Gegenteil der dekadenten französischen Haute Cuisine war. Als Bocuse die Nouvelle Cuisine entwickelte, die moderne Neuinterpretation der französischen Küche, die auf Saisonalität, Qualität der Zutaten und die Folge aufeinander abgestimmter Gänge setzte, stützte er sich auf die Prinzipien des Kaiseki … Es gibt keine futuristische kulinarische Chemie oder extravagante Tischdeko. Die Praktizierenden des Kaiseki sprechen davon fast als von einer Form des Dienstes, einer Unterordnung des Koches. Als ich Nakayama traf, erklärte sie, im Kaiseki seien 'die Zutaten wichtiger als der Koch. Alles daran ist wichtiger als du, und das musst du respektieren. Ein Teil davon ist wirklich stolz, ehrgeizig, und doch versucht er, sich zurückzuhalten.' … Im Zentrum des Kaiseki steht die Vorstellung vom Shun: der Moment, da eine Zutat, ein Stück Obst, ein Gemüse oder Fisch auf seinem Höhepunkt ist. Kaiseki-Köche teilen das Jahr nicht in Viertel, sondern in 72 Mikrosaisons. Der erste Gang der Mahlzeit, Sakizuke, ist wie ein Wegweiser auf einer Karte: Du bist hier. Als ich Mitte Januar bei Nakayama aß, bedeutete das die Vorführung subtropischer Wintersüße: gewürfelte Hokkaido-Muschel unter Orangengelee, daneben ein noch helleres Karottenpüree, aus dem Strahlen knusprig gebratener lila Karotte brachen, wie die Strahlen der südkalifornischen Sonne." Lecker!

Außerdem: Jane Mayer geht der Frage nach, ob Fox News Trumps Propagandakanal ist, ein Umstand, den Medienbeobachter nahelegen, die seit August 2018 mehr als zweihundert Fälle verzeichnen, in denen der Präsident Hinweise auf Fox News Artikel an seine 58 Millionen Twitter-Follower weiterreichte. David Remnick porträtiert den letzten Blues-Musiker Buddy Guy. Peter Schjeldahl erläutert den Spaßfaktor an Mirós Modernismus. Francisco Cantú liest ein Buch des Historikers Greg Grandin, "The End of the Myth: From the Frontier to the Border Wall in the Mind of America". Und Anthony Lane sah im Kino Sebastian Lelios "Gloria Bell" mit Julianne Moore.
Archiv: New Yorker

Guardian (UK), 04.03.2019

Dave Eggers hat sich in El Paso parallel die Auftritte Donald Trumps und seines demokratischen Herausforderer Beto O'Rourke angesehen, und Eggers hat ganz schlechte Neuigkeiten: Trump schlägt O'Rourke um Längen: "Die Rede war wie all seine Reden hypnotisierend. Es gibt nichts, was er nicht sagen würde, wenn er also frei redet, kann man einfach nicht aufhören, ihm zuzuhören. Er preist sich selbst dafür, dass er nicht nur Gefangene aus Nordkorea befreit hat, sondern sogar sterbliche Überreste zurückgebracht hat: 'Überreste kommen zurück. Überreste!' Er sagt gar nicht, wessen. Er hackt auf Abtreibungen in den letzten drei Monaten herum, und behauptet vor dem Publikum, dass die Demokraten auch für das Töten von Babys nach der Geburt sind. Die Menge buhte lauter als über alles andere an diesem Abend. Er rühmt den Sicherheitsapparat, besonders die Einwanderungsbehörde, und dann sagt er, dass Hightech im Kampf gegen illegale Einwanderung gut sei, aber 'nichts besser als ein Deutscher Schäferhund'. Und so lachhaft diese Einzelheiten aus dem Kontext gerissen erscheinen - als ich die Rede vor dieser wirklich ganz normalen und gemischten Gruppe von Menschen sah, wurde mir klar, dass Trump ohne Schwierigkeiten wiedergewählt werden könnte. Jüngste Umfragen haben ergeben, dass ganze 58 Prozent geschworen haben, nur nicht für Trump zu stimmen, aber selbst bei all den Verrücktheiten seiner Rede, und dem unendlichen Chaos seiner ersten beiden Jahre im Weißen Haus, brachte er Belege dafür, dass er tatsächlich Dinge erreicht hat, die für seine Anhänger wichtig sind. Er erklärte, dass die Arbeitslosigkeit unter Hispanics auf einem historischen Tief sei, und das stimmt. Er erklärte, dass Arbeitslosigkeit unter schwarzen Arbeiter auf einem Allzeit-Tief sei, und das stimmt. Wir sehen in Trump nur den rassistischen Clown und eine Bedrohung für alle demokratischen Prinzipien, aber seine Anhänger sehen in ihm den Mann, der Dinge geregelt bekommt, der offen spricht und der einen wirtschaftlichen Aufschwung steuert, der die Welt neidisch macht."
Archiv: Guardian

Telerama (Frankreich), 01.03.2019

Heute sind ja alle Journalisten in privaten Medien in einer prekären Situation, jedenfalls fühlen sie sich so. Um das Jahr 2009, als Twitter anfing zu zählen, gab es noch eine klare Gattungsgrenze zwischen den festen Printjournalisten und den Jungen, die man ohne Verträge in die Online-Garagen steckte. In diesem Klima entstand die "Ligue du LOL", jene Gruppe junger Online-Journalisten, die sich die Bälle zuspielten, um dann später, als sie anfingen, sich wichtig zu fühlen, über missliebige Kolleginnen herzuziehen. Selbst in Deutschland haben die Enthüllungen über das hässliche Mobbing der Gruppe Aufsehen erregt. Jérémie Maire erzählt in einem interessanten Hintergrundartikel, wie dieses Phänomen in Frankreich entstand. Es war die Zeit, als die Herren vom Print in Le Monde die jungen Online-Journalisten noch als "Pakis du Web" beschrieb, als ein Subproletariat für die gröberen Aufgaben. Aber die jungen Online-Journalisten wollten arrivieren, und sie benutzten Twitter, um die Hierarchiestufen zu überspringen und sich gleich an die Chefs ranzuwanzen: "In einem Dossier mit dem Titel 'Werde auch du ein Twitto' aus dem Jahr 2011 beschrieb Télérama, wie das funktionierte: 'Folge den großen Twitterkonten in der Hoffnung, dass sie dir dann auch folgen. Schicke ihnen brillante Tweets, riskiere den Clash. Mache dich bemerkbar, ohne zu übertreiben. Ein misslungener Witz, und hopp, bist du entfolgt. Aber wenn du schlau bist... So wie Vincent Glad, 26, dem jetzt schon alle Journalisten, die zählen, folgen.' Viele dachten damals, dass man das Wort ergreifen, interagieren muss, um aufzufallen und irgendwo einen kleinen Posten zu ergattern."
Archiv: Telerama

Paris Review (USA), 05.03.2019

Lucasta Miller stellt die englische Dichterin Letitia Elizabeth Landon vor, die unter ihren Initialen L.E.L. umstrittene Gedichte schrieb, in einem Zeitraum - 1820, 1830 - der genau zwischen Romantikern und Viktorianern lag: "Die Revolutionszeit der 1790er Jahre hatte eine relativ offene Haltung zur freien Liebe gezeigt. Die Viktorianer, die ihnen folgten, würden unkonventionelle sexuelle Beziehungen in tiefer Verleugnung begraben. Aber die Ära des Zeitalters dazwischen - L.E.L.s Ära - war geprägt von einer seltsamen Kultur der bewussten Heuchelei. Letitia Landon selbst hat es in einem ihrer funkelndsten späteren Gedichte geschrieben: 'Niemand unter uns wagt zu sagen / Was niemand hören will.' Die Dichter, die die Geschichte als Romantiker heiliggesprochen hat, waren dabei vergessen zu werden. Keats war gestorben, Shelley und Byron waren im Exil in Italien und zu Hause unter Beschuss als sexuelle Verführer. Der Hofdichter Robert Southey bezeichnete sie als 'die Satanische Schule' und erklärte sie zu einer Gefahr für die Gesellschaft. Der Verleger von Shelley's 'Queen Mab', einem transzendentalen Lobgesang auf die freie Liebe, war nach einer Anklage durch die Society for the Suppression of Vice (Gesellschaft zur Unterdrückung des Lasters) verhaftet worden. Die Stimme Letitia Landons, die als L.E.L. kreiert worden war, war eine Antwort auf diesen labilen kulturellen Kontext und auf ihre persönliche Situation als Geliebte eines verheirateten Mannes. Einige Leser zu dieser Zeit stellten sich vor, dass die 'Lady im Teenageralter' ein unschuldiges junges Mädchen sei. Aber andere griffen ihre versteckten Anspielungen auf die Poesie der 'Satanischen Schule' auf und interpretierten ihre hübschen Blumenmetaphern als Bekenntnis, dass sie selbst eine 'gefallene Frau' war. Sie wurde eine Meisterin der manipulativen Doppelzüngigkeit und der Mehrdeutigkeit. Ihr Ich war war ich das ultimativ glitschige Subjekt, die Lücken so aussagekräftig wie ihre tatsächlichen Worte."
Archiv: Paris Review

Harper's Magazine (USA), 03.03.2019

Lassen sich Märchen, Sagen und folkloristische Geschichten ähnlich erforschen wie genetische Stammbäume? Ferris Jabr jedenfalls stellt die Arbeit des Anthropologen Jamie Tehrani vor, der dies anhand von "Rotkäppchen" und einiger anderer als klassisch europäisch geltender Märchen getan und damit ganze Stammbäume von "Mythemen" - narrative Bruchstücke etablierter Geschichten - herausgeschält hat. "Tehrani hat 58 Varianten von 'Rotkäppchen' aus 33 Kulturen versammelt und sie in 72 essenzielle narrative Elemente zerlegt, darunter der Typus des Protagonisten (Einzelkind oder Geschwister, männlich oder weiblich), Tricks des Gegenspielers, ob der Protagonist verschlungen wird, ob er entkommt und so weiter. Mit diesen Daten fütterte er ein Computerprogramm, das auf Grundlage von Statistiken einen phylogenetischen Baum entwirft. Die Ergebnisse lieferten einer seit Jahrzehnten währenden Debatte über die Ursprünge von 'Rotkäppchen' neue Erkenntnisse: Den Archetypus des klassischen Märchens, mit dem weite Teile des Westens vertraut sind, bildet eine uralte, einst oral weitergegebene Geschichte in den ländlichen Regionen von Frankreich, Österreich und Norditalien. Folgt man einem anderen Zweig dieses Baums, entspringt die Geschichte der Baby-Ziegen, die von einem Wolf verschlungen werden, einer Aesopischen Fabel aus dem Jahr 400 vor Christus. Beide narrative Pfade verbinden sich irgendwann im 17. Jahrhundert in Asien mit einigen anderen lokalen Erzählungen zum Motiv der 'Tiger-Großmutter'. Inspiriert davon wandten Tehrani und seine Kollegin Sara Silva ähnliche Methoden auf 275 'magische Erzählungen' aus 50 Kulturen in Indien und Europa an. ... Tehrani und Silva stießen darauf, dass einige davon schon viel länger existierten als ursprünglich angenommen. 'Die Schöne und das Biest' und 'Rumpelstilzchen' etwa waren nicht nur ein paar hundert Jahre alt, wie einige Wissenschaftler zuvor angenommen hatten, sondern mehr als 2500 Jahre."

HVG (Ungarn), 20.02.2019

Der Regisseur Gábor Tompa leitet seit knapp 30 Jahren das Staatliche Ungarische Theater Cluj-Napoca in Klausenburg / Kolozsvár im rumänischen Siebenbürgen und ist im vergangenen Jahr zum Präsidenten der Union des Théâtres de l'Europe gewählt worden. Im Interview mit HVG spricht Tompa u.a. über die Spannung zwischen Unterhaltung und Konfrontation im Theater sowie über die Herausforderungen der Leitung eines ungarischsprachigen Theaters in Rumänien. "Leider fing vor kurzem ein ähnlicher Prozess in Rumänien an, der in Ungarn bereits seit langem in Gange ist: die Theaterdirektoren werden entsprechend der politischen Zugehörigkeit ernannt, was sehr schädlich sein kann. Es wäre gut damit jetzt aufzuhören, denn ich fühle mich hier noch freier als in Ungarn. (…) Selbst mit schwarzer Magie versuchte man mich von der Spitze des Theaters zu entfernen. Seltsamerweise stand uns die rumänische Branche unterstützend zur Seite gegen die radikalen ungarischen Kreise. Heute schützt uns unsere rumänische und internationale Anerkennung. Statt Angriffe gibt es mittlerweile Schweigen, die Lokalpresse schreibt am wenigsten über uns. Die Aufgabe des Theaters ist es uns selbst zu konfrontieren, wer lediglich unterhalten will, verachtet meiner Meinung nach die Zuschauer. Aus Bequemlichkeit, Zynismus, Trägheit denken viele, dass die Zuschauer nicht in der Lage sind, das eine oder andere kompliziertere Problem, tieferen Bühnenmetapher zu verstehen. (…) Wir wollen in der bisher gespaltenen Stadt Cluj ein Ort der Begegnung sein und wir haben Glück, denn die jüngere Generationen, vor allem die Studenten, mögen uns."
Archiv: HVG

New York Times (USA), 03.03.2019

In einem Beitrag des aktuellen Hefts berichtet Russell Shorto, wie der holländische Kunsthändler Jan Six 2016 in einem Auktionskatalog von Christie's einen unbekannten Rembrandt entdeckte: "Das Gemälde stammte aus der Zeit zwischen 1633 und 1635. Den Hinweis gab der besondere Spitzenkragen, der in dieser Zeitspanne en vogue war und dann schnell aus dem Mode kam. Was Six besonders erregte, war, dass Christie's das Gemälde dem 'Kreis von Rembrandt' zurodnete, also einem Schüler. Das Problem war nur: 'Rembrandt war in den frühen 1630er Jahren noch nicht berühmt, also gab es keinen Kreis. Ich wusste sofort, dass Christie's einen Fehler gemacht hatte.' … Six faszinierte besonders die Spitze am Kragen. Spitze war im ganzen 17. Jahrhundert ein Statusträger, und Six glaubt, dass Rembrandt eine charakteristische Art und Weise hatte, Klöppelspitze darzustellen. Andere Künstler der Zeit malten die Feinheiten der Spitze in weißer Farbe auf den dunklen Grund der Jacke. Rembrandt machte das Gegenteil. Zuerst malte er die Jacke, dann setzte er den Kragen in Weiß darüber, dann benutzte er schwarze Farbe, um die durchbrochenen Stellen im Kragen zu imitieren. Wo andere Maler darauf achteten, sich wiederholende Muster in der Spitze zu schaffen, entwickelte Rembrandt ein Freestyle-Design. Für den Betrachter erscheint das Kragenmuster aus der Nähe wie ein hieroglyphisches Durcheinander, tritt er jedoch einen Schritt zurück, wird es kohärent. Six glaubt, dass es sich dabei um einen Aspekt von Rembrandts Genie handelt. 'Er erkannte, dass die gemalte Kopie eines repetitiven Musters, selbst wenn es dem Original nachempfunden war, künstlich aussah.'"

Außerdem: Jack Hitt ist der Masche einiger Celebrity-Wahrsager auf der Spur, die ihre Prophezeiungen aus den sozialen Medien klauen. Und David Marchese interviewt Michael J. Fox zum Thema Parkinson.
Archiv: New York Times