Magazinrundschau

Echter Modernismus wäre das Quadrat

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
10.03.2020. Der Tod hat keinen Bachelor, lernt die NYRB von Anne Case und Angus Deaton. In Novinky plädiert Anna Durnová für die Trennung von Fakten und Emotionen. The Nation erinnert an die frühen Sechziger, als während der Anpo-Proteste ein Drittel aller Japaner gegen die USA demonstrierten. Der New Statesman flicht einen Kranz für George Orwells erste Frau Eileen O'Shaughnessy. Der New Yorker trotzt den Überwachungskameras mit einem Jammer Coat von Coop Himmelblau. Bloomberg begutachtet das Harry-Potteresque Flair britischer Eliteschulen in Übersee. The Cut hat die Nase voll vom zuckrigen Millennial Style.

New York Review of Books (USA), 26.03.2020

In der aktuellen Ausgabe widmet sich Helen Epstein sehr eingehend einem Buch der Ökonomen Anne Case und Angus Deaton ("Deaths of Despair and the Future of Capitalism"). Die Autoren nehmen sich der Zehntausenden Toten an, die neuerdings für eine fallende Lebenserwartung in den USA sorgen - weiße Erwachsene ohne Bachelorabschluss: "Seit den frühen 1990ern ist die Todesrate bei den 45-54-jährigen weißen US-Amerikanern mit BA um 40 Prozent gefallen, bei denen ohne BA stieg sie um 25 Prozent … Die Autoren zeigen, wie die Krise sich, beginnend mit den Babyboomern über die Generationen entwickelte … Wachsende ökonomische Unsicherheit ist eine der Hauptursachen … Menschen ohne BA müssen mit schlecht bezahlten Service-Jobs vorliebnehmen, ohne Gesundheits- oder Altersvorsorge. Das Ende der Gewerkschaften bedeutet, dass diese Leute quasi keine Verhandlungsmacht besitzen. Einer von fünf Arbeitern unterliegt der Wettbewerbsverbotsklausel, sodass er nicht mal von einem Job als Hamburger-Brater zum nächsten wechseln darf … Andrew Cherlin und Timothy Nelson interviewten Dutzende Männer ohne BA, die meisten wechselten von einem aussichtslosen Job zum nächsten. Einer flog als Redaktionsassistent bei einer Lokalzeitung raus, als Stellen gestrichen wurden. Er wurde Parkplatzwächter, aber dann durch einen Automaten ersetzt. Danach arbeitete er für eine Catering-Firma, doch die ging leider pleite. Diese Instabilität spiegelt sich auch im Privatleben solcher Menschen wieder  … Laut Cherlin gehören amerikanische Familien zu den am wenigsten stabilen weltweit, was wieder für die häufig auftretenden Entwicklungsstörungen bei Kindern in den USA verantwortlich sein dürfte."

Novinky.cz (Tschechien), 04.03.2020

Tereza Butková unterhält sich mit der tschechischen Politologin Anna Durnová, deren Buch "Understanding Emotions in Post-Factual Politics: Negotiating Truth" letztes Jahr erschienen ist. Durnová möchte von der viel bemühten Dichotomie von "truth" und "post-truth" wegkommen und den Blick stärker auf den Widerstreit von "fakticity" und "emoticity" lenken, denn der Kern des Problems liege für sie stärker in der jeweiligen Ablehnung oder Nutzung von Emotionen. "Wir trennen Emotionen in solche, die akzeptabel sind, und solche, die inakzeptabel sind, obwohl wir wissen, dass sie normaler Bestandteil des Lebens und auch der Politik sind." In den 80er-Jahren seien es eher linke Stimmen gewesen, die im Rahmen der 'Science and technology studies' an einer in sich geschlossenen Wissenschaft Kritik übten. Ihnen sei es um die Emanzipation der Öffentlichkeit gegangen, die an wissenschaftlichen Fragen partizipieren sollte. Die Forschung sollte stärker der Gesamtgesellschaft dienen statt nur dem dem Kapital und der Macht. Die Haltung der Wissenschaftler wurde damals als abgehoben und arrogant kritisiert. "Das Problem ist, dass 2016 genau das gleiche Arroganz-Argument von der Ultrarechten, den Populisten und solchen Gruppen übernommen wurde, denen es um die Wahrung ihres Kapitals und ihrer privilegierten Stellung ging. Diese Gruppen haben kein Interesse daran, den weniger privilegierten Teil der Gesellschaft zu berücksichtigen. Während man früher im Namen der marginalisierten Gruppen kämpfte, kämpfen heute die, die Kapital besitzen, im Namen der alten weißen Männer. Und indem die Rechte dieselben Methoden verwendet, delegitimisiert sie zugleich die ursprüngliche Kritik."
Archiv: Novinky.cz

The Nation (USA), 23.03.2020

Colin Jones liest Nick Kapurs Geschichte Japans seit dem Krieg ("Japan at the Crossroads") und kommt auf die große Zeit der Anpo-Proteste in Japan um 1960 zurück. Sie richteten sich gegen die amerikanischen Militärbasen und gegen die Kooperation der neuen konservativen Regierung mit den Amerikanern im allgemeinen (die unter der japanischen Abkürzung "Anpo" lief). Zu Hochzeiten war ein Drittel der japanischen Bevölkerung mobilisiert! Allerdings gehörten die Protestierenden den unterschiedlichsten politischen Richtungen an - von ganz rechts bis ganz links. Gemeinsam war ihnen nur der Antiamerikanismus. Dennoch entstand so auch die japanische Zivilgesellschaft, und für Colin Jones waren die Proteste auch verständlich, denn "skandalöser Weise gestattete das Abkommen den Amerikanern sogar, ihre Truppen gegen Japaner einzusetzen, um 'interne Aufstände oder Störungen' zu bekämpfen, eine Konzession an die amerikanische Angst vor einer Revolution von links. Kritiker des gesamten politischen Spektrums prangerten diese Vereinbarung an. Links gab es eine gar nicht kleine Fraktion, die eine Allianz mit China oder der Sowjetunion vorgezogen hätte. Aber sehr viel mehr - nach Umfragen etwa die Hälfte des Landes - zogen eine offizielle Politik der Neutralität vor. Die einzige wirkliche Unterstützung für den Anpo-Vertrag kam von einem Teil der regierenden Liberaldemokraten, die einen Vorteil darin sahen, dass Amerika die japanischen Verteidigungsausgaben übernahm. Zufällig war diese Fraktion an der Macht."
Archiv: The Nation

New Statesman (UK), 09.03.2020

Nur Heulen könnte Frances Wilson beim Lesen der Biografie, die Sylvia Topp der ersten Ehefrau George Orwells, Eileen O'Shaughnessy, widmet. Auf Englisch klingt es so prägnant, was Wilson über die neun Jahre ihrer Ehe schreibt: "The making of George Orwell was the breaking of Eileen". Sie war dreißig als sie den aufstrebenden Eric Blair heiratete, alles aufgab und mit ihm in ein 300 Jahre altes Cottage nach Hertfordshire zog: "Während Orwell das Paraffin zum Schreiben brauchte, tippte Eileen seine Manuskripte im Dunkeln ab. Die Küche stand unter Wasser, das Essen schimmelte und Orwell war, seine Tuberkulose verleugnend, ständig krank. In Briefen an ihre Freundin Nora bekannte Eileen, dass sie 'vor Erschöpfung nur noch weinen kann &  Eric beschlossen hat, dass er seine Arbeit nicht unterbrechen darf & sich bitter nach unserer Hochzeit beklagte, dass er in einer Woche nur zwei gute Arbeitstage hatte'. Das, schreibt Topp, seien die glücklichsten Monate ihrer Ehe gewesen. Als die Flitterwochen vorbei waren, zog Orwell in den Spanischen Bürgerkrieg, wo Eileen zu ihm stieß und eine Affäre mit seinem Kommandanten Georges Kopp begann. Das Paar feierte seinen ersten Hochzeitstag im Krankenhaus, wo Orwell sich von einer Schusswunde durch seine Kehle erholte."

Weiteres: Paul Collier bespricht Thomas Pikettys Großschrift "Kapital und Ideologie", der er immerhin die Einsicht verdankt, dass jede Gesellschaft ihre eigene Rechtfertigung für die soziale Ungerechtigkeit findet.
Archiv: New Statesman

New Yorker (USA), 16.03.2020

Im neuen Heft des Magazins probiert John Seabrook den letzten Schrei aus - Stealth Streetwear, das perfekte Outfit für das Zeitalter der Überwachung: "Tom Goldstein, Professor für Informatik an der Universität von Maryland, zog seinen 'Tarnmantel' an. Der Mantel sah aus wie ein XL-Sweater aus glänzendem Polyester, bedruckt mit grellen Farben und unförmigen Figuren, das genaue Gegenteil von unauffällig. Es war Mitte Januar. Auf der Suche nach einem geeigneten Outfit gegen die allgegenwärtigen Überwachungskameras hatte ich den Zug von New York City nach College Park genommen. In der U-Bahn zwischen Brooklyn und Penn Station zählte ich 26 Kameras. Kommt man wie ich vom Land, gehört das Verschwinden in der Menge einer Großstadt zu den größten Freuden. Mit der zunehmenden Überwachung schwindet diese Anonymität. Kann Mode Abhilfe schaffen? … Goldsteins Tarnmantel biss sich mit dem Leopardenmuster meiner Faraday-Handytasche von Silent Pocket, die das Tracking meines Telefons verhindert. Als Luxusartikel unterschied sich der Tarnmantel von dem wunderbaren 'Jammer Coat', dem Prototyp eines Antiüberwachungsmantels, den ich bei Coop Himmelblau in Wien anprobiert hatte. Der Jammer Coat, ein knöchellanges, weiches Gewand mit fließenden Ärmeln, wie ein arabischer Thawb, ist mit einem metallischen Stoff gefüttert, der gegen Funkstrahlen abschirmt, und bedruckt mit Mustern, die Körperteilen ähneln, um Detektoren zu täuschen, die elektronische Objekte aufspüren sollen … Aber auch wenn dieser Tarnmantel noch nicht ganz fertig für den Laufsteg war, hatte er doch einen großen Vorteil gegenüber anderen Modeartikeln, die Überwachungsalgorithmen austricksen sollen - sein Schöpfer war selbst ein Algorithmus. Um ein ordentliches Tarn-Outfit zusammenzustellen, muss man wissen, wie die Technik arbeitet."

Außerdem: Peter Hessler schreibt über das Peace Corps in China. Dana Goodyear porträtiert den Künstler Jordan Wolfson. Emily Witt stellt den  Modedesigner Telfar Clemens vor. Peter Schjeldahl besucht die Gerhard-Richter-Retrospektive im Met Breuer. Daniel Mendelsohn liest den letzten Band von Hilary Mantels Tudor-Trilogie. Sarah Resnick liest Anne Enrights Roman "Actress". Und Alex Ross besucht das von Esa-Pekka Salonen zusammengestellte Festival "The Weimar Republic: Germany 1918-1933" in L.A..
Archiv: New Yorker

Bloomberg Businessweek (USA), 09.03.2020

Ist das nun englischer Sinn für Ironie oder fürs Geschäft? Immer mehr britische Privatschulen eröffnen Dependancen in den Golfstaaten, Kasachstan, Indien und China, berichtet Simon Akam. Die dortigen Eliten sind ganz scharf darauf, ihre Kinder altehrwürdig-aristokratisch erziehen zu lassen, besonders angesagt in den ehemaligen Kolonien sind imperiale Colleges wie Haileybury, das als East India College einst von der East India Company gegründet wurde: "John Coles, gegenwärtig Schuldirektor von Haileybury in Kasachstans Hauptstadt Almaty, erinnert sich an seine Anfänge 2001 auf dem britischen Hauptcampus, als die Sitten dort noch so streng waren, dass die Lehrer zum Frühstück den Gemeinschaftsraum nur in Anzug und Krawatte betreten durften. Sie erhielten gebügelte Ausgaben der Times of London, die sie lesen konnten, denn Unterhaltungen waren verboten. Heute sind die Regeln gelockert, die Einrichtungen umfassen mindestens ein halbes Dutzend Tennisplätze, eine Kletterwand und ein 25-Meter-Schwimmbecken. Die Einschreibegebühr hat sich entsprechend erhöht, von 27.384 Pfund im Jahr 2011 auf heute 36.144 Pfund, etwas mehr als das durchschnittliche Bruttoeinkommen britischer Arbeiter. Als die explodierenden Gebühren die Privatschulen für ihre traditionellen Milieus unerschwinglich machte, begannen sie, mehr Schüler aus Übersee zuzulassen, aber dieser Schachzug erwies sich als nicht ganz so geschickt. Zu viele ausländische Schüler schwächte das Harry-Potteresque Flair, das die Schulen überhaupt erst attraktiv gemacht hatte. 'Die wollen nicht so viele internationale, die wollen britische Schüler', sagt Lorna Clayton, deren Firma Academic Families ausländische Schüler in britischen Schulen platziert. Deshalb erfanden die Schulen ihre Franchise-Unternehmen, die Geld einbringen und die Tradition verbreiten, ohne das Originalprodukt zu verändern."

El Pais Semanal (Spanien), 08.03.2020

"La guitarra de Lorca": Federico García Lorca war nicht nur ein Dichtergigant, sondern auch begeisterter Gitarrist, erzählt der Journalist Jesús Ruiz Mantilla: "Mit acht bekam er von seiner Tante Isabel, die selbst Gitarre spielte, eine Gitarre geschenkt und war ab sofort Teil des Familienorchesters der Lorcas - auch sein Großvater Baldomero, sein Vater und seine Kusine Aurelia spielten Gitarre. Wie seine Schwester Isabel in ihren Memoiren berichtet, spielte er mit seinem Instrument außerdem regelmäßig seine Eltern und Geschwister in den Siesta-Schlaf. Auch als Flamenco-Gitarrist versuchte er sich und nahm dafür Unterricht bei den Lokalgrößen El Lombardo und Frasquito er de la Fuente. 1996 ließ Lorcas Nichte Laura das im Familienbesitz erhaltene Instrument ihres Onkels gründlich überholen und erlaubte u.a. so berühmten Besuchern des Lorca-Familiensitzes wie Patti Smith, Lou Reed und Bob Dylan, darauf zu spielen. Nun hat der spanische Gitarrist Samuel Diz mit Lorcas Instrument eine ganze CD mit Kompositionen spanischer Lorca-Zeitgenossen eingespielt und geht mit dem Programm auf Tournee ."
Archiv: El Pais Semanal

New York Magazine (USA), 10.03.2020

Molly Fischer hat die Nase voll vom Millennial-Style. Er ist überall und scheint nie zu enden, mit seinen Pastellfarben, abgerundeten Ecken und zuckrigen Harmlosigkeit: "Jedes Sofa und jeder Softcup-BH präsentiert sich nicht als Beweis für einen unverwechselbaren Geschmack, sondern als die eleganteste, wirtschaftlichste und ethischste Lösung für das Problem der Sofas oder Softcup-BHs. Die Einfachheit des Designs fördert den Eindruck, dass alle Mängel und Kunstgriffe weggefallen sind. Die Millennial-Ästhetik verspricht eine Art Teleologie des Geschmacks: als ob wir erst jetzt, endlich, dank Innovation und Verfeinerung, zu der objektiv richtigen Art und Weise gekommen sind, wie die Dinge aussehen sollten. Wenn man sich gleichzeitig keinen Schnickschnack und kein Scheitern leisten kann, dann hat man am Ende ein Millennial-Design: massentauglich, risikoscheu, gerade genug Aufmerksamkeit erregend, um klar zu machen, dass man es versucht hat. ... Das Design ist weich in seinen Farben und in seinen Linien, geschwungen und unbedrohlich - nicht unähnlich dem iPhone, wie Jessica Helfand, die Mitbegründerin und Kreativdirektorin von Design Observer, betont. Es ist abgerundet, ebenso wie all die kleinen Logos für Apps, die es bewohnen, eingerahmt sind von sanft gerundeten Kanten. 'Die Rundung suggeriert, von Natur aus 'freundlicher' wie in: einfacher, weicher', sagt Helfand. 'Echter Modernismus, echter Minimalismus wäre das Quadrat.' Der Minimalismus verlangt jedoch Strenge, und die Millennial-Ästhetik hat keine."

Fast Company (USA), 07.03.2020

Wenn 2016 das Jahr war, in dem Fake News und Social Media die globale politische Landschaft erschütterten, dann könnte 2020 ein wahres Annus horribilis werden, meint Alex Pasternack. An den Tugenden, für die das Internet einst stand, will er dennoch festhalten - und feiert die Wikipedia als Fels in der Brandung leicht manipulierbarer, da individualisierter und von zahlreichen Wirtschaftsinteressen determinierten Newsfeeds und Falschinformationen der Sozialen Medien: "Die Enzyklopädie hat einen großen Vorteil: Ihr Ziel ist es nicht, zu 'skalieren'. Sie verkauft nichts, sie will keinen Anreiz zur Entrüstung bieten und buhlt nicht darum, dass man noch mehr Zeit auf ihr verbringt. Dank tausender Spender weltweit gibt es dort keine Werbekunden oder Investoren, denen sie gefallen muss, keine Algorithmen, um Daten zu sammeln, Emotionen anzustacheln oder die Seiten zu personalisieren - jeder sieht dasselbe." Herausforderungen gibt es zwar an allen Ecken und Enden: "Manchmal sind selbst vertrauenswürdige Quellen nicht makellos. 'Wenn Falschinformationen ihren Weg in üblicherweise verlässliche Quellen finden, dann kann es auch sein, dass sie auf Wikipedia landen', sagt Molly White, eine Administratorin aus Boston. ... Um die Editoren nicht vom Weg abkommen zu lassen, unterhalten die Administration eine fortlaufend aktualisierte Liste von über zwei Dutzend 'unzuverlässiger' Quellen, darunter Websites wie Occupy Democrats, das britische Boulevardmagazin The Daily Mail und das Portal Breitbart News, dem eine fehlerhafte und hetzerische Berichterstattung vorgeworfen wird. Im Gegensatz dazu nahm Facebook Breitbart im vergangenen Jahr in eine neue Sektion seiner App auf, die für 'sorgfältig recherchierten und auf gute Quellen zurückgreifenden' Journalismus stehen soll. Damit wolle man 'eine Vielzahl von Perspektiven' darstellen, so Facebook-Geschäftsführer Mark Zuckerberg. Wikipedia verhält sich dazu anders: Die Editoren bemühen sich zwar ebenfalls, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen, aber jede Aussage, jedes Zitat und jede Statistik muss von verlässlichen Quellen gestützt und auf neutrale, ausbalancierte Weise dargestellt werden."
Archiv: Fast Company

New York Times (USA), 05.03.2020

Datingapps und Onlineforen haben im Zuge der Digitalisierung der chinesischen Gesellschaft auch den queeren Menschen des Landes nicht nur zu mehr Vernetzung untereinander, sondern auch zu einer Stimme in der Gesellschaft verholfen, erzählt Yi-Ling Liu. Momentan befindet sich diese neue Bürgerrechtsbewegung zwar in einer Art Zwangs-Winterschlaf - folgend der oft undurchsichtigen Verhaltensweise der Volkspartei, an einer Stelle neue Freiheiten zuzulassen, sie an anderen Stellen aber zu begrenzen. Doch so gut wie alle, "mit denen ich im Hinblick auf das chinesische LGBTQ-Leben gesprochen habe - ob nun hetero oder schwul, verheimlicht oder nach dem Coming-Out, NGO-Freiwillige oder Venture-Kapitalisten -, scheinen dasselbe Gefühl zu haben: Dieser Winterschlaf geht vorbei. Anders als andere Gruppen stellt die LGBTQ-Gemeinschaft keine explizite Bedrohung der Parteienherrschaft dar und ist zu niedrig in der Priorität, um auf dem Radar der Regierung zu landen. Als Weibo-Nutzer 2018 die Timelines mit dem Protest-Hashtag #IAmGayNotAPervert füllten und die Plattform damit zwangen, ihre frühere Politik, schwule Inhalte zu 'säubern', zurückzunehmen, hielt sich die Regierung zurück. ... 'Die Regierungsstellen versuchen diese Welle, von der sie wissen, dass sie letztlich nicht aufzuhalten sein wird, nicht zu bekämpfen, sondern zu managen', sagt der Rechtswissenschaftler Darius Longarino. ... Im Dezember räumte Chinas Gesetzgeber ein, im Rahmen einer geplanten Aktualisierung des chinesischen Zivilgesetzbuches zahlreiche Bitten erhalten zu haben, die gleichgeschlechtliche Ehe zu legalisieren. Der nationale Parteikongress hatte angekündigt, das Gesetzbuch in diesem Monat einer Neuüberprüfung zu unterziehen (auch wenn das Treffen wegen des Coronavirus verschoben wurde). Während die gleichgeschlechtliche Ehe in China wohl noch in weiter Ferne steht, war dies ein klarer Hinweis darauf, dass die Regierung den Status einer zunehmend sichtbaren Gemeinschaft anerkennt."

Weitere Artikel: Siobhan Roberts erzählt von einem Mittagessen mit dem letzte Woche verstorbenen Physiker Freeman Dyson. John Caramanica besucht aktuelle Ausstellungen in New York von Jose Parla, JR und Kunle Martins. Und Adrian Chen stellt den japanischen Spiele-Auteur Hideo Kojima vor, der von seinen Fans seit vielen Jahren so kultisch verehrt wird, wie man das sonst nur unter Cinephilen im Hinblick auf geliebte Filmemacher kennt. Der Trailer zu seinem aktuellen Spiel "Death Stranding" wirkt wirklich wie ein großes Blockbuster-Epos:

Archiv: New York Times