Magazinrundschau

156 Tibeter in Brand

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
15.09.2020. Der New Statesman vertieft sich in die Geschichte Tibets und ahnt, was Hongkong bevorsteht. Die Hudson Review stellt das fast brasilianische Viertel Lyari in Karatschi vor. La vie des idees liest die Spinozaübersetzung von George Eliot. Die LRB erklärt, warum Nordstream 2 völlig okay ist. 54 Books fragt, warum deutsche Feuilletons keinen Text über Computerspiele zustande bringen, der an Charles Bernsteins 1989 erschienenen Essay "Play It Again, Pac-Man" heranreicht. In Magyar Narancs beklagt György Spiro die Zerschlagung der Infrastruktur für das geistige Leben in  Ungarn. Wired sucht Leben auf der höllisch heißen Venus.

New Statesman (UK), 11.09.2020

Was Hongkong bevorsteht, verrät Isabel Hilton ein Blick in die Geschichte Tibets: Auch den Tibetern wurde nach der Devise "Ein Land, zwei Systeme" Autonomie zugesichert, doch wie Barbara Demicks in ihrem Report "Eat the Buddha" schildert, hat Peking mit größter Brutalität jeden Anflug von Eigenständigkeit in der Region unterdrückt, wie Hilton erinnert: "Die Tibeter sind heute eine unterprivilegierte Minderheit in einem Land, das von chinesischen Straßen völlig verwandelt wurde, von Eisenbahnen, Wasserkraftwerke und chinesischen Migranten aus den ärmsten Provinzen, die hier das Privileg der Kolonisatoren genießen. Viele Tibeter sind materiell aber auch besser gestellt als vor fünfzig Jahren. Sie opponieren nicht gegen die Modernisierung, auch wenn im Westen noch immer ein Bild von ihnen als traditionell-bäuerliche Menschen vorherrscht. Aber es gibt wenig Harmonie zwischen Tibetern und ihren chinesischen Mitbürgern, die die Tibeter oft für schmutzig, faul und undankbar halten. Und es gibt wenig Anzeichen, dass die Tibeter die Partei zu lieben gelernt haben. 2008 entzündete sich die weitestgehende Rebellion in der tibetischen Welt seit dreißig Jahren, als junge Tibeter, die gänzlich unter kommunistischer Herrschaft aufgewachsen waren, Tibets Unabhängigkeit und die Rückkehr des Dalai Lama forderten... In der Folge wurde ein umfassendes Sicherheitssystem eingeführt, mit dem jede einzelne Straße in den Städten elektronisch überwacht wird. Es wurde später in Xingjian übernommen, wo die Uiguren einer noch strengeren religiösen und politischen Unterdrückung ausgesetzt sind. Von da an glich Tibet einem Panoptikum. Tibeter antworten mit Selbstverbrennungen. Zum Zeitpunkt ihrer Recherche hatten sich, wie Demick notiert, 156 Tibeter selbst in Brand gesetzt."

Weietres: Wenn Martin Amis in "Inside Story" von seiner Freundschaft zu Christopher Hitchens erzählt, springen Thomas Meaney die Unterschiede zwischen den beiden ins Auge: "Hitchens war politisch zu dialektischem Denken fähig, Amis ist Ästhet und Manichäer."
Archiv: New Statesman

HVG (Ungarn), 15.09.2020

Am 1. September 2020 wurde die Budapester Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE) von der Regierung in eine Stiftungsuniversität umgewandelt. Der komplette Senat kündigte daraufhin sein Beschäftigungsverhältnis, zahlreiche Hochschullehrer verließen die Universität, das Gebäude wird seit zwei Wochen von den Studenten besetzt, nachdem das neue Kuratorium mit Attila Vidnyánszky als Vorsitzenden eine zuvor von den Organen der Universität nicht debattierte und nicht genehmigte Institutsordnung präsentiert hattee, die die Autonomie der Universität praktisch auslöscht. László Bagossy, der als Institutsleiter gekündigt hat, spricht im Interview mit Fanni Czeglédi über die Situation: "Aus der Sicht der Studenten ist es inakzeptabel, dass in dieser Situation ein bedeutender Teil des Lehrerkollegiums vertrieben wurde. Es sind Menschen gegangen, die nicht in zwei Minuten ersetzt werden können. Was sie mitnahmen, ist nicht nur Fachwissen, sondern auch die Tradition selbst. Die Studenten wissen über alle Entscheidungen, Ereignisse und Veröffentlichungen Bescheid. Zuerst war ich darüber besorgt, dass sie zu irgendwelchen illegalen Mitteln greifen, solange nicht alle rechtlichen Gegenmittel ausgeschöpft wurden. Also solange es sich nicht schwarz auf weiß herausgestellt hat, dass das ganze eine Schweinerei ist und unsere Autonomie genommen wird, solange sollte keine Besetzung der Universität oder ähnliches geschehen. Am Ende wurde jedoch eine Institutsordnung verabschiedet, die von Attila Vidnyánszky unterschrieben wurde, ein auf brutale Art und Weise entmannter Text und damit gab es keinen Raum mehr für Missverständnisse, ... es wurde ausschließlich die Autonomie zerschlagen."
Archiv: HVG

Hudson Review (USA), 16.09.2020

Für das aktuelle Heft des Magazin für Literatur und Kunst schickt Alia Ahmed einen Brief aus Karatschi, genauer aus Lyari, dem ältesten und am dichtesten besiedelten Stadtteil: "Ähnlich wie Kibera in Nigeria ist Lyari bekannt als 'Klein-Brasilien', wegen seiner Fußballverrücktheit in einer ansonsten dem Kricket verschriebenen Nation. Lyari ist außerdem Heimat von Karatschis schwarzer afrikanischer Community, Nachfahren der Sklaven aus dem Oman, die schließlich Teil der lokalen Baloch Community wurden; sie heißen Makranis oder Sheedis. Einige von Lyaris buntesten und lebendigsten Straßen erinnern an ihre Wurzeln: Mombasa Street etwa. Als Obama in die zweite Amtszeit ging, feierten Sheedi ihn mit einem traditionellen afrikanischen Tanz. Während der WM 2018 sah es hier aus wie in einer brasilianischen Favela. Überall waren die brüchigen Wände mit den brasilianischen Nationalfarben bemalt, brasilianische Fahnen hingen von den Überlandleitungen. Die Spielerkonterfeis prangten auf den Mauern. Auch andere Teams waren präsent, aber vor allem Brasilien. Handgemalte Porträts von Neymar und Messi statt der üblichen politischen Graffiti dekorierten die Mauern. Ronaldinho kam und spielte ein Match. Ich frage mich, ob die Brasilianer wissen, wie sehr sie geliebt werden an diesem problembehafteten Ende Pakistans, aus dem die besten Fußballer des Landes kommen. Die Missachtung Lyaris hat eine lange Geschichte. Die Hindu-Händler, die Karatschi noch vor der britischen Herrschaft groß machten, hatten kein Interesse, die arme muslimische Bevölkerung durchzufüttern, ebenso die Kolonisten … Lyari ist ein Mikrokosmos, in dem sich die Hauptfrage Karatschis seit der Unabhängigkeit spiegelt: Wem gehört die Stadt? Benazir Bhutto feierte ihre Hochzeit hier, um die Beziehung der Partei mit dem Viertel zu bekräftigen. Früher mag die Frage mit Messern ausgetragen worden sein, mit den russischen Waffen aus dem Sowjetisch-Afghanischen Krieg wurde sie immer tödlicher. Seit 09/11 kamen neue Bewerber: Extremisten, entschlossen, die indigenen Formen islamischen und sufistischen Glaubens, ihre Heiligenfiguren und Schreine, zu zerstören."
Archiv: Hudson Review

La vie des idees (Frankreich), 14.09.2020

George Eliot, die Autorin von "Middlemarch", hat (neben anderen) auch Spinoza, einen der schwierigsten Philosophen überhaupt, aus dem Lateinischen ins Englische übersetzt. Die Übersetzung der "Ethik" wurde erst jetzt publiziert (bestellen) und ist im Rang den besten bisherigen Übersetzungen ins Englische gleichzusetzen, schreibt Steven Nadler in einer vielleicht etwas spezialistischen, aber faszinierend zu lesenden Besprechung. "Es war uns bekannt, dass die Romanautorin und Dichterin Mary Ann (später Marian) Evans, alias George Eliot sich für das sephardische Judentum interessierte. Daniel Deronda, der Held des gleichnamigen Romans, ist ein britische Jude mit sephardischen Wurzeln. Aber es ist ein weiter Weg von einer Fiktion über einen Proto-Zionisten des 19. Jahrhunderts, der mit seiner Familiengeschichte zu kämpfen hat, bis zum Versuch, einem zeitgenössischen Publikum die Behauptungen, Beweisführungen und Skolien der Ethik nahezubringen." Eliot ging sehr systematisch vor, so Nadler. Zunächst "übersetzte sie einen ganzen Teil der fünf Teile der Ethik, dann revidierte sie die Übersetzung, bevor sie zum nächsten Teil überging. Nach dem ersten Durchgang ging sie nochmal zum Manuskript zurück für weitere Revisionen. Die Revision des ersten Teils vollendete sie in einem Monat, während sie mit George Henry Lewes (ihrem Freund und Liebhaber) durch Deutschland reiste, aber andere Projekte - darunter Artikel über Milton, Mary Wollstonecraft und Thomas Carlyle - verlangsamten ihren Schwung beim Rest des Werks."

London Review of Books (UK), 14.09.2020

Immer wieder instruktiv die Texte von Tom Stevenson, der Welthandel und Realpolitik von links erzählt. Die Empörung über Nord Stream 2 kann er nicht teilen, sie werde von den USA geschürt, die aus rein hegemonialen Interessen Osteuropa gegen die europäisch-russische Energieallianz aufhetzten. Stevenson empfiehlt wärmstens Thale Gustafsons Geschichte der europäisch-russischen Energieallianz "The Bridge" zur vertiefenden Lektüre: "Amerikanische Strategen sahen in einer Energieallianz zwischen Westeuropa und der Sowjetunion wenig Nutzen für die USA. Aber sie schritten nicht ein bis 1982, als CIA-Direktor William Casey Ronald Reagan überzeugte, Sanktionen gegen Firmen zu erheben, die dem Bau sowjetischer Pipelines zulieferten. Die Sanktionen ging nach hinten los: Die UdSSR entwickelte einfach ihre eigene Röhren- und Kompressorenindustrie. Zehn Jahre später bot der Kollaps der Sowjetunion eine zweite Möglichkeit: Westliche Berater drängten auf die Zerschlagung und Privatisierung von Gasprom und den Rest der russischen Staatsindustrie. Aber selbst Jegor Gaidar, der Meisterdieb der Aasfresser-Ära unter Jelzin, wollte Gasprom zusammenhalten. Wie Gustafson resümiert, wurde das Unternehmen teilprivatisiert, aber der Großteil der Aktien von früheren Mitarbeitern gekauft. Als Putin zur Jahrtausendwende an die Macht kam, fiel es ihm nicht schwer, sie wieder einzusammeln und das Unternehmen unter Staatskontrolle zu bringen. Er feuerte den Gasprom-Chef Rem Wjatschirew und setzte an dessen Stelle seinen eigenen Berater Aleksej Miller und Dimitri Medwedew in den Aufsichtsrat. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, dass die Blütezeit der kapitalistischen Transformation, die die Unternehmensberaterfritzen verheißen hatten, nie kommen würde. Dem gängigen Narrativ zufolge zeigt Putins Zugriff auf Gasprom die Rückkehr zu einer aggressiven Politik à la Breschnew. Aber Energie ist immer ein Werkzeug der Staatsführung. Russlands aggressives Auftreten maskiert die Unsicherheit über die Brüchigkeit des Staates. Russlands Abenteuer in Syrien war zum Beispiel weniger ein Ausdruck russischer Macht als der Versuch, Macht zu demonstrieren. Er geht einher mit dem Rückgang an Erlösen aus Energieverkäufen, was den Haushalt belastet. In der Allianz mit Westeuropa war Russland immer pragmatisch. Es hat den Niedergang der sowjetischen Gasfelder bewältigt, in die schwierige Erschließung der Jamal-Halbinsel investiert und sich durch die Regulierungen der europäischen Energieindustrie navigiert. Europäer mögen sich über Gasprom beklagen, aber wenn es Gasprom nicht gäbe, müssten sie es erfinden."

54 Books (Deutschland), 10.09.2020

Die Auseinandersetzung mit Videospielen muss in den Feuilletons noch eine ganze Weile reifen, um dieselbe Qualität zu erreichen, wie sie bei anderen Künsten Standard ist, lautet Christian Huberts' Fazit nach einer ausführlichen Bestandsaufnahme. Nicht eben besser wird es dadurch, dass mit "Play It Again, Pac-Man" einer der besten Texte über Computerspiele bereits 1989 veröffentlicht wurde und seitdem nahezu unerreicht ist. Verfasst hat ihn nicht etwa ein Games-Insider, sondern der Dichter Charles Bernstein, der sich mit Neugier und viel Fantasie dieser neuen Form ästhetischer Produktion und Interaktion widmete. Ein "Mangel an Vorstellungskraft" hingegen "ist offenbar symptomatisch für das Schreiben über Games im Feuilleton". Oft offenbare sich "ein Desinteresse an Computerspielen als Kulturform. Wo Charles Bernstein vor dreißig Jahren nach dem Besonderen von Games bohrt, sucht der Feuilleton der Gegenwart allzuoft nach dem Gewohnten. Zu den populärsten Aufhängern für Texte über digitale Spiele zählt daher auch der direkte Vergleich zu älteren Kulturformen." Zu beobachten sind im Zuge "selbsterfüllende Prophezeiungen. Das Publikum goutiert Games nicht, also werden sie ihnen nicht schmackhaft gemacht, also goutiert es Games nicht. Niemand kennt die Autor:innen von Games, also werden sie nicht vorgestellt, also kennt niemand die Autor:innen von Games. Und zu guter Letzt: Die Spielkultur ist vielfältig, komplex und unübersichtlich, also konzentriert man sich auf ihre bekanntesten Elemente, also findet sich niemand in der unübersichtlichen und komplexen Vielfalt der Spielkultur zurecht."
Archiv: 54 Books

Denik (Tschechien), 10.09.2020

In Tschechien angelaufen ist der neue Kinofilm des Regisseurs Bohdan Sláma, der sich mit "Krajina ve stínu" (Schattenlandschaft) an ein schmerzhaftes Kapitel tschechisch-deutscher Geschichte gewagt hat. Es geht um ein Dorf im südböhmischen Grenzgebiet in den gewaltvollen Zeiten von 1939 bis Anfang der Fünfzigerjahre. Als Vorbild gilt das Dorf Tušť/Schwarzbach, in dem es zu Kriegsende zu brutalen Racheaktionen der Revolutionsgarden kam, auch zur Ermordung von tschechischen Dörflern, die sich nicht klar vom Deutschen Reich distanziert hatten. Die tschechischen Kritiker sind sich weitgehend darin einig, dass der Film (trotz hier und da kleinerer Beanstandungen in der künstlerischen Umsetzung) einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte darstellt. In seiner Schwarz-Weiß-Stilisierung wirke der Film fast roh, meint Jana Podskalská, der Betrachter folge ihm wie einem antiken Drama: "Wie von außen blicken wir auf die menschlichen Dramen … das Volksgericht im Keller, die tschechisch-deutschen Zerwürfnisse innerhalb einer Familie" - offenbar ein Versuch der Schöpfer, über der Geschichte zu stehen, den Gefühlen der Zuschauer Zeit zu geben und zu keiner der beiden Seiten zu tendieren - "was angesichts des heiklen Themas im Grunde die einzig mögliche Lösung ist." Die Rezensentin sieht in diesem Film jedenfalls einen Fehdehandschuh, "all jenen hingeworfen, die dem Thema aus dem Weg gehen und glauben, es sei nicht nötig, sich damit zu beschäftigen. Es ist aber vielleicht an der Zeit, mehr Licht in unsere Schattenlandschaften zu bringen."

Von deutscher Seite habe es übrigens kein Interesse an einer Koproduktion gegeben, so steht an anderer Stelle zu lesen, für die Deutschen sei das Thema Krieg und Vertreibung schon durch. Hier der Trailer für einen Eindruck:


Archiv: Denik

Magyar Narancs (Ungarn), 13.08.2020

Im Interview mit Dénes Krusovszky spricht der Schriftsteller György Spiró u.a. über die Möglichkeit von öffentlichen Debatten in Ungarn, sowie über die Aufgaben moderner Nationalstaaten. "Damit es Qualitätsdebatten gibt, bedarf es verbreiteter Zeitschriften, populärer Blätter, Veröffentlichungen und anerkannter Institutionen; das Großteil von diesen wurde aber aufgelöst, zugesperrt oder von anderen Organen einverleibt. Das geistige Leben braucht eine Infrastruktur, doch es blieben nur vereinzelte geistige Werkstätte übrig. Die Grundlage der Infrastruktur ist, dass die Schulpflicht ausgebaut und entwickelt wird, hier wird sie aber abgebaut. Wenn den Schülern die Lust zum Lesen frühzeitig genommen wird, gibt es nichts und niemanden, der über etwas debattieren könnte. Ein Gedankenaustausch findet nur noch in den durch die Älteren etablierten kleinen Informationsblasen statt, während die überwiegende Mehrheit der Staatsbürger keinen Zugang zu Qualitätsinformationen hat und nicht einmal weiß, was sie lesen sollte.(...) Das moderne nationalstaatliche Dasein ist mit Pflichten verbunden: die Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich Soziales, Gesundheitswesen, Bildung und Kultur. Wenn der Staat diese Grundaufgaben an Stiftungen oder Kirchen outsourct, untergräbt er damit selbst den laizistisch-weltlichen Staat. Es wird zerstört, was seit dem 19. Jahrhundert durch zahlreiche Generationen mühsam aufgebaut wurde. Die Kulturen der kleinen Nationen müssen durch den Staat erhalten werden, denn wenn sie privatisiert werden, werden sie zugrunde gehen."
Archiv: Magyar Narancs

Wired (USA), 14.09.2020

Von wegen Liebesgöttin: Venus ist buchstäblich die Hölle - zwar nicht auf Erden, aber in unserem Sonnensystem. Die Temperatur dort beträgt bleischmelzende 400 Grad, es herrscht ein Druck wie bei uns 900 Meter unter der Meeresoberfläche. Und dieses Inferno soll Leben bergen? Spuren von Monophosphan, von dem man annimmt, dass es in signifikanten Mengen nur im Zusammenhang mit organisch-biologischen Prozesse auftritt, könnten jedenfalls darauf hindeuten, erfahren wir aus Sarah Scoles' Porträt der Astronomin Jane Greaves, die auf diese Spuren gestoßen ist und nun erforscht, inwiefern dieser Fund tatsächlich die Aussage bekräftigt, dass sich in unserem Sonnensystem auch außerhalb der Erde Lebensformen finden - in diesem Fall womöglich eine primitive in den oberen Atmosphärenschichten des Planeten, wo bessere Bedingungen herrschen. "Um nichtbiologische Szenarien auszuschließen, warf ein MIT-Team unter der Leitung von Williams Bains seine Venus-Simulationen an und einen Blick auf andere Prozesse, die Phosphine entstehen lassen könnten: Sonnenlicht, von der Oberfläche aufgewirbelte Mineralien, vulkanische und tektonische Aktivitäten, Blitze oder Kometen und Meteoriten, die das Material einsprenkeln. 'Die meisten chemischen Zusammensetzungen lassen sich auf verschiedenen Wegen hervorbringen', sagt Greaves. Das Team spielte also jede ihnen nur denkbare Möglichkeit durch. Keine würde diese Mengen an Monophosphan freisetzen, auf die sie gestoßen sind. Die letzte, die ihnen blieb? Leben. ... Doch Monophosphan, erklärt die Astrobiologin Victoria Meadows, ist ein einfaches Molekül, das unter Umständen auch in planetarischen Prozessen entsteht, die uns nicht vertraut sind. In diesem Falle also Prozesse jenseits dieser Simulation. Das wäre die einfachste Erklärung dafür, warum ein Planet wie Venus Monophosphan aufweist."

Außerdem: Die Open-Source-Plattform GitHub ist in China unter dem Corona-Lockdown ein Hafen der freien Rede in einem ansonsten schwer zensierten Internet geworden, berichtet Yi-Ling Liu. Jack Hitt porträtiert den Aktivisten Steve Tingley-Hock, der sich mit den Tücken und Abgründen des amerikanischen Wahlsystems auseinandersetzt, das regelmäßig Teilen der Bevölkerung ihr Wahlrecht erschwert. Cody Cassidy erklärt am Beispiel des historischen Vesuvausbruchs in der Antike, wie man sich vor einem speienden Vulkan in Sicherheit bringt (Spoiler: Allzu gut stehen Ihre Chancen nicht).
Archiv: Wired