
Die Schriftsteller
Pico Iyer, geboren in England als Sohn englischer Eltern, aufgewachsen in Kalifornien, und
Caryl Phillips, geboren auf der Karibikinsel St. Kitts, aufgewachsen in England und heute in den USA lebend,
unterhalten sich für die Online-Ausgabe von
Granta über
Migration und Heimat. Interessanterweise spielt Identität in ihrem Gespräch keine Rolle. Das Wort kommt überhaupt nur einmal vor, und dann auch nur als "Klassenidentität". Schmerzhaft war für beide, dass das Aufwachsen im "kolonialen Mutterland" sie
von ihren Eltern entfernte: "Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob mir der Preis klar ist, den meine Eltern als Migranten gezahlt haben", sagt Phillips, "und ich glaube nicht, dass sie sich darüber im Klaren sind, wie schwierig es für uns war, in der Ära des 'Paki-bashing' und Enoch Powells aufzuwachsen. Sich über Britannien zu beschweren, hätte bedeutet, eine gewisse Art von Versagen einzugestehen, und wo bliebe dann unsere 'Heimat'? Wir haben uns zwar über Britannien beschwert, aber wir wurden ermutigt, uns auf unsere Schularbeiten zu konzentrieren und 'die Dinge in die Hand zu nehmen'. Unter diesen Umständen tat sich eine riesige Kluft des Verständnisses auf. Ich habe mich nie in Britannien 'eingelebt'. Innerhalb von zehn Jahren nach meinem Abschluss reiste und unterrichtete ich zwei Monate lang in Indien, dann fast ein Jahr lang in Schweden, dann auf St. Kitts und schließlich
in den USA, um eine Stelle als Gastautor anzutreten. Welche Tür meine Eltern mir auch immer mit ihrem Akt der Migration geöffnet haben, ich bin hindurchgegangen und dann
auf der anderen Seite durch eine andere Tür in die Welt hinaus. Ohne ihren anfänglichen Akt der Migration hätte ich ein solches Leben des Umherziehens und - ich wage es zu sagen - der
relativen Freiheit nicht führen können." Auch Iyer ist auf der anderen Seite hinausgegangen: nach
Japan, "zu dem ich immer ein mysteriöses Gefühl der Vertrautheit und in diesem Sinne der Zugehörigkeit hatte. Eine lustige Wahl, denn keine Kultur ist weniger inklusiv... Bis heute spreche ich nur begrenzt Japanisch, liebe kein japanisches Essen und habe nicht einen Tag meines Lebens an dem Ort gearbeitet oder studiert, den ich als meine geheime, tiefste Heimat betrachte. Dennoch fühle ich
eine Verwandtschaft mit diesem Ort, die ich nie mit Indien, Großbritannien oder Amerika empfinden werde. Und ich kann ihn auch deshalb so gerne als Heimat bezeichnen, weil ich dort
immer ein Ausländer sein werde, außerhalb des Systems - was bedeutet, dass ich gerne alle meine Tage dort verbringen würde, aber ich würde niemals Japaner sein wollen. Ich nehme an, das ist eines der merkwürdigen Phänomene bei Menschen wie Sie und ich: Ich habe nie erwartet, eine ganze Kultur zu finden, der ich angehören würde, und fühle mich gerade deshalb im Fremdsein zu Hause."