Nachdem in der
Slowakei soeben der (durch die Ermordung des Journalisten Ján Kuciak schwer belastete) Premier
Robert Fico abgewählt wurde und der Oppositionspolitiker
Igor Matovič mit seiner Mitte-Rechts-Partei OľaNO den Wahlsieg eingefahren hat, hat das tschechische Online-Magazin
A2larm verschiedene slowakische Persönlichkeiten zu einer Einschätzung der Lage gebeten:
Alena Krempaská vom Institut für Menschenrechte
interpretiert die Wahl als
deutliche Protestwahl gegen die Abgründe der vorherigen Korruptionspolitik. Eine schlechte Nachricht sei sie jedoch für die Belange von Frauen- und LGBT-Rechte, denn die Siegerpartei werde "starke,
ultrakatholische Elemente ins Parlament bringen. Doch das bürgerliche Engagement wird sich nicht auf Wahlen alle vier Jahren beschränken, es wird sich weiterhin organisieren und die amtierende Regierung zu einer einigermaßen anständigen Politik zwingen." Die Regisseurin
Tereza Nvotová meint: "Bei diesen Wahlen hat sich gezeigt, die Slowakei muss erst einmal aufarbeiten, dass sie ein
mafiöser Staat geworden ist. Es gilt die Grundelemente des Staates zu reinigen - Polizei, Justiz und die Politik an sich. Ich glaube, die Menschen werden sich erst dann freiheitlicheren Fragen zuwenden, wenn sie sich zu Hause sicher fühlen. Psychologisch ergibt das Sinn: Die Leute klammern sich an konservativere Werte, wenn sie sich bedroht fühlen - und in den Regionen ist das tatsächlich so." Der Philosoph
Robert Mihály hat sehr gemischte Gefühle: "Sieger sind der egomanische Marketingmensch Matovič gemeinsam mit religiösen Hardcore-Fundamentalisten, die ihre heilige Wallfahrt quer durch die Instituionen fortsetzen. Wichtigster Partner dieses Wandels wird der
Millionär Kollár sein, dessen Vorbilder
Salvini und
Marine Le Pen sind." Mihály befürchtet eine generelle Zunahme des ultrakonservativen Diskurses in der Gesellschaft, in dem der Begriff "Liberaler" bereits zu einem Schimpfwort geworden ist. Die Architektin
Milota Sidorová hat bei dem Wahlergebnis frappiert, wie "anarchistisch und antisystemisch" ein großer Teil der Bevölkerung denkt, und schließt das unter anderem aus der geringen Unterstützung für Parteien, die den konstruktiven Dialog suchten.
Tomáš Hučko, Chefredakteur des Magazins
Kapitál, befürchtet eine verstärkte
Abwanderung liberaler Einwohner. "Es werden mehr junge Leute ins Ausland gehen, bzw. die, die schon zurückkehren wollten, werden lieber dort bleiben wollen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden wir hier eine eigene Version von Polen haben." Die oft genannte Spaltung zwischen progressiverer Stadt- und konservativer Landbevölkerung lasse sich mit Hinblick auf die Wahl in Bratislava nicht bestätigen. Die Sozialanthropologin
Barbora Bírová sieht eine starke Populismuswelle voraus, die sie mutlos mache, plädiert aber dafür, für jeden Wähler Verständnis aufzubringen, denn "wenn wir ihn für das, was er gewählt hat, verspotten, verschließen wir uns die letzte Tür".