Magazinrundschau - Archiv

El Pais Semanal

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Magazinrundschau vom 02.10.2018 - El Pais Semanal

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"Wie Gabriel García Márquez einmal eben schnell einen Verlag rettete (der gar nicht sein Verlag war)." Der spanische Journalist Juan Cruz rekapituliert die Geschichte des berühmten spanischen Verlags Tusquets Editores, der nächstes Jahr seinen fünfzigsten Geburtstag feiert und sich in seiner Bedeutung für die spanischsprachige Welt mit der des Hanser-Verlages hierzulande vergleichen lässt. Seit kurzem befindet Tusquets sich allerdings unter dem Dach der Planeta-Verlagsgruppe. "Als der Bankrott drohte, rief Beatriz de Moura, die den Verlag erst ein Jahr davor mit ihrem damaligen Mann, dem Architekten Oscar Tusquets gegründet hatte, García Márquez an, den sie im Nachtleben von Barcelona kennengelernt hatte, als er noch kein berühmter Schriftsteller war: 'Gabo (wie García Márquez' Spitzname lautete), du bist sehr reich, und Tusquets braucht Geld.' Worauf der eher wortkarge García Márquez, der sich bereits im Erfolg seines Romans 'Hundert Jahre Einsamkeit ' sonnte, erwiderte: 'Ich schenk dir was, das dich reich machen wird.' Dieses Geschenk waren die Rechte an der Jahre zuvor in der Zeitschrift El Espectador veröffentlichten Reportage Bericht eines Schiffbrüchigen, die in Buchform in über hundert Auflagen millionenfach verkauft wurde und Tusquets buchstäblich vor dem Schiffbruch rettete."

Magazinrundschau vom 29.05.2018 - El Pais Semanal

"Die Sandräuber sind unterwegs." Passend zum Beginn der europäischen Strandsaison beschreibt die Journalistin Carmen Gómez-Cotta die katastrophalen ökologischen Folgen des weltweit steigenden, vielfach illegalen Sandhandels: "Nach Wasser und noch vor fossilen Brennstoffen ist Sand heute der weltweit meistnachgefragte Rohstoff: Etwa 59 Milliarden Tonnen Sand werden inzwischen jährlich auf der Erde verbraucht, 85 Prozent davon für Bauvorhaben - für ein mittelgroßes Haus braucht man 200 Tonnen, für ein Krankenhaus 3000 Tonnen, für einen Kilometer Auttobahn 30.000 Tonnen. Zu den größten Sand-Importeuren gehören ausgerechnet die von Wüsten umgebenen Vereinigten Arabischen Emirate - Wüstensand ist für das Anrühren von Beton nur schlecht geeignet, also importiert man Sand aus Australien, allein für den 828 Meter hohen Burj Khalifa-Tower in Dubai etwa 110.000 Tonnen, für die künstlichen Palm Islands bislang 385 Millionen Tonnen.. Gleichzeitig verschwinden die Strände - die Strände der Kanarischen Inseln etwa überleben heutzutage durch Sandimporte aus der West-Sahara."

Magazinrundschau vom 10.04.2018 - El Pais Semanal

Javier Cercas folgt dem Ratschlag eines alten amerikanischen Freundes: "Mein Freund wirft mir vor, dass ich zu viel über Politik schreibe, besonders über katalanische Politik: 'Das Beste, was ein Romancier zu sagen hat, sagt er mit seinen Romanen, nicht mit seinen Meinungen. Hast du ernsthaft geglaubt, mit all deinen Zeitungsartikeln und Interviews könntest du die Unfähigkeit der spanischen Regierung abmildern, die nicht begriffen hat, dass man einen Putschversuch des 21. Jahrhunderts nicht mit Mitteln des 20. oder 19. Jahrhunderts aufhalten kann? Oder dass all deine Argumente irgendwen von seinen Überzeugungen abbringen könnten? In Katalonien geht es jetzt nur noch um Glaube, nicht mehr um Vernunft. Wie lautet das Proust-Zitat, das du immer so gerne anführst: 'Was auf unvernünftige Weise in einen Kopf hineingelangt ist, kann nicht vernünftig wieder herauskommen.' Beim Abschied bittet er mich, nie wieder über Katalonien zu schreiben. 'Das verspreche ich dir', antworte ich."

Magazinrundschau vom 03.04.2018 - El Pais Semanal

Die spanische Journalistin und Schriftstellerin Rosa Montero erklärt, warum sie auf einmal stolz auf ihr Land ist: "Ausländische Beobachter haben sich immer schon darüber gewundert, wie hart und verbissen wir Spanier miteinander umgehen. Mehr als einmal habe ich selbst mir deshalb gewünscht, einem stinklangweiligen Land wie etwa der Schweiz zu entstammen. Umso mehr freue ich mich jetzt, dass wir der Welt mit dem Generalstreik und den Demonstrationen am letzten Weltfrauentag ein Beispiel gegeben haben. Unsere Gesellschaft war extrem machistisch, bis 1975 durften verheiratete Frauen hierzulande ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns weder arbeiten noch ein Konto eröffnen. Seitdem haben wir jedoch eine Riesenstrecke zurückgelegt und den Machismus einer jahrzehntelangen Dekonstrukionsarbeit unterzogen. Natürlich gibt es immer noch Sexismus, aber die Debatte darüber nimmt heute eine vorrangige Rolle ein - 82 Prozent der spanischen Bevölkerung haben den Streik vom 8. März befürwortet. Die euphorische Begeisterung darüber, Teil dieser sozialen Bewegung zu sein, lässt mich heute sagen, dass ich stolz bin, Spanierin zu sein."
Stichwörter: Sexismus, Weltfrauentag, El Pais

Magazinrundschau vom 12.02.2018 - El Pais Semanal

Der spanische Autor Javier Cercas erinnert an eine grundlegende Tatsache im Verhältnis von Kunst und correctness: "Zu den ersten Pflichten eines Schriftstellers gehört es, beim Schreiben seine Überzeugungen beiseite zu lassen, sie unter Quarantäne zu stellen, aufzuhören zu urteilen; nur so kann er hoffen, wirklich lebendige Werke hervorzubringen, mit deren Hilfe sich die labyrinthische Komplexität unseres Daseins verstehen lässt. Verstehen - es ist peinlich, das immer wieder sagen zu müssen - heißt nicht entschuldigen. Verstehen heißt, sich die nötigen Werkzeuge zu beschaffen, um nicht immer wieder die gleichen Fehler zu begehen. Ich glaube nicht an den modernen oder vielmehr postmodernen Aberglauben, demzufolge Kunst nutzlos ist, zweckfrei. Natürlich ist die Kunst nützlich, aber nur dann, wenn sie sich nicht vornimmt, nützlich zu sein. Kunst, die nützlich sein will, wird Propaganda oder Pädagogik und ist keine Kunst mehr. Genau das passiert, wenn der Künstler, statt hartnäckig und mutig zu versuchen zu verstehen, so feige und bequem ist, Partei zu ergreifen und zu urteilen. In seinem Leben darf ein Künstler Partei ergreifen, in seinem Werk darf er das gerade nicht."

Magazinrundschau vom 30.01.2018 - El Pais Semanal

"Ich hasse das Wort 'empowerment'." Die von den Separatisten ihres Heimatlands schwer angefeindete katalanische Filmemacherin Isabel Coixet (s. a. hier), Mitglied der Berlinale-Jury 2009, spricht im Interview mit Anatxu Zabalbeascoa über ihren neuen, 2017 mit dem Preis der Frankfurter Buchmesse für die beste Literaturverfilmung ausgezeichneten und für den spanischen Goya-Preis nominierten Film "La librería" (Der Buchladen): "Warum kommen in von Männern gedrehten Filmen so selten aktive und lustige Frauen vor? - Männliche Regisseure denken einfach nicht an so was. In von Frauen gedrehten Filmen macht immer auch mal jemand sein Bett, bei männlichen Regisseuren gibt es das nicht. Das tägliche Leben sehen sie nicht. Das, was wir neben unserer Arbeit noch so alles machen, entgeht ihnen - die Kinder zum Zahnarzt bringen, das Essen kochen... In jedem Fall ist eine starke Frau einfach eine starke Frau - wer ihre Stärke als das Ergebnis von Ermächtigungsstrategien darstellt, zeigt, dass er nicht wirklich an diese Stärke glaubt, als wäre sie bloß gespielt."

Magazinrundschau vom 18.12.2017 - El Pais Semanal

Der spanischen Schriftsteller Javier Cercas hofft, dass am Donnerstag, den 21. Dezember, genügend Menschen in Katalonien aus vernünftiger Angst ihre Stimme nicht den Separatisten geben werden, sich also nicht wie zuvor etwa die Wähler in England oder den USA oder auch bei den letzten katalanischen Wahlen von "waghalsig-blindwütigen und zugleich lügnerischen Utopien" verführen lassen - denn "die Wahrheit und die Vernunft sind zwar langweilig, aber in der Politik führen sie fast immer zu etwas viel Besserem. Gibt es etwas Vernünftigeres und Langweiligeres als die Sozialdemokratie? Und doch sind die gerechtesten, wohlhabendsten und freiesten Gesellschaften der Welt, nämlich die Skandinaviens, das Ergebnis des 'nordischen Modells', also der kontinuierlichen Anwendung sozialdemokratischer Programme ohne besondere Aufregungen, kollektive Erregungen oder illusionsträchtige Projekte."

Magazinrundschau vom 05.09.2017 - El Pais Semanal

"Je wohlhabender, desto separatistischer", bilanziert der Autor Javier Cercas erbittert die Ergebnisse einer neuen Umfrage des staatlichen katalanischen Meinungsforschungsinstituts: "Die reichsten Wähler, mit einem Durchschnitts-Nettofamilieneinkommen von 2190 Euro, wählen die CUP - die antikapitalistische Pro-Unabhängigkeitspartei, die angeblich in der Tradition des katalanischen Anarchismus steht, aber die katalanische Regierung mitträgt; die zweitreichsten, mit 2175, wählen Junts pel Sí - die Pro-Unabhängigkeitskoalition von Esquerra Republicana und PdCat; und die ärmsten, mit 1490 Euro, wählen PP, die gesamtspanische konservative Volkspartei (während die zweitärmsten, mit 1682 Euro, PSC wählen, den katalanischen Zweig der spanischen Sozialisten). Wie alle Umfrageergebnisse lassen sich auch diese vielfältig interpretieren, aber ein Punkt scheint mir eindeutig: Wie fast überall, wollen sich auch in Spanien die Reichen von den Armen trennen und nicht die Armen von den Reichen - wir reichen Katalanen wollen uns von den Armen aus der Extremadura und aus Andalusien trennen, die faul sind und viel Geld ausgeben (und von den armen Katalanen wollen wir uns nicht trennen, weil wir das, zumindest vorläufig, nicht können). Das ist total normal, auch wenn es total ungerecht ist (aber wenn das linke Politik sein soll, bin ich der Erzbischof von Canterbury)."

Magazinrundschau vom 23.05.2017 - El Pais Semanal

Javier Cercas schließt sich der von seinem Schriftsteller- und Generationskollegen Antonio Orejudo vor einiger Zeit im Interview geäußerten (Selbst-)Kritik an: "Den jungen Leuten der Protestbewegung der letzten Jahre, die sich heute vor allem in der Partei Podemos wiederfinden, kann man vieles vorwerfen, aber bestimmt nicht, dass sie sich, so wie wir es getan haben, nicht um die Zukunft ihres Landes kümmern. Wir haben die Politik immer nur über die Schulter hinweg betrachtet, ironisch, sarkastisch, wenn nicht zynisch oder schlichtweg verächtlich, und als wir damit aufgehört haben, war es zu spät. Wir hätten unsere noch im Entstehen begriffene arme, prekäre Demokratie bereichern und stärken müssen, aber die Politik erschien uns als schmutzige, unwürdige Tätigkeit, und wir zogen uns ins Privatleben zurück. Ein wohlmeinender Betrachter könnte erwidern, unsere Generation habe, wenn schon keine großen Politiker, dann doch gute Wissenschaftler, gute Künstler, gute Unternehmer und gute Schriftsteller hervorgebracht, unserem öffentlichen Scheitern könne man also den einen oder anderen privaten Erfolg entgegenhalten - hoffentlich hat er recht."

Magazinrundschau vom 02.05.2017 - El Pais Semanal

Guillermo Altares unterhält sich mit dem 1953 in Haiti geborenen und 1976 vor politischer Verfolgung nach Kanada geflohenen Schriftsteller Dany Laferrière, der seit 2014 Mitglied der Académie française ist: "Wenn Rassisten etwas hassen, dann dass der, den sie attackieren, sie versteht. Das macht sie krank. Sie können es nicht ertragen, dass der, den sie verachten, mit ihnen sprechen will und der Ansicht ist, dass sie einfach die Wirklichkeit nicht begreifen. So ging es James Baldwin, als er in den sechziger Jahren verkündete, dass die Weißen nicht nach Europa und die Schwarzen nicht nach Afrika zurückkehren würden - es bleibt keine andere Möglichkeit, als sich zusammenzusetzen und zu verhandeln, den anderen einfach ausscheiden, das wird es nicht geben und das ist auch nicht die Lösung. Für das Europa der Gegenwart gilt das genauso. Le Pen sagt, nachdem es in Frankreich mehrere Millionen Arbeitslose gibt, soll man mehrere Millionen Schwarze und Araber ausweisen. Das hat keinen Sinn, aber ich verstehe das Problem. Doch es werden nicht mehr Arbeitsplätze entstehen, wenn man diese Leute rauswirft. Wir müssen dem Denken wieder Bedeutung verschaffen."