Magazinrundschau - Archiv

El Espectador

17 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 2

Magazinrundschau vom 21.08.2012 - El Espectador

Héctor Abad schreibt in Sachen Julian Assange Klartext: "Die Ziele von Wikileaks waren und sind weiterhin lobenswert: Die Offenlegung der korrupten Machenschaften autoritärer Regierungen und die vom Westen während seiner 'humanitären Kriege' begangenen Gräueltaten. Der Assange zur Last gelegte Sexualdelikt ist dagegen ein Vorwand bzw. eine Hilfskonstruktion: Ecuador hat Schweden angeboten, Assange in der ecuatorianischen Botschaft zu verhören, wie auch, ihn den Schweden zu übergeben, wenn sie ihn nicht ausliefern. Die USA wollen Assange jedoch exemplarisch bestrafen, damit alle Welt die Botschaft erhält: Lasst euch bloß nicht einfallen, euch nochmal in unsere Staatsgeheimnisse einzumischen. Wenn Assange etwas 'vergewaltigt' hat, dann die Geheimhaltung schmutzigster Regierungsverbrechen und krasser Korruptionspraktiken von Unternehmen. Deshalb wird er verfolgt, und nicht, weil er mit zwei Personen zweimal statt einmal und ohne statt mit Kondom Sex gehabt hat."

Magazinrundschau vom 08.05.2012 - El Espectador

Hector Abad denkt über das Handwerk des Übersetzens nach - nur das des Lesens findet er noch schöner: "Elke Wehr, eine große deutsche Übersetzerin, hat einmal gesagt, eigentlich übersetzen wir den ganzen Tag - in diesem Moment übersetzen Sie, liebe Leser, das, was Sie hier lesen, in eine geistige Sprache, ins Mentalische, die stumme Sprache des Denkens, die es möglich macht, dass wir uns verstehen. Nehmen wir zum Beispiel dieses alte Wort aus Kastilien, das ein Handwerk bezeichnet und dessen Bedeutung viele von Ihnen wahrscheinlich nicht kennen: 'Mamporrero'. Nun gut, künftig werden Sie es verstehen und, wer weiß, womöglich sogar bei sich zu Hause benutzen: Die Aufgabe des Mamporrero besteht darin, das Glied des Hengstes zu ergreifen und in die Scheide der Stute einzuführen, um die Befruchtung zu erleichtern - eine Vorstellung bzw. Handlung, die ihren Reiz (oder auch etwas Abstoßendes) hat und durchaus komplex ist, sich jedoch in diesem einen sehr ausdrucksstarken Wort zusammenfassen lässt. Übersetzen bedeutet genau dies: Verstehen, was ein Mamporrero ist, es auf Mentalisch speichern und, falls Sie Manns genug sind, ebenso treffend und ausdrucksstark in eine andere Sprache übertragen."
Stichwörter: Abad, Hector

Magazinrundschau vom 17.04.2012 - El Espectador

"Das neue Amerika und das alte Europa." Héctor Abad macht sich häretische Gedanken zum gerade in Kolumbien tagenden 6. Amerika-Gipfel: "Die Leute lieben es, schlecht durchdachte Banalitäten zu verkünden, als handelte es sich um endgültige Wahrheiten. Ein aktuelles Beispiel hierfür lautet: 'Das europäische Modell ist gescheitert, weg damit, suchen wir uns etwas Anderes.' Ein Irrtum, dessen Umsetzung gefährliche Folgen hätte: Westeuropa, selbst inmitten seiner Wirtschaftskrise, ist in politischer, kultureller und sozialer Hinsicht das bislang erfolgreichste Modell der letzten 5000 Jahre (von dem, was davor war, weiß man so gut wie nichts). Wie alles, was Menschen machen, ist es nicht vollkommen. Aber mehr als 200 Jahre nach der Unabhängigkeit der amerikanischen Staaten fragt man sich, ob es nicht zumindest einigen von ihnen besser ergangen wäre, wenn sie europäische Kolonien geblieben wären. Dem französischen Überseedepartement Guadeloupe ist es weniger schlecht ergangen als Haiti (so heldenhaft die dortige Sklavenbefreiung war), und müsste ich mich heute entscheiden, ob ich in dem so unabhängigen Cuba oder dem so abhängigen Puerto Rico leben sollte, fiele meine Wahl zweifellos auf Letzteres; für einen Algerier ohne ideologische Scheuklappen sollte es nicht ausgeschlossen sein, darüber nachzudenken, ob sein Land nicht besser ein französisches Departement geblieben wäre; und die Malwinen- bzw. Falklandinseln fahren mit England besser als mit Argentinien."

Magazinrundschau vom 15.11.2011 - El Espectador

Hector Abad hat Steven Pinkers neues Buch über die zurückgehende "Gewalt" gelesen und erkennt, anders als etwa Herfried Münkler, beglückt das Walten des guten Engels in uns: "Die schreckliche Welt, in der wir leben - mit ihren Massakern von Abu Ghraib und Mapiripan, den Twin Towers und dem Irak-Krieg, Afghanistan und Libyen - ist viel friedlicher und sicherer als beispielsweise die Welt während des napoleonischen Zeitalters, des amerikanischen Bürgerkriegs oder der kolumbianischen Unabhängigkeitskriege. So unglaublich es klingen mag: Es ist weniger wahrscheinlich, im heutigen Kolumbien ermordet zu werden als im Spanien des sogenannten Siglo de Oro. In Kolumbien, dem Land der Gewalt und der Gewaltforscher par excellence, sollte Steven Pinkers Buch zur Pflichtlektüre für alle Studenten der Geisteswissenschaften werden - ein wissenschaftliches Traktat gegen unsere Denkfaulheit und unsere ideologischen Vorurteile, das zeigt, wie viel Gutes in allen menschlichen Wesen wie auch in unserer Kultur enthalten ist."

Magazinrundschau vom 14.12.2010 - El Espectador

"Wikileaks paradox." Hector Abad kommentiert die bekannt gewordenen Depeschen der US-Botschaft in Bogota: "Was Kolumbien angeht, steht die Gringo-Diplomatie erstaunlich gut da: Liest man die veröffentlichten Diplomatenkabel, setzen sich die US-Beamten offensichtlich für ehrenwertere und demokratischere Dinge ein als ihre offiziellen kolumbianischen Gesprächspartner. Interessanterweise üben die Nordamerikaner in Fragen wie der Beachtung der Menschenrechte, der Problematik von Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren, Versuchen, Abgeordnete einzuschüchtern, unangemessenem Verhalten der Streitkräfte, Kompromissen im Kampf gegen Drogenhändler und Guerrilleros tatsächlich Druck aus! Wer dagegen schlecht wegkommt, sind die kolumbianischen Beamten auf der Gegenseite, ganz besonders Ex-Präsident Uribe und dessen Untergebene. Selbst mit Blick auf Hugo Chavez erweisen sich die Gringos als vernünftiger. Während Uribe Chavez - ähnlich großmäulig wie Chavez selbst - mit Hitler vergleicht, beschreiben die Amis ihn als 'aufgeweckten Politiker und geschickten Strategen'. Man ist geradezu versucht, dem iranischen Präsidenten Recht zu geben, wenn er sagt, die Weltmacht USA habe selbst für das Bekanntwerden der Dokumente gesorgt, um vor den Augen der Welt ein gutes Bild abzugeben."

Magazinrundschau vom 02.03.2010 - El Espectador

"Sire, es gibt noch Richter in Berlin." Hector Abad feiert einen wichtigen Sieg der kolumbianischen Zivilgesellschaft mit einem Zitat aus der preußischen Geschichte. Mit dem Sieg eines Müllers vor Gericht gegen die Baupläne Friedrichs des Großen - höchstwahrscheinlich eine wohlmeinende Erfindung - vergleicht Abad die Entscheidung der kolumbianischen Verfassungsrichter, Präsident Alvaro Uribes Bestrebungen, entgegen der Verfassung doch noch eine dritte Amtszeit zu absolvieren, eine Absage zu erteilen: "Es gibt also auch noch Richter in Bogota. Dieses Urteil bedeutet einen Sieg des Rechtstaates über den 'Meinungsstaat'. Eine momentane Mehrheit genügt also doch nicht, um die Verfassung in einem ihrer wichtigsten Punkte zu ändern. Überhaupt verdanken wir die meisten der wenigen politischen und gesellschaftlichen Fortschritte der letzten fast zwanzig Jahre dem seinerzeit neugeschaffenen Verfassungsgericht: Es verhalf den Vertriebenen zu ihrem Recht, erlaubte die Euthanasie und machte es möglich, dass viele Jahre lang in Kolumbien der persönliche Drogenkonsum straffrei war. Auch dass Frauen, die nach einer Vergewaltigung abtreiben, keine Gefängnisstrafe mehr droht, haben wir ihm zu verdanken. Es gibt also auch glückliche Momente im Leben einer Nation, in denen man spürt, dass man auf das Wachstum und die Reife des eigenen Landes vertrauen kann."

Magazinrundschau vom 26.05.2009 - El Espectador

Hector Abad denkt in der Wochenendausgabe des Espectador über das Verhältnis von Lesen und Leben nach: "Jemand hat einmal gesagt, es gebe drei Arten von Menschen: Leute, die das Leben leben, Leute, die darüber schreiben, und Leute, die am liebsten vom Leben lesen. Flaubert scheint mir der idealtypische Vertreter der zweiten, Borges der idealtypische Vertreter der dritten Gruppe. Was mich betrifft, kann ich sagen, dass ich gerne lebe, was ich in Büchern lese: Schenkt sich der Protagonist eines Romans einen Gin ein, folge ich unweigerlich seinem Beispiel. Ist er eifersüchtig, mache ich nach der Lektüre meiner Frau eine Szene. Neulich las ich von einem alten Schriftsteller mit Prostatakrebs - noch in derselben Woche ließ ich mich auf Antikörper untersuchen und bat meinen Urologen um einen schnellstmöglichen Termin."
Stichwörter: Abad, Hector, Borgen