Magazinrundschau - Archiv

The Guardian

400 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 40

Magazinrundschau vom 05.09.2023 - Guardian

Matthew Bremner beleuchtet die Hintergründe eines Massakers an der Spanisch-Marokkanischen Grenze, in dessen Verlauf am 24. Juni 2022 mindestens 37 afrikanische Flüchtlinge ums Leben kamen. Die EU bezahlt nordafrikanische Staaten wie Marokko dafür, die Migrationsströme zu regulieren. "Diese Politik hat hässliche Auswirkungen, wie Basir nur zu gut weiß. Seine erschütternde Reise nach Melilla begann im Alter von 15 Jahren im Sudan, nachdem er Zeuge der Ermordung seines Vaters und seines älteren Bruders in einem Stammeskonflikt geworden war. Er floh aus seinem Dorf und lebte bei seinem Onkel im Bundesstaat Sennar, wo er jedoch unter Druck gesetzt wurde, vom Christentum zum Islam zu konvertieren. Er ertrug fünf Jahre der Unruhen, bevor er genug Geld sparte, um nach Europa zu gehen. Er reiste durch Ägypten, Libyen, Algerien und Marokko. Er wurde viermal festgenommen und von den algerischen Behörden zum Sterben in der Wüste zurückgelassen. Er fühlte sich in jedem der UNHCR-Büros, die er auf seiner Reise aufsuchte, mit Gleichgültigkeit behandelt. Nach der Tragödie vom 24. Juni wurde Basir zusammen mit anderen sudanesischen Migranten in einem achteinhalbstündigen Bustransport in die zentralmarokkanische Stadt Beni Mellal gebracht". Er kämpfte sich zurück an die Westküste und beschloss dann, den legalen Weg nach Europa zu suchen, indem er einen Asylantrag in der spanischen Botschaft in Rabat stellte. "Als wir miteinander sprachen, wartete Basir bereits seit Monaten auf eine Lösung. Er ist durch die Hölle gegangen und hat es bis nach Spanien geschafft, weil er dachte, das würde reichen. Doch jetzt befindet er sich in der Schwebe, ist ständig unterwegs, falls die Behörden versuchen, ihn zu verhaften, und erlebt ständig den Moment, in dem er seine Landsleute in der Nachmittagssonne sterben sieht."

Magazinrundschau vom 29.08.2023 - Guardian

Mark Olden portraitiert Patson Muzuwa, einen politischen Aktivisten aus Simbabwe, der in den 1990er Jahren in der Widerstandsbewegung gegen den Diktator Robert Mugabe aktiv war. 2001 flüchtete er, in Lebensgefahr, nach Großbritannien, wo er sich seither durchschlägt - immer noch als Aktivist, der den Kampf seiner Mitstreiter aus der Ferne unterstützt; zunehmend jedoch auch als früh gealterter, gebrechlicher Mann, dem das Leben zugesetzt hat. Was ihm all die Jahre geholfen hat, fernab der Heimat zu überleben, ist die Gemeinschaft der Exilierten: "Nachdem er einige Monate lang bei Sarah Harland gewohnt hatte, zog Muzuwa, gemeinsam mit anderen Flüchtlingen und Asylbewerben aus Simbabwe, in ein Backsteinhaus in Bermondsey, in Londons Südosten. Eine lokale Kirchengemeinde half bei der Miete aus. Immer wenn ich zu Besuch kam, wurden mir Teller voller Hühnergerichte und sadza - ein Grundnahrungsmittel in Simbabwe, das aus Maismehl zubereitet wird - angeboten. Die Besucher, die in dem Haus ein- und ausgingen, formten einen Mikrokosmos des Landes selbst. 'Es war gemütlich, jeder war willkommen: die Ndebele, die Shona, die Weißen. Alle waren wir aus Zimbabwe, alle liebten wir das Essen und die Musik,' erzählte mir Muzuwa kürzlich. Ein Mitbewohner brachte ihm Ndebele bei, eine der wichtigsten Sprachen Simbabwes. Im Flur lagen stets Plastiktüten randvoll mit Second-Hand-Kleidung, die Muzuwa und seine Freunde über Spenden eingesammelt hatten, und die sie an Bedürftige in den Armenvierteln der simbabwischen Hauptstadt Harare schickten."

Magazinrundschau vom 22.08.2023 - Guardian

Der Germanist und politische Analyst Hans Kundnani stellt zentrale Thesen seines neuen Buchs "Eurowhiteness: Culture, Empire and Race in the European Project" vor. Europa definiert sich gern als Negation des Nationalismus, meint der Autor; tatsächlich sei es selbst jedoch ein regionalistisches Projekt und dieser Regionalismus habe mit dem vermeintlich überwundenen Nationalismus einiges gemeinsam: "Pro-Europäer glauben, dass Europa etwas anderes ist als eine Nation, vielleicht gar das glatte Gegenteil und dennoch reden sie oft ähnlich über Europa wie Nationalisten über Nationen reden. Ein gutes Beispiel ist die Idee von Europa als einer Schicksalsgemeinschaft. In einem nationalen Kontext wird das Konzept normalerweise als problematisch betrachtet, ganz besonders in Deutschland. Der Begriff suggeriert, ist der Konsens, eine atavistische, präpolitische Idee der Nation. Auf Europa hingegen wenden ihn die Proeuropäer häufig an, und gehen dann davon aus, dass er unproblematisch ist, solange er auf der regionalen anstatt auf der nationalen Ebene verbleibt. So schrieb der französische Philosoph Edgar Morin etwa 1990, die Europäer wären sich nach 1945 ihrer gemeinsamen Bestimmung bewusst geworden und seien 'im Augenblick der Schicksalsgemeinschaft angekommen'. Seit die Europäer sich mehr und mehr bedroht fühlen, insbesondere seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine, hat sich der Eindruck einer Schicksalsgemeinschaft verstärkt. Das kulturelle Element des europäischen Regionalismus verschwand nicht nach 1945, wie viele Proeuropäer glauben; vielmehr wirkte es in subtilerer Form fort - und beeinflusste das europäische Nachkriegseuropa, das keineswegs einen rein zivilgesellschaftlichen Regionalismus hervorbrachte."

Magazinrundschau vom 11.07.2023 - Guardian

Bevor die Autorin Victoria Amelina vor wenigen Tagen von russischen Raketen getötet wurde, hatte sie in einem Essay über ihr Selbstverständnis als Ukrainerin geschrieben. Die Episoden, die sie schildert, drehen sich um ihre kulturelle Identität sowie um die Frage, unter welchen Bedingungen grenzübeschreitende Solidarität möglich ist und unter welchen nicht. Besonders eindrücklich ist jedoch eine Begebenheit aus der Jugendzeit der Autorin in Moskau: "Mit fünfzehn gewann ich einen lokalen Wettbewerb und wurde ausgewählt, meine Heimatstadt Lemberg bei einem internationalen Russisch-Wettbewerb in Moskau zu vertreten. Ich war begeistert, die russische Hauptstadt zu besuchen. Moskau fühlte sich für mich wie das Zentrum meiner Heimat an. Meine Bibliothek war voll mit russischen Klassikern, und obwohl die Sowjetunion fast ein Jahrzehnt zuvor zusammengebrochen war, hatte sich in der russischen Schule, die ich besuchte, oder im russischen Fernsehen, das meine Familie gewöhnlich sah, nicht viel geändert. Außerdem hatte ich nicht einmal das Geld, um die Ukraine zu bereisen, aber Russland war gerne bereit, in meine Russifizierung zu investieren." Das ändert sich jedoch in Windeseile, sobald sie Bekanntschaft mit dem russischen Mediensystem macht: "In Moskau bat mich ein berühmter Journalist von ORT, damals ein führender russischer Fernsehsender, um ein Interview in den Abendnachrichten. Ich fühlte mich geschmeichelt, ich kam mir vor wie ein Star. Die Journalistin begann mit einer höflichen Frage, wie es mir in der russischen Hauptstadt gefalle, ging aber schnell zu ihrem eigentlichen Anliegen über. Wie unterdrückt fühlen Sie sich als russischsprachige Person im Westen der Ukraine? Wie gefährlich ist es, auf den Straßen Ihrer Heimatstadt Lwiw Russisch zu sprechen? Ich zuckte zusammen, als mir klar wurde, dass ich gar kein Star war, sondern nur dazu benutzt wurde, Millionen von Zuschauern der Abendnachrichten zu manipulieren."

Simon Worrall ist ein Freund der Eule und kann allen, die dem Tier gewogen sind, Jennifer Ackermans Buch "What an Owl Knows" als gelungene Mischung aus Eulenforschung und kulturgeschichtlichen Anmerkungen wärmstens empfehlen. Es belegt unter anderem die Eulenleidenschaft von Pablo Picasso und Florence Nightingale, aber auch die mitunter unvorhersehbaren Gefahren: "Selbst Filme können eine Bedrohung darstellen: Die weltweite Popularität von Harry Potters Schneeeule Hedwig führte dazu, dass Tausende von Eulen gekauft und dann weggeworfen wurden, als ihre Besitzer die Kosten und den Aufwand für ihre Pflege erkannten."

Magazinrundschau vom 04.07.2023 - Guardian

In den vergangenen Jahren hat sich die Gentrifizierung der Metropolen immens beschleunigt und auf weitere Stadtteile ausgedehnt, stellen Ian Goldin und Tom Lee-Devlin, beide Experten für Globalisierung, in ihrem lesenswerten Artikel über die Gentrifizierung in ausgewählten Metropolen fest. Vor allem mit den Millennials sei der Druck auf die Innenstädte angestiegen, die der wichtigste Marktplatz für deren Karrieren und Ehen darstellen. Die Millenials ziehen außerdem immer später an den Stadtrand, weil sie sich mit dem Kinderkriegen so viel Zeit lassen. Was also tun? Goldin und Lee-Devlin setzen auf drei Grundpfeiler: Faires Wohnen, faire Bildung und fairer öffentlicher Nahverkehr: "Der Zugang zu billigen Verkehrsmitteln ist seit langem eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass benachteiligte Stadtbewohner Zugang zu einer Erwerbstätigkeit erhalten. Die in vielen Großstädten bestehenden öffentlichen Verkehrssysteme wurden jedoch oft vor mehr als einem Jahrhundert entworfen und gebaut, als die Geografie der Armut noch ganz anders aussah. Mit der Gentrifizierung der Innenstädte und der Verlagerung der Armut nach außen besteht die Gefahr, dass die Verkehrssysteme in vielen Städten am Ende die Bevölkerung subventionieren, die es am wenigsten braucht. In London beispielsweise sind die Kosten für eine Monatskarte für diejenigen am höchsten, die aus den Außenbezirken in die Innenstadt pendeln müssen, obwohl gerade in diesen Gebieten die Armut am stärksten zunimmt. Es müssen auch Fragen zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs beantwortet werden. In London werden mehr als 70 Prozent der Einnahmen aus dem öffentlichen Verkehr durch Fahrkarten finanziert, doppelt so viel wie in Paris. Eine Monatskarte in London für die Zonen 1 bis 3 - was in etwa den inneren Bezirken entspricht - kostet zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts 184 Pfund (oder 211 Euro). Zum Vergleich: In Paris kostet eine Monatskarte für die Metro für alle Zonen, die eine ähnliche Strecke abdeckt, nur 84 Euro (73 Pfund)." In Deutschland sind es 50 Euro für - überall.

Magazinrundschau vom 20.06.2023 - Guardian

Carey Baraka besucht im kalifornischen Irvine die Ikone der antikolonialen Literatur, den 85-jährigen kenianischen Schriftsteller Ngugi wa Thiongo. Ausführlich erzählt Baraka, wie Ngugi in den sechziger Jahren nach heftigen Auseinandersetzungen mit anderen Autoren wie Chinua Achebe oder Wole Soyinka beschloss, seine Romane auf Gikuyu zu verfassen und sie erst anschließend ins Englische zu übersetzen. Smartness trifft hier auf eiserne Überzeugung: "Ich spielte Ngugi ein Lied vor, das in den Monaten nach den kenianischen Parlamentswahlen 2022 in Kenia ein Hit geworden war. Das Lied 'Vaida' ist in Lunyole gesungen, einer Sprache, die weder Ngugi noch ich sprechen. Doch schon bald tanzte er dazu, wippte mit dem Kopf und den Schultern. Zu seiner Zeit, sagt er, wäre ein Lied in einer afrikanischen Sprache kein nationaler Hit geworden. 'Wenn man zu meiner Zeit ein afrikanisches Lied im Radio hörte, schaltete man es aus. Man hat auf Jimmie Rodgers gewartet', sagte er. Dies war Teil dessen, was er die 'normalisierte Abnormität' der postkolonialen Situation nannte. Den Kolonisierten wurde ihre Sprache weggenommen und eine fremde Sprache an ihre Stelle gesetzt. 'Aber was ist mit dem kenianischen oder nigerianischen Englisch?' fragte ich ihn. 'Sind das nicht jetzt lokale Sprachen?' Er sah mich entgeistert an. 'Das ist, als wären die Versklavten froh, dass es eine lokale Version der Versklavung gibt', sagte er. 'Englisch ist keine afrikanische Sprache. Französisch auch nicht. Spanisch auch nicht. Kenianisches oder nigerianisches Englisch ist Unsinn. Das ist ein Beispiel für normalisierte Abnormität. Dass die Kolonisierten versuchen, die Sprache der Kolonisatoren für sich zu beanspruchen, ist ein Zeichen für den Erfolg der Versklavung. Das ist peinlich.' Er hielt sich die Augen zu. 'Ich habe gelesen, dass jemand sagt, er schreibe auf Französisch, um es subversiv zu untergraben. Ich dachte: Moment mal. Er ist derjenige, der untergraben wird.' Während er sprach, wand ich mich innerlich. Ich fragte mich, was Ngugi von der Tatsache hielt, dass ich auf Englisch schrieb, oder dass ich, ein kenianischer Schriftsteller, hier war, um im Auftrag einer britischen Zeitung über ihn zu berichten. War ich auch einer der Versklavten?"
Stichwörter: Thiongo, Ngugi Wa

Magazinrundschau vom 25.04.2023 - Guardian

Im sudanesischen Machtkampf bekriegen sich zwei militärische Fraktionen, von denen keine Rückhalt oder Legitimation in der Bevölkerung besitzen, betont Nesrine Malik in einem informativen Hintergrundartikel. Zwei Generäle kämpfen um die Nachfolge des gestürzten Präsidenten Omar al-Bashir. Doch den offenen Kampf eröffnete Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemdti. Seine RSF gingen aus den berüchtigten arabischen Dschandschawid-Milizen hervor, die in Darfur gegen die schwarze Bevölkerung gewütet hatten: "Hemedti ist ein Außenseiter. Selbst als Politiker mittleren Ranges würde er im Sudan auffallen; an der Spitze des Staates sind sein Stil und sein persönlicher Hintergrund noch auffälliger. Im Gegensatz zu allen bisherigen Machthabern spricht er fast ausschließlich Dialekt, sein Arabisch ist charakteristisch für die Stämme des Westens, die weit entfernt von den üblichen Ursprüngen sudanesischer Führer leben - den Militärkasernen und Elitesalons in Khartoum. Hemedti ist volkstümlich, leichtlebig, mit einem Glitzern in den Augen und einem schalkhaften Lächeln, das über seinen Ruf als Schlächter hinwegtäuschen könnte. Sogar sein Spitzname, eine Verkleinerungsform von Mohamed, ist eine Anspielung auf seine babyhaften Gesichtszüge. Mit seinem unkonventionellen Hintergrund hat er unter den politischen Eliten und dem Militär des Sudan nur wenige Verbündete. Aber als Politiker, der auch im Besitz von immens wertvollen Goldminen ist und mit rund 70.000 Soldaten die größte Privatarmee Afrikas unterhält, hat sich dies zumindest bisher nicht als großes Hindernis erwiesen. Hemedti besitzt zusammen mit anderen Mitgliedern seiner Familie einen Goldminenkonzern in eben jenen Gebieten, die er 2017 in Darfur erobert hat." Ach, und dann wird er auch noch von der russischen Wagner-Gruppe, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt, für die er ungefähr 40.000 Milizionäre in den Jemen geschickt hat.

Magazinrundschau vom 28.02.2023 - Guardian

Francesca Carington beschreibt in einer Reportage die Vielfalt der Orchideen, die im New Yorker Botanischen Garten gezeigt werden - und die kriminellen Energien, die diese Pflanzen bisweilen freisetzen. Bei dem in lange Traditionen zurückreichenden Hobby des Sammelns, verrät sie, wurde beim Gewinn und Erwerb der Orchideen damals wie heute wenig Rücksicht genommen auf die mögliche Artenvielfalt und das Gesetz. Dass der Handel mit vom Aussterben bedrohten Pflanzen illegal ist, interessiert nicht alle Sammler, auch für den Zoll sind Tier- und Drogenschmuggel wichtiger, weiß Carington nun. Werden die Gewächse aber aufgefunden, müssen sie oft im Labor des Botanischen Gartens mühsam wieder hochgepäppelt und für eventuelle polizeiliche Ermittlungen aufbewahrt werden. Warum gehen Menschen diese Risiken ein, nur um die ästhetischen Reize dieser Blumen bewundern zu können, fragt sich die Autorin, und kommt zu folgender Antwort: "In botanischer Hinsicht sind Orchideen faszinierend. Viele Arten vermehren sich mithilfe optischer Täuschungen, ein Prozess, den man als 'Pseudokopulation' bezeichnet. Sie stellen weibliche Wespen oder Bienen nach, um die männlichen Artgenossen dazu zu bringen, sie zu bestäuben, ohne dem Insekt ihren Nektar zukommen zu lassen. Michael Pollan nennt die Orchidee 'die aufblasbare Sexpuppe der Pflanzenwelt.' Sexpuppen, sexuell suggestive Objekte, Geiseln des Imperialismus oder einfach nur schöne Blumen - Orchideen verkörpern alle Arten von Launen und Mythen." Damit sind sie von den Menschen nicht allzu weit entfernt, denkt sich Carington.
Stichwörter: Orchideen, Botanik, Imperialismus

Magazinrundschau vom 21.02.2023 - Guardian

Mit der Verve und dem Zorn über die politischen Verhältnisse, die man von ihr kennt, beschreibt Arundhati Roy die innigen Beziehungen von Indiens Premier Modi zu dem Industriellen Gautam Adani, dessen milliardenschweres Unternehmen trotz kürzlich erlittener schwerer Verluste seit seinem Aufstieg tief in die Politik Modis verstrickt ist. Eine BBC-Reportage und eine Untersuchung der amerikanischen Hindenburg Research Group bringen für Roy Licht ins Dunkel der "indischen Twin Towers", wie sie die beiden nennt, doch eine weitere Aufklärung nicht nur der Finanzen und der Einflussnahme der Geldgeber wird verhindert, sondern auch der gewalttätigen Unruhen, die unter Modi aufgekocht sind. Gegen eine von Parlamentariern und Reportern angestrebte Untersuchung durch unabhängige Organe wehrt sich der Premier, vielleicht nicht nur, um die finanzielle Unterstützung seines Freundes zu vertuschen, sondern auch die Brutalität, die, wie Roy betont, unter seiner hindu-nationalistischen Regierung an der Tagesordnung ist: "Für die meisten Inder ist dies in unser tägliches Leben übergegangen: Waffenschwingende Mobs, safranfarben gekleidete Gottesfürchtige, die Tag für Tag nach dem Genozid an Muslimen verlangen, Massenvergewaltigungen an muslimischen Frauen, dass Hindus ungestraft Muslime auf offener Straße lynchen und sich dabei nicht nur filmen, sondern auch Lobpreisungen von Mitgliedern aus Modis Kabinett dafür erwarten können."

Magazinrundschau vom 31.01.2023 - Guardian

Mark O'Connell erzählt von einem Kulturkampf, der in dieser Unnachgiebigkeit wahrscheinlich nur auf der Isle of Wight geführt werden kann: Der Kampf um den Botanischen Garten von Ventnor. Vor zehn Jahren kaufte ihn der Bostoner Anwalt John Curtis, der seinen Stammbaum bis zu den ältesten Familien von Massachusetts und Connecticut zurückführen kann, den die Engländer der Kanalinsel aber nur als amerikanische Geschäftsmann verachten, seit er eine gärtnerische Praxis einführte, die er als Ventnor Methode anpreist: "Ohne die strenge Aufsicht eines typischen Botanischen Gartens dürfen die Pflanzen in Ventnor wachsen, wo immer sie sich selbst aussäen. Dank des Mikroklimas des Gartens können Arten, die in Australien, Südafrika und im Mittelmeerraum beheimatet sind und die auf dem britischen Festland zugrunde gehen würden, in Ventnor ohne große Eingriffe gedeihen. Und genau dieser Ansatz eines gewissen Laissez-faire bei der Pflege des Gartens ist der Kern der Kontroverse. Curtis und sein Team behaupten, dass sie von unnötigen Eingriffen absähen; seine Kritiker meinen, dass sie den Garten in Wirklichkeit furchtbar und katastrophal vernachlässigten und der Ort infolgedessen zu einem unansehnlichen Durcheinander verkommen sei. Letztes Jahr erklärte ein ehemaliger Kurator von Ventnor, die Anlage sei entwertet, dass sie 'den Titel botanisch nicht mehr verdiene'... Ziel der Ventnor-Methode ist es, so genannte 'synthetische Ökosysteme' zu schaffen, die einer natürlichen Umgebung ähnlicher sind als ein typischer botanischer Garten. Laub verrottet dort, wo es liegt; herabgefallene Äste werden, solange sie keine Stolperfallen für die Besucher darstellen, unberührt gelassen. Curtis und sein Chefgärtner, der Kurator von Ventnor, Chris Kidd, sagen, dass dies eine natürliche Methode sei, um dem Boden Nährstoffe zuzuführen. All dies geschehe im Namen der Nachhaltigkeit, denn der intensive Ressourcenverbrauch, den die traditionellen Methoden des botanischen Gartens erfordern, sei angesichts der sich verschärfenden Klimakrise nicht mehr vertretbar." Ganz abgesehen davon, dass diese Methode sehr viel weniger Personal braucht.