Magazinrundschau - Archiv

Kommune

13 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 2

Magazinrundschau vom 10.06.2003 - Kommune

Der amerikanische Philosoph Dick Howard (mehr hier) meint es gut mit der Linken und rechnet daher gnadenlos mit ihrer "moralisierenden Anti-Politik" ab. Eine weitere Niederlage wie im Irak-Konflikt möchte er ihr nämlich ersparen, weshalb sie sich seiner Meinung nach den Problemen politisch und nicht allein moralisch stellen sollte: "Da gibt es zunächst die Strategie der 'Neuen Weltordnung', die man nicht in einem Block ablehnen darf, als ob es sich um einen Wahn handelt, der aus der Hybris eines autistisch gewordenen Landes hervorgeht. Hätte man zulassen sollen, dass sich die Lage im Nahen Osten weiterhin verschlimmert? ... Nichts zu tun ist auch eine Art des Handelns. Hat man nicht den Fall der Berliner Mauer erlebt, ein überraschendes Ereignis, das von den 'Progressisten' nicht erwartet worden war, die für eine verständnisvollere Politik gegenüber einem sozioökonomischen System eintraten, das früher oder später sowieso dazu gezwungen sein würde, sich zu reformieren? Man hätte über die Politik nachdenken müssen, die die Linke zu jener Zeit vertrat, man hätte dabei über die Ähnlichkeiten und Unterschiede im Vergleich zur Lage im Nahen Osten diskutieren müssen, und man hätte die Sache der Demokratie für sich in Anspruch nehmen müssen, die - geschichtlich gesehen - nicht zu einer eher elitären Rechten gehört."

Marko Martin bringt recht bedrückende Impressionen aus Ruanda mit, aber auch mehr Fragen als Antworten. Etwa, ob es sich bei der Regierung von Präsident Kageme tatsächlich um die letzten Kommunisten Afrikas handelt, wie ihre Kritiker meinen. "Oder sind die Mitglieder der jetzigen Regierung, der auch Kritiker bescheinigen, sie sei nicht korrupt, vielleicht eher die 'Israelis Afrikas', traumatisierte Demokraten, die auf Sicherheit und Kontrolle Wert legen und dabei einer beckmesserischen, allzeit kritikbereiten Welt, die dem Genozid von 1994 tatenlos zusah, heute mit Recht den Mittelfinger zeigen?"

Weitere Artikel: Helmut Wiesenthal befasst sich ausführlich mit dem Elend des korporativen Sozialstaats und dem Egoismus der Gewerkschaften - mit anderen Worten: mit dem Modell Deutschland: "Modell D - das meinte nichts Geringeres als die Überlegenheit der deutschen Wirtschafts- und Sozialordnung im internationalen Vergleich." Allerdings hatte das gefühlte 'Systemglück' seiner Meinung nach nur bis 1973 eine halbwegs reale Basis. Harry Kunz nimmt einzelne Punkte der Agenda 2010 ins Visier. Ernst Köhler weiß von seiner Reise nach Bosnien "wenig Erfreuliches" zu berichten, stattdessen von alten Strukturen, Hoffnungslosigkeit und einer verbreiteten "Entpolitisierung". Renate Kreile meint, dass Frauen durchaus vom Islamismus profitieren können. Michael Opielka skizziert die Positionen von Mark Lilla, Karl Otto Hondrich und Ulrich Beck zum Irakkrieg (zur Debatte siehe hier, hier und hier).

Außerdem gibt es eine Literaturbeilage, die Wilhelm Paul mit einigen recht mokanten Worten über die Lyrik in Zeiten des Krieges eröffnet.

Magazinrundschau vom 07.04.2003 - Kommune

Die Belgrader Juristin Olga Popovic-Obradovic beklagt das Fehlen einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit in Serbien. "Die Gewissheit über das Verbrechen ist Furcht erregend, die Arbeit des Haager Tribunals durchschlagend. Dennoch befasst sich Serbien nicht mit seiner Verantwortung und macht diesbezüglich einen völlig gleichgültigen Eindruck. Die Dinge sind in ihr Gegenteil verkehrt worden. An Stelle von Verantwortung spricht man über das Haager Tribunal im Kontext von Geld und Investitionen. Die moralische Dimension wird vollständig vernachlässigt, bewusst und absichtlich. Von der Regierung wird nur eine Botschaft ausgesandt: Uns interessieren weder die Taten, die den Haager Angeklagten zur Last gelegt werden, noch die Angeklagten selbst. Uns interessiert nur das Geld, das wir für ihre Überstellung erhalten können."

Michael Werz entlarvt die amerikanischen Neokonservativen, nicht nur als politische Gesinnungstäter, für die der Irak nur die erste Station waffengestützter Demokratisierungsmaßnahmen war: "Zuweilen scheint es, als sprächen hier konservative Bolschewisten von der Notwendigkeit der Weltrevolution. Es ist vielleicht kein Zufall, dass einer ihrer intellektuellen Wortführer, der Politikwissenschaftler Joshua Muravchik, in den frühen Siebzigerjahren noch Vorsitzender des Sozialistischen Jugendbundes in Brooklyn gewesen ist."

In weiteren Artikel geht es einmal rund um den Globus: Nordkorea schickt sich an, ein immer bedrohlicherer Krisenherd zu werden, Siegfried Knittel liefert einen sehr hilfreichen Überblick über das geopolitische Umfeld und die Intentionen der in dem Konflikt involvierten Staaten. Jochen Müller vermutet, dass Islamismus und arabischer Nationalismus ihre Popularität vor allem dem Antisemitismus verdanken. Karl Ludwig Schibel fürchtet in der globalen Klimapolitik eine breitangelegte Gegenoffensive der USA, deren erster Schritt nur der Abschied vom Kyoto-Protokoll gewesen ist. Ludwig Watzal hat sich durch neueste Bücher zum Nahostkonflikt gelesen. Michel Marian erklärt, warum man überhaupt kein schlechtes Gewissen zu haben braucht, wenn man den EU-Beitritt der Türkei weiter hinausschiebt. Der Historiker Günter Barudio erinnert an die Goldenen Regeln des Gerechten Friedens, wie sie im Universalfrieden von 1648 (mehr hier) aufgestellt wurden: Gegenseitigkeit, Verhältnismäßigkeit und die Verpflichtung aufs Gemeinwohl.

Nur im Print gibt es ein Interview mit dem französischen Filmemacher und Schriftsteller Marek Halter, der mit der demokratischen Entwicklung im Russland Wladimir Putins eigentlich ganz zufrieden ist: "Ich blende ja das Chaos und Korruption, die Mafia-Morde et cetera nicht aus, und doch kann ich nicht umhin, erstaunt zu sein, wie sich die Umwandlung einer Plan- in eine Marktwirtschaft vollzieht, ohne dass es einen Bürgerkrieg gibt. Blicken wir doch nur in die Geschichte zurück, in das England Cromwells, als die ersten Manufakturen entstanden: Was für ein mörderisches Gemetzel! Aus diesem blutigen Urgrund ist das entstanden, was wir heute demokratischen Kapitalismus nennen... Im Ernst: Wie wollen wir 13 Jahre nach dem Ende des Gulag-Systems in Russland eine funktionierende Demokratie erwarten?" Und vieles mehr.

Magazinrundschau vom 24.02.2003 - Kommune

Die Kommune hat gründlich bei sich aufgeräumt. Sie erscheint jetzt nur noch zweimonatlich, stellt dafür aber erfreulicherweise jede Menge Artikel ins Netz.

Thema des neuen Hefts sind die transatlantischen Beziehungen. Peter Lohauß konstatiert gravierenden Lernbedarf seitens der Europäer: "Viele Europäer halten die Amerikaner für prinzipienlos und nur auf kurzsichtige und kurzfristige Interessen ausgerichtet. Sie verstehen nicht, dass zum einen die Bevorzugung des Wertes der Freiheit amerikanischen Regierungen grundsätzlich einen weiteren Entscheidungsspielraum gewährt als europäischen und dass vor allem der amerikanische Pragmatismus sehr viel flexibler in der Mittelwahl ist als europäisch verstandene Treue zu Prinzipien ... Man muss sich nur daran erinnern, dass die USA in der Not der deutschen und japanischen Aggression im Zweiten Weltkrieg der Sowjetunion ein treuer Alliierter waren, um zu wissen, dass die zukünftigen Handlungen der USA aus ihrer inneren demokratisch-freiheitlichen Orientierung zu schließen sind und nicht aus ihren gegenwärtigen Alliierten."

Ulrich Speck meint allerdings, dass Europa in Sachen Irak-Politik einen wichtigen Etappensieg errungen hat, schließlich habe es die UN gestärkt und einen Alleingang der USA verhindert.

In einem weiteren Schwerpunkt überlegt Gerd Koenen (mehr hier) fast zwanzig Jahre nach dem Historiker-Streit, welche Rolle der Bolschewismus als Schreck- und Vorbild, aber auch als "Schüttelbild" für die Nationalsozialisten gespielt hat. Dabei kommt er - unter vielen anderen - zu folgendem Schluss: "Der Affekt gegen den 'Bolschewismus' meinte häufig Phänomene, die mehr der rapiden Amerikanisierung der Alltagskultur als irgendeiner fiktiven 'Sowjetisierung' entsprangen. Plakativ gesagt, ging es nicht allein und nicht einmal in erster Linie um Guillotinen oder Erschießungskommandos, um rote Kommandeure und Kommandeusen, sondern um 'zerhackte' Verse oder Bilder, um aufgelöste Harmonien und entwertete Geldzeichen, um kurze Haare und Damenwahl beim Tanz."

Weitere Artikel: Ernst Köhler diskutiert die Debatte um die "Neuen Kriege". Balduin Winter stellt den Börsenpräsidenten Bush vor. Und Martin Altmeyer macht sozialdemokratische Klientel- und Subventionspolitik, sowie gewerkschaftlichen Strukturkonservatismus für die soziale Desintegration im Lande verantwortlich.