Die Belgrader
Juristin Olga Popovic-Obradovic beklagt das Fehlen einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der jüngsten
Vergangenheit in Serbien. "Die Gewissheit über das
Verbrechen ist Furcht erregend, die Arbeit des Haager Tribunals durchschlagend. Dennoch befasst sich Serbien nicht mit seiner Verantwortung und macht diesbezüglich einen
völlig gleichgültigen Eindruck. Die Dinge sind in ihr Gegenteil verkehrt worden. An Stelle von Verantwortung spricht man über das Haager Tribunal im Kontext von
Geld und Investitionen. Die
moralische Dimension wird vollständig vernachlässigt, bewusst und absichtlich. Von der Regierung wird nur eine Botschaft ausgesandt: Uns interessieren weder die
Taten, die den Haager Angeklagten zur Last gelegt werden, noch die
Angeklagten selbst. Uns interessiert nur das Geld, das wir für ihre
Überstellung erhalten können."
Michael Werz
entlarvt die
amerikanischen Neokonservativen, nicht nur als politische Gesinnungstäter, für die der Irak nur die erste Station waffengestützter Demokratisierungsmaßnahmen war: "Zuweilen scheint es, als sprächen hier
konservative Bolschewisten von der Notwendigkeit der
Weltrevolution. Es ist vielleicht kein Zufall, dass einer ihrer intellektuellen Wortführer, der Politikwissenschaftler
Joshua Muravchik, in den frühen Siebzigerjahren noch Vorsitzender des
Sozialistischen Jugendbundes in Brooklyn gewesen ist."
In weiteren Artikel geht es einmal rund um den Globus:
Nordkorea schickt sich an, ein immer bedrohlicherer
Krisenherd zu werden, Siegfried Knittel
liefert einen sehr hilfreichen Überblick über das
geopolitische Umfeld und die Intentionen der in dem Konflikt involvierten Staaten. Jochen Müller
vermutet, dass
Islamismus und
arabischer Nationalismus ihre Popularität vor allem dem
Antisemitismus verdanken. Karl Ludwig Schibel
fürchtet in der
globalen Klimapolitik eine breitangelegte
Gegenoffensive der USA, deren erster Schritt nur der Abschied vom
Kyoto-Protokoll gewesen ist. Ludwig Watzal hat sich durch neueste Bücher zum Nahostkonflikt
gelesen. Michel Marian
erklärt, warum man überhaupt kein
schlechtes Gewissen zu haben braucht, wenn man den EU-Beitritt der Türkei weiter hinausschiebt. Der Historiker Günter Barudio
erinnert an die Goldenen Regeln des
Gerechten Friedens, wie sie im
Universalfrieden von 1648 (mehr
hier) aufgestellt wurden: Gegenseitigkeit, Verhältnismäßigkeit und die Verpflichtung aufs Gemeinwohl.
Nur im Print gibt es ein Interview mit dem französischen Filmemacher und Schriftsteller
Marek Halter, der mit der
demokratischen Entwicklung im Russland Wladimir Putins eigentlich ganz zufrieden ist: "Ich blende ja das
Chaos und
Korruption, die Mafia-Morde et cetera nicht aus, und doch kann ich nicht umhin, erstaunt zu sein, wie sich die Umwandlung einer Plan- in eine Marktwirtschaft vollzieht, ohne dass es einen
Bürgerkrieg gibt. Blicken wir doch nur in die Geschichte zurück, in das
England Cromwells, als die ersten Manufakturen entstanden: Was für ein
mörderisches Gemetzel! Aus diesem blutigen Urgrund ist das entstanden, was wir heute demokratischen Kapitalismus nennen... Im Ernst: Wie wollen wir 13 Jahre nach dem Ende des
Gulag-Systems in Russland eine
funktionierende Demokratie erwarten?" Und vieles mehr.