Ars criticandi: Der
Schriftsteller Javier Sicilia, der sich seit einiger Zeit mit bewunderungswürdigem Mut der mexikanischen Drogenmafia entgegenstellt, und der
Publizist - und
Letras Libres-Herausgeber -
Enrique Krauze führen ein überaus reizvolles
Streitgespräch über Krauzes neues Buch
Redeemers (
mehr hier) und die Bedeutung neuer libertärer Bewegungen wie der Indignados oder Occupy: "Ich halte deren Botschaft sehr wohl für anarchistisch-utopisch", meint Krauze, "und das ist auch sehr gut so. Doch im politischen Leben ist der Anarchismus unmöglich. ('Wir haben ihn nicht verdient', wie Borges gesagt hat.) Die Bedeutung des
Anarchismus ist eine moralische. Ich ziehe jedoch die
sanfte Version des Anarchismus vor: den Liberalismus. Dieser besteht vor allem in einer
Haltung: in der Bereitschaft, zu argumentieren, statt anderen etwas aufzuzwingen; zu beweisen und zu begründen, statt möglichst laut zu schreien. Im Kern steht der Liberalismus nicht für den Willen zur Macht, sondern für den
Wunsch,
zu wissen. Er glaubt nicht an den Glauben, sondern an die objektive Wahrheit. Deshalb ist die natürliche Grundlage des Liberalismus nicht die Liebe - die sich, wie Sicilia selbst sagt, 'nicht verwalten lässt' -, sondern die Toleranz, die ihrerseits in
radikaler Achtung der menschlichen Person besteht, der Menschlichkeit des anderen, dessen, was dieser ist und denkt."